Beiträge von malsehen im Thema „Buddhismus und der Verzehr von Fleisch“

    Jobrisha:

    [Ich bin Teil des Ganzen (nicht das Ganze, wäre ich es, würde ich mich sehr wichtig nehmen), als Teil habe ich auch Verantwortung für den Rest des Ganzen, das empfinde ich als mein Menschliches Erbe. Und das nichts mit Schuld oder Schuldigern zu tun.


    Mal über den Blickwinkel nachgedacht, ein Teil des Ganzen und das Ganze zu sein?
    Weiter noch, eigentlich doch das Ganze zu sein, diese Gedankenkrücke mal nur als Weg zum Ganzen zu nutzen?
    Was würde das mit deiner Verantwortung machen?
    Sie würde als Ganzes doch nicht kleiner?

    bel:

    Würdest Du da nämlich die selben Maßstäbe ansetzen, wie bei Deinen Betrachtungen des Fleichkonsums, wäre Dein "muss ich als Buddhist handeln" ganz schnell am Ende.


    Ich ahne da etwas Interesantes, will aber nicht spekulieren, das geht meist nach hinten los.
    Kannst Du das ausführen, wenn möglich mit etwas weniger Schärfe … ;)

    Matthias,


    es geht mir nicht darum, ob man aus sich und/oder in sich zu allem in seinem Leben eine buddhistische Sichtweise betreibt oder entwickelt.
    Die eigene Stärke zu nutzen, heißt ja nur, einmal selber 1 und 1 zusammenzuzählen. Man muss sich nur trauen. Dabei kommt ja nicht zwingend gleich immer höchstes Leid heraus. Oder habe ich da was falsch verstanden?


    Ich frage mich oft, woher die Scheu kommt, mit den Grundgedanken des Gebäudes zu spielen, sie in die eigene Handlungs-/Reaktions-/Wahrnehmungswelt ich sage mal »testweise« zu übertragen. Und sei es erst einmal für den alltäglichen Fall der Geduldsübung Supermarkt-Kassenschlange. Muss man dafür den Lehrer fragen? Schriften absuchen? Im Buddhistischen Kontext begegnen einem überall Aussagen zu Zeit Geduld und Kontemplation. Also kann ich doch auch alleine drauf kommen, dass ich in der Kassenschlange nicht nur keinen Ärger verspüren muss (das wäre vielleicht ein erster Schritt), sondern auch noch »buddhistisch«-sinnvolles tun kann.
    Was spricht gegen das Probieren? Wir reden ja nicht von hochmystifizeirten Power-Mantras, die gleich wieder die Jungs mit der Zwangsjacke auf den Plan rufen, wenn man nicht dabei den Guru an der Hand hält.


    Ich habe nun keine Überbau-Ahnung, aber das Prinzip des »Prüfe, ob es gut für dich ist«, gilt in meinen Augen immer auch für diesen Ansatz des Probierens.
    Ich nehme den Buddhismus durchaus als etwas wahr, das mich nicht in die Position des »Ich habe eine Wahrheit anzunehmen«, sondern des »Mir wird etwas gegeben um eine Wahrheit entdecken zu können« bringen kann.


    Die Suche nach der expliziten Handlungsvorschrift für genau den einen Fall, der einem gerade vor der Nase liegt, scheint mir manchmal etwas zwanghaft.
    Buddhismus ist wie viele solche Gebäude auch ein Werkzeugkasten mit vielen Tools, die ich für mich nutzen kann.
    Ich muss nicht immer nach der Bauanleitung für ein Space-Shuttle fragen, wenn ich vielleicht nur ein Bild an die Wand hängen möchte.

    Yep, ist ein bisschen aus dem Ruder gelaufen.


