Fragwürdiges Interview mit Dzongsar Jamyang Khyentse in "Buddhismus Aktuell"

  • Ich glaube nicht, dass Asiaten nur Harmonie wahren. Sie gehen sicher mit diesen Dingen anders um.

    Aber was ist der Unterschied?

    Ich weiß es nicht. Aber ich denke eine Kultur, die über Jahrhunderte mit dem Buddhismus zusammengewachsen ist und somit auch mit dem Lehrerbild im Vajrayana ist abgeklärter, als bei uns, wo das alles viel neuer ist. Die Wut auf falsche Lehrer ist denke ich im Westen so groß, weil man die Lehrer und die Lehre so stark glorifiziert hat. Diese glorifizierung ist aber eine westliche Sicht, die sich auch in Heiligenverehrung im Christentum findet. Es ist unser mind-set, nicht das der Asiaten. Sie differenzieren mehr zwischen dem Guru auf dem Tron und dem der am Tisch sitzt.


    Mit Zen kenne ich mich zu wenig aus. Aber ich komme ja von einem Lehrer, der mit Vorsicht zu genießen ist. Gleichzeitig praktiziere ich seit 24 Jahren Vajrayana-Buddhismus. Für mich ist es wichtig meinen Frieden mit meiner Vergangenheit zu finden und weiter meinen Weg gehen zu können. Auch als Täterin, die Missstände zugelassen hat. Dabei hilft es meine westliche Denkweise zu verstehen und zu akzeptieren und auch falsche Sichtweisen, die ich hatte und auch noch habe. Dzongsar Kyentse Rinpoche hilft mir dabei sehr.

  • Wer ich war, nicht wie ich war.

    Fühlst du dich von mir bewertet?

    nein. Du bewertest hier andere:

    Wahrscheinlich sind da viele Hungergeister dabei und die können vor lauter Hunger nicht denken bzw. denken nur ans Essen, das "buddhistische Philosophie" heißt.

    Das Problem mit Schülern ganz generell ist doch, dass sie keine Kritik zulassen können, wollen, dürfen, weil das Zweifel nährt an ihrer Entscheidung für diesen Lehrer und das führt dann zum Ende der Beziehung und man geht. Aber der Betreffende merkt das nicht, weil es eine Selbstselektion gibt und nur die übrig bleiben, die mit dem Lehrer einverstanden sind. Das führt dann für alle Beteiligten in eine Sackgasse und ist unfruchtbar.

    Weißt du ich meine gar nicht das Gewinnen einer Debatte. Schon einfach nur dabei sitzen und zwar Tagelang in dem Unterricht von Dzongtsar Khyentses Linie und nicht vor Langeweile umkommen weil man nichts versteht. Wär wesentlich schwerer als zu sagen: Diese Menschen können nicht denken.

    Es ist nur einfach so, dass sie über das nachdenken, worüber sie nachdenken möchten. Und nicht über das, was du findest, dass sie denken wollen sollten.

    Ein Mensch ist nicht deswegen denk unfähig, weil er sich die Themen über die er denken möchte, selbst aussucht.

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  • Weißt du ich meine gar nicht das Gewinnen einer Debatte. Schon einfach nur dabei sitzen und zwar Tagelang in dem Unterricht von Dzongtsar Khyentses Linie und nicht vor Langeweile umkommen weil man nichts versteht. Wär wesentlich schwerer als zu sagen: Diese Menschen können nicht denken.

    Es ist nur einfach so, dass sie über das nachdenken, worüber sie nachdenken möchten. Und nicht über das, was du findest, dass sie denken wollen sollten.

    Ein Mensch ist nicht deswegen denk unfähig, weil er sich die Themen über die er denken möchte, selbst aussucht.

    Es ist doch ganz allein deine Sache, wie du deinen Lehrer bewertest. Ich kenne nur, was er geschrieben hat und was er zu dem Mißbrauchsfällen gesagt hat. Dazu habe ich eine Meinung und das bewerte ich auch.

    Der Fall DJK ist für mich auch durch. Ich bin da garnicht dran interessiert.

