Es gibt keinen authentischen Buddhismus

  • Um ganz ehrlich zu sein:


    Ich finde die Hinweise / Denkansätze des säkularen Buddhismus, soweit sie mir bekannt sind, bemerkens- und beachtenswert. Das ist die eine Seite. Die andere ist: Solche Betrachtungen dürften für viel Diskussionsstoff sorgen. Denn sie rütteln ja durchaus an Vorstellungen von der Buddhalehre, die weit verbreitet sind und eine lange Tradition haben.


    Der Grund, warum ich mich an solchen Diskussionen nur äußerst zurückhaltend beteilige, ist einfach: Sie sind mir zu kraft- und zeitaufwendig. Ich habe über die Hälfte meines Lebens gebraucht, um in der Buddhalehre das zu sehen, was ich als "Komplettlösung" für meine Zweifel, meine "Verwirrung", meine Suche nach Wahrheit betrachte.

    Mögen die jüngeren Leute sich der Reinkarnation und einem brauchbaren Verständnis der Karmalehre widmen. Ich habe keine Zeit mehr dafür, dieser Diskussion allzuviel Aufmerksamkeit zu schenken, zumal sie sicher noch einige Jahrzehnte lang (wenn nicht länger!) andauern wird. ;)


    Ich habe mein Verständnis für diese Komponenten der Buddhalehre für mich gefunden. Sie sind noch nicht in Stein gemeißelt (sie sind in Bewegung), aber sie werden mir zu "heiß" diskutiert. Ich habe kein Interesse daran, meine Sichtweise zu "verteidigen".


    Ich vermute, dass die Buddhalehre in diesen Punkten von Anfang an heiß diskutiert wurde. Sie kommt aus einer Kultur mit einem höchst fragwürdigen Kastensystem, das dürfte einen großen Einfluss auf das Verständnis von Reinkarnation / Karma gehabt haben. So wie ich die Lehre verstehe, steht sie in völligem Widerspruch zu diesem System und führt es ad absurdum, nimmt ihm jegliche Berechtigungsgrundlage. Insofern wundert es mich, dass die Buddhalehre von staatlich-politischer Seite nicht versucht wurde zu bekämpfen, zu deckeln.


    • Offizieller Beitrag

    Traditionelle Gesellschaften transportieren ein Selbstbild, in dem sie bei dem was sie tun, altehrwührdigen Traditionen nacheifern. Das bedeutet, dass Neuerungen hier nicht als Neuerungen auftauchen können (das Neue ist ja immer Abirrung) sondern als freigelegte Traditionen. Wenn ein Denker eine neue gute Idee hatte dann könnte es sein, dass er dazu tendieren diese nicht als neu zu sehen, sondern als Wiederentdeckung und Wiederbelebung einer archaische Tradition.


    Und auch im Westen war es nicht so unüblich die Gegenwart zu adeln indem man sie als Reproduktion des Alten verbrämte:


    „Alles war dazu angetan, uns zu Pfeilern einer Tradition zu machen, die bis ins 13. Jahrhundert zurückreichte, obwohl einige ihrer scheinbar ältesten Ausdrucksformen wie das sogenannte „Festival of Lessons and Carols“ am Weihnachtsabend in der Kapelle des King’s College tatsächlich erst wenige Jahre vor meiner Ankunft erfunden worden waren. (Jahre später sollte dies eine Konferenz und ein Buch zum Thema „Die Erfindung der Tradition“ anregen.) […] Die Cambridge-Vergangenheit war natürlich ebensowenig wie die zeremonielle Vergangenheit des öffentlichen Lebens in England mit ihren Phantasiekostümen eine chronologische Abfolge der Zeit, sondern ein synchrones Sammelsurium ihrer erhaltenen Reliquien. Der Ruhm und die Kontinuität von sieben Jahrhunderten sollten uns inspirieren, in unserem Gefühl der Überlegenheit bestärken und vor den Versuchungen einer unbedachten Änderung warnen. (In den dreißiger Jahren verfehlte diese Absicht in eklatanter Weise ihren Zweck).“


    Und dies gilt dann natürlich erst recht für religiöse Neuerungen. Im Bezug auf die Chan Tradition gibt es das Buch "Seeing Through Zen: Encounter, Transformation, and Genealogy in Chinese Chan Buddhism" von John R. McRae. Dort beschreibt er, wie die religiösen Konflikte und Diskussionen einer bestimmten Zeit eine Form annehmen, in der die eigene Position in der Geschichte bei ehrwürdigen Gründergestalten wie Bodhidharma oder dem sechsten Patriarch aufghängt werden. Wenn sich mit den Neuerungen auch immer die zugehörige Geschichte ändert, bleibt man authetisch,


    Es ist falsch, wenn man das als eine "schlechte Geschichte" und als Verfälschung der Vergangenheit abtut. Es enpringt einfach einem Denken, das dazu tendiert eine gute Idee mit einer authetische Reproduktion des Alten gleichzusetzten. Vor dem Triumph der Druckerpresse, die es erlaubt etwas defniert feszulegen, war es vielleicht auch die effektivste Methode, das, was einem wichtig ist, unverändert durch die jahrhunderte zu schleusen, indem man es der Autorität von Gründergestalten anvertraute.

  • Hm, habe das jetzt gelesen, sehe aber auch keine Dekonstruktion.


    Was die Authentizität des Palikanon betrifft: Das kann ich nicht beurteilen. Aber ich weiß, dass viele Kulturen wichtige Inhalte schriftlos sehr exakt weitergegeben haben, auch sehr lange Werke.


    Da ist sie ja doch, die Dekonstruktion, der du dann auch mit dem Hinweis auf eine exakte mündliche Überlieferungstradition zu begegnen versuchst.


    Viele Theravadins, die ich kenne (das gilt nicht für alle), lesen die Pali-Schriften, wie evangelikale Christen ihre Bibel: wörtlich. Was da steht, sei authentisches Buddhawort, widerspruchsfrei und vollständig. Nüja, da muss man keine akademische Ausbildung in der kritisch-historischen Mehode haben, um zu sehen, dass das nicht stimmen kann. Da reichen ein paar offene Augen und gesunder Menschenverstand.


    Etwas Know-how kann aber auch nicht schaden: Es ist deutlich, dass es verschiedene Überlieferungsschichten gibt. In den frühesten Schichten, den Lehrdichtungen, ist zum Beispiel an keiner Stelle die Rede von Wiedergeburt. Das Thema kommt da einfach nicht vor. Oder dass Texte redaktionell bearbeitet wurden, d.h. unter anderem, dass man (vermutlich) authentische Buddhaworte, die man nicht einfach so streichen konnte, in einen anderen Kontext gesetzt hat, um die eigenen Ansichten über Aspekte der Lehre zu stützen, gegenüber offenbar zu dieser Zeit anderen Ansichten, anderer früher Schulen.


    Oder hat sich noch nie jemand von euch gewundert, dass der Bericht über das Erwachen Buddhas in der dritten Person verfasst ist: "Er hat...", nicht "Ich habe...". Dabei war ja niemand anderer zugegen bei dem Ereignis. Der ganze Stil des Berichts ist so elegant, dass es sich dabei um einen sehr späten, rückwirkend verfasster Bericht handeln muss. Da war also jemand, der Jahrhunderte nach dem Tod Buddhas, sich fragte, wie das mit der Erleuchtung des Meisters wohl war und das niedergeschrieben hat. Sicher auch unter zu Hilfenahme tradierter Berichte aber sicher auch durch Hinzufügung eigener, sagen wir, gut gemeinter, interpretativer Elemente.


    Das genauer anzusehen, hat Bedeutung, für die Frage, was genau Buddhalehre ist und was nicht. Dagegen wehren sich aber weite Kreise der etablierten Traditionen. das ist zumindest meine Erfahrung. Hier ist der Widerstand ähnlich groß, wie im Islam. Die wollen oft auch keine historisch-kritische Betrachtung des Koran. Die Christen machen das mit der Bibel aber schon seit 300 Jahren. Mit erstaunlichen und wichtigen Ergebnissen.

    Μικρὸν ἀπὸ τοῦ ἡλίου μετάστηθι

  • Ähm, versteh ich nicht. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass Inhalte über längere Zeit mündlich sehr genau tradiert werden. Ob das im konkreten Fall einer bestimmten Schrift so ist weiß ich nicht.


    Was genau habe ich da denn dekonstruiert? Oder: Was verstehst Du unter Dekonstruktion?

    Einmal editiert, zuletzt von Kaffeebohne ()

  • Traditionelle Gesellschaften transportieren ein Selbstbild, in dem sie bei dem was sie tun, altehrwührdigen Traditionen nacheifern. Das bedeutet, dass Neuerungen hier nicht als Neuerungen auftauchen können (das Neue ist ja immer Abirrung) sondern als freigelegte Traditionen. Wenn ein Denker eine neue gute Idee hatte dann könnte es sein, dass er dazu tendieren diese nicht als neu zu sehen, sondern als Wiederentdeckung und Wiederbelegung einer archaische Tradition.


    Es ist falsch, wenn man das als eine "schlechte Geschichte" und als Verfälschung der Vergangenheit abtut.

    Genau, das ist ein weiterer Grund für Geschichstfälschung. Und genau das ist es aus heutiger Sicht. Das kann man den Altvorderen moralisch aber nicht vorwerfen, weil es das Bewusstsein von geschichtlicher Wahrheit, so wie wir sie heute haben, noch nicht gab. Es geht nur um Redlichkeit: Nicht alles, wo Original drauf steht, ist auch Original drin. Das ist aber keine Wertung. Auch Späteres kann hilfreich für den eigenen bud. Pfad sein.

    Μικρὸν ἀπὸ τοῦ ἡλίου μετάστηθι

  • "Mir scheint, dass es genauso viele (oder mehr?) säkulare Buddhisten gibt...". Merkwürdiges Argument. Ich weise daraufhin, dass es sonst bei säkularen Aussagen hier zu wütenden Kommentaren kommt und du antwortest mit: "Ja, aber die anderen machen das doch auch so – sogar noch mehr." Ja, kann sein, weiß ich nicht. War aber nicht das Thema.


    ich habe dir und anderen doch gar nicht nachgesagt, dass sie wütende Kommentare von sich geben. Oder wo habe ich das gesagt?



    "Der Dalai Lama z.B. hat nichts gegen säkulare Ethik (im Gegenteil), nennt sie aber nicht 'Buddhismus'". Natürlich nicht. In der Vajrayana-Doktrin ist man karmisch noch nicht so weit, wenn man die Wahrehit des Vajrayana nicht erkennen kann. Dann braucht man halt noch ein paar Wiedergeburten. Deshalb reicht es völlig, wenn sich diese unreifen Gesellen an eine allgemeine Erthik halten, bis sie soweit sind und das ist dann auch (noch) kein Buddhismus. Säkularer Buddhismus ist im übrigen mehr als eine säkulare Ethik und Philosophie. Aber das ist eine andere Diskussion.


    Lass die schwarzen Schafe oder die Fake-Praktizierenden jetzt mal beseite, die es in allen menschlichen Gruppierungen gibt (sorry, unter den säkularen "Buddhisten" natürlich nicht):

    im Vajrayana wie in jeder anderen buddhistischen Tradition ist jedenfalls eine Hauplehre: Liebe und Mitgefühl zu kultivieren, diese Geisteshaltung zur "Unermesslichkeit" zu entwickeln (Die Vier Unermesslichen).

    Da bist du also nicht informiert genug. Deine Beschreibung der Geisteshaltung im Vajrayana (wie sie von den Vajrayanameistern gelehrt wird) ist völlig daneben. Diese ganze Praxis dient zum Wohle aller Wesen. Und Mahayana allgemein ist besonders eine Förderung und Übung in den geschickten Mitteln für verschiedene Mentalitäten und Fähigkeiten.


    Und das ist auch die Überleitung zu:

    "Kannst du mal etwas genauer erklären oder entsprechende Stellen aus dem Artikel zitieren, in denen irgendetwas in diesem Artikel dekonstruiert wird?" Siehe den Abschnitt nach der Zwischenüberschrift "Authentizität als Kunstprodukt".


    Was unter dieser Zwischenüberschrift steht ist keinesfalls eine Dekonstruktion sondern beschreibt grob die verschiedenen Lehren, die der Buddha selbst von Anfang an für verschiedene Menschen mit verschiedenen Anlagen gegeben hat.

    Im Palikanon findet man die Wurzel von allen Traditionen, wenn man ihn ganz liest und den Zusammenhang nicht aus den Augen verliert und wenn man wohlwollend und mit Vertrauen alle Worte des Buddha liest: das Studium, das sich genau an die Lehrreden halten, die Götterwelten, das Geschichten erzählen, das große Vertrauen zu Buddha und anderen Lehrern (die langjährigen Begleiter des Buddha), die Intuition, das Herz, das Vorbild sein usw.


    Und heute haben wir deswegen Theravada, Mahayana mit Vajrayana, Chan, Zen und andere Traditionen. Sie sind eine natürliche Folge der Lehrreden des Buddha, der all diese Traditionen initiiert hat.

    Und je nach Mentalität kann sich jeder Praktizierende einer Richtung, einer Methode anschließen und dabei voll im Dharma sein, der von Buddha Shakyamuni gelehrt wurde.

    Voll im Dharma ist man in diesen Traditionen allerdings nur, wenn man nicht willkürlich selektiert und Karma und Wiedergeburt als "unmodern" einfach weglässt.


    Karma und Wiedergeburt sind übrigens aus idealistisch-philosophischer Sicht gar nicht unmodern, wenn man Karma und Wiedergeburt richtig versteht, so wie der Buddha es im Palikanon gelehrt und zusätzlich Nagarjuna z.B. ausführlich erläutert hat.

    Es wandert dort ja keine beständige Seele oder Ego von Körper zu Körper .... Karma und Wiedergeburt bedeuten Kontinuität unserer Motivationen und Handlungen und deren abhängigen Folgen, was das andere Extrem: Vernichtung von etwas ins Nichts vermeidet.

    Karma und Wiedergeburt sind der mittlere Weg. Und der ist gar nicht altmodisch.



    :rainbow:

  • Hallo Ichbinderichbin,

    (übrigens der Name Gottes übersetzt aus dem Alten Testament, aber das weißt Du ja :D)


    Ich habe mich nach einem Monat jetzt mal geöffnet und den Artikel gelesen. Dabei ist mir mal wieder bewusst geworden, welche Vorurteile ich hatte/habe.

    Gerade in den letzten Tagen habe ich neue Einsichten gehabt, die mir erlauben, wieder mal über den Tellerrand zu blicken und unvoreingenommen Beiträge auf mich wirken zu lassen.


    Und ja, ich stimme dem eingestellten Artikel zu und muss meine Antworten zu Beginn dieses Threads zwar nicht widerrufen, aber doch erweitern, da ich eine ganz andere Sicht bekommen habe.


    Genauso wie sich der japanische, chinesische, tibetische Buddhismus durch ihre Kultur und Denkweise verändert hat und letztendlich vom Ursprung etwas abgerückt ist, genauso haben wir jetzt im Westen das Recht, unsere Sichtweise mit der Lehre abzugleichen, und gerade aufgrund unseres "wissenschaftlichen Wissens neu zu gestalten". Jedoch auch das dürfen wir Buddhismus nennen - behaupte ich.

    Genauso wie ich die Organisation der Kirche irgendwann abgelehnt habe, aber die Lehren Jesu dennoch nicht, so lehne ich heute das Nachgeplapper von Zitaten ab, ohne den Mut, sich selbst einzubringen und von eigenen Erfahrungen zu schreiben bzw. zu sprechen. Das macht dem Buddha keine Ehre, denn auch er sprach wie Jesus davon "sein Licht nicht unter den Scheffel zu stellen".


    Dem Buddha macht Ehre, wenn ich mein Leben so leidfrei wie möglich zu gestalten in der Lage bin. Allein das war sein Anliegen!

    Und natürlich auch, wenn ich immer wieder bereit bin, meine Einsichten und Wahrnehmungen zu überprüfen und mich in Mitgefühl so weit zu üben, dass ich niemanden mehr ablehne.


    Bei all dem kommt jedoch ganz sicher etwas heraus, was vielleicht den meisten Angst macht, nämlich ein Allein-Sein/Allein-Gang ohne Bezeichnung. Ich halte mich eben nicht mehr an einem Glauben fest, der mir über die Hürden hilft, sondern meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass die Empfehlungen Buddhas - also die 4Edlen-Wahrheiten genauso wie der Achtfache Pfad - auf dem Weg ausreichen, um mir die Kraft zu geben, die ich brauche, um authentisch zu sein und meinem Lebens-Ende ohne Furcht entgegenzugehen.


    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Dagegen wehren sich aber weite Kreise der etablierten Traditionen. das ist zumindest meine Erfahrung. Hier ist der Widerstand ähnlich groß, wie im Islam. Die wollen oft auch keine historisch-kritische Betrachtung des Koran.


    Die Erklärung dafür ist ganz einfach: es würde keinen Nutzen bringen.


    Schon mal aufgefallen, dass es überhaupt kein Evangelium gibt, welches Jesus Christus selbst gelehrt bzw. gegeben hat? So ist dies auch im Buddhismus zu verstehen, es sind einfach mündliche Traditionen, die weiter gegeben werden und "historisch-kritisch" nicht fassbar sind, da die Dokumente fehlen. Doch das spielt für die Anwender (!) der Buddhalehre überhaupt keine Rolle, weil sie ja die Lehren selbst (!) überprüfen und somit feststellen können, was "falsch" ist.

  • Die Erklärung dafür ist ganz einfach: es würde keinen Nutzen bringen.


    So ist dies auch im Buddhismus zu verstehen, es sind einfach mündliche Traditionen, die weiter gegeben werden und "historisch-kritisch" nicht fassbar sind, da die Dokumente fehlen. Doch das spielt für die Anwender (!) der Buddhalehre überhaupt keine Rolle, weil sie ja die Lehren selbst (!) überprüfen und somit feststellen können, was "falsch" ist.


    Sicher, sind die verschiedenen Traditionen über eine historisch-kritische Methode fassbar. Das führe ich jetzt aber nicht weiter aus. Vielleicht hilft Dir da Wikipedia weiter.


    Welche Rolle das für den Anwender spielt? Eine enorme. Die Heilserwartung bestimmt die Praxis. Vereinfacht gesagt: Wenn ich als Tibeto-Buddhist erwarte, dass ich einmal im Bardo lande, um eine neue Wiedergeburt zu erfahren, praktiziere ich anders, als ein Zenni, der einer nicht-dualistischen Sichtweise als Heilsziel entgegen sieht. Die Methoden müssen anders sein, weil sie jeweils etwas anderes bewirken. Deshlab benötigen wir hier Klarheit.

    Μικρὸν ἀπὸ τοῦ ἡλίου μετάστηθι

  • Genauso spielt es auch keine Rolle, ob Jesus das wirklich gesagt hat. Aber ähnlich wird er sich geäußert haben, es ist ja ein roter Faden, genau wie bei Buddha.

    Es ist hilfreich und kann durch schwere Krisen tragen.

    Also ist auch das nützlich.

    _()_

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  • Die Methoden müssen anders sein, weil sie jeweils etwas anderes bewirken.

    Wieso meinst du das? Wenn ich mich entspannen will, nehme ich ein Bad. Du gehst dafür vielleicht spazieren. Verschiedene Methoden, selbe Wirkung. Und im Buddhismus haben alle das selbe Ziel: Das Ende des Leidens. Ob das Leiden sowieso endet, wenn man stirbt, oder nicht, weil man wiedergeboren wird, ist dafür eigentlich nicht wichtig. Viel wichtiger ist eher die Frage, welche Methode für die jeweilige Person geeignet ist.

  • im Vajrayana wie in jeder anderen buddhistischen Tradition ist jedenfalls eine Hauplehre: Liebe und Mitgefühl zu kultivieren


    Da bist Du nicht besonders gut informiert. Das ist eine idealisierte Sicht, die du dir vielleicht selbst zu eigen gemacht hast, weil sie dich anspricht. Das ist auch vollkommen okay. Die Realität der bud. Religionen bildet sie aber nicht ab.

    Μικρὸν ἀπὸ τοῦ ἡλίου μετάστηθι

  • Die Erklärung dafür ist ganz einfach: es würde keinen Nutzen bringen.


    So ist dies auch im Buddhismus zu verstehen, es sind einfach mündliche Traditionen, die weiter gegeben werden und "historisch-kritisch" nicht fassbar sind, da die Dokumente fehlen. Doch das spielt für die Anwender (!) der Buddhalehre überhaupt keine Rolle, weil sie ja die Lehren selbst (!) überprüfen und somit feststellen können, was "falsch" ist.


    Welche Rolle das für den Anwender spielt? Eine enorme. Die Heilserwartung bestimmt die Praxis. Vereinfacht gesagt: Wenn ich als Tibeto-Buddhist erwarte, dass ich einmal im Bardo lande, um eine neue Wiedergeburt zu erfahren, praktiziere ich anders, als ein Zenni, der einer nicht-dualistischen Sichtweise als Heilsziel entgegen sieht. Die Methoden müssen anders sein, weil sie jeweils etwas anderes bewirken. Deshlab benötigen wir hier Klarheit.

    Letztens sprach ich mit einer Freundin, die ich 20 Jahre nicht gesehen habe. Sie gibt Unterricht in Chi Gong und Meditation usw. - ein regelrechtes Netzwerk. Aber sie hat keine Ahnung von der Lehre Buddhas. Zum Schluss des Gesprächs sagte sie "aber ich werde ja wiedergeboren. Ist doch eigentlich ein schöner Gedanke".


    Also für mich nicht.


    Und das zeigt doch auch, dass - aus meiner Sicht - die meisten eine falsche Vorstellung von der Lehre haben, ganz abgesehen davon, dass sie von der Leere aller Dinge, also auch als Person, noch nichts wissen.