    Ich will das nicht kritisieren, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass es oft so ist, wenn man (nicht abwertend gemeint) alltägliche Dinge im Lichte des Buddhismus beleuchten will.
    Die Verantwortung im Bereich Nahrung ist ein Alltagsphänomen. Das gilt für die Rücksichtnahme – auf mich als Esser, auf den Ursprung der Nahrung, etc. pp. Und es ist leider ebenso alltäglich, dass die Industrialisierung der Lebensmitelproduktion zu einer Entfremdung von der Entstehung und dem Wert der Nahrung geführt hat.
    Ich sehe in der Beschau dieses Dilemmas nichts spezifisch buddhistisches, da der Apell, sich über das bewusst zu sein, was man tut, kein orignär budhistischer Wert ist. Das wird zwar immer wieder unterstellt oder so wahrgenommen. Dann betrachtet man »X im spezifischen Kontext Buddhismus« Dabei kann X wie in den letzten Tagen gesehen, Fleischverzehr oder das Tragen von Totenkopfbedruckten T-Shirts sein. Morgen kommt vielleicht einer und fragt uns nach einer buddhistischen Achtsamkeitsbetrachtung, um den optimalen Einstellwinkel seines Autositzes zu ergründen.
    Ich finde das – milde ausgedrückt – eine Überlastung des Buddhismus und eine Unterschätzung der eigenen Kompetenz. Das finde ich so schade, weil ein wesentlicher Teil meiner Buddhismus-Rezeption völlig ohne die Wahrnehmung auskommt, dass man sich als dem Buddhismus Zugetaner irgendwie klein machen muss. Was ja in vielen anderen Religionsgebäuden der Fall ist. Wir sind nun alle im christlichen Abendland großgeworden und haben die hier begründete Nichtswürdigkeit der eigenen Existenz mehr oder minder aufgenommen, ob wir das nun wollten, oder nicht. Wenn ich mir ganz ketzerisch die buddhistische Lehre wie eine Kummerkasten-Redaktion vorstelle, dann würden solche Fragen bestimmt nicht auf dem Tisch des Teams landen. Es ist meiner Meinung manchmal hilfreich, sich die eigenen Fragen an den Buddhismus in einem so platten Stil zu vergewärtigen. So kann man sich manchmal schmunzelnd zurücklehnen uns erleben, dass man sich die Frage eigentlich selbst beantworten kann.
    »Glaube an Deine Stärke, dann wirst Du jeden Tag stärker!« um ein ein beliebtes buddhistisches Postkartenmotiv zu zitieren. Das würde ich vielen gerne zurufen, die sich fragen, ob es auch buddhistische Fußpflegevorschriften gibt. :shock:


    Buddhistische Haltungen sind für mich oft nicht originär im Vergleich zu vielen anderen Moral- und Ethik-Kodizes. Der Buddhismus – das interessiert mich wiederum sehr – bietet einen mehr oder minder spannenden Zugang zur Gewinnung und inneren Aufrechterhaltung dieser Werte.

    Jo,


    besser oder schlechter war nicht meine Frage, glaube ich zumindest.


    Kausalitäten halte ich z.T. für überbewertet, immer dann wenn sich Menschen zu sehr daran klammern, um eigene Unsicherheiten niederzuringen.
    Dabei ist es mir völlig egal, ob wir wissenschaftlich, spirituell oder gar esoterisch danach suchen, die Unsicherheit aus unserem Leben herauszukürzen.
    Es annehmen und milde damit werden/sein, das finde ich interessant.


    Und wo trenne ich mich von anderen?
    Z.B. bei den Unsicherheiten trenne ich mich gar nicht. Ich unterliege diesem Wunsch, nicht unsicher sein zu müssen, jeden Tag, und spüre, wie ich mich darin verheddere.
    Ich verwende jetzt ganz bewusst nicht den Begriff »anhaften«. Im oft fragwürdigen Streben nach Sicherheit und der Problematik dieses Strebens hat der Buddhismus in der Formulierung dieser Tatsache nichts neues erfunden, von dem ich wüsste. Umgehensweisen damit können ggf. neu sein.
    Da wir aber alle, ich nehme mich nicht aus, auf Suche nach Sicherheit sind, kommt naturgemäß Kausalität offen ausgesprochen oder verdeckt vorausgesetzt häufig vor. Das ist auch ok so.
    Unsicherheit zulassen bedeutet ja nicht, Kausalitäten zu verbannen, sondern sich der Wichtigkeit der Fragen und ihrer möglichen Unlösbarkeit zugleich bewusst zu werden.

