Gestern hatte ich ein interessantes Gespräch mit einer Bekannten über das Thema "Buddhismus und Sexualität". Genauer gesagt: "Wie sieht der Buddha die Sexualität und was bedeutet das für einen Praktizierenden"?
Besonders spannend an dem Gespräch war für mich, dass es für Außenstehende offenbar etwas völlig Abwegiges ist, Sexualität als Hindernis auf dem Weg der Befreiung zu sehen.
Ihre Reaktion darauf war: "Was soll das denn: Sex macht doch Spaß!"
Und auch: "Dieses Zölibat für Mönche und die Bevormundung von Laien ist doch so wie in der katholischen Kirche: Eine komische Sexualmoral, die natürliche Bedürfnisse verleugnet und dadurch eher Perversionen wie Kindesmissbrauch begünstigt."
Ich halte es für nützlich, wenn wir im Forum einmal systematisch über die Sicht des Buddha auf Sexualität sprechen. Und darüber, ob wir diese Sichtweise teilen und inwiefern sie für uns als westliche Laien relevant ist.
Man kann natürlich auch einfach sagen: "Ich nehme mich der Übungsregel des Abstehens von sexuellem Fehlverhalten an" - und dann nicht weiter darüber nachdenken. Aber wer schon einmal ein Retreat oder ein Kloster besucht hat, übernimmt zeitweise die Übungsregel, vollständig auf sexuelle Handlungen zu verzichten.
Damit ist ja schon eindeutig darauf hingewiesen, dass sexuelle Betätigung - aus Sicht des Buddha - ein Hindernis auf dem Weg der Befreiung darstellt.
Diese Sichtweise ist für heutige westliche Menschen sehr ungewöhnlich und wirkt sogar obskur oder fundamentalistisch. Ich erinnere z.B. an das Gebot an die Mönche (vgl. Keuschheitsgebot), im Schlaf achtsam zu sein und Samenerguss beim Schlafen zu verhindern:
Ich selbst fühle mich da sehr zwiespältig, was die vielfältigen kritischen Aussagen des Buddha über Sexualität betrifft: Einerseits kann ich nachvollziehen, dass Sexualität ein Hindernis auf dem Weg der Befreiung darstellt.
Andererseits erscheinen auch mir die überlieferten Aussagen des Buddha extrem und sogar oft seltsam intolerant.
Normalerweise ist es doch die richtige Sichtweise auf natürliche Körpervorgänge, diese eher neutral wahrzunehmen und zu akzeptieren, ohne Ablehnung und ohne Anhaftung.
Indem der Buddha soweit geht, von den Mönchen (und auch den im zitierten Text erwähnten fortgeschrittenen "Weltmenschen", also Laien!) zu erwarten, natürliche sexuelle Reaktionen sogar beim Schlafen zu kontrollieren, bringt er damit meiner Meinung nach eine übermäßige Ablehnung der Sexualität zum Ausdruck.
Was meint Ihr dazu?
Inwieweit hat die im Pali-Kanon an vielen Stellen zum Ausdruck gebrachte negative Sicht auf Sexualität für heutige Praktizierende Relevanz?