Posts from Metta in thread „Buddhismus und Religion“

    Angenommen, jemand hat körperliche Beschwerden, zum Beispiel quälenden Husten, und geht damit zum Arzt. Der Arzt verschreibt ihm ein Medikament. Die Wirkung des Medikamentes wird vermutlich nicht davon abhängen, ob er dessen Wirkung versteht. Also beispielsweise, dass der Husten durch Bakterien verursacht wird und dass das Medikament die Bakterien beseitigt.


    Lässt sich diese Erkenntnis auf die vier edlen Wahrheiten übertragen? Also, wirkt der achtfache Pfad (vierte Wahrheit) auch so gegen Dukkha, wenn man sich mit dem Wirkungsmechanismus (zweite und dritte Wahrheit) nicht weiter beschäftigt und wenn man sich bei Dukkha (erste Wahrheit) auf etwas beschränkt, was laut MN 141unter Dukkha fällt und was man für sich zutreffend hält? Beispielsweise könnte man sich anhand MN 141 heraussuchen:

    Nur bedingt. Heilung erfordert nicht nur die blinde Einnahme eines Medikaments, sondern in den meisten Fällen eine aktive Mitwirkung des Patienten. Aktive Mitwirkung erfordert sehr oft auch Verstehen. So ist es auch beim 8fachen Pfad. Allein durch bloße Befolgung der Silas oder Samadhi, lässt sich keine Weisheit erreichen, das erfordert aktives Verstehen.

    Wenn alles Dukkha ist, also auch der Pfad, dann hat man kein Mittel, die wahren Beendigungen zu erreichen. Zu sagen, auch der Pfad ist Dukkha, bedeutet zu sagen, dass das Medikament Krankheit ist.

    Oh, du weißt doch, dass ein Medikament auch Gift sein kann. Hängt davon ab. wie man es verwendet.

    Ist der Pfad Dukkha, dann gäbe es kein Mittel zur Überwindung der Ursachen von Dukkha, denn der achtfache Pfad bliebe dann ja immer Dukkha. Egal was man wie praktizieren würde, die Praxis bliebe immer Dukkha. Dies hieße in der Konsequenz, der achtfache Pfad fesselt uns weiter an Samsara und führt nicht zur Befreiung aus Samsara.

    Tja, dann frage ich mal so: Es gibt ja bekanntlich jede Menge Leute, die den Pfad seit Jahrzehnten praktizieren, ohne dass es zu merklichen Erfolgen im Sinne von MN10 geführt hätte, außer, dass sie sich in einem Samsara mit "8fachem Pfad" gemütlich eingerichtet haben.
    Ist der Pfad dann immer noch Medizin? Ich denke nicht.

    Doch:

    Es ist wirklich schade, dass auch du in 20 Jahren nicht die Kraft gefunden hast, dir wenigstens die Grundlagen vom Pali, ein bissel Grammatik, anzueignen.


    Danke, dass du mir schon Arbeit abgenommen hast.
    Als Ergänzung noch folgendes: Du hast ja schon "anussati" viel besser übersetzt, es ist nicht die Erinnerung im landläufigen Sinn, also an tatsächliche frühere Begebenheiten, sondern es geht um eine "achtsame Betrachtung".
    Und ja, der Text ist zunächst mehrdeutig, weil die Verwendung von Pronomen im Pali oft fakultativ ist. Aber man hätte ja Eindeutigkeit schaffen können, wenn man sie verwendet hätte. Deshalb meine ich, dass es eher passt, den Abschnitt völlig unpersönlich zu übersetzen.

    Nicht alles was wir in unserem Leben erfahren ist Dukkha; weder der achtfache Pfad noch die wahren Beendigungen (4. und 3. edle Wahrheit) sind Dukkha. Sie sind vielmehr das Gegenmittel gegen Dukkha und deshalb kein Dukkha.

    Tasächlich nicht. Solange man nicht erwacht ist, ist alles Dukkha, bleibt Daseinsmerkmal. Selbst der Pfad - man übt ihn bis dahin bestenfalls auch nur "recht" (samma) aus, und nicht "vollkommen" (samma). Der vollkommene Pfad ist aber kein Pfad mehr, sondern ist vom Erwachten nicht mehr unterscheidbar. Der "rechte Pfad" war nur ein Floß, das am anderen Ufer zurückgelassen wird.

    Im zweiten Jhana hört das Nachdenken auf, im vierten Jhana ist es nach der Überlieferung u.a. möglich seine vergangenen Leben und die Wirkungsweise von Karma zu sehen.

    von "seine" steht da nix.

    ansonsten gilt:

    "Es mag schon sein, Cundo, daß da ein Mönch nach völliger Überwindung der Nichtdaseinsphäre die Grenzscheide möglicher Wahrnehmung gewonnen habe und nun denke: 'Selbstläuterung wirk' ich.' Doch das wird, Cundo, im Orden des Heiligen nicht Selbstläuterung genannt, selige Ruhe wird das im Orden des Heiligen genannt. ...." (MN8)

    "Weiter sodann, Ānando, hat der Mönch den Gedanken 'Nichtdaseinsphäre' entlassen, den Gedanken 'Grenzscheide möglicher Wahrnehmung' entlassen; geistige Einheit ohne Vorstellung nimmt er auf als einzigen Gegenstand. In geistiger Einheit ohne Vorstellung erhebt sich ihm das Herz, erheitert sich, beschwichtigt sich, beruhigt sich.

    Also erkennt er: 'Auch diese geistige Einheit ohne Vorstellung ist zusammengesetzt, zusammengesonnen: was aber irgend zusammengesetzt, zusammengesonnen ist, das ist wandelbar, muß untergehn'" (MN 141)

    Gilt ausnahmslos für alle Vertiefungen: Sie sind "zusammengesonnen" , sie unterscheiden sich in diesem Merkmal überhaupt nicht von übrigen Gedanken.
    Aber diese (entscheidende) Erkenntnis kann man erst fassen, wenn man aus der Vertiefung heraustritt. Selbiges gilt auch für das, was man in der 4 Vertiefung "erlebt".

    In diesem Sinn ist die Lehre des Buddha eine Religion, als Mittel zur ihrer vollständigen Ergründung empfiehlt sie Meditation.

    "Meditieren " kann man völlig ohne Religion.
    Buddistische "Meditation" steht auch nicht isoliert neben "Nachdenken", sondern erfordert sogar vom Praktizierenden das rationale "Erwägen" der dabei auftretenden "Erlebnisse".

    Die Frage, was zuerst war – die Materie oder der Geist – kann mit der Frage verglichen werden, was zuerst war – die Henne oder das Ei.

    Beide Fragen basieren auf einem Missverständnis.
    Da wo Geist ist, ist er nicht auf Grundlage einer beliebigen Materie-Konfiguration entstanden, sondern nur gemeinsam mit einer speziellen Materie-Struktur.
    Ebenso verhält es sich mit Henne und Hühnerei (mit Schale): Irgendwann weit zurück in der Evolution fand der Übergang aquatischer Wirbeltiere zu ausschließlich landlebenden Wirbeltieren statt und einer dieser Vorfahren, die Amnioten, (diese spezielle Materie-Struktur) erlangte und vererbte die Fähigkeit austrocknungsresistente Eier (mit Schale) zu produzieren. Also auch ein Zusammenentstehen.

    Es könnte helfen, Buddhismus ganz simpel nicht als Religion zu verstehen

    Nur sieht die Wirklichkeit anders aus: die meisten Buddhisten sehen Buddhismus als Religion, und sie handeln auch entsprechend.

    Im Buddhismus sind das Karma, die Wiedergeburt und der Glauben an die Existenz des Erwachens. Lässt man das weg, wäre es meiner Meinung nach keine Religion mehr, aber auch kein Buddhismus.

    Das hängt davon ab, wie man Karma, Wiedergeburt und Erwachen sieht. Ich finde, dass es gerade in den Pali-Überlieferungen genügend Hinweise auf einen völlig rationalen Inhalt gibt, allerdings hinter einer jahrhundertelangen Tradition von Kommentaren und "traditionellen" Deutungen verborgen. Es ist schon möglich, letzteren nicht zu folgen, dann bleibt es auch Buddhismus.