David Hinton: China Root

  • Ich hoffe, eine Buchempfehlung an dieser Stelle ist okay, da ich mich zum einen schwer tue, das unter 'buddhistische' Bücher einzuordnen, und ich zum anderen gesehen habe, dass hier auch die eine oder andere Buchempfehlung ist.


    David Hinton hat viele chinesische Klassiker des Daoismus übersetzt und ist vor allem bekannt für seine Übersetzungen von klassischer chinesischer Poesie. In den letzten Jahren hat er vermehrt über die philosophischen Hintergründe dieser Texte geschrieben. Schon in diesen Arbeiten setzte er sich mit dem daoistischen Ursprung von Begriffen wie 'Leere', 'Form', 'ursprüngliche Natur' usw. auseinander. In seinem neuen Buch 'China Root' beschreibt er nun Ch'an als eine Entwicklung innerhalb des philosophischen Daoismus, der in seinen Anfängen (vor allem durch die Übersetzung buddhistischer Terminologie ins Chinesische buddhistische Elemente übernahm, die aber gerade im Laufe der Assimilation dieser Begriffe den 'buddhistischen' Rahmen immer mehr ablegte.


    Durch die Übertragung des Ch'an nach Japan und später in die USA und die dadurch entstehenden Übersetzungen (in einem wieder eher buddhistischen Kontext) verschwanden die in den chinesischen Originalen deutlichen Bezüge zur Ontologie und Kosmologie des Daoismus fast vollständig. So ist der zweite Teil des Buches passend 'Lost in Translation' betitelt.


    Das Buch ist nicht einfach zu lesen, weil man sich schon (auch) für Probleme der Sprache und Übersetzung interessieren sollte. Verwirrend ist es auch, wenn Hinton die chinesischen Namen 'übersetzt' (den Grund gibt er im Buch an). So wird aus Linji Yixuan (=Rinzai) 'Master Purport Dark Enigma'...:grinsen:


    Hier noch ein Interview mit Hinton aus der 'Lion's Roar', das den Inhalt des Buches ausführlicher beschreibt.


    Interessant für alle, die etwas über die Ursprünge des Zen erfahren wollen.

  • Geisterfahrer-Syndrom*. Dietrich Roloff ist auch so ein Fall ... Aber Danke für den Hinweis.


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    *"Achtung! Auf der A61 kommt ihnen ein Geisterfahrer entgegen. Bitte fahren sie ..."

    "Einer??? Hunderte!!!!"

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    • Offizieller Beitrag

    David Hinton hat viele chinesische Klassiker des Daoismus übersetzt und ist vor allem bekannt für seine Übersetzungen von klassischer chinesischer Poesie. In den letzten Jahren hat er vermehrt über die philosophischen Hintergründe dieser Texte geschrieben. Schon in diesen Arbeiten setzte er sich mit dem daoistischen Ursprung von Begriffen wie 'Leere', 'Form', 'ursprüngliche Natur' usw. auseinander. In seinem neuen Buch 'China Root' beschreibt er nun Ch'an als eine Entwicklung innerhalb des philosophischen Daoismus, der in seinen Anfängen (vor allem durch die Übersetzung buddhistischer Terminologie ins Chinesische buddhistische Elemente übernahm, die aber gerade im Laufe der Assimilation dieser Begriffe den 'buddhistischen' Rahmen immer mehr ablegte.

    Ein Dichter und Übersetzter ist ja jemand, der sich tief mit mit der Bedeutung und der Geschichte von Wörtern und den dazugehörigen Konzepten auseinandergesetzt hat. Darin liegt aber die Gefahr, dass man sich einfach die Etymologie von Worten entlanghagelt. Gerade wenn jemand die chinische Kultur beherrscht und liebt, liegt es ja nahe dort zu suchen und die Verbindung zu indischen Quellen und Konzepten herunterzuspielen. Aber galt Chan nicht am Anfang als so ein Laṅkāvatāra Sūtra-Fanclub der später auf Diamantsutra umsattelte? Kann man da dann jemand trauen, der schon von seiner ganzen Qualifikation her aus dem Chinesischen schöpft? Wir wird denn das Buch denn von Leuten die Chan/Zen erforschen beurteilt?


