Sexualität und Befreiung: Ist die kritische Sicht des Buddha auf Sexualität für heutige Praktizierende relevant?

  • ? Sunu, was bedeutet "ich habs knüppeldicke"?

    Na meine Erfahrung ist, dass dieses ständige Gefühl des Abstehens hart ist und mir gehörig auf den Sack geht. Aber solange ich dieses Gefühl gar nicht habe, dass ich ständig abstehen muss, ist alles im Lot.

  • "ich habs knüppeldicke"

    Darin erkenne ich das es viel Nachdenken gibt wie es erreicht werden kann Unheil zu vermeiden. Nur es hilft nicht etwas als Unheil zu erkennen. Da fehlt was, denn es bleibt in Gedanken. Da ist dann immer noch der Zweifel, ihr wisst schon. Ist meine Entscheidung die zu treffen ist so richtig oder so. Es gibt in meiner Umwelt Beispiele genug wie es so oder so erfolgreich gemacht wurde, aber für mich,. Was ist für mich richtig?

    Was Buddha macht ist das er macht, wenn es nicht den Sila widerspricht. Doch das klappt nur wenn man den Mut hat die Wahrheit der Sila zu überprüfen. Eben nicht an sie zu glauben und an ihrer geglaubten Wahrheit festhalten. Die Sila werden erst dann zu einer Richtschnur wenn man ihr Richten geprüft hat. Eine nach der anderen muss Bewusst gebrochen werden. Bewusst mit echtem Wissen das sie gebrochen werden. Nur dann kann ihre Wirklichkeit innerhalb der menschlichen Gemeinschaft bestand haben.

    Das geht auch mit den zehn Geboten. Man kann jedes bewusst brechen, auch das des Mordens, nur muss man den Mut haben sich dem Brechen zu stellen. Ein Mensch lernt erst durch selber Stehlen und bestohlen werden das Gebot; Nimm nicht das was Dir nicht gegeben ist. Nimm Abstand vom Morden kann geübt werden wenn töten eben bewusst als töten gemacht wird und dann auch bewusste mit Gier und Hass getötet wird. Nur so verhindert man diese endlosen Diskussionen die eigentlich nur beweisen das es um Theoretische Gedankengebäude geht die nicht geprüft sind indem die Extreme ausgelebt wurden.


    Mit Sex ist das so das es bei mir mit einer Frau, meiner ersten geschehen ist. Dieses Eindringen in sie war schon unangenehm da eine Grenze überschritten wurde, ihr schien es zu gefallen, als mach weiter. Danach war da sofort der Gedanke, das war alles? Das kann ich mir auch selber machen. doch das ganze Drum rum und die mich anekelnde Leichenrede, über etwas das schon lange keine Bedeutung mehr hat, machten mit klar das mit eine Frau niemals mit ihren Geschlechtsorganen binden kann. Mit meinem ersten Mann war das ganz anders, das war Zärtlichkeit kein Eindringen kein verletzen der Grenze das war so extrem das ich nicht mehr wusste ob ich mit berühre oder den anderen, da war nur einer. Da war der Gedanke: Das muss Du bewahren das kommt nie wieder. Es hat auch 18 Jahre gedauert. Dazwischen war weder Enthaltsamkeit, noch Verlangen, noch irgendwas das mich dazu bringen konnte Sex zu haben. Es war Stille ich hatte die Gesetze gebrochen und gelernt das man nicht mit einem in Ehe lebenden Menschen was anfingt und Liebe gefährdet, der Mann und ich war von der Gier und dem Hass auf Sex befreit. Mit meinem Ehemann lief das ganz anders, wir waren beide vom Sex befreit und konnten tun was wir wollten. Die Ehe konnte bei uns nie verletzt werden weil kein Sexbedürfnis mehr da war. Da gab es nie einen Zweifel der Einheit, obwohl wir sehr verschiedenen Leben haben.


    Wenn Menschen die nicht die Grenzen erkunden konnten zur Enthaltsamkeit gezwungen werden wird das zur Zerstörung des Mitgefühls führen, weil es sich nicht entwickeln kann, weil es garnichterst bewusst erfahren wird. Außerdem wird der Zweifel sie dazu zwingen die Gesetze zu brechen um sie zu erkennen, doch die Dogmatiker werden sie dann vollends kaputt machen. Oder sie Verlassen mit großen Verlustschmerz die Gemeinschaft die keine Gemeinschaft war aber viel Gewalt angetan hat damit sie als Gemeinschaft geglaubt wird. Eine Gemeinschaft die nicht fähig ist Lernen durch Fehler zu akzeptieren ist immer Tyrannei. Eigentlich besteht die Tyrannei darin den jungen Menschen Leiden zu vermeiden! Doch das führt zu anderen Leiden und mit denen haben die Lehrer keine Erfahrungen und werden immer hilfloser in ihrem Glauben was doch richtig für sie war. Eltern die nicht in der Lage sind das Lernen durch Fehler zu erzeugen haben zu wenig Gesetze ihrer Eltern gebrochen.

  • ... Wie sieht es nun aus mit der Erfahrung der Enthaltsamkeit ? Man könnte sagen, ich habs knüppeldicke.

    Na meine Erfahrung ist, dass dieses ständige Gefühl des Abstehens hart ist und mir gehörig auf den Sack geht. Aber solange ich dieses Gefühl gar nicht habe, dass ich ständig abstehen muss, ist alles im Lot.

    Handelt es sich denn um einen selbstauferlegten, gewollten oder einen eher unfreiwilligen Verzicht?


    Wenn man fragen darf.