    Ich habe mich nur ein wenig über das Zeitschriftenbeispiel von Elke ausgelassen und wollte das eher literarisch und humorvoll sehen. Was du dann daraus machst, lässt sich nicht weiter klären und führt wahrscheinlich zu weiteren Mißverständnissen. Also lasse ich das jetzt so stehen.

    :zen:

  • Es ist doch ganz allein deine Sache, wie du deinen Lehrer bewertest.

    Er ist nicht mein Lehrer. Das dachtest du aber und wolltest gerade das nutzen um die Sache von dir ab zu schieben.

    Ich kenne nur, was er geschrieben hat und was er zu dem Mißbrauchsfällen gesagt hat. Dazu habe ich eine Meinung und das bewerte ich auch.

    dies ist nicht nur eine Bewertung zu dem, was er zu den Mißbrauchsfällen gesagt hat. Sondern eine Bewertung von Menschen, die dazu eine andere Meinung haben als du:

    Wahrscheinlich sind da viele Hungergeister dabei und die können vor lauter Hunger nicht denken bzw. denken nur ans Essen, das "buddhistische Philosophie" heißt.

    Das Problem mit Schülern ganz generell ist doch, dass sie keine Kritik zulassen können, wollen, dürfen, weil das Zweifel nährt an ihrer Entscheidung für diesen Lehrer und das führt dann zum Ende der Beziehung und man geht. Aber der Betreffende merkt das nicht, weil es eine Selbstselektion gibt und nur die übrig bleiben, die mit dem Lehrer einverstanden sind. Das führt dann für alle Beteiligten in eine Sackgasse und ist unfruchtbar.

    Die Frage ist halt: Wollen wir als Buddhisten friedlich miteinander leben oder wollen wir so anfangen: Einer sagt: Die Leute X sind Hungergeister. Dann sagt der nächste: Diese Leute Y sind Höllenwesen...die anderen sind dumme Kühe...usw.


    Irgendwas Böses oder Dummes aus den niederen Daseinsbereichen sind natürlich dann immer die die zu einer anderen Gruppe gehören als man selbst, andere Meinungen haben usw.

  • Tut mir Leid, dass das hier aus dem Ruder gelaufen ist.


    Ich zitiere mal aus Mark Epstein,

    Gedanken ohne den Denker, Das Wechselspiel von Buddhismus und Psychotherapie, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, 1998

    1. Kapitel »Das Lebensrad – ein buddhistisches Modell des neurotischen Geistes«

    Zitat

    Der Glaube, daß Versöhnung zur Erlösung führen kann, ist grundlegend für die buddhistische Vorstellung von den Sechs Bereichen. Wir können nicht zur Erleuchtung gelangen, solange wir unserem neurotischen Geist entfremdet bleiben. Wie Freud so weitblickend bemerkte: »Auf diesem Felde muß der Sieg gewonnen werden, dessen Ausdruck die dauernde Genesung von der Neurose ist, ... denn schließlich kann niemand in absentia oder in effigie erschlagen werden.« In jedem Bereich unserer Erfahrung, lehren die Buddhisten, müssen wir klar sehen lernen. Nur dann läßt sich das Leiden umwandeln, das der Buddha als universell erkannte. Die Erlösung vom Lebensrad, von den Sechs Daseinsbereichen wird traditionell als Nirvana beschrieben und mit dem Pfad symbolisiert, der aus dem Bereich der Menschen hinausführt. Es ist jedoch mittlerweile ein grundlegendes Axiom des buddhistischen Denkens, daß Nirvana Samsara ist – daß es keinen getrennten Bereich des Buddha neben der weltlichen Existenz gibt, daß die Erlösung vom Leiden durch eine veränderte Wahrnehmung gewonnen wird, nicht durch das Überwechseln in ein himmlisches Reich.


