Liebe Forumsmitglieder,
ihr schreibt so inspirierend, dass ich jetzt erst zum zweiten Mal ein Thema eröffne. Bin aber eine Zeitlang offline, mal sehen dann, ob jemandem dazu was eingefallen ist.
Gefühle nehmen einen mindestens ebenso großen Raum im Bewusstsein ein wie Gedanken.
Es gibt körperliche Gefühle die sich allgemein unterteilen lassen in Lust und Schmerz, und geistige oder seelische Gefühle - Glück und Leid.
Sie bestimmen unser Leben - ich fühle mich gut oder schlecht. Auch wenn man an Andere denkt anstatt an sich selbst, tut man das wegen des Gewissens, und das wird durch das Gefühl vermittelt - Mitgefühl.
Man stelle sich vor, es gäbe keine Gefühle, nur das Denken, den Verstand, Erinnerungen, Vorstellungen, Ideen und den Körper mit den Sinneswahrnehmungen, alles wie immer, nur keinerlei Gefühle. Es ist schwer, die Gefühle auszublenden um sich eine solche Situation zu vergegenwärtigen. Zumindest ist da neben gutem und schlechtem Gefühl das im Buddhismus als drittes Gefühl genannte gegenwärtig - das neutrale Gefühl. Es ist, als würde man sich selbst als Gefühl wahrnehmen, sogar Sokrates, der an eine Seele glaubte, bezeichnet sie als eine Stimmung. Man könnte fragen, ob die Abwesenheit von Gefühl überhaupt Bewusstsein ermöglicht, oder ob das dann nicht nur eine Maschine wäre, wie ein Computer. Bewusstsein ohne zumindest ein neutrales Grundgefühl für das Dasein - irgendwie erscheint das fast untrennbar, man nennt es Ichgefühl.
Menschen die an eine ewige Existenz bei ihrem Gott glauben, entwickeln vor allem Gefühle der Liebe um ihrer selbst willen - liebe Gott mit ganzem Herzen und deinen Nächsten wie dich selbst. Liebe, Mitgefühl, Demut, Vertrauen und Hingabe dienen im Buddhismus sozusagen als Mittel zum Zweck, oder Voraussetzungen für die Befreiung. Die Hoffnung des Gottgläubigen kennt der Buddhist nicht, er ist aber bestrebt, eine ähnliche Haltung zu entwickeln, und erlebt deren Früchte als zunehmende Befreiung von Gier, Hass und Verblendung. Diese Freiheit ist nun nichts Anderes als wiederum ein Gefühl, man fühlt sich erleichtert, entspannt, frei, gelassen, friedlich, ausgeglichen, es ist Ruhe im Geist.
Nibbana ist nichts Konkretes, oder Positives, worunter man sich etwas vorstellen kann, und das führt bei Gottgläubigen oft zu Unverständnis, als wisse ein Buddhist gar nicht, was er eigentlich anstrebt. Ja selbst die Freiheit ist ja nicht das Ziel, am Ende ist ja niemand mehr da, der sich frei fühlen könnte. Deshalb scheuen sich buddhistisch orientierte Menschen manchmal davor, überhaupt von einem Streben zu sprechen, ein Ideal zu haben, etwas zu entwickeln. Für mich ergibt sich dabei immer das Dilemma, dass Streben mit dem Dasein untrennbar verbunden ist, und dass ich es nicht einfach aufgeben kann, solange ich existiere, oder so tun kann, als wäre ich bereits am Ziel, während es de facto nicht so ist. Wenn man aber auf dem Weg der Befreiung Fortschritte macht, dann fühlt man sich eben immer freier, und das ist etwas wirklich Konkretes. Dann und wann stellt sich ein unvergleichliches Gefühl von unantastbarer Freiheit ein, begleitet vom Glück der Loslösung, wenn auch nicht im höchsten Grade.
Ich weiß nicht wie es zu verstehen ist, wenn im Palikanon öfter davon die Rede ist dass der Buddha das Glück der Loslösung genießt. Aber dass dieses Glück von höchstem Wert ist, so hoch, dass man sein Leben daraufhin ausrichten kann, davon kann man schon eine Ahnung bekommen. Und es ist wie ein roter Faden an dem man sich halten kann, und etwas, an dem man arbeiten kann, je mehr desto besser. Das immer freier werden von Gier, Hass und Verblendung erzeugt ein so positives, (aber keineswegs überschwengliches) Lebensgefühl dass es alle anderen Bestrebungen ersetzen kann, ein Lebenszweck, der im höchsten Ideal vollkommener Befreiung, dem Nibbana, endet.
Die letzten Worte des Buddha sind ja: "Arbeitet mit Eifer an eurer Erlösung".