    Viele Grüße

    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Ich hatte da mal für einige Jahre so eine allgemein erimitische Phase. Ich kann gar nicht sagen ob das gewollt, selbstauferlegt oder unfreiwillig war. Das passt irgendwie alles nicht. Gezwungen hat mich niemand, wirklich selbst gewollt war es aber auch nicht. Die Situation hat sich halt ergeben, aber natürlich nicht ohne mein zutun. Ich habe sie damals begrüßt, weil sie sich für mein Leben wichtig anfühlte und zugleich verflucht weil sie düster war. Ich dachte ich muss da durch und habe mir das wie eine Wüste voller Dämonen vorgestellt, gegen die ich kämpfen müsste. Dabei war da gar nichts...Weder eine Wüste, noch irgendwelche Dämonen.

    Einmal editiert, zuletzt von Sunu ()

  • Insofern ist es verständlich, wenn Du erleichtert bist, nicht für den Rest Deines Lebens auf Sex verzichten zu müssen. weil die Rückkehr aus dem Einzelgängertum wieder hin zu engeren zwischenmenschlichen freundschaftlichen Beziehungen und sogar Zuneigung und Anziehung ja eng damit verbunden ist.


    Insgesamt hört es sich für mich nach einem eher unfreiwilligen Verzicht an, und auch nach ein wenig Dukkha:


    "Und was, Freunde, ist die Edle Wahrheit von Dukkha? Geburt ist Dukkha; Altern ist Dukkha; Tod ist Dukkha; Kummer, Klagen, Schmerz, Trauer und Verzweiflung sind Dukkha; nicht bekommen, was man sich wünscht, ist Dukkha; kurz, die fünf Daseinsgruppen, an denen angehaftet wird, sind Dukkha."

    Nun könntest Du in der Unzufriedenheit verbleiben, oder versuchen, Deine Wünsche zu befriedigen oder versuchen, sich der Wünsche vermittels Praxis des achtfachen Pfades zu entledigen.


    Viele Grüße

    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Na ja, das was du beschreibst ist ja deine auf einem Ausschnitt der buddhistischen Aufzeichnungen basierende Interpretation und Meinung, aber keine Tatsache oder unstrittige Wahrheit.

    In der Buddhalehre ist es unumstrittene Wahrheit das durch Begehren, Abhängigkeiten und Anhaftungen

    mit Verblendung zu Leiden und Konflikten kommt. Mit anderen Worten das es dadurch einfach weiter

    geht wie bisher in der Welt. Auf alle fälle wird die Befreiung vom Leiden dadurch verhindert.

    Auch das gehört in der Buddhalehre zur unumstrittenen Wahrheit.

  • In der Buddhalehre ist es unumstrittene Wahrheit das durch Begehren, Abhängigkeiten und Anhaftungen

    mit Verblendung zu Leiden und Konflikten kommt. Mit anderen Worten das es dadurch einfach weiter

    geht wie bisher in der Welt. Auf alle fälle wird die Befreiung vom Leiden dadurch verhindert.

    Auch das gehört in der Buddhalehre zur unumstrittenen Wahrheit.

    Ja, wir verstehen uns. Das nennt sich Glaubenswahrheit und ist ja auch völlig in Ordnung. Außerhalb der Glaubensgemeinschaft ist es ein Postulat oder eine Theorie.

    Für die Frage, wie es wirklich (generell und im jeweiligen Einzelfall) darum beschaffen ist, wenn man z. B. Freude am Essen oder an Sex empfindet, ob, wann und wie das zu Leiden führt oder nicht (und ob wir es generell oder im jeweiligen Fall überhaupt wissen können), ist es aber genauso unerheblich was du glaubst, wie was ich glaube. Wir können beide nur unsere Erfahrungen aus erster und zweiter Hand hernehmen, darüber reflektieren, versuchen das mit anderen Aspekten unserer Weltsicht in Übereinstimmung zu bringen etc.

  • Ja, wir verstehen uns. Das nennt sich Glaubenswahrheit und ist ja auch völlig in Ordnung. Außerhalb der Glaubensgemeinschaft ist es ein Postulat oder eine Theorie.

    Ich hatte ja auch geschrieben das es in der Buddhalehre unumstrittene Wahrheit ist.

    Das andere das vielleicht für eine "Glaubenswahrheit" halten oder sogar für den größten

    Blödsinn den sich der Mensch je ausgedacht hat. Daran habe ich nicht im geringsten gezweifelt.

  • Ich finde es lustig, das Sexualität scheinbar nur mit körperlicher penetrierender Lust gleichgesetzt wird.

    Ausserdem amüsiert mich der Ansatz, Vorstellungen einer von über 2000 Jahren existierenden Kultur unbedingt heute zu rechtfertigen oder " zu übernehmen "


    Ich sehe kein " Wort des Buddha ", sondern nur DInge, die viele Jahre später aufgesschirieben wurden. DIes als "Sexualitätsabweisend" zu definieren ist ebenso unsinnig, wie dem Jesus von Nazereth für das Zölibat im katholischen Glauben verantwortlich zu machen.


    Das das Erreichen des "Zieles" durch Überwindung der Geistesgifte usw. verbunden sind ist wohl unbestrittn. Doch dies nur auf die körperliche Sxualität zu konzntrieren imho falsch.

    Und zur damailigen Zeit hat wohl keiner auf der Matte an "Überbevölkerung" o.ä. gedacht. Doch ist die sexuelle Fortpflanzung ( beim Menschen als einer der wenigen Spezies mit "Spass" verbunden ) einer der am tiefsen in allen Lebewesen verankerter "Zwang".


    Und wie ich in einem früheren posst schon fragte :

    Was bedeutet es für JEDEN einzelnen hier und jetzt ?


    _()_

    Wenn im dürren Baum der Drache Dir singt
    siehst wahrhaft Du den WEG.
    Wenn im Totenkopf keine Sinne mehr sind
    wird erst das Auge klar.


    jianwang 健忘 = sich [selbst] vergessend

  • Ich denke wenn etwas wirklich freiwillig ist, dann kann man gar nicht wirklich von einem Verzicht sprechen. Weil dann der Wille ja frei ist. Wenn man aber das Gefühl hat auf etwas zu verzichten zu müssen, dann ist das nie ganz freiwillig.

    Wenn ich mir ständig etwas wünsche, dann werde ich auch ständig auf etwas verzichten müssen. Von daher ist es sicher besser, die Wünsche zu beseitigen. Für mich geht das aber nicht durch Verzicht, der ja nur die leidvolle Begleiterscheinung der eigenen Wünsche ist. ...Sondern über die rechte Einsicht.

  • Für mich geht das aber nicht durch Verzicht, der ja nur die leidvolle Begleiterscheinung der eigenen Wünsche ist. ...Sondern über die rechte Einsicht.

    Kommt mir gekünstelt vor. Was ist jetzt wenn diese "rechte Einsicht" sich

    bei dir einstellt auf unheilsame, schlechte Dinge zu verzichten.

    Und das obwohl du sie gerne machst? Verzichtest du dann doch lieber

    als dir von den Wort "verzichten" Angst machen zu lassen?

  • Und wie ich in einem früheren posst schon fragte : Was bedeutet es für JEDEN einzelnen hier und jetzt ?

    Das ist sicher auch eine interessante Frage, aber doch nicht das Thema dieser Diskussion,


    Bei dieser Diskussion hier und jetzt geht es um die Frage, ob heutzutage Praktizierende, die Befreiung suchen, im Gegensatz zu den Bhikkhus vor 2500 Jahren dafür nicht mehr auf Sex verzichten müssen/sollen/sollten, oder ob sich daran nichts geändert hat:


    Zitat

    Sexualität und Befreiung: Ist die kritische Sicht des Buddha auf Sexualität für heutige Praktizierende relevant?


    Viele Grüße

    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Wenn ich mir ständig etwas wünsche, dann werde ich auch ständig auf etwas verzichten müssen. Von daher ist es sicher besser, die Wünsche zu beseitigen.

    Aus der Erfahrung ergibt sich allerdings, dass diese Option zu verfahren nicht mit allen Wünschen möglich ist: Bis an Dein Lebensende wirst Du immer wieder den Wunsch nach Nahrung verspüren und ihm nachgeben müssen. Deshalb ist die Frage durchaus berechtigt, warum das mit Sex anders sein sollte, zumal Sex ja normalerweise nicht so offensichtlich unangenehme Begleitererscheinungen wie zum Beispiel regelmäßiger Drogenkonsum hat.

    Für mich geht das aber nicht durch Verzicht, der ja nur die leidvolle Begleiterscheinung der eigenen Wünsche ist. ...Sondern über die rechte Einsicht.

    Neben Richtiger Einsicht (oder Richtiger Ansicht) im Sinne einer intellektuellen Erkenntnis ("Drogen machen mich krank, also widerstehe ich dem Wunsch, Drogen zu kosumieren") beinhaltet der achtfache Pfad auch noch eine andere Möglichkeit, sich von Wünschen zu verabschieden, die Sinnesvergnügen beinhalten:

    Aber auch das hört wieder auf, und danach fällt der Verzicht nicht mehr schwer:

    "Und wie, Ānanda, ist einer ein Edler mit entfalteten Sinnen? Ānanda, wenn da ein Bhikkhu mit dem Auge eine Form sieht, entsteht in ihm Erfreuliches, es entsteht Unerfreuliches, es entsteht Erfreuliches-und-Unerfreuliches. Falls er wünschen sollte, 'Möge ich verweilen, indem ich das Nicht-Abstoßende im Abstoßenden wahrnehme', so verweilt er, indem er das Nicht-Abstoßende darin wahrnimmt. Falls er wünschen sollte, 'Möge ich verweilen, indem ich das Abstoßende im Nicht-Abstoßenden wahrnehme', so verweilt er, indem er das Abstoßende darin wahrnimmt. Falls er wünschen sollte, 'Möge ich verweilen, indem ich das Nicht-Abstoßende im Abstoßenden und Nicht-Abstoßenden wahrnehme', so verweilt er, indem er das Nicht-Abstoßende darin wahrnimmt. Falls er wünschen sollte, 'Möge ich verweilen, indem ich das Abstoßende im Nicht-Abstoßenden und Abstoßenden wahrnehme', so verweilt er, indem er das Abstoßende darin wahrnimmt. Falls er wünschen sollte, 'Möge ich in Gleichmut verweilen, achtsam und wissensklar, indem ich sowohl das Abstoßende als auch das Nicht-Abstoßende vermeide', so verweilt er in Gleichmut gegenüber jenem, achtsam und wissensklar ."

    Viele Grüße

    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

    3 Mal editiert, zuletzt von Elliot ()

  • Zu aller erst: ich muss zugeben, dass ich den Verlauf hier im Thread lediglich überflogen habe. Dennoch will ich die Möglichkeit hier nutzen meine Gedanken dazu loszuwerden.


    Betrachten wir Sexualität aus dem evolutionären / biologischem Blickwinkel, so ist das Ganze klar Zweckgerichtet: Fortpflanzung. Um das zu ermöglichen wurde dieser Akt der Fortpflanzung mit dem Ausschütten von Glückshormonen verbunden - einfach um sicherzustellen, dass es überhaupt zu Sex kommt. Hat Mann / Frau nun einen Orgasmus, stellt sich eine kurzzeitige Phase des Glücklichseins ein. Gemäß dem grundsätzlichem streben nach Glück, neigt der Mensch dazu, diese Phase möglichst häufig zu erreichen und möglichst lange aufrecht zu erhalten.


    Betrachtet man diese Phase des Glückseins alleine, so spricht da erstmal nichts dagegen. Man fühlt sich besser, andere Gedanken verfliegen meist oder treten zumindest ausreichend in den Hintergrund. Wirft man nun aber einen Blick auf das Gesamtbild - das Leben - so sieht das Ganze nicht mehr so gut aus. Konzentriert man sich im Leben voll und ganz auf die Sexuallität, so verliert man schnell andere wichtige Dinge aus den Augen und es kann zu einer Sucht werden. Woran liegt das? Nun ja, Sex ist nur ein Teilaspekt unseres Lebens und entsprechend sollte dieser Teilaspekt auch nur als Teil angesehen werden. Wenn man sich zu sehr darauf fokusiert, kann der sich der Irrtum einstellen, dass Sex zu endlosem Glück führen kann. Stattdessen bringt es aber nur wenigen Sekunden bis Minuten das ersehnte Glück.


    Sollten wir deshalb Sexualität grundsätzlich meiden und aus unserem Leben verbannen? Nö. Sexualität ist Teil unserer biologischen Natur und es kann zu kurzzeitigem Glück führen - mehr aber auch nicht. Was wichtig ist, ist, dass wir uns von sexuellem Verlangen nicht blenden lassen. Wir hinter einem Mann / einer Frau nicht nur per se einen potentiellen Sexualpartner sehen. Wir die Klarsicht auf die Dinge nicht verlieren. Schaffen wir das, so kann Sexualtität zu einer sehr schönen Nebensache im Leben werden - aber eben nur eine Nebensache.

    _()_

  • zumal Sex ja normalerweise nicht so offensichtlich unangenehme Begleitererscheinungen wie zum Beispiel regelmäßiger Drogenkonsum hat.

    Es gibt 2 Formen von diesbezüglichen Erscheinungen:

    - körperlicher Verfall

    - emotionale und physisch-psychische Anhaftung


    Auch bei einem Drogenkonsumenten erlebst Du nur den körperlichen Verfall. Bei legalen Drogen wie Alkohol und Zigaretten ist dieser lediglich nicht offensichtlich, weil die Art des Verfalls durch alle Menschen geteilt wird, die konsumieren. Dass Betrunkene ihre motorischen Fähigkeiten aufgeben ist genauso "normal" wie der Gestank von Menschen, die geraucht haben. Das sind Aspekte negativer körperlicher Veränderungen. Hier ist lediglich die gesellschaftliche Anerkennung die Ursache, dass es hingenommen wird.


    Diesen körperlichen Verfall hast Du bei Sexualität nicht. Aber die Anhaftung hast Du trotzdem. Die siehst Du weder bei Sex, noch bei Drogen. Soviel also zum offensichtlichen.

    Inwiefern nun ausgerechnet Sexualität das persönliche Laster ist, dürfte an der individuellen Ausprägung der Leidenschaften liegen. Für manche Menschen ist es normal, wenig Verlangen nach Sex zu haben. Das kann biologische Gründe haben, aber auch spirituelle. Und manche auch, weil sie erkannt haben, welche Probleme übermäßig viel Sex mit sich bringt.

    Dann gibt es aber auch Menschen, deren Verlangen nach Sexualität so gering ist, dass sie es in der Partnerschaft auch eher reglementiert angehen. Allerdings braucht es da schon einen guten Konsens mit der Partnerin, sonst entsteht aus der Anhaftung das nächste Problem: die Diskussion, ob man den Partner nicht mehr liebt, weil man weniger Sex mit ihm will. Es scheint also auch in den konsensualen Partnerschaften immer noch einen Restfunken zu geben, der auf Anhaftung hinweist.


    Andererseits ist Beziehung ohne Anhaftung gar nicht möglich - von daher ist es vielleicht sowieso ratsam, enthaltsam zu leben.

  • Es erscheint mir sehr sinnvoll, dass sich die Diskussion inzwischen stärker auf die Erfahrungen bezieht, die wir oder andere selbst gemacht haben. Deshalb möchte ich die frühere Diskussion über die Vinaya-Regeln oder über die Frage, was genau "Dukkha" ist, vorläufig zurückstellen.


    Was sind denn nun diese "Erfahrungen aus erster und zweiter Hand"?


    Meine Antwort darauf sieht so aus:


    1. Sinnliche Berührung als Quelle von Glücksempfindung und Zufriedenheit

    Kaum jemand, den ich kenne, verzichtet vollständig auf die Sinnlichkeit von Berührungen. Zärtlichkeit und gegenseitige Berührungen müssen natürlich kein expliziter Ausdruck von Sexualität sein. Es gibt aber durchaus Ähnlichkeiten etwa zwischen der Zärtlichkeit zwischen Mutter und Kind und der Zärtlichkeit eines Liebespaars.

    Mein Eindruck: Je weniger die gierige Form von Sexualität im Vordergrund steht, desto ähnlicher wird zärtliche Erotik der Zärtlichkeit von Mutter und Kind.

    Während ich einige Menschen kenne, die kein Bedürfnis nach Geschlechtsverkehr haben, kenne ich niemand, der kein Bedürfnis nach zärtlichen Berührungen hat. (Die einzigen Berichte über solche Menschen ohne Bedürfnis nach zärtlichen Berührungen, die ich kenne, sind Berichte über Menschen mit bestimmten psychischen Erkrankungen, bei denen die Angst oder Ablehnung von Berührungen ein Krankheitssymptom darstellt.)

    Offenbar ist das Bedürfnis nach Zärtlichkeit tief in unserer menschlichen Natur verwurzelt. Ein Leben ohne zärtliche Berührungen scheint kaum möglich zu sein. Menschen werden krank, wenn ihnen das fehlt.

    Entsprechend finden sich sogar bei Mönchen, die nach den Vinaya-Regeln praktizieren, Formen zärtlicher Berührung. Da die Berührung von Personen des anderen Geschlechts tabuisiert ist, finden die zärtlichen Berührungen in Form gegenseitiger Massage statt.

    Thich Nhat Hanh ist einen Schritt darüber hinaus gegangen, indem er Umarmungen auch von Mönchen und Nonnen als "Umarmungs-Meditation" (hugging meditation) einführte, also auch Zärtlichkeit zwischen den Geschlechtern.

    Dass jemals ein Mensch durch den Verzicht auf sinnliche Berührung irgendeine "Befreiung" erlangt hat, ist mir nicht bekannt. Das Gegenteil scheint zuzutreffen.

    Das alles weist darauf hin, dass Menschen Zärtlichkeit benötigen, noch viel mehr als Sexualität im engeren Sinne. Zärtlichkeit "überwinden" zu wollen, scheint also alles andere als weise zu sein.

    Damit ist nicht gesagt, dass Zärtlichkeit mit einer Ausübung von Sexualität im engeren Sinne verbunden werden muss. Das kann eine Rolle spielen, muss es aber nicht.


    2. Sexualität im engeren Sinne

    Hier kann man besonders in unserer westlichen Kultur seit vielen Jahrzehnten beobachten, dass vor allem die gierige Form von Sexualität regelrecht glorifiziert wird. In Filmen sieht man i.d.R. weniger die zärtliche Form von Erotik, häufiger das gierige Übereinander-Herfallen.

    Sex wird als Konsumartikel vermarktet, als leicht verfügbare Glücksquelle. Dagegen kann man leicht feststellen, sowohl durch eigene Erfahrung als auch durch Beobachtung anderer, dass diese gierige und reduzierte Form von Sexualität zwar kurzfristige Befriedigung verschafft, aber zugleich schädliche Auswirkungen unterschiedlicher Art hat.

    Darin sind wir uns hier vermutlich einig.


    3. Befreiung und Sinnlichkeit

    Nach meiner Erfahrung kann man in der Meditation einen Zustand erreichen, in dem man vorübergehend völlig befreit ist von irgendwelchen Wünschen. Auch direkt nach der Meditation erlebe ich mich dann als "wunschlos glücklich". Demgegenüber sind sinnliche Befriedigungen ein deutlich unvollkommeneres Glück. Beides lässt sich auch nicht kombinieren: Treten sinnliche Wünsche wieder auf, ist der Frieden gestört.

    In den Lehrreden wird beschrieben, dass die Mönche täglich (offenbar mehrere Stunden täglich) in diesem Zustand des inneren Friedens verbrachten. Im Zusammenhang mit der Befreiung wird in den Lehrreden auch immer wieder auf die Jhanas hingewiesen.

    Heutzutage haben nach meiner Erfahrung sogar diejenigen Mönche, die die Jhanas praktizieren, keine derart stabile Praxis, wie sie im Pali-Kanon beschrieben ist.

    Es gibt nicht einmal mehr einen Konsens, was die Jhanas überhaupt sind und wie sie praktiziert werden sollten:

    jhanantp.htm


    Vielleicht ist der Weg zur vollständigen Befreiung heutzutage verschüttet? Ich weiß es nicht.


    Jedenfalls erscheint es mir anhand meiner Erfahrungen sinnvoll, die Sinnlichkeit zu kultivieren, statt sie vollständig überwinden zu wollen.

    Dem Ideal, ein Arahant zu werden mit "vernichteten Trieben", stehe ich inzwischen skeptisch gegenüber. Zumal ich nicht den Eindruck habe, dass diejenigen, die diesem Ideal nachstreben und ihre Sinnlichkeit sehr kritisch sehen, damit etwas Gutes für sich selbst und ihre Mitmenschen erreichen.

    Frei nach Nietzsche: "Die Buddhisten müssten erlöster aussehen, damit ich an ihre Befreiung glauben soll."

    Ich bin mir aber in diesem Punkt nicht sicher, sondern in einem Klärungsprozess.

    Zur Zeit deute ich für mich den achtfachen Pfad als einen Weg der Entwicklung, der nicht notwendig zur völligen Überwindung der Sinnlichkeit führen muss und dennoch sehr nützlich ist, da er zur Kultivierung der Sinnlichkeit führt.

  • Für mich geht das aber nicht durch Verzicht, der ja nur die leidvolle Begleiterscheinung der eigenen Wünsche ist. ...Sondern über die rechte Einsicht.

    Kommt mir gekünstelt vor. Was ist jetzt wenn diese "rechte Einsicht" sich

    bei dir einstellt auf unheilsame, schlechte Dinge zu verzichten.

    Und das obwohl du sie gerne machst? Verzichtest du dann doch lieber

    als dir von den Wort "verzichten" Angst machen zu lassen?

    Ich denke nur, dass es nicht zielführend ist, Krieg mit Krieg zu bekämpfen. Da mag sich erstmal ein kurzfristiger frieden einstellen, wenn die eine oder andere Seite gewonnen hat, aber wirklich nachhaltig ist das nicht. Erst wenn man den Krieg an sich wirklich knüppeldicke hat und das kämpfen in die eine oder andere Richtung sein lässt, hat man echten Frieden.

  • Ich denke nur, dass es nicht zielführend ist, Krieg mit Krieg zu bekämpfen. Da mag sich erstmal ein kurzfristiger frieden einstellen, wenn die eine oder andere Seite gewonnen hat, aber wirklich nachhaltig ist das nicht. Erst wenn man den Krieg an sich wirklich knüppeldicke hat und das kämpfen in die eine oder andere Richtung sein lässt, hat man echten Frieden.

    Verzicht auf unheilsames ist eigentlich kein Krieg.

    Eher schon die vier edlen Kämpfe gegen das Unheilsame.

    Sechstes Glied im Pfad: rechte Anstrengung (sammā-vāyāma)

  • Nach meiner Erfahrung kann man in der Meditation einen Zustand erreichen, in dem man vorübergehend völlig befreit ist von irgendwelchen Wünschen. Auch direkt nach der Meditation erlebe ich mich dann als "wunschlos glücklich". Demgegenüber sind sinnliche Befriedigungen ein deutlich unvollkommeneres Glück. Beides lässt sich auch nicht kombinieren: Treten sinnliche Wünsche wieder auf, ist der Frieden gestört.

    Ja, es geht nur entweder oder:

    "Freund, wieviele Faktoren sind in der ersten Vertiefung ( Jhana ) überwunden, und wieviele Faktoren sind darin enthalten?"


    "Freund, in der ersten Vertiefung sind fünf Faktoren überwunden und fünf Faktoren sind darin enthalten. Wenn da ein Bhikkhu in die erste Vertiefung eingetreten ist, ist Sinnesbegierde ( kāma-cchando ) überwunden, Übelwollen ist überwunden, Trägheit und Mattheit ist überwunden, Rastlosigkeit und Gewissensunruhe ist überwunden und Zweifel ist überwunden; und es treten anfängliche Hinwendung des Geistes, anhaltende Hinwendung des Geistes, Verzückung, Glückseligkeit und Einspitzigkeit des Geistes auf. Auf diese Weise sind in der ersten Vertiefung fünf Faktoren überwunden und fünf Faktoren sind darin enthalten."

    Das Kamasutra (Sanskrit: कामसूत्र kāmasūtra = Verse des Verlangens) wurde vermutlich zwischen 200 und 300 n. Chr. von Vatsyayana Mallanaga verfasst, über dessen Leben keine weiteren Kenntnisse vorliegen. Der vollständige Titel lautet Vatsyayana Kamasutra. Das Werk gehört zur indischen Tradition der Lehrwerke über Erotik (Kamashastra). Als ein Leitfaden der Erotik und der Liebe steht das Kamasutra in einer Beziehung zum Tantra, in dem es um die Transformation der Sexualität geht.

    Viele Grüße

    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • In den Lehrreden wird beschrieben, dass die Mönche täglich (offenbar mehrere Stunden täglich) in diesem Zustand des inneren Friedens verbrachten.

    Ja, das stimmt:

    „Ihr Bhikkhus, wenn die Achtsamkeit auf den Körper immer wieder gepflegt, entfaltet, geübt, als Fahrzeug verwendet, als Grundlage benutzt, verankert, gefestigt und gut ausgeübt worden ist, können diese zehn Vorteile davon erwartet werden. Welche zehn?“


    (I) „Man wird ein Sieger über Unzufriedenheit und Hingerissenheit, und Unzufriedenheit besiegt einen nicht; man verweilt, indem man Unzufriedenheit überwindet, wann immer sie erscheint.“


    (IV) „Man erlangt nach Belieben, ohne Probleme oder Schwierigkeiten die vier Vertiefungen ( Jhana ), die die höhere Geistigkeit ausmachen und für ein angenehmes Verweilen hier und jetzt sorgen.“

    VIele Grüße

    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Im Zusammenhang mit der Befreiung wird in den Lehrreden auch immer wieder auf die Jhanas hingewiesen.

    Ja, genaugenommen: Ohne Jhana gibt es keine Befreiung:

    "Es gibt einen Pfad, Ānanda, einen Weg zum Überwinden der fünf niedrigeren Fesseln; daß irgendjemand, ohne zu jenem Pfad, zu jenem Weg zu gelangen, die fünf niedrigeren Fesseln kennen oder sehen oder überwinden wird - dies ist nicht möglich. Wenn da ein großer Baum voller Kernholz steht, so ist es nicht möglich, daß irgendjemand sein Kernholz schneiden wird, ohne durch seine Rinde und sein Weichholz zu schneiden, ebenso gibt es einen Pfad, einen Weg zum Überwinden der fünf niedrigeren Fesseln; daß irgendjemand, ohne zu jenem Pfad, zu jenem Weg zu gelangen, die fünf niedrigeren Fesseln kennen oder sehen oder überwinden wird - dies ist nicht möglich.


    "Und was, Ānanda, ist der Pfad, der Weg zur Überwindung der fünf niedrigeren Fesseln? In Abgeschiedenheit von jeglicher Vereinnahmung, mit der Überwindung unheilsamer Geisteszustände, mit der völligen Stillung körperlicher Trägheit tritt da ein Bhikkhu ganz abgeschieden von Sinnesvergnügen, abgeschieden von unheilsamen Geisteszuständen, in die erste Vertiefung ( Jhana ) ein, die von anfänglicher und anhaltender Hinwendung des Geistes begleitet ist, und verweilt darin, mit Verzückung und Glückseligkeit, die aus der Abgeschiedenheit entstanden sind."

    Daher ist diese Praxis ja auch das achte Glied des achtfachen Pfades:

    "Und was, Freunde, ist die Edle Wahrheit vom Weg, der zum Aufhören von Dukkha führt? Es ist eben dieser Edle Achtfache Pfad; nämlich Richtige Ansicht, Richtige Absicht, Richtige Rede, Richtiges Handeln, Richtige Lebensweise, Richtige Anstrengung, Richtige Achtsamkeit, Richtige Konzentration."


    "Und was, Freunde, ist Richtige Konzentration? Da tritt ein Bhikkhu ganz abgeschieden von Sinnesvergnügen, abgeschieden von unheilsamen Geisteszuständen, in die erste Vertiefung ( Jhana ) ein, die von anfänglicher und anhaltender Hinwendung des Geistes begleitet ist, und verweilt darin, mit Verzückung und Glückseligkeit, die aus der Abgeschiedenheit entstanden sind. Mit der Stillung der anfänglichen und anhaltenden Hinwendung des Geistes (zum Meditationsobjekt) tritt er in die zweite Vertiefung ein, die innere Beruhigung und Einheit des Herzens ohne anfängliche und anhaltende Hinwendung des Geistes enthält, und verweilt darin, mit Verzückung und Glückseligkeit, die aus der Konzentration entstanden sind. Mit dem Verblassen der Verzückung, in Gleichmut verweilend, achtsam und wissensklar, voll körperlich erlebter Glückseligkeit, tritt er in die dritte Vertiefung ein, von der die Edlen sagen: 'Glückselig verweilt derjenige, der voll Gleichmut und Achtsamkeit ist', und verweilt darin. Mit dem Überwinden von Glück und Schmerz und dem schon früheren Verschwinden von Freude und Trauer, tritt er in die vierte Vertiefung ein, die aufgrund von Gleichmut Weder-Schmerzhaftes-noch-Angenehmes und Reinheit der Achtsamkeit in sich hat, und verweilt darin. Dies wird Richtige Konzentration genannt."

    Viele Grüße

    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • In den Lehrreden wird beschrieben, dass die Mönche täglich (offenbar mehrere Stunden täglich) in diesem Zustand des inneren Friedens verbrachten.

    Ja, das stimmt

    Im Zusammenhang mit der Befreiung wird in den Lehrreden auch immer wieder auf die Jhanas hingewiesen.

    Ja, genaugenommen: Ohne Jhana gibt es keine Befreiung:

    Daher ist diese Praxis ja auch das achte Glied des achtfachen Pfades:

    Wir sind uns ja in diesen Punkten einig.


    Was aber folgt daraus, dass Du die intensive Jhana-Praxis, die in den Lehrreden beschrieben ist, als notwendige Voraussetzung der Befreiung formulierst?


    Ich hatte oben geschildert, dass (a) heutzutage weder Konsens besteht, was Jhanas sind noch wie sie praktiziert werden sollen (siehe den link oben), (b) selbst bei den Mönchen (und natürlich erst recht den Laien), die die Jhanas praktizieren, keine so stabile und intensive Praxis wie in den Lehrreden beschrieben vorliegt. Das ist jedenfalls mein Erfahrungsstand. Wenn Du andere Erfahrungen gemacht hast und beispielsweise einen oder mehrere Menschen aus Gegenwart oder jüngster Vergangenheit kennst, die eine so stabile und intensive Praxis dauerhaft ausüben und sich dadurch ganz oder beinahe vollständig von ihrem Begehren befreien konnten, wäre das eine nützliche Information.


    Falls es aber niemand gibt oder extrem seltene Ausnahmen, von denen man zudem viel zu wenig weiß, um es überprüfen zu können, deutet das darauf hin, dass der Weg zur Befreiung heutzutage nicht mit Aussicht auf Erfolg in derselben Form beschritten werden kann, wie er in den Lehrreden beschrieben ist.


    Nach meiner Erfahrung hoffen auch Theravada-Mönche heutzutage eher auf eine gute Wiedergeburt, statt Befreiung in diesem Leben anzustreben.


    Vor diesem Hintergrund ist es vielleicht nachvollziehbar, wenn man - zumindest als Laie - das Ziel der Praxis zunächst einmal darin sieht, Sinnlichkeit zu kultivieren, statt sie vollständig zu überwinden.

    Das ist ein realisierbares Ziel, bei dem die Praxis des achtfachen Pfades helfen kann.


    Das letzte Ziel der vollständigen Befreiung muss man dafür nicht notwendig aufgeben. Es kann ja als utopisches Projekt beibehalten werden, etwa wenn jemand an eine bessere Wiedergeburt glaubt und an eine Fortsetzung der Praxis über mehrere Leben hinweg.



    Ob es Menschen überhaupt gut tut, alle sinnlichen Bedürfnisse und entsprechenden Wünsche aufzugeben, ist ebenfalls eine wichtige und grundsätzliche Frage, die man mit guten Gründen verneinen kann: Beispielsweise hatte ich in meinem letzten Beitrag argumentiert, dass das Bedürfnis nach zärtlichen Berührungen nicht einfach "überwunden" werden kann, ohne psychischen Schaden zu erleiden. (Entsprechend sogar die Praxis bei Vinaya-Mönchen, sich gegenseitig zu massieren.)


    Diese zuletzt genannte Frage geht natürlich über den weltanschaulichen Rahmen der Buddha-Lehre, wie sie im Pali-Kanon geschildert wird, hinaus.

  • "Sexualität und Befreiung: Ist die kritische Sicht des Buddha auf Sexualität für heutige Praktizierende relevant?"

    Um deine Frage mal tatsächlich zu beantworten.

    Die Antwort ist davon abhängig ob dieser sog. "Praktizierende"

    dem Buddha in dieser Hinsicht folgen und sich von der Sinnlichkeit

    befreien will oder nicht.

    Will er das, dann ist diese "kritische Sicht" auf das sinnliche Begehren

    selbstverständlich relevant und andernfalls eben nicht. So einfach ist das

    und hat mit heute oder morgen oder gestern überhaupt nichts zu tun.

  • Ja, genaugenommen: Ohne Jhana gibt es keine Befreiung:

    Daher ist diese Praxis ja auch das achte Glied des achtfachen Pfades:

    Ich hatte oben geschildert, dass (a) heutzutage weder Konsens besteht, was Jhanas sind noch wie sie praktiziert werden sollen (siehe den link oben), (b) selbst bei den Mönchen (und natürlich erst recht den Laien), die die Jhanas praktizieren, keine so stabile und intensive Praxis wie in den Lehrreden beschrieben vorliegt. ... Falls es aber niemand gibt oder extrem seltene Ausnahmen, von denen man zudem viel zu wenig weiß, um es überprüfen zu können, deutet das darauf hin, dass der Weg zur Befreiung heutzutage nicht mit Aussicht auf Erfolg in derselben Form beschritten werden kann, wie er in den Lehrreden beschrieben ist.

    Ja, da ist etwas dran.


    Im Majjhima Nikaya sind Samatha und Vipassanā noch eng miteinander verknüpft:


    "Und welche Dinge sollten mit höherer Geisteskraft (abhiññā) entfaltet werden?

    Ruhe und Einsicht (Samatho ca vipassanā). Dies sind die Dinge, die mit höherer Geisteskraft entfaltet werden sollten."

    "Und welche Dinge sollten mit höherer Geisteskraft (abhiññā) verwirklicht werden?

    Wahres Wissen und Befreiung (Vijjā ca vimutti). Dies sind die Dinge, die mit höherer Geisteskraft verwirklicht werden sollten."

    Auch im Anguttura Nikaya wird wird die Trennung in verschiedene voneinander getrennte "Befreiungswege" verneint:

    Zur Zeit des Visuddhi Magga scheint sich dann aber die Auffassung eingeschlichen zu haben, man könne verschieden Wege zur Befreiung wählen:

    Der 'auf bloßen Hellblick Gestützte', ist ein solcher Jünger, der, ohne je eine der Vertiefungen (jhāna) erreicht zu haben, lediglich auf seinen Hellblick (vipassanā) gestützt, einen oder mehrere der überweltlichen Pfade (ariya-puggala) verwirklicht hat.


    Wird auch der den "Klarblick Übende" (vipassanā-yānika); "der den Klarblick als Vehikel hat" genannt, d.i. der auf bloßen Klarblick Gestützte.


    In Vis. XVIII wird ein solcher als suddha-vipassanā-yānika, ein 'den bloßen Hellblick zum Vehikel Nehmender', bezeichnet, zum Unterschied von dem 'die Gemütsruhe zum Vehikel Habenden' (samatha-yānika).

    Und heutzutage scheint die Schule der samatha-yānika kaum noch vertreten zu sein, Im Gegensatz zu den vipassanā-yānika.


    Viele Grüße

    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Wenn Du andere Erfahrungen gemacht hast und beispielsweise einen oder mehrere Menschen aus Gegenwart oder jüngster Vergangenheit kennst, die eine so stabile und intensive Praxis dauerhaft ausüben und sich dadurch ganz oder beinahe vollständig von ihrem Begehren befreien konnten, wäre das eine nützliche Information.


    Vor diesem Hintergrund ist es vielleicht nachvollziehbar, wenn man - zumindest als Laie - das Ziel der Praxis zunächst einmal darin sieht, Sinnlichkeit zu kultivieren, statt sie vollständig zu überwinden.

    Das ist ein realisierbares Ziel, bei dem die Praxis des achtfachen Pfades helfen kann.

    Wenn Du mit kultivieren meinst, auf unheilsame Formen der Sexualität zu verzichten, dann wäre das konform mit dem achtfachen Pfad. Wenn Du mit kultivieren meinst, Sexualität zu einer Art Kunst zu erheben, so wie im Kamasutra beschrieben, dann wäre das wohl nicht so vereinbar mit dem achtfachen Pfad.


    Wie oben schon beschrieben, steht und fällt die vollständige Praxis des achtfachen Pfades ja mit der dauerhaften Überwindung der fünf Hindernisse:

    "Und wie, ihr Bhikkhus, verweilt ein Bhikkhu, indem er Geistesobjekte als Geistesobjekte betrachtet? Da verweilt ein Bhikkhu, indem er Geistesobjekte als Geistesobjekte im Zusammenhang mit den fünf Hindernissen betrachtet. Und wie verweilt ein Bhikkhu, indem er Geistesobjekte als Geistesobjekte im Zusammenhang mit den fünf Hindernissen betrachtet? Wenn Sinnesbegierde in ihm vorhanden ist, versteht ein Bhikkhu: 'Sinnesbegierde ist in mir vorhanden;' oder wenn keine Sinnesbegierde in ihm vorhanden ist, versteht ein Bhikkhu: 'Sinnesbegierde ist in mir nicht vorhanden;' und er versteht auch, wie noch nicht entstandene Sinnesbegierde entsteht, und wie bereits entstandene Sinnesbegierde überwunden wird, und wie überwundene Sinnesbegierde künftig nicht mehr entsteht."

    Das scheint mir kaum möglich, wenn man Sinnesvergnügen kultiviert.


    Ich selbst bin aber auch kein gutes Beispiel für erfolgreiche Jhana-Praxis: Zwar fällt es mir veranlagungsbedingt relativ leicht, auf Sex zu verzichten, da ich einen recht niedrigen Testosteronspiegel habe. Aber dafür sind Trägheit und Mattheit ein echtes Hindernis für mich. Jeder hat so seine Herausforderungen.


    Viele Grüße

    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

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