    Die westliche Psychologie hat viel zur Erhellung der Sechs Bereiche beigetragen. Freud und seine Anhänger deckten die animalische Natur der Leidenschaften auf, die höllische Natur von paranoiden, aggressiven und Angstzuständen sowie die unstillbare Sehnsucht, das orale Verlangen (im Lebensrad sind es die Hungergeister). Spätere Entwicklungen in der Psychotherapie rückten sogar die höheren Bereiche in den Mittelpunkt. Die humanistische Psychotherapie legte den Schwerpunkt auf die »Gipfelerlebnisse« (Maslow) im Bereich der Götter; die Ich–Psychologie, der Behaviorismus und die kognitive Therapie forderten das wettbewerbsfähige und effiziente Ich, das im Buddhismus im Bereich der Neidischen Götter angesiedelt ist; und die Psychologie des Narzißmus behandelte ausdrücklich die für den Bereich der Menschen so wichtigen Fragen der Identität. Jede dieser Richtungen befaßte sich mit der Rückgabe eines fehlenden Stücks menschlicher Erfahrung, eines Moments des neurotischen Geistes, von dem wir uns entfremdet haben.


    Das Interesse an der Integration aller Aspekte des Selbst ist grundlegend für die buddhistische Vorstellung von den Sechs Daseinsbereichen. Wir sind nicht nur von diesen Aspekten unseres Charakters entfremdet, behauptet die buddhistische Lehre, sondern auch von unserer eigenen Buddha–Natur, von unserem eigenen erleuchteten Geist. In der Meditation kann man lernen, das ganze Material der Sechs Bereiche zu erschließen und damit alle Punkte, an denen unser Geist haftet.


    Dann folgt ein interessantes Kapital über die Hungergeister, hier noch einen Auszug:

    Zitat

    In der traditionellen Darstellung des Lebensrads erscheint der Bodhisattva des Mitgefühls im Bereich der Hungergeister mit dem Gefäß der himmlischen Speise, einer Schale mit den Symbolen für spirituelle Nahrung. Die Botschaft ist klar: Essen und Trinken vermögen die ungestillten Bedürfnisse dieses Bereichs nicht zu stillen. Nur das nicht urteilende Gewahrsein, das der Buddha vervollkommnet hat, bietet Erlösung.


    Diese verzweifelte Sehnsucht nach unerschöpflicher Fülle ist im Abendland weit verbreitet und firmiert in der Psychologie als »geringes Selbstwertgefühl«. Diesen Geisteszustand zu verstehen erwies sich für viele Lehrer des Buddhismus aus dem Osten als besondere Schwierigkeit im Umgang mit ihren westlichen Schülern. Das Ausmaß, in dem die westliche Psyche unter innerer Leere und Minderwertigkeitsgefühlen leidet, erschien den im Osten aufgewachsenen Lehrern überwältigend; auch werden die zwanghaften Kompensationsphantasien, die die Schüler häufig mit eben jenen Lehrern verbinden, nur selten gründlich psychoanalytisch behandelt. Genauso wie man die Leere der Hungrigen Geister erlebt haben muß, um die Stillung alter Bedürfnisse nicht mehr von ungeeigneten Quellen zu erwarten, so muß der von solchen Gefühlen geplagte westliche Schüler die Leere zum Gegenstand seiner Meditation machen. Erst dann läßt sich die Abscheu vor sich selbst in Gelassenheit überführen, eine Aufgabe, bei der Psychotherapie und Meditation einander gut ergänzen.


    Mich interessiert nicht, ob mir jemand zustimmt.

    :zen:

  • Das ist ein super Buch Leonie!

    Ja, freut mich, dass du das auch so siehst.


    ich bin während einer längeren Beschäftigung mit dem Lebensrad auf Mark Epstein gekommen. Und er hat mir auch noch in anderer Hinsicht sehr geholfen und mich auf Wilfried Bion verwiesen, von dem die Idee zum Titel gekommen ist: Gedanken ohne den Denker.


    Hier also noch ein Zitat.


    Zitat

    Der wichtigste Punkt ist folgender: Solange Lebewesen von Begierde, Haß und Verblendung – den drei Kräften, die im Kreisinneren als Schwein, Schlange und Hahn dargestellt sind und sich wechselseitig zu verschlingen trachten – getrieben sind, bleiben sie sich ihrer eigenen Buddha–Natur unbewußt; sie wissen nicht um die vergängliche, nicht–wesenhafte und unbefriedigende Natur der Welt und bleiben im Lebensrad gefangen.


