Nightrainmonk:
Die blinde Identifikation (=Anhaften) mit mentalen Zuständen und der dadurch angestoßene Prozess, daraus ein solides 'Ich' zu konstruieren, das diese mentalen Zustände 'hat', führt zu einer Perpetuierung dieser Zustände (=Wiedergeburt). Ergebnis ist 'Leiden' (will man denn dukkha so übersetzen...).
Interpretiert man nun diesen (psychologischen) Prozess wörtlich als Beschreibung einer körperlichen Geburt, liegt es natürlich nahe, alles, was mit Sexualität zu tun hat, mit Misstrauen zu betrachten. Das kann man natürlich tun, vor allem, wenn man aus den psychologischen Erkenntnissen des historischen Gotamo und seiner Schule (soweit wir sie rekonstruieren können) zu einer überhistorischen 'Erleuchtungslehre' hochjazzt, die für alle Zeiten perfekt und abgeschlossen ist. Denkbar ist aber auch eine Herangehensweise, die den dhamma nicht für ein fertiges Produkt hält, sondern für einen (wichtigen) Teil einer nie endenden Suche des Menschen nach den Geheimnissen des Bewusstseins. Eine solche Herangehensweise hat dann auch keine Angst davor, historischen Schriften neue Erkenntnisse, etwa der evolutionären Erkenntnistheorie, der Systemtheorie oder der Kognitionswissenschaften, gleichberechtigt zur Seite zu stellen.
Ich habe ja gerade drei kleine Kätzchen die überall rumturnen. Mir kommt es so vor als seien Menschen und Katzenkinder so voller Experimentierverhalten und Lebensfreude und dann wenn sie erwachsen werden, wird diese Energie und diese Neugierde und Offenheit eingeschränkt und in Bahnen gelenkt.
Sexualität wird zu den wenigen Gelegenheiten wo sich ein erwachsener Mensch erlaubt ganz im hier und jetzt zu sein, wo er versucht nicht in Gedanken abzuschweifen und Pläne zu machen, sondern ganz beim Geschehen zu sein. Wo er der Offenheit und Farbigkeit der Kindheit nur einigermassen näher kommt. In der grauen Gefängniszelle ist es der kleine Auschnitt Himmel, wo man die Bäume wogen und Vögel fliegen sieht. Aber wenn man einem Gefangenen die Türe aufschliessen würde und ihm die Möglichkeit geben würde, aus seiner Zelle in die Freiheit zu treten, und er würde dann sagen, dass er das nicht will, weil er den Blick aus dem Fenster vermissen würde. Ja dann könnte man echte psychische Probleme vermuten. Wenn Buddha die Sexualität madig macht, dann bestimmt nicht weil er so ein verknöcherter Asket ist sondern weil er die Dinge ins richtige Verhältnis setzten kann.
Das Tolle an Sexualität ist ja eigentlich die tiefe Verbundenheit im hier und jetzt. Die temporäre Aufhebung eines Ichs zugunsten eines wirs. Die Evolution ist eine manipulative Tante die derelei kostbare Zuckerln nur dann verteilt, wenn man sich besonders arterhaltend verhält. Wenn man bedenkt, dass man eigentlich die ganze Zeit so glücklich und verbunden und präsent sein könnte, ohne dem hinterherzujagen und sich zu verknoten (beziehungsweise nur Lotossitz-Verknotungen statt Kamasutra-Verknotungen), erscheint das allerdings als ziemliche Verarsche. So als lässt dich jemand deine eigenes Haus mieten!
Freud sagte mal das letzendlich sogar der Penis nur ein Phallussymbol sei. Und Symbole ist etwas was der Geist schaffen kann. Worin er seine Energie und Freude binden kann oder auch nicht.