Wiedergeburt

  • Die Ursache der Skandha ist die Zeugung. Die Skandha haben die Geburt aus dem Mutterschoß. Wenn sie selbständig atmen, entfaltet sich das inhärente Ich der Skandha. Inhärent ist es, weil es eben schon mit geboren wird, denn sonst könnte der Säugling nicht nach der Nahrungsquelle suchen oder nach Nahrung schreien. Das angeborene, genetische Ich und nur das wird wiedergeboren in jedem neu gezeugten fühlenden Wesen. Ansonsten könnte es keine Evolution geben.


    Das Ich, das sich selber als Ich-sein erzeugt, wird durch neurologische Systeme geboren und kann nicht wiedergeboren werden, denn wenn das System zerfällt, zerfällt es auch. Skandha ist Ich.

    Das Neurologische Ich ist das „Ich“ für das Buddha die 4 edlen Wahrheiten gelehrt hat, damit es sich befreien kann, vom Leiden an diesem Ich-sein.

    Beide „Ich“ sind sterblich, das genetische durch nicht Fortpflanzung und das andere durch den Tod des Lebewesens.

  • Mach doch nicht aus dem Nicht-Ich ein Ding, ein Wesen. Es meint doch nur, dass es kein Ich, kein Mein, keine Seele gibt. Modern gesprochen: Alles ist nur Prozess, Geschehen.
    Zudem kann man auch jede Erfahrung hinterfragen. Ich erfahre, dass die Sonne aufgeht und untergeht. Das heißt nicht, dass es so ist.

    Von dort ausgehend ist es m.E. entscheidend, den Kategorienfehler in einer verbreiteten Denkweise zu durchschauen.

    Die drei Kennzeichen unseres Daseins sollen laut Buddhismus anatman, anicca und dukkha sein.

    Im Grunde ist es recht einfach zu verstehen: Wenn es kein permanentes Selbst bzw. die Identifikation mit einem fixen Ich gibt (anatman), dann gibt es auch nichts, was (geistig) leiden kann.

    Beide Kennzeichen bestehen also nicht nebeneinander, sondern nacheinander. Die Verwirklichung von Nicht-Selbst heißt gerade nicht, dass da keine Person mit einem individuellen Charakter (oder psychologischem Ich-Bewusstsein) wäre, sondern dass diese Person nicht mehr an den Dingen haftet, die unbeständig (anicca) dieses Bewusstsein bilden. Der Psychologe wird auch in einem Erwachten noch immer ein Ich konstatieren, aber ggf. herausfinden, dass dieses sich aus einem Bewusstsein der Unabhängigkeit von den als leer durchschauten skandha speist. Dieser Erwachte leidet zwar durchaus noch (etwa körperlich als das Ich, die Person, die er in der Gesamtheit von Geist und Körper bildet), aber er leidet nicht mehr am Ich oder an der Vergänglichkeit (geistig). Es ist sozusagen das individuelle Ich (Selbst), dass das Nicht-Selbst verwirklicht, um das Leiden (an der Vergänglichkeit) aufzulösen.

    Selbst in der Theravada-Tradition gibt es die Ansicht, dass Nirwana das "wahre Selbst" sei. Eine Übersicht: Anattā - Wikipedia

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

  • ...einem Bewusstsein der Unabhängigkeit von den als leer durchschauten skandha speist. Dieser Erwachte leidet zwar durchaus noch (etwa körperlich als das Ich, die Person, die er in der Gesamtheit von Geist und Körper bildet), aber er leidet nicht mehr am Ich oder an der Vergänglichkeit (geistig). Es ist sozusagen das individuelle Ich (Selbst), dass das Nicht-Selbst verwirklicht, um das Leiden (an der Vergänglichkeit) aufzulösen.

    Selbst in der Theravada-Tradition gibt es die Ansicht, dass Nirwana das „wahre Selbst“ sei.