    Eines der überzeugendsten Momente der buddhistischen Sicht des Leidens ist die im Bild des Lebensrads enthaltene Vorstellung, daß die Ursachen des Leidens zugleich die Mittel zur Erlösung sind; das bedeutet, die Perspektive des Leidenden bestimmt, ob ein gegebener Bereich Medium des Erwachens oder der Gefangenschaft ist. Von den Kräften der Gier, des Ärgers und der Torheit bestimmt, verursacht unsere fehlerhafte Wahrnehmung der Bereiche – nicht die Bereiche selbst – das Leiden. Jeder Bereich enthält eine kleine Buddha–Gestalt (eigentlich handelt es sich um den Bodhisattva des Mitgefühls, dessen Streben darauf gerichtet ist, das Leiden anderer zu beseitigen), die uns auf symbolische Weise lehrt, wie wir die falschen Wahrnehmungen korrigieren können, die jede Dimension verzerren und damit das Leiden perpetuieren. Wir erfahren keinen Bereich in aller Klarheit, lehren die Buddhisten; statt dessen durchleben wir sie alle angsterfüllt; abgeschnitten von der Fülle der Erfahrung, unfähig, sie zu akzeptieren, fürchten wir uns vor dem, was wir zu sehen bekommen. So wie wir den »geschwätzigen Affen« in uns nicht zum Schweigen bringen können, so gleiten wir von einem Bereich in den nächsten, ohne wirklich zu wissen, wo wir uns befinden. Wir sind in unserem Geist befangen, kennen ihn aber nicht wirklich. Von dessen Wellenbewegung angetrieben, treiben wir dahin und mühen uns ab, weil wir nicht gelernt haben, loszulassen und frei zu schweben.


    Dies ist die andere Möglichkeit, das Lebensrad zu verstehen, weniger wörtlich als psychologisch. Schließlich ist die Hauptfrage der buddhistischen Praxis die psychologische Frage: »Wer hin ich?« Ihre Beantwortung erfordert die Erkundung aller Daseinsbereiche. Diese verwandeln sich somit in Metaphern für verschiedene psychologische Zustände, wodurch das ganze Rad zur Darstellung des neurotischen Leidens wird.


    Dem Buddhismus zufolge ist es unsere Furcht davor, uns unmittelbar selbst zu erfahren, die Leiden schafft.



    :zen:

  • Ja, freut mich, dass du das auch so siehst.


    Ja ich finde halt diese Verbindung zwischen Psychotherapie und buddh. Ethik bzw. Lehre sehr spannend und wirksam - es gibt da ja nicht viele, die diesen speziellen Weg gehen, also beides verbinden - mir fällt da noch James Low ein, den ich auch super finde.

  • Mein Lehrer erzählte, dass er, als er hier ankam, "in einem Land, in dem es überall sauber ist, in dem es alles gibt, feine Teppiche und Fensterglas, ... ein Land, in dem sogar heißes Wasser aus der Wand kam, und in dem es in jedem Zimmer hell wurde, wenn man den Kippschalter an der Wand betätigte, ..." fest davon überzeugt war, dass man hier einfach nur zufrieden und somit glücklich sein könne. ...


    ... Umso betroffener war er, als er Obiges erkannte. Er wird, so sagte er, nie vergessen, wieviele Menschen nicht in der Lage waren, sich selbst zu umarmen, Mitgefühl für sich selbst zu entwickeln, sich selbst so anzunehmen, wie sie nun einmal sind - mit allen Vorzügen und vermeintlichen Schwächen. Das war für ihn etwas so Unvorstellbares, dass er glaubte, dass sein gesammtes Mitgefühl für so viel Leid nicht ausreiche. ... Er beschloss, alle Kräfte einzusetzen, um diesen Menschen den Dharma für sie hilfreich nahezubringen.


