Im Mahāvibhaṅga, Teil der Ordensregeln für Mönche, heißt es:
„Das Trinken von vergorenen oder gebrannten Getränken ist ein Pācittiya-Vergehen… ‘Trinken sollte’ ist: wenn er auch nur so viel trinkt, wie man mit einem Kusagrasblatt aufnehmen kann, ist das ein Pācittiya-Vergehen“.
Im Paramatthajotikā, dem Khuddakapāṭha-aṭṭhakathā, heißt es:
„the first two and the fourth and fifth [sīla] are shared equally between lay followers and novices as invariable virtuous practices” {Ñāṇamoli 2005: S. 18}.
Wenn man jetzt annimmt, dass es in Bezug auf Alkoholkonsum keinen Unterschied zwischen Novizen und Mönchen gibt, dann stellt es sich wie folgt dar:
Aussage I: Mönche dürfen gar keinen Alkohol trinken
Aussage II: Laien und Novizen haben in Bezug auf Alkoholkonsum dieselbe Tugendregel
Annahme I: Mönche und Novizen sind gleich
Daher ist die Schlussfolgerung: Laien dürfen gar keinen Alkohol trinken!
Im Paramatthadīpanī, dem Vimānavatthu-aṭṭhakathā, heißt es:
„The drinking of intoxicants (majjapānaṃ=majjassa pānaṃ, resolution of compound); when one drinks, starting from the (size of a) seed onwards, even (so little as might be taken) with the tip of a blade of grass, any of the five kinds of liquor ... with the intention of bad conduct, such intention (amounts to) the drinking of intoxicants” {in der Übersetzung von Masefield 1997: Vimāna Stories, S. 101}.
Hier geht es nicht um Novizen oder Mönche, sondern um die Laienanhängerin Uttarā, die aufgrund ihrer guten Taten im Himmel wiedergeboren wurde. Eine der heilsamen Handlungen war das Abstehen vom Alkoholkonsum in der Menge eines kleinen Samens. „Bad conduct“ ist hier das bewusste Brechen der Tugendregeln.
Ebenda heißt es weiter:
„And shun all those intoxicants on account of which a man’s awareness leaves him… All (sabbaṃ): without remainder, meaning starting from the (size of a) seed onwards. {ebenda, S. 365-367}
Im Paramatthadīpanī, hier der Petavatthu-aṭṭhakathā, heißt es:
„I will go for refuge this very day to the Buddha, the Dhamma and the Saṅgha with devotion in my heart; likewise I will undertake the Five Precepts, unbroken and in their entirety.
I will forthwith refrain from destroying living beings and shun in this world what is not given; I will not be one to drink intoxicating drinks, nor will I speak a lie, whilst I will be content with my own wife” {in der Übersetzung von U Ba Kyaw; Masefield 1999: Peta Stories, S. 245}.
Die Bedeutung von „not be one to drink intoxicating drinks” ist, dass jemand vollständig darauf verzichtet, Getränke zu trinken, die die Wahrnehmung (saññā) negativ beeinträchtigen können. Wie die obigen Zitate zeigen, kann die Bedeutung nicht sein: alkoholische Getränke trinken zu dürfen bis kurz vor der negativen Wahrnehmungsbeeinträchtigung.
Es ist aber so, dass nicht alle Theravāda-Lehrer auch immer Theravāda lehren. Siehe zum Beispiel hier den Ehrwürdigen Bhante Gunaratana:
„The last of the five precepts says to avoid alcohol, drugs, or other intoxicants, and the same principle is implied in Skillful Action. In giving this precept, the Buddha used conditional wording. He did not tell lay followers to avoid all intoxicants, but only those that cause “negligence, infatuation, and heedlessness.” In other words, the careful use of painkilling drugs and other narcotics prescribed by a doctor does not violate the prohibition. Nor does occasional, light use of alcohol, such as a glass of wine. We must use common sense” {Gunaratana 2015: Eight Mindful Steps to Happiness, S. 121}.
Gut angefangen – mit dem Hinweis das Medizin vom Buddha immer getrennt behandelt wurde – und dann stark nachgelassen mit der Erlaubnis, doch Alkohol trinken zu dürfen. Das ist natürlich kein gesunder Menschenverstand und keine Theravāda-Lehre.
Noch einmal aus dem Paramatthajotikā: „I undertake; what is meant is that I take [it] with the intention of non-transgression by keeping [it] ‘untorn’ and keeping [it] ‘unmottled’” {in der Übersetzung von Ñāṇamoli 2005: S. 19}.
Es kann in der Aufnahme der Tugendregeln keine geplante Sollbruchstelle geben. Stolpern kann man, aber nicht vorsätzlich.