    Genau da ist der Hacken. Skandha ist nicht leer von Ich. Das wird offensichtlich, wenn es zu einer tiefen Versenkung kommt oder zu einem Schreck. (Der Dalai Lama hat das erklärt in, glaub ich „Wege zum Glück“. Wo war dein Ich beim Niesen, Husten?). Wie sollte, nach der Pause, in der beobachtbar das „Ich das weiß, dass es ein Ich ist“ (Ich) nicht da ist, das Leben sonst weiter gehen, wenn es kein „Ich das nicht weiß, dass es ein Ich ist“ (Nicht-Ich) nicht geben würde?


    Skandha ist leer von einem Ich, das sich bewusst ist, dass es ein Ich ist (Nicht-Ich), im Gegensatz zu dem Ich, das sich bewusst ist, dass es ein Ich ist (Ich), nur nicht erkennen will, dass es anatta, anicca, dukkha ist. Wie Skandha, wie alle zusammengesetzten Dinge, auch das Ich, das nicht weiß, dass es Ich ist.

    Das Leiden beginnt mit der Ignoranz des Ich's, das weiß, dass es ein Ich ist, die drei Daseinsmerkmale nicht auch für sich geltend anzuerkennen.


    OT Bei den Sätzen hab sogar ich Schwierigkeiten. Da muss Verstand und Herz zusammenarbeiten. Einfach nur ohne Nachdenken lesen. OT

    Einmal editiert, zuletzt von Noreply ()

  • Zitat

    Ein Selbst hervortreten zu lassen, um die unzähligen Dinge in [permanenter] Praxis zu verwirklichen (shushō), ist Täuschung, denn das Hervortreten der unzähligen Dinge und ihr praktizierendes Verwirklichen des Selbst ist Erleuchtung. Erwachte sind jene, die umfassend die Täuschung erleuchten; gewöhnliche fühlende Wesen sind jene, die umfassend inmitten der Erleuchtung Täuschung unterliegen. Darüber hinaus gibt es Personen, die Erleuchtung über Erleuchtung erlangen und wiederum Personen, die sich inmitten der Täuschung täuschen. Wenn Erwachte wirklich Erwachte sind, dann besteht für sie kein Grund, sich ihrer selbst als Erwachte bewusst zu sein. Trotzdem sind sie verwirklichte Erwachte, die Erwachen verwirklichen.


    (Dōgen Zenji, Shōbōgenzō Genjōkōan)

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Zitat

    Wer nichts weiß und weiß, daß er nichts weiß, weiß mehr als der, der nichts weiß und nicht weiß, daß er nichts weiß.

    Aber nur wenige wissen, wieviel man wissen muß, um zu wissen, wie wenig man weiß.


    W. Heisenberg :)

    Ich weiß nicht, was ich bin; ich bin nicht, was ich weiß: Ein Ding und doch kein Ding, ein Pünktchen und ein Kreis. (Angelus Silesius)

  • Dogen ist ein gutes Beispiel für dieses weiter bestehende Ich, also ein klar von anderen abzugrenzendes individuelles Sein, das auch als solches wahrgenommen werden will ("Ich bin der autorisierte Meister von X, hier sind Brief und Siegel"). Diese "Persönlichkeit" führt dann ganz bestimmte Praktiken durch, die klar definiert sind (hier vor allem: Zazen und klösterliche Spielregeln) und in denen sie "das Hervortreten der unzähligen Dinge und ihr praktizierendes Verwirklichen des Selbst (als) Erleuchtung" sieht. All das spielt sich im Rahmen einer klar ersichtlichen Ich-Haftigkeit oder auch persönlichen Ansicht ab, wird dann aber durch Rhetorik in Frage gestellt. Doch unverkennbar glaubt Dogen, dass diese Praktiken "die Täuschung erleuchten", denn wenn die Täuschung sich selbst erleuchtete, müsste er nicht an seiner Praxis festhalten. Natürlich wäre das ein Widerspruch, darum wird so formuliert, dass die Praxis (das Sitzen) sich quasi selbst täte. Dies ist m.E. einer der größten Irrtümer über die (Nicht-)Beteiligung des Egos. Wenn man Dogen-Nachfolgern zuhört, nennen sie sich darum auch öfter mal "Zen-Meister". Da scheint dann das Ego nochmal durch, das man zuvor rhetorisch meinte kleingekriegt zu haben.