    LG mkha'

    ich denke, es hat miteinander zu tun, dass alles so fein aussieht, und die Selbstwertprobleme da sind. Weil Eltern und Kinder unter Leistungsdruck stehen, da es um die Länder geht, welche man "erste Welt" nennt. Stehen im Wettkampf miteinander um die Top Plätze in der Welt, wirtschaftlich gesehen. Die Eltern haben das Gefühl, ihren Kindern etwas gegeben zu haben, heute, wenn sie sich heute um deren Schulkarriere gekümmert haben und selbst viel gearbeitet haben, damit sich die Familie etwas leisten kann. Liebe, einfach so, kommt dann zu kurz. Und der Leistungsdruck ist für die Kinder eben da in der Schule. Eltern haben Angst, wirtschaftlich abzusacken, arm zu sein in einem reichen Land, oder dass aus den Kindern "nichts wird."


    Kann mir daher nicht denken, dass es in China oder Japan besser aussieht mit dem Selbstwertgefühl. Anders ist das nur in natürlichen Kulturen, wo ein Kind nicht so viel zu verlieren hat, wenn es nicht so viel leistet. In Tibet haben bis heute die Bauern im Winter einfach endlos Freizeit. Sie können nichts machen. Sind arm, können aber auch nichts tun um ihr Leben zu verbessern. Also hat man wenigstens Zeit für die Familie, das Wenige was man hat, zu teilen, Zeit zu verbringen....

  • Kann mir daher nicht denken, dass es in China oder Japan besser aussieht mit dem Selbstwertgefühl.

    Ich weiß nicht, wie es in China und Japan ist. Ich kenne zu wenig Chinesen und Japaner, um eine Idee zu haben, wie es mit ihrem Selbstwertgefühl aussieht. Wahrscheinlich unterscheidet sich auch das wiederum voneinander.


    Aber die Selbstzweifel, die mangelnde Wertschätzung für sich, und teilweise sogar Anflüge von Selbsthass, wie wir sie hier bei uns im Westen haben, scheint doch sehr auffällig zu sein.

    Ich erinnere mich an ein Kapitel bei Das weise Herz von Jack Kornfield. Da spricht jemand über genau diese Dinge (Selbstzweifel, Selbsthass...) und ein Dolmetscher übersetzt das für den Dalai Lama, woraufhin es Verständnisprobleme gibt. Der Dalai Lama fragt mehrmals nach, was gemeint ist. Es dauert eine ganze Weile des Nachfragens, bis der Dalai Lama eine Vorstellung davon hat, wovon der Mensch sprechen könnte.


  • Genau deswegen diese "Sprache-Missverständnise" entstehen. Im Westen die Leite ticken anders. Mein Sohn arbeutet mit den Japanern. Die sind so auf die Arbeit fixiert, dass sie kaum über etwas anderes denken. Fast rund um die Uhr.

    Armer Dalai-Lama( ironisch gemeint), er beherrscht doch englisch einwandfrei.

    Leben wir wie auf anderen Planeten?(:


    LG.

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Ich erinnere mich an ein Kapitel bei Das weise Herz von Jack Kornfield. Da spricht jemand über genau diese Dinge (Selbstzweifel, Selbsthass...) und ein Dolmetscher übersetzt das für den Dalai Lama, woraufhin es Verständnisprobleme gibt. Der Dalai Lama fragt mehrmals nach, was gemeint ist. Es dauert eine ganze Weile des Nachfragens, bis der Dalai Lama eine Vorstellung davon hat, wovon der Mensch sprechen könnte.


    Was meinst du, könnte es nicht auch schlicht daran liegen, dass der und die Gesprächspartner Mönche waren, ohne Familienleben und Sorgen des kleinen Mannes? Ich meine als "Gottkönig", wie er früher ja manchmal bezeichnet wurde, in einem Palast, da habe ich wahrscheinlich genauso viel Bezug zum Volk, wie die Queen. Oder? Verständnisprobleme habe vielfältige Ursachen.

  • Es gibt mehrere Berichte in der Art in Bezug auf verschiedene tibetische Lehrer, die im Westen erstmal verstehen mussten, dass Selbstzweifel im Allgemeinen eher ein Problem sind, als übermäßiger Stolz. Es geht also schon um gewisse kulturelle Unterschiede, nicht um den Abstand eines Lehrers von den Emotionen der "einfachen Leute". Wobei Selbstzweifel und Stolz zum gleichen emotionalen Spektrum gehören, beides ist nämlich Ausdruck von einer Ich-Schwäche, die lediglich anders kompensiert wird.