    Deshalb ist es eben nicht unwichtig, welcher Tradition ich folge oder womit ich meinen Geist füttere.

    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Wenn ich als Tibeto-Buddhist erwarte, dass ich einmal im Bardo lande, um eine neue Wiedergeburt zu erfahren, praktiziere ich anders, als ein Zenni, der einer nicht-dualistischen Sichtweise als Heilsziel entgegen sieht. Die Methoden müssen anders sein, weil sie jeweils etwas anderes bewirken. Deshlab benötigen wir hier Klarheit.


    Die Klarheit haben wir durch die mündliche Tradition - ihr wird Vertrauen geschenkt - darüber hinaus brauchen wir als Praktizierende nichts. Ich will es im christlichen Kontext ausdrücken: Die Funde bei Nag Hamadi haben absolut nichts an der Herz-Jesu Praxis verändert.

  • Die Methoden müssen anders sein, weil sie jeweils etwas anderes bewirken.

    Wieso meinst du das? Wenn ich mich entspannen will, nehme ich ein Bad. Du gehst dafür vielleicht spazieren. Verschiedene Methoden, selbe Wirkung. Und im Buddhismus haben alle das selbe Ziel: Das Ende des Leidens. Ob das Leiden sowieso endet, wenn man stirbt, oder nicht, weil man wiedergeboren wird, ist dafür eigentlich nicht wichtig. Viel wichtiger ist eher die Frage, welche Methode für die jeweilige Person geeignet ist.


    Was als Leiden wahrgenommen wird, und aufgelöst werden muss, ist durchaus unterschiedlich. Grob: Für den Theravadin ist es das persönliche Gefangen sein im Samsara das Problem. Er wünscht sich, möglichst schnell zu erlöschen. Der Tibeto-Buddhist will zum Bodhissattva werden, immer und immer widergeboren werden, bis alle Wesen erlöst sind. Den Zenni kümmert das nicht. Er sitzt nur und ihm gilt die Aufhebung einer dualistischen Sichtweise als Ausweis der Erleuchtung. Deshalb praktiziert der Tibeto-Buddhist auch anders, als der Zenni, den die Praxis soll ja zu einem jeweils Ziel führen. Gegen Halsweh nimmt man auch andere Medikamente, als gegen Durchfall. :)


    Es ist eine typisch westliche Fehlannahme, dass die div. bud. Traditionmen doch iregndwie alle gleich sind. Die einen haben halt schwarze Roben, die anderen gelbe aber sonst... Die Traditionen sind in allem so unterschiedlch, dass Religionswissenschaftler von unterschiedlichen Religionen einer Religuionsfamilie sprechen. Mehr so Judentum, Christentum und Islam als abrahamitische Religionsfamilie und weniger wie die verschiedenen Konfessionen des Christentums.

    Μικρὸν ἀπὸ τοῦ ἡλίου μετάστηθι

  • Deshlab benötigen wir hier Klarheit.

    Seit 15 Millionen Jahren benötigen wir Klarheit. Und siehe da: Klarheit ist etwas, das den Menschen offenbar weitgehend abgeht.


    Aber Spaß beiseite:

    Du wünschst dir (möglichst bald?) eine Welt voller klarer, wacher Menschen. Da erlaube ich mir einen Begriff ins Spiel zu bringen: Geduld.

    Das sind ganz und gar nicht unsere Stärken. Wir haben doch gerade erst die ersten Werkzeuge gefertigt, das Feuermachen entdeckt, ortsgebundene Landwirtschaft ausgeübt, Schrift erfunden und Weltanschauungen / Religionen ausformuliert. Viel weiter sind wir doch noch gar nicht.


  • Jein. Also, eigentlich nein. Letztlich sind alle Schriften, Vergleiche, Gleichnisse etc. (egal welcher Linie) eine Anleitung, die es im eigenen Leben umzusetzen gilt. Anhand der eigenen Prüfung erkennt man dann, ob etwas zutrifft oder nicht. Andersrum aber auch: Anhand der Schriften, des Lehrers, der Tradition überprüft man auch die eigene Praxis.

    Genau, so wie Du es beschreibst, ein klares Nein, kein Jein.


    Liebe Grüße,

    Aravind.

  • Die Klarheit haben wir durch die mündliche Tradition - ihr wird Vertrauen geschenkt - darüber hinaus brauchen wir als Praktizierende nichts. Ich will es im christlichen Kontext ausdrücken: Die Funde bei Nag Hamadi haben absolut nichts an der Herz-Jesu Praxis verändert.

    Sagen wir mal, die Herz-Jesu-Praxis soll mich näher zu Christus bringen, der für meine Sünden gestorben ist. Jetzt erkenne ich durch historisch-kritische Forschung, dass das ganze Sühne-Ding eine nachträgliche Konstruktion ist und der historische Jesus nicht die Absicht hatte, für die Sünden der Menschen stellvertretend zu sterben, sondern er wollte das Jundentum reformieren und hatte ein soziales Anliegen. Dann wird mir die Herz-Jesu-Praxis nichts mehr sagen. Ich werde zukünftig eher an Friedensgebeten teilnehmen und mich sozial engagieren. Meine Praxis hat sich also geändert.

    Μικρὸν ἀπὸ τοῦ ἡλίου μετάστηθι

  • Sagen wir mal, die Herz-Jesu-Praxis soll mich näher zu Christus bringen, der für meine Sünden gestorben ist.

    Oder die Herz-Jesu-Praxis soll dich künftig näher zu Christus bringen, der nicht für deine Sünden gestorben ist. Wär auch möglich. Dann hat sich die Praxis nicht geändert.

  • Naja Leute die Texte wörtlich nehmen werden zu weil auch Sklaven der Worte genannt. Es gibt in allen Religionen verschiedene Strömungen. Die undogmatischen halte ich für erfolgsversprechender. Natürlich können auch Menschen in sehr dogmatischen Strömungen ihren Frieden finden.

    Die Wege zu einem “guten” Leben sind so vielfältig wie die Menschen selbst. Mitgefühl, Liebe und nicht zu viel (oder kein) Egoismus sind wohl gemeinsame Nenner.

  • Zweifellos. Wobei bei "dogmenlosem" Vorgehen halt immer die Gefahr, ist, dass man sich seine eigene Lehre zusammenbastelt - und dabei vom eigenen Ego gnadenlos hinters Licht geführt wird. :)

  • Wenn ich als Tibeto-Buddhist erwarte, dass ich einmal im Bardo lande, um eine neue Wiedergeburt zu erfahren, praktiziere ich anders, als ein Zenni, der einer nicht-dualistischen Sichtweise als Heilsziel entgegen sieht.


    Tibeto-Buddhisten streben auch eine nicht-dualistischen Sichtweise an, ganz sicher. Frage sie doch mal.

    Zennis, zumindest im Soto-Zen, glauben auch an Wiedergeburt. Frage sie doch mal. Und die anderen auch, sonst könnten sie das Heilsziel ja nicht erreichen, wenn sie es in diesem Leben nicht schaffen. :)


    im Vajrayana wie in jeder anderen buddhistischen Tradition ist jedenfalls eine Hauplehre: Liebe und Mitgefühl zu kultivieren


    Da bist Du nicht besonders gut informiert. Das ist eine idealisierte Sicht, die du dir vielleicht selbst zu eigen gemacht hast, weil sie dich anspricht. Das ist auch vollkommen okay. Die Realität der bud. Religionen bildet sie aber nicht ab.


    Du meinst wohl die Realität der Praktizierenden?

    Die bud. Religionen lehren sehr wohl die Vier Unermesslichen.


    Wir beide passen schon deswegen nicht zusammen, weil wir offenbar verschiedene Informationen über das haben was die buddhistischen Traditionen im Kern lehren.

    So was kann vorkommen.

    :rainbow:

  • Naja Leute die Texte wörtlich nehmen werden zu weil auch Sklaven der Worte genannt. Es gibt in allen Religionen verschiedene Strömungen. Die undogmatischen halte ich für erfolgsversprechender.

    Das Undogmatische an sich gibt es ja nicht. Nichts ist aus sich heraus dogmatisch oder undogmatisch. Es ist lediglich deine Auffassung, deine Deutung, deine Interpretation was du für dogmatisch oder undogmatisch hälst.


    Du hast in vorherigen Beiträgen auf die kritisch-historische Untersuchung der christlichen Religion hingewiesen und indirekt unterstellt, dass es diese im Kontext des Buddhadharma nicht gebe. Bereits im indischen Buddhismus gab es Debatten darüber was zu interpretierende und wortwörtlich zunehmende Lehrreden sind. Diese Tradition findet man auch im tibetischen Buddhismus. Genauso wie im indischen Buddhismus findet man auch im tibetischen Buddhismus hierzu unterschiedliche Auffassungen.