    Zitat


    Das Leiden beginnt mit der Ignoranz des Ich's, das weiß, dass es ein Ich ist, die drei Daseinsmerkmale nicht auch für sich geltend anzuerkennen.

    Hier stellt sich die logische Frage, ob es nicht dieses Ich sein muss, das Nicht-Ich erkennt. Es wird doch hier gefordert dass dieses Ich sich zugleich definiert durch die Merkmale, dass es eigentlich Nicht-Ich ist und doch vergänglich und leidhaft.. Genau das bezeichne ich als Kategorienfehler, denn die Merkmale Vergänglichkeit und Leidhaftigkeit treffen auf das Ich zu, das sich (nur) als Ich begreift, jedoch nicht auf das Nicht-Ich, das als solches erkannt ist. Die Kategorien anicca und dukkha sind anatman fremd. Diese Ansicht ist zugegeben mahayanistisch, da der Seinsgrund als Nirwana verstanden wird, also dem Zustand der Aufhebung des Leidens (auch des Leidens an der Vergänglichkeit). Diese Erfahrung ist jedoch eine des Nicht-Selbst, des entgrenzten oder aufgelösten Ichs. Das Wesentliche hierbei ist also, dass anatman oder anatta nicht mehr als bedingtes Entstehen begriffen wird, weil es dann immer noch der Konzepthaftigkeit unterliegt. Das anatta, das erfahren werden soll, ist nicht - wie im obigen Link zu "Daseinsmerkmale" behauptet - "alles entsteht in Abhängigkeit von anderem" (dies ist pratitya samutpada), sondern es korrespondiert mit Nirwana. Nirwana ist sozusagen un-abhängig. Wenn Samsara und Nirwana eins sind, weiß das Ich um das Nicht-Ich.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

  • Es ist immer schwierig mit Menschen über Lehrinhalte zu sprechen, die sie womöglich nicht selbst erfahren haben (Nicht-Ich). Dann entstehen leicht erkennbar theoretische Diskussionen, in denen versucht wird, der Inhalt des Palikanon wiederzugeben bzw. das, was daraus als Dogma extrahiert wurde.


    Die anderswo im Buddhaland als Buchtipp erwähnten Antaiji-Mönche Fujita und Yamashita, die eine solche Erfahrung implizit m. E. in "Buddhism 3.0" von sich behaupten (das Bewusstsein als blauer Himmel), sprechen da mit dem Philosophen Nagai davon, dass das singuläre Ich (nur ich empfinde mich als dieses Ich) als das buddhistische Nicht-Selbst (muga) verstanden werden könne: "Ich kann nicht anders sein als Nicht-Selbst."