  • Ich erinnere mich an ein Kapitel bei Das weise Herz von Jack Kornfield. Da spricht jemand über genau diese Dinge (Selbstzweifel, Selbsthass...) und ein Dolmetscher übersetzt das für den Dalai Lama, woraufhin es Verständnisprobleme gibt. Der Dalai Lama fragt mehrmals nach, was gemeint ist. Es dauert eine ganze Weile des Nachfragens, bis der Dalai Lama eine Vorstellung davon hat, wovon der Mensch sprechen könnte.


    Was meinst du, könnte es nicht auch schlicht daran liegen, dass der und die Gesprächspartner Mönche waren, ohne Familienleben und Sorgen des kleinen Mannes? Ich meine als "Gottkönig", wie er früher ja manchmal bezeichnet wurde, in einem Palast, da habe ich wahrscheinlich genauso viel Bezug zum Volk, wie die Queen. Oder? Verständnisprobleme habe vielfältige Ursachen.

    Ich habe versucht, es hier so wiederzugeben, wie Jack Kornfield die Geschichte erzählt hat und was ihm daran auffiel, was er dem Leser mitteilen will.


    Wenn du den Dalai Lama unter dem Aspekt betrachten möchtest, den du hier andeutest: Dazu kann ich nicht viel sagen. Wenn du eine ganz allgemeine Einschätzung über den Dalai Lama von mir haben möchtest: Ich sehe da kein gravierendes Unvermögen, den kleinen Mann / die kleine Frau mit ihren Sorgen und Nöten zu verstehen und sich in sie hineinzuversetzen.

    Aber das ist nur meine Meinung, das siehst du offenbar anders, wenn ich deinen Beitrag richtig verstehe / interpretiere.


    • Offizieller Beitrag

    Wobei Selbstzweifel und Stolz zum gleichen emotionalen Spektrum gehören, beides ist nämlich Ausdruck von einer Ich-Schwäche, die lediglich anders kompensiert wird.

    Selbstzweifel ist oft unangenehm, aber ist es Ich-Schwäche?


    Ich denke im Westen hätte man doch im Sinne der protestantischen Ethik den als starke Persönlichkeit gesehen, der aufopferungsvoll seine Pflicht gegenüber Menschen, Gott und Welt tut. Und gerade dazu würde ja seine ständige Befragung des Gewissens als notwendig gesehen. Eben mit den entsprechenden Selbstzweifeln: Habe ich etwas falsch gemacht? Kann ich mehr machen? Und das alles mit dem Ziel den eigenen Egoismus zu unterdrücken. Später hat sich das dann ja von religiösen Kontext abgelöst und das Pflichtbewusstsein wurde z.B zu dem des Beamten oder Soldaten.


    Das permanente schlechte Gewissen ist also nicht Abbild eines persönlichen Egoismus sondern einer gesellschaftlichen und auch spirituellen Kraft, die diesem entgenwirkt.

  • Ich finde, dass "Ich-Schwäche" fast ein Synonym ist für "Selbstzweifel". Während ich das nicht zwingend mit "persönlichem Egoismus" in Verbindung bringe. Egoismus kann genauso Ausdruck von übermäßigem Selbstwertgefühl sein. Genau genommen ist Egoismus ein Kernelement jedes sog. "Störgefühls". Ein buddhistischer Lehrer (Vajrayana) drückte das mal so aus, dass aus dem Störgefühl die entsprechende Weisheit wird, wenn man das Ego aus dem Spiel nimmt. (wörtlich: "den Giftstachel des Ego herausziehen"). Wer sich ständig mit anderen vergleicht (Stolz/Minderwertigkeitsgefühl) und das "Ego" aus dem Spiel nimmt, erkennt schlicht die Qualitäten von sich selbst und anderen, was eine Form von Weisheit ist. Es geht dann nicht mehr um "besser" oder "schlechter" als andere, sondern einfach nur als "anders". Und man erkennt das lebendige Muster, in dem die verschiedenen Qualitäten sich wie Puzzlestücke ergänzen.