    Ich bin da ein wenig vorbelastet weil ich so mit 18 ein ganz großer Fan von Alan Watts war. (es liegen noch Schulordnern mit selbstgemalten Dao 道 Zeichen rum, die ausreichen, um einem Kalligraphen eine ganze Nacht mit Alpträumen zu versorgen) Seine Bücher berührten mich sehr. Auch er fand man ein große Nähe zwischen Chan und Daosimus und exzentrischen chinesischen Dichtern die in abgelegnen Bergklausen die Spontaität des Daseins feiern. Das Ganze setzte ja den Grundton für eine bestimmte Zen-Rezeption der 68ige : Kack Kerouacs "Dharma Bums" oder eben auch Gary Snyders Gedichte. Später hatte ich dann den Eindruck, dass das was Alan Watts schrieb, wenig mit der Realität zu tun hatte, sondern er mit dem Auge eines religiösen Träumers, der nach inspiration sucht und sich verzaubern lassen will, in den Osten blickt. Und gerade weil ich Watts sehr geschätzt hatte, fühlte ich mich da in meiner Naivität an der Nase herumgeführt. So wie jemand, der ersthaft angenommen hatte, Karl May schilderte den wahren wilden Westen.


    Von daher bin ich da bei einem weiteren Dichter der sich als Scout anbietet skeptisch. Ich lasse mich aber gerne eines Besseren belehren.


    Zen oda Zen-Buddhismus is a Richtung vom Mahayana-Buddhismus, de wo im 5. Joarhundat im Koasareich Kina duachn Einfluss vom Daoismus entstandn is. Im 12. Joarhundat is de Foam vo Buddhismus af Japan kema, hod do in Nama "Zen" griagt und hod si bsondas intensiv weida entwicklt. Vo Japan is da Zen-Buddhismus in da Neizeid inan Westn kema.


    Da kinäsische Nama "Chan") kimmt vom Sanskrit "Dhyana" und des hoasst sovui wia "medidativa Zuastand". Des is a treffenda Ausdruck, wei de Meditation im Zen a wichtige Roin spuit.

  • Wir wird denn das Buch denn von Leuten die Chan/Zen erforschen beurteilt?


    Ich habe bisher keine Rezension eines Chan-Experten gelesen, nur mehrere allgemeine Rezensionen, aber durchaus auch von guten Leuten wie Livia Kohn, und zu meiner Überraschung, war kein einziger Verriss dabei. Sie waren alle positiv bis sehr positiv.


    Mir ist das aber auch noch nicht ganz geheuer.

  • Ich habe den Eindruck, dass es da schlicht an einem soliden Grundwissen über den Buddhismus Chinas fehlt; über die geistesgeschichtlichen Zusammenhänge, also den Kontext, aus dem sich Chan entwickelte. Sanlun, Faxiang, Huayan ... Richtig ist, dass der chinesische Buddhismus auch Ideen des klassischen Daoismus aufgriff - vor anderem auch, um die schwierige Aufgabe zu bewältigen, Sutren und Shastras und die darin erörterten philosophischen Konzepte aus indoeuropäischen Sprachen in das völlig anders strukturierte Chinesisch zu übersetzen. Ähnliches lässt sich ja auch bei Übersetzungen buddhistischer Texte ins Englische oder Deutsche feststellen. Wobei letzteres eher noch problematischer ist, da da z.T. mit Begriffen gearbeitet wird, die begriffsgeschichtlich zum einen durch den Monotheismus und zum anderen durch den auf Platon zurückgehenden Idealismus konnotiert sind. Die darin angelegten Inkongruenzen zum anātaman / śunyatā - Paradigma halte ich für deutlich problematischer als die beim Rückgriff auf daoistische Terminologie auftretenden, weil die Differenz der Grundkonzepte deutlich geringer ist. Auch der (klassische philosophische) Daoismus ist eine nicht-theistische Philosophie bei der es darüber hinaus Parallelen zu den Konzepten anitya und pratītyasamutpāda gibt (der in dem Interview gegebene Verweis auf das Yijing und dessen exegetische Tradition - die sog. '10 Flügel' - die allerdings stark konfuzianisch geprägt ist). Insbesondere ist das śunyatā-Konzept durchaus verwandt mit dem neo-daoistischen xuanxue (mit 'wu' unter Rückgriff auf das Daode Jing als einem der zentralen Begriffe). Wenn man nun speziell die Yulu-Literatur des Chan (aus der die klassischen Gongan-Sammlungen schöpften) einzig vor dem Hintergrund der klassischen daoistischen und der neo-daoistischen Literatur betrachtet, klammert man deren buddhistischen Hintergrund schlicht aus. Da liegt der schon geäußerte Verdacht nahe, dass man den einfach nicht kennt.