    All diesen Interpretationen liegt aber zugrunde dass die vier edlen Wahrheiten akzeptiert werden. Das schließt nicht aus, dass zum Beispiel auch die dritte edle Wahrheit in den verschiedenen Tradition unterschiedlich interpretiert wird.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Letztens sprach ich mit einer Freundin, die ich 20 Jahre nicht gesehen habe. Sie gibt Unterricht in Chi Gong und Meditation usw. - ein regelrechtes Netzwerk. Aber sie hat keine Ahnung von der Lehre Buddhas. Zum Schluss des Gesprächs sagte sie "aber ich werde ja wiedergeboren. Ist doch eigentlich ein schöner Gedanke".


    Also für mich nicht.


    Und das zeigt doch auch, dass - aus meiner Sicht - die meisten eine falsche Vorstellung von der Lehre haben, ganz abgesehen davon, dass sie von der Leere aller Dinge, also auch als Person, noch nichts wissen.


    "Zum Schluss des Gesprächs sagte sie "aber ich werde ja wiedergeboren. Ist doch eigentlich ein schöner Gedanke".


    Also für mich nicht."


    Ja, sehr gut. Das hat wohl auch der Buddha als 28jähriger gedacht als er in die Hauslosigkeit zog, um einen Weg zu finden, der ständigen Wiedergeburten zu entkommen. Denn das ist kein schöner Gedanke: Wiedergeburt - für viele jedenfalls.


    "Und das zeigt doch auch, dass - aus meiner Sicht - die meisten eine falsche Vorstellung von der Lehre haben, ganz abgesehen davon, dass sie von der Leere aller Dinge, also auch als Person, noch nichts wissen."


    Da du dies unmittelbar danach geschrieben hast: meinst du etwa, wenn man die Leere aller Dinge, auch der Person, endlich richtig verstanden hat, dann fällt man vom Glauben ab? Dann kann man nicht mehr an Wiedergeburt glauben?

    :rainbow:

  • Sagen wir mal, die Herz-Jesu-Praxis soll mich näher zu Christus bringen, der für meine Sünden gestorben ist. Jetzt erkenne ich durch historisch-kritische Forschung, dass das ganze Sühne-Ding eine nachträgliche Konstruktion ist und der historische Jesus nicht die Absicht hatte, für die Sünden der Menschen stellvertretend zu sterben, sondern er wollte das Jundentum reformieren und hatte ein soziales Anliegen. Dann wird mir die Herz-Jesu-Praxis nichts mehr sagen. Ich werde zukünftig eher an Friedensgebeten teilnehmen und mich sozial engagieren. Meine Praxis hat sich also geändert.


    Nein das ist eben nicht richtig und leugnet die Glaubenskultur.


    Interessant ist ja dies:


    Zitat

    Jetzt erkenne ich durch historisch-kritische Forschung, dass das ganze Sühne-Ding eine nachträgliche Konstruktion ist und der historische Jesus nicht die Absicht hatte, für die Sünden der Menschen stellvertretend zu sterben, sondern er wollte das Jundentum reformieren und hatte ein soziales Anliegen. Dann wird mir die Herz-Jesu-Praxis nichts mehr sagen.


    Solche Thesen gibt es bereits seit langer Zeit, Jesus der Zelot, Jesus der Essener, Jesus der Revolutionär usw.

    Die Herz-Jesu Praxis wird trotzdem ausgeführt, weil es einfach egal ist, was "historisch korrekt" war.



    Zitat

    Meine Praxis hat sich also geändert.


    Eine Praxis, die funktioniert, wird sich sicherlich nicht verändern, wenn irgendein Historiker z.B. heraus bekommen würde, dass es die Religionsstifter nie gab und dass es eigentlich nur Geschäftemacher waren, die diese erfunden haben. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.


    Für dich mag vielleicht solch eine Art "Wahrheit" anziehend sein, aber was nützt sie dir denn, selbst wenn du sie hättest?


    Wenn Buddha nie gelebt hätte, dann gäbe es konkret und faktisch trotzdem die Sutren, Anweisungen, Praktiken, der 8fachen Pfad, die 4 edlen Wahrheiten usw. Diese sind in der Welt und diese entfalten ihre Wirkung - darum geht es, wenn (!) man praktiziert (!) und nicht nur theoretisch fachlich da irgendwas erforschen will und es als "Wahrheit" fassen will. Solche "Wahrheit" würde nichts bringen, da sie nicht in Anwendung käme.