  • Außerdem sollte man nicht von den Menschen, die zu den Angeboten und Kursen der tibetischen Zentren und anderen spirituellen Zentren kommen, auf die Gesamtheit der Bevölkerung oder gar des Westens schließen.

    :zen:

    Einmal editiert, zuletzt von Leonie ()

  • Außerdem sollte man nicht von den Menschen, die zu den Angeboten und Kursen der tibetischen Zentren und anderen spirituellen Zentren auf die Gesamtheit der Bevölkerung oder gar des Westens schließen.

    Pauschalisierungen sind eh generell fürn *****. ;) Ich denke es geht hier aber ja auch nicht darum, dass "alle" so sind, sondern dass es diese Tendenzen gibt und daher etwas nicht als vorrangiges Problem für spirituelle / buddhistische Praxis bekannt ist. Es kann natürlich schon mit einer christlichen Schuldkultur zu tun haben. Oder gerade in Deutschland auch mit dem schwerwiegenden Erbe des letzten Jahrhunderts.

  • Worauf ich hinweisen wollte, ist doch einfach: die spirituellen Lehrer ganz gleich welcher Richtung und auch die religiösen Führer haben nur einen Ausschnitt und damit eine eingeschränkte Sicht auf die Bevölkerung. Von diesen auf die Gesamtheit zu schließen ist unzulässig.

    Nun weiß ich nicht ob es da Untersuchungen gibt, aber mir ist noch David Riesman bekannt, die einsame Masse hieß sein Buch über den amerikanischen Charakter, den er als außengeleitet angesehen hat. Das ist das, was in den Sinus-Milieu-Studien auch herausgearbeitet wurde, dass die Menschen sich an Gruppen ausrichten und von daher auch durch Cluster erfasst werden können. Da ist inzwischen aber eine große Vielfalt, bunte Vielfalt, so dass das mit den Selbstzweifeln vielleicht für solche gelten mag, die sich irgendwelche Hilfe suchen, z.B. im psychologischen oder spirituellen Angebot. Zudem sind dort auch manche zu finden, die nach Halt und Autorität suchen. Das muss sich jedoch überhaupt nicht mit der Bevölkerung decken.

    Letztlich sind das auch Zuordnungen, die sich sehr schnell auflösen und verändern. Und da spielen natürlich die Kommunikationsmedien eine große Rolle.

    :zen:

  • Also, das hier ist das, was bei Jack Kornfield steht, und woran ich mich erinnern konnte. Ich habe es so aufgeschrieben, wie ich es im Gedächtnis hatte.


    So ist die Original-Stelle:

    Bitte melde dich an, um diesen Anhang zu sehen.


  • Schmu

    Wenn man die weiteren Seiten dann liest, schildert Jack Kornfield verschiedene Fälle aus seiner Tätigkeit und ich denke mal, wir alle kennen mehr oder weniger intensive traumatische Kindheitserlebnisse. Dann kommen Traumata aus dem Vietnam-Krieg und für die USA ist die alltägliche Gewalt ein starkes Trauma.

    Deutsche haben da ihre Nazi-Vergangenheit, die immer wieder bearbeitet werden will. Japan verdrängt seine Taten im Krieg noch immer und diese Kultur hat ja ein Riesenproblem mit normabweichenden Menschen. Da können die Menschen aus Hiroshima und Nagasaki genug erzählen. Und Zen-Meister, die als verrückte Wolke verklärt wurden, haben, wenn man sie näher kennen lernen konnte, einen Haufen von traumatischen Erlebnisses aus der Kriegszeit oder aus den sehr gewalttätigen Zeiten in der japanischen Geschichte. Gilt wohl auch für China.


    Angesichts der zu verdrängenden Probleme ist doch so eine psychische Lage nicht verwunderlich.

    Und da wir alle ähnliche Erlebnisse kennen, scheint mir die Reaktion des DL eher darauf zurück zu führen zu sein, dass er in diesem Moment sich nicht daran erinnern konnte, wie das Leben des gemeinen Volkes in Tibet war und ist. Man braucht nur mal die Lebensgeschichte von Gendün Chöpel lesen. Ein Außenseiter, der sich für soziale Reformen in Tibet einsetzte.