    Jo,


    Zurückhaltung ist das eine, Aussprechen das andere.
    Mascha hat aus meiner Sicht zu Recht einige Deiner Kausalketten in Frage gestellt. Dass Du einige Deiner Beobachtungen in eine Form »Ich beobachte in einer Person ein Setting A und eine Tätigkeit B. Dann nehme eine Information C, die dazu passen mag und sage dann ›wenn eine Person in einem Setting A steckt, folgt daraus B‹« Das mag Deine Wahrnehmung vollständig wiedergeben ist aber als kausale Folgerung gelinde gesagt außerordentlich fragwürdig.
    Deine Freundin ist in einem belastenden Setting, sie isst viel Fleisch und Fleisch wird allgemein mehr oder minder real begründet eine besondere Art der ich sag’s mal »verschwurbelt« Kraft-Lieferung zugeschrieben.
    Schon allein Maschas rein statistisch gemeinte Gegenfrage im Sinne von »… wie viele Personen in einem vergleichbar belastenden Setting essen deswegen nicht Fleisch« führt den Schluss, den Du ziehst zurück auf die reine Wahrnehmung einer einzigen Situation zurück. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.


    Meine Meinung: Essgewohnheiten sind in uns in unserem Aufwachsen fest programmiert. Essen ist in der Zivilisation inzwischen entkoppelt von dem Ursinn der reinen Notwendigkeit der Zufuhr nötiger Nährstoffe. Da Essen bestimmte Zufriedenheitsreflexe auslöst, erleben wir diese außerhalb dieses Ursinnes. Es gibt Nahrungsmittel, die diese Zufriedenheit noch stützen (die alte Schokolade-Thematik …). Aber letztlich sind wir mit unseren Essgewohnheiten durch die Erfahrungen unseres Lebens auch programmiert, Zufriedenheiten zu erleben.
    Ob diese Zufriedenheiten nun toll, so eben moralisch vertretbar oder fragwürdig sind, steht auf einem ganz anderen Blatt. Wenn ich nun aber diesen Zufriedenheitsreiz entferne und dabei gleichzeitig all mein Sein in einer Umgebung verstrickt bin, die in sich Leid bringt, dann ist allein das ausreichend um ohne genauere mechanistische Herleitung zu erkennen, dass das jeweilige Individuum trotz kopfseitiger Erkenntnis nicht so kann, wie es wohlmeinend wollen würde. Man könnte sagen »Alles ist so schrecklich, und jetzt soll ich mir das wegnehmen, was mir noch ein wenig Freude bereitet?«
    Dass diese Erkenntnis nicht zwingend dazu führen muss, auf diesem Standpunkt stehen zu bleiben, halte ich für selbstverständlich. Manche Freude ist auch schon sehr banal. Bei mir ist es das Fernsehen. :roll: Eine weitere ausgefeilte Begründung hat jedoch in der Regel wenig Sinn, es sei denn ich habe mit speziellen Suchtproblematiken zu kämpfen. Genauer zu wissen, was jetzt am Fleisch oder Fernsehen Befriedigung bringt, hilft nicht wirklich weiter. Der Blickwinkel darauf, was mir auf der anderen Seite so viel Leid bringt, dass ich von diesem Befridigungs-Punkt nicht lassen kann, ist dafür aber ggf. wieder sehr interessant…

    Man macht sich hier zwar viel und zu Recht um die Wägnisse und Implikationen der aktuellen industriellen Nahrungsproduktion Gedanken.
    Was man im Hinblick auf historische Schriften meiner Ansicht nach auch immer im Auge behalten sollte: Angaben und/oder Vorschriften zur Nahrung beziehen sich auch auf die historischen regionalen und gesellschaftlichen Gegebenheiten des Alltags, in dem diese Schriften entstanden sind. Das gibt es in vielen Religionen.
    In wie weit man das interpretieren, in die eigene Entscheidung einbeziehen oder kategorisch auf das eigene Handeln im Jetzt übertragen will, sei einem jeden anheimgestellt.
    Befragbar ist ein kategorisches Übernehmen aber durchaus, wenn man nun gar nicht hinter den Text schauen will.


    Etwas anderes ist es, wenn man die ursprünglichen Apelle zum verantwortungsvollen Handeln übernimmt.

    Grund:

    … Es scheint hier eine Besessenheit bzgl. Schriften und Regeln vorzuherrschen. Katholiken-Klub. …


    Wer schreibt, der bleibt … obwohl das im Kontext dieses Forums natürlich einen ganz schrägen Beigeschmack hat, merk ich gerade :shock:


    Und ja – eigenes Bewusstsein und eigene Verantwortung!