    Ich bin allerdings im Gegensatz zu Nagai ein Freund bestimmter Erkenntnisse der Hirnforschung, so dass ich selbst für die Erfahrung des Nicht-Selbst die personalen Bedingungen (wie ein individuell funktionierendes Gehirn) voraussetze (dazu empfehle ich die Arbeiten von James H. Austin). Mein Hang zum Mystizismus ist begrenzt. Nicht-Selbst hat darum nur als eigene Erfahrung einen Sinn, nicht als theoretisches Daseinsmerkmal. Von diesem "blauen (wolkenlosen) Himmel" aus - oder, wie es die Autoren auch sagen: nicht mehr einen Film sehen und ihn für wahr halten und gar darin leben, als sei er wahr - ist dann auch, und das sind nun meine Worte, die dualistische Sicht auf eine leidhafte und vergängliche Existenz aufgehoben. Das wäre ja gerade die Welt des (falschen) Filmes. Zwar versteht man mit seinem gewöhnlichen Ich, was das ist und dass dies so ist (alles vergeht und ist leidhaft), entscheidend ist aber, dass MAN (AUCH!) ZU NICHT-SELBST geworden ist oder dieses Nicht-Selbst verwirklicht hat. Denn das Leben wird fortan zu einem Wechselspiel und gegenseitigen Durchdringen des manifestierten Ichs und Nicht-Ichs. Aus diesem Nicht-Selbst heraus - der erwachten Sicht - ist die leidhafte Verstrickung in die Vergänglichkeit beendet. Das bedingte Daseinsmerkmal, auf das oben verwiesen wurde, ist das Ich/Selbst, nicht das Nicht-Selbst. Nirwana ist nicht bedingt (asankhata).


    Um diesen Schritt nachvollziehen zu können, stelle man sich einfach vor (so man nicht dort angekommen ist), wie das aussähe, wenn - wie der Buddha gelehrt haben soll - das Leiden überwindbar ist, genauer: wenn es überwunden ist. Ist die Welt dann noch die der Edlen Wahrheiten für den Erwachten (nicht: für die, zu denen er spricht und denen er dies gelehrt hat)? Sind Alter, Tod, Krankheit dann noch Leiden oder nIcht? Wenn ja, dann sind sie nicht überwunden. Wenn nein, dann ist - wie versprochen - das (geistige) Leiden beendet.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

  • Ja, weil du vom Text her denkst, nicht von deiner Erfahrung oder der der anderen. Darum habe ich oben am Beispiel Dogen aufgezeigt, dass es nur zusammen mit dem Ich geht. Das singuläre Ich bleibt. Auch bei Zen-Meistern kannst du dieses Ich stets erkennen, meist sogar vor jeder Manifestation des Nicht-Ichs. Weil das viele nicht wahrhaben wollen, stehen sie sich selbst im Weg.

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  • Mit dem Ich das Nicht-Ich erkennen oder mit dem Nicht-Ich das Ich erkennnen sind falsche Ansichten soweit ich es verstehe.

    Das Ich oder die Person ist es, das/die mit seiner Erkenntnisfähigkeit erfasst was Buddha Sakyamuni mit der Selbstlosigkeit der Person negiert. Die Selbstlosigkeit der Person negiert, dass es

    1. ein beständige, teileloses und unabhängiges Ich gibt
    2. ein eigenständig-substanzieles Ich gibt.

    Mit Nicht-Ich sind diese beiden Ansichten über die Bestehensweise des Ich gemeint und die hat Buddha Sakyamuni verneint. Dass heißt das Nicht-Ich gibt es nicht. Deshalb sind diese Ansichten vom Ich falsche Ansichten. Da es das Nicht-Ich nicht gibt, kann es das Ich nicht erkennen.


    Mit der Verneinung des NIcht-Ich durch die Selbstlosigkeit der Person werden also nur bestimmte Ansichten negiert, aber nicht das Ich generell. Das in Abhängigkeit von den Skandhas benannte Ich gibt es sehr wohl. Es ist das Ich, das handelt, Glück und Leid erlebt, hier Beiträge postet usw.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Ich möchte das im Mahayana-Sinne verstanden wissen: Nicht-Ich/Nicht-Selbst wird zuweilen "wahres Selbst" genannt - in Abgrenzung zum Ich/Ego, es "existiert" hier also sehr wohl als die eigentliche "Buddha-Natur" des Menschen. Es handelt sich nicht bloß um ein "Daseinsmerkmal" oder "Ansichten" zum Ich - denn im Gegensatz zu Leiden und Vergänglichkeit (den anderen genannten Daseinsmerkmalen) sind solche Ansichten nicht Allgemeingut der Menschen (d.h. nicht alle erfahren ein substantielles oder unwandelbares Ich). Von daher ist das ein (Kategorien-)Fehler in der Denkweise der Autoren des Palikanons, denn Leiden und Vergänglichkeit erfährt auch derjenige, der sein Ich für abhängig, substantiell und bedingt hält, also im Sinne von Helmuts/"Buddhas" Definition denkt. Erst wer diese Kategorien aufgegeben hat, erfährt Befreiung.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

    • Offizieller Beitrag

    Nicht-Selbst hat darum nur als eigene Erfahrung einen Sinn, nicht als theoretisches Daseinsmerkmal.

    Was ist denn in diesem Bezug die Bedeutung des Wortes "eigene"? Was von dem, was Du "Deine" Erfahrung nennst, gehört denn Dir in dem Sinne, als dass Du ihr Urheber, Gestalter oder Beendender wärst? Gehört Dir die Sprache, mit der Du denkst, der Körper, mit dem Du stirbst, das Gefühl, das Dich dominiert, das Essen, das Du zu Dir nimmst oder die Reste, die Du ausscheidest? Woher stammt Deine Motivation, etwas zu tun oder zu lassen? Gehört Dein Wille Dir in dem Sinne, als dass Du frei wollen kannst, was Du willst oder nicht wollen kannst, was Du nicht willst? Gehören Dir Deine Gedanken? Was gehört von Deinem gesamten Dasein denn Dir? Was kannst Du festhalten, isolieren und besitzen? Was davon bist denn Du?


    Das Nicht-Ich ist kein theoretisches, es ist ein empirisch in jedem Augenblick erfahrbares Daseinsmerkmal.


    Zitat

    "Wie aber können, o Herr, einen Wissenden, wie einen Sehenden, bei allen äußeren Eindrücken auf diesen mit Bewußtsein behafteten Körper da, der Ichheit und Meinheit Dünkelanwandlungen nicht ankommen?"

    "Was es auch, Mönch, für eine Form sei, vergangene, zukünftige, gegenwärtige, eigene oder fremde, grobe oder feine, gemeine oder edle, ferne oder nahe: alle Form ist, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit also angesehn: 'Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst.'

    "Was es auch für ein Gefühl, was es auch für eine Wahrnehmung, was es auch für ein Geistobjekt, was es auch für ein Bewußtsein sei, vergangenes, zukünftiges, gegenwärtiges, eigenes oder fremdes, grobes oder feines, gemeines oder edles, fernes oder nahes: alles Gefühl, alle Wahrnehmung, alle Unterscheidung, alles Bewußtsein ist, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit also angesehn: 'Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst.'


    Majjhima Nikaya 109

  • Bevor du Bebop hier anderen Kategorienfehler vorwirfst, solltest du selbst erst einmal für Begriffsklarheit sorgen.


    Nicht-Ich/Nicht-Selbst sind Negationen. Sie drücken also aus, dass ein bestimmtes vorgestelltes Phänomen nicht existiert. Wenn du wahres Selbst als Synonym für Nicht-Ich/Nicht-Selbst auffasst, dann ist auch wahres Selbst eine Negation. Ein derartiges wahres Selbst existiert dann genauso wenig wie Nicht-Ich/Nicht-Selbst und kann deshalb auch nicht die eigentliche Buddha-Natur sein, die du hier ins Spiel bringst, denn die Buddhanatur gibt es.


    Die Frage ist, was man unter Buddhanatur versteht. Da haben ja selbst die Mahayana-Schulen des Svratantrika- und Prasangika-Madhyamaka und des Cittamatrins(Yogacarins) deutlich unterschiedliche Auffassungen.


    Außerdem habe ich nicht gesagt, dass falsche Ansichten über das Ich eins der drei Daseinsmerkmale sind.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

    Einmal editiert, zuletzt von Helmut ()

  • cinnamon , dem kann ich uneingeschränkt zustimmen. Auch die Ansicht, dass Alles-ist-Eins ist, ist meines Erachtens eine falsche Ansicht, weil sie dem abhängigen Entstehen wie es Buddha Sakyamuni gelehrt hat, widerspricht.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Zitat

    Was ist denn in diesem Bezug die Bedeutung des Wortes "eigene"?

    Eine Erfahrung, die von dem gemacht wird, was ich als ich empfinde, und was nicht du oder andere ist.

    Zitat


    Das Nicht-Ich ist kein theoretisches, es ist ein empirisch in jedem Augenblick erfahrbares Daseinsmerkmal.

    Die meisten Menschen erfahren ihr Ich als kohärent, sonst hätte man eine solche Lehre ja auch nicht erfinden müssen, wenn das so selbstverständlich wäre. Für die meisten Menschen ist die Instabilität des Ichs eher eine Teilerfahrung in einer insgesamt als relative Konstanz erfahrenen Persönlichkeit. Leiden und Vergänglichkeit sind hingegen allgemein verbreitete Erfahrungen. Zu diesem Problem, dem Unterschied der Psychologie zum Buddhismus und dem Problem derer Ausdrucksweisen, fand ich kürzlich: Understanding of Self: Buddhism and Psychoanalysis - PubMed

    Zitat

    Bevor du Bebop hier anderen Kategorienfehler vorwirfst, solltest du selbst erst einmal für Begriffsklarheit sorgen.

    Der Vorwurf geht eher an den Theravada bzw. die hier verlinkten Daseinsmerkmale, wie sie üblicherweise dort auch benannt werden, nicht an Personen.


    Du solltest aber doch bemerken, dass du dich mit deiner Gleichung "Es gibt kein Nicht-Ich, demnach auch kein wahres Selbst" innerhalb deiner Traditionslogik bewegst, nichts weiter. Die Negation ist im Zen oft nur ein Weg, das Unsagbare zu benennen. Ich setze tatsächlich voraus, dass man im Buddhaland in etwa weiß, wo sich die anderen Anschauungen von der eigenen unterscheiden, zumindest in diesem Forum und wenn man "Madhyamaka" als Tradition angibt. Im Mahayana sind diese Ausdrücke gängig. Das Nicht-Selbst ist hier als das verstanden, was nicht Ego ist, in einigen Sutren wird sogar stattdessen das wahre Selbst als Buddha-Natur bezeichnet, weil es Eigenschaften wie die der Ewigkeit hat. Da diese im Grunde unfassbar sind, meine ich, es ist verständlicher, wenn man das, was nicht Ego (bzw. die Vorstellung davon) ist, als Nicht-Selbst bezeichnet und äquivalent zur Buddha-Natur setzt. Im Mahayana-Kontext dürfte das einleuchten, ohne dass man dafür in die Details gehen muss, denn beides beschreibt das anderswo "wahre Natur" Genannte oder das Potential zum Erwachen oder das eigentlich erwachte Sein des Menschen. Erwachen ist die Verwirklichung der Buddha-Natur oder des Nicht-Selbst. Indem ich frei oder leer vom Selbst werde (also Nicht-Selbst), erwache ich.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

  • Helmut ich bin von MN2 ausgegangen .Demnach wäre dieses wahre Selbst oder Nicht-Selbst oder auch Alles-Ist-Eins eine falsche Ansicht mMn.

    Aber auch nicht wirklich schädlich, oder? Weil es nur scheinbar mit Atta und Anatta zu tun hat, durch die parallele Verwendung des Wortbestandteils "Selbst". In Wirklichkeit aber "nur" etwas über Entwicklungsmöglichkeiten aussagt, nicht über konkret erfahrbare Eigenschaften von Atta. Ich würde beim Begriff "Buddha-Natur" bleiben. Bei allen Verwendungen in Zusammenhang mit Selbst muss man immer eine Klammer dazu setzen, was man meint.