    Gendün Chöpel: Narr, Heiliger und Rebell – Elke Hessel

    :zen:

  • Liebe @mkha' , ich meinte doch ausschliesslich die Mentalität.... Wir ticken doch anders. Die egal welche Sprache man kann doch erlernen. Das ist doch absolut anderes die innere Landschaft der Seele (Psyche).

    Herzliche Grüße.

    Igor.

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Leonie


    Ja, ein beachtlicher Teil der Menschen weltweit dürfte traumatisiert sein. Selbstzweifel und Selbsthass sind eine Folge davon. Unsere westliche Psychologie greift das auf (dieses "Ich bin nicht richtig", "Ich bin nicht gut", "Ich bin es nicht wert" usw.) und damit kannst du dann locker jahrelang "arbeiten". Das ist der Weg eines Großteils der westlichen Psychologie. "Wie hat sich das damals angefühlt?", "Ist ihre ganze Familie bei dem Bombenangriff umgekommen, nur Sie haben überlebt?" "Wie oft ist denn dein Vater betrunken nach Hause gekommen und hat dich geschlagen?"

    Natürlich gibt es "behutsamere" Methoden. Aber sie alle haben immer noch zur Folge, dass du quasi eine Dauer-Retraumatisierung herbeiführst. Wie kann ich nur sowas behaupten, würden mir viele Psychologen antworten. Ja, genau so nenne ich das!


    "Wir müssen Sie wieder aufbauen!", "Suchen Sie sich eine Beschäftigung, die Ihnen Freude macht!", "Gehen Sie mit ihrem Kind zu einer Pferdetherapie, das wird ihm guttun!", "Sie müssen sich schrittweise mit der Angst konfrontieren!" Das ist alles an Symptomen arbeiten. Kosmetik.


    Jack Kornfield schreibt doch in jedem Kapitel, dass es die Buddhalehre ist, die seiner Tätigkeit als Psychologe eine völlig neue Richtung gegeben hat. Dass er damit ganz andere Möglichkeiten der Heilung all dieser psychischen Probleme hat.


    Und da wir alle ähnliche Erlebnisse kennen, scheint mir die Reaktion des DL eher darauf zurück zu führen zu sein, dass er in diesem Moment sich nicht daran erinnern konnte, wie das Leben des gemeinen Volkes in Tibet war und ist.

    Der Dalai Lama ist doch nicht begriffsstutzig oder leidet an Demenz. Natürlich weiß er, was das tibetische Volk erlebt hat. Das ist auch keine Verdrängung für mich. Das ist einfach ein ganz anderer Umgang damit. Ich glaube eher, dass Jack Kornfield etwas nicht verstanden hat, und die Reaktion des Dalai Lama falsch interpretiert. Außerdem halte ich es durchaus für möglich, dass das Wort "Selbsthass" in die Sprache dieser oder jener Kultur schwer zu übersetzen ist, weil es da so direkt vielleicht gar nicht existiert. Das nennen wir dann Verdrängung, wenn sie kein adäquates Wort dafür haben. Das steht uns gar nicht zu, auch da wieder unsere westlich psychologische Denkweise drüber zu stülpen.


  • Schmu


    Da stimme ich dir zu, was die sprachlichen Probleme anbetrifft.

    Generell sind aber solche Gedanken, wie Kornfield sie vorbrachte, auch nur Ansichten und wenn einer zum Psychotherapeuten geht, weil da Probleme sind, dann bekommt er ein Etikett, das in den Katalog der abrechnungsfähigen Diagnosen passt. Für Selbstzahler gilt das nur bedingt.


    Für die Psychotherapie braucht es ja eine Art Referenz oder Menschenbild und da ist der Buddhismus hilfreich, wenn man sich nicht mehr aufs Judentum oder aufs Christentum stützen kann.


    Nun hat das hier aber nicht mehr viel mit dem Eröffnungsthema zu tun - also ist das schon mal OT.

    :zen: