Beiträge von mogun im Thema „Welches Buch lest ihr gerade?“

    Stephen Batchelor - Confessions of a Buddhist Atheist



    Stephen Batchelor schreibt in seinem Buch eine biographische Auseinandersetzung mit dem Buddhismus. Er konvertierte in einer Zeit der Jugendrebellion während einer Reise nach Asien zum Buddhismus. Damals hatte er nur eine vage Vorstellung, die aus der Faszination von buddhistischen Werten herrührte. Er wurde Mönch der Gelug-Schule und lebte auch in buddhistischen Zentren in Europa. Er kam auch mit anderen buddhistischen Strömungen in Berührung und lebte z.B. in Korea, um Zen zu studieren. Als Mönch und später Laie veröffentlichte er viele Bücher und ist heute einer der prominentesten Vertreter eines säkularen Buddhismus, oft „Buddhismus 2.0“ genannt.


    Wie kam es zu dieser Wandlung? Er berichtet von vielen Momenten des Zweifels, die langsam entfremdeten. Er entdeckte die Philosophie des 20. Jahrhunderts und dass sie ihn von den tibetanischen Lamas trennte: kulturellen Differenzen aber auch unterschiedliche Grade der Bildung. Er berichtet von seinem Unglauben an deren magischen Ritualen und ihrem diesbzgl. Selbstbetrug, seinem permanenten Zweifel an der Wiedergeburt und ebenso, dass zölibatäres leben nicht seinen Bedürfnissen entspricht. Seine Antwort auf den Zweifel an der Wiedergeburt war zuerst eine agnostische Position, der aber als unehrlich bezeichnet. Diese persönlichen Schlüsselmomente bezeichnet er als „buddhist failure“. Der erste solche Moment ist eine Predigt des Dalai Lama 1973 im Mai 1973, wo er Senfsamen gen Himmel wirft und magische Formeln rezitiert. Nachher wird behauptet, er hätte einen Wolkenbruch abgewendet – nur es gab keinen solchen. Dennoch erzählte er selber mit anderen diese Geschichten, wohlwissend, dass sie nicht der Wahrheit entsprachen.


    Was macht dieses Buch lesenswert? Zum einen ist es eine sehr interessante Biographie, in dem man auch über die Krise des tibetanischen Buddhismus, der sich jahrhundertelang als eine Art spiritueller Beschützer Tibets sah durch seine Verehrung vieler Schutzgeister und anderer magischen Rituale aber dennoch den chinesischen Rotgardisten unterliegt. Man lernt viel über die Sichtweise der Gelug-Schule, der auch der Dalai Lama angehört, aber auch der westlicher liberaler und auch areligiöser Buddhisten.


    Nicht zuletzt nähert er sich der historischen Person Buddhas. Er beschreibt ihn im Geflecht von Interessen von Königshäusern und Clans. Er bewertet die Lehre Buddhas aus historischer Perspektive: In einer Zeit, an der Wiedergeburt die herrschende Lehrmeinung war, man Herkunft und Wohlergehen durch karmische Einflüsse determiniert sah, man sich Hilfe von diversen Göttern erhoffte und das Handeln danach ausrichtete, es im nächsten Leben besser zu haben, marginalisierte Buddha die Götter und setzte Kreislauf die Vision des endgültigen Verlöschens entgegen. Batchelor berichtet auch von den Spannungen in der buddhistischen Gemeinschaft nach Buddhas Tod und wie sich schon Streitpunkte abzeichneten, die in späteren Spaltungen mündeten. Das meiste dürfte schon bekannt sein, sehr interessant empfand ich die Diskussion der Quellen.