    Vollends haarsträubend Hintons Äußerungen zu Wumenguan Fall 1. Wobei es nicht der Ironie entbehrt, dass Hinton einerseits Chan eine anti-metaphysische Grundhaltung bescheinigt (was es nicht 'unbuddhistisch' macht, wobei Metaphysik von seiner Begriffsgeschichte her grundsätzlich einer der oben erwähnten inkongruenten Begriffe ist) und andererseits das Gongan als 'metaphysische' Aussage interpretiert, wenn er Zhaozhous 'wu' als Verweis auf die daoistische xuanxue-Philosophie liest. Misser kann man dieses Gongan gar nicht verstehen. Vielleicht hätte es Hinton vor diesem Missverständnis bewahrt, wenn er sich wenigstens die etwas ausführlichere Präsentation dieser Geschichte in Fall 18 des Congronglu (jap. Shōyōroku) mal angeschaut hätte - die im Übrigen auch deutlich näher an der Quelle beider Gongan-Sammlungen ist, dem Zhaozhou Chanshi Yulu, die man, wenn man so argumentiert, wie es Hinton tut, sinnvollerweise auch beiziehen sollte. Das weckt bei mir einen weiteren Verdacht - dass Hintons Kenntnisse selbst des im Rahmen chinesischer buddhistischer Literatur relativ kleinen Bereichs der Chan-Literatur ausgesprochen lückenhaft sind. Dass sich die 'vollständige' Version dieses Gongan auch bei Dōgen findet (sogar zwei mal, in Shōbōgenzō Busshō und Sambyakuzoku) sei hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt.

    Zitat

    Ein Mönch fragte Zhaozhou: "Hat auch ein Hund die Buddhanatur oder nicht?" Zhaozhou sagte: "Er hat!" ....

    Dieser Anwort (kurz: "u") folgt eine Nachfrage und kurze Belehrung, darauf als zweites wenda (Jap. mondo) dieselbe Frage eines anderen Mönchs, die dann mit dem bekannten "wu" beantwortet wird - ebenfalls gefolgt von einer Nachfrage und Antwort. Bei Dōgen ist die Reihenfolge der beiden mondo vertauscht.


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  • Vielen Dank für Eure Meinungen und Ansichten.


    Mir ging es eigentlich nur darum, auf das Buch hinzuweisen, weil ich einige Informationen nützlich fand, um mein Leben zu leben. Das gilt übrigens auch immer noch für einige Bücher von Alan Watts, lieber void.


    Da ich mir überhaupt keine Kompetenz anmaße, über das 'Richtig' und 'Falsch' seiner Aussagen in wissenschaftlicher oder dogmatischer Hinsicht zu urteilen, lag es mir fern, in eine Diskussion einzusteigen, aber Ihr könnt das selbstverständlich tun.


    Ich selber habe mit Hintons Buch als Bötchen zwar nicht zum anderen Ufer übergesetzt, sondern mich nur wie Ratte und Maulwurf auf dem Fluss amüsiert. Ihr könnt es jetzt gerne haben und damit machen, was ihr wollt: Es kurz und klein schlagen, beweisen, dass es nicht schwimmt, über die Frivolität von Bootsausflügen reden, wo sie doch dafür gedacht sind, ans andere Ufer zu kommen - nur zu...