    Das scheint ja schon bei "Selbst" und "Nicht-Selbst" so zu sein, wenn man nicht unterscheidet, dass "Selbst" eine praktische Bezeichnung ist, etwas, das man benennen und erleben kann, Nicht-Selbst aber eine Aussage über unsere diesbezügliche Illusion ist. Nämlich dass es falsch ist, das, was wir "Selbst" nennen, als beständig und unveränderlich zu identifizieren und danach zu handeln. Nicht-Selbst bedeutet IMHO, diese falsche Ansicht zu untersuchen und durch Erkenntnis aufzugeben.


    Liebe Grüße,

    Aravind.

  • Zitat

    Aber auch nicht wirklich schädlich, oder?

    Je nachdem wieviel Gewichtung darauf gelegt wird, kann das auch in eine andere Richtung laufen, schätze ich. (So ist nur mein Eindruck)

    • Offizieller Beitrag

    Eine Erfahrung, die von dem gemacht wird, was ich als ich empfinde, und was nicht du oder andere ist.

    Du hast die meisten meiner Fragen nicht beantwortet. Dein Satz oben zeigt aber das fundamentale Missverstehen der Lehre: Wie kannst Du etwas als Ich empfinden? Wie kannst Du als Subjekt Objekt Deiner Erfahrung werden? Und aus was besteht dieses Konstrukt, das Du mit "Ich" identifizierst?

  • Eine Erfahrung, die von dem gemacht wird, was ich als ich empfinde, und was nicht du oder andere ist.

    Du hast die meisten meiner Fragen nicht beantwortet. Dein Satz oben zeigt aber das fundamentale Missverstehen der Lehre: Wie kannst Du etwas als Ich empfinden? Wie kannst Du als Subjekt Objekt Deiner Erfahrung werden? Und aus was besteht dieses Konstrukt, das Du mit "Ich" identifizierst?

    Gute Fragen, beantworte sie.

  • Zitat

    Dein Satz oben zeigt aber das fundamentale Missverstehen der Lehre: Wie kannst Du etwas als Ich empfinden?

    Vielleicht zeigt der Satz auch einen Fehler in der Lehre oder vielmehr ihrer Interpretation auf: Wir brauchen eine Ich-Identität, und von der ausgehend entdecken wir die Illusion des Ichs. Was ohne diese Identität geschieht, kann man in Psychiatrien sehen oder bei der Demenz.

    Die Frage, wieso ich nur mich als Ich empfinde (und du und jeder andere genau so), ist Gegenstand der Philosophie und Hirnforschung. Vielleicht wird sie eines Tages geklärt. Aber niemand, auch keiner, der wörtlich dem Palikanon zu folgen versucht, tut dies ohne seine ganz eigene Sicht auf die Dinge. Allein die Ausformung der diversen frühen buddhistischen Schulen zeigt, dass es nicht einmal Einigkeit über das Verständnis der Überlieferung gab. Wie auch, immer blickte ein anderes Ich darauf (warum auch sollte sich ein Erwachter mit dem Palikanon beschäftigen?). Dieses Ich zu durchschauen und abzulegen versuchen ist eine lohnenswerte Aufgabe, aber es geschieht auf der Grundlage der jeweiligen individuellen psychophysischen Gegebenheiten und in deren Grenzen. Diejenigen, denen man nachsagt, die Lehre verstanden zu haben, haben teils widersprüchliche Dinge darüber gesagt. Das wird immer so bleiben.


    Ich habe deine übrigen Fragen nicht beantwortet, weil ich sie mir nicht stelle. Sie erledigen sich mit der Erkenntnis, dass es niemanden gibt, der ohne Ich lebt. Die Frage ist für mich, wie es sich lebt, wenn man auch das Nicht-Ich verwirklicht.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)