  • Mir ging es eigentlich nur darum, auf das Buch hinzuweisen,

    Das ist ja auch völlig in Ordnung und dass ich mich für den Hinweis bedankt habe war durchaus ernst gemeint. Zur Beurteilung des Buchs müsste ich es erst einmal lesen und ob meine Fachkompetenz eine seriöse Beurteilung überhaupt zuließe ist eine ganz andere Frage (z.B. beherrsche ich kein Chinesisch, schon gar kein mittelalterliches). Ich erlaube mir allerdings einige Zweifel an den Thesen, die in dem Interview vorgetragen werden. Kurz gefasst ist mein Eindruck: wenn einer einen Hammer hat, schaut alles wie ein Nagel aus.


    Jedenfalls - um meine Zweifel zu beheben und mich zum Lesen des Buchs zu animieren, bedürfte es wohl einer positiven Rezension in einer einschlägigen Fachzeitschrift. Philosophy East and West, Journal of Chinese Philosophy, Religious Studies Review o.ä. - möglichst von einer Autorität auf dem Gebiet, da gibt's ja einige. Peter N. Gregory, Steven Heine, Hans-Rudolf Kantor, etwas in der Richtung. Wird wohl noch etwas dauern, das Buch ist ja gerade mal ein halbes Jahr auf dem Markt.


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  • Jedenfalls - um meine Zweifel zu beheben und mich zum Lesen des Buchs zu animieren, bedürfte es wohl einer positiven Rezension in einer einschlägigen Fachzeitschrift. Philosophy East and West, Journal of Chinese Philosophy, Religious Studies Review o.ä. - möglichst von einer Autorität auf dem Gebiet, da gibt's ja einige. Peter N. Gregory, Steven Heine, Hans-Rudolf Kantor, etwas in der Richtung

    Um Gottes Willen, Sudhana , vergiss angesehene Fachzeitschriften, renommierte Kritiker, vielbeachtete Gelehrte und ehrenwerte Autoritäten. Die kannst du doch nicht zum Maßstab nehmen, diese Vögel, die ihre Brille wichtig in der Hand halten und ein wenig am Bügel kauen, während sie dem ehrfürchtigen Zuhörer die Welt erklären! :shock::badgrin:


  • Die kannst du doch nicht zum Maßstab nehmen

    Mein Maßstab dafür, ob Chan / Zen nun Buddhismus ist oder ein buddhistisch geschminkter Daoismus ist mein persönliches Studium des Buddhismus, dem ich mich seit etwa 25 Jahren intensiv widme. Und das ist in erster Linie ein Studium der Praxis, nur in zweiter Linie und begleitend eines der Theorie, wobei ich mich bei Letzterem nicht nur auf Zen beschränkt habe. Als junger Mann hatte ich mich u.a. auch etwas mit klassischer daoistischer Literatur beschäftigt. Notgedrungen in Übersetzungen (vor allem Legge und Wilhelm), wie bei buddhistischen Quellen auch. Das, was ich in theoretischer Hinsicht studiert habe, stammt also aus zweiter Hand. Da habe ich dann auch kein Problem, Leute, die da kompetenter sind als ich, zum Maßstab zu nehmen. Wobei ich dabei wiederum Spezialisten auf dem Gebiet vergleichender Religionswissenschaft und Religionsphilosophie mit Fachgebiet Ostasien, die die Sprache der Quelltexte beherrschen und im akademischen Bereich Forschung und Lehre betreiben, eine höhere Kompetenz zugestehe als einem freischaffenden Sinologen - auch wenn dieser zweifellos seine Meriten als Übersetzer hat.


    Dass sich jede Theorie letzlich an der Praxis, an der durch sie vermittelten Erfahrung, Einsicht und Verständnis, messen lassen muss, halte ich für selbstverständlich. Aber das ist notwendig ein persönlicher Maßstab ohne Anspruch auf objektive Gültigkeit und taugt daher nicht zur Argumentation.


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