Alles brennt. Wenn ich meinen Alltag betrachte, so fällt mir auf, dass ich ständig von irgendetwas getrieben werde, um großes und kleines und kleinstes Unwohlsein zu vertreiben. Damit meine ich nicht irgendwelche großen Ziele oder Aktionen, sondern das kleine, kleinste ruhelose und unablässige Abändern dessen, was gerade ist.
Beispiel: Ich sitze auf einem Stuhl. Kaum ein paar Sekunden vergehen, so wird die Sitz-Haltung leicht unangenehm, sodass ich eine andere Haltung einnehme. Immer wieder kommen mir während dieses Gezappels Ideen, was ich tun könnte: Jetzt einen Kaffee, einen Tee vielleicht? Etwas lesen? Zu warm, zu kalt, zu lau, zu wenig lau? Diese Musik, jene Musik, Stille, ein Hörbuch, etwas arbeiten? Einen Spaziergang, etwas im Netz anschauen, YouTube, eine Doku, etwas Buddhistisches, hier im Form etwas schreiben? Etwas essen, jemanden anrufen, duschen?
Ständig spielt mein Hirn unbewusst und halbbewusst Möglichkeiten durch, das leichte Unbehagen, die Langeweile, die Abwesenheit von etwas Angenehmem, die Anwesenheit von etwas Unangenehmem zu verändern. Ständig kommen neue Assoziationen, neue Motivationen und Wünsche werden geboren... STÄNDIG, ohne Unterlass und zumeist unbemerkt! Und das schimpft sich dann "Freizeit". In dieser "Freizeit" bin ich nie frei. Irgendein Wunsch ist ständig da, und ich muss mich ihm gegenüber irgendwie verhalten: Ihn ignorieren oder erfüllen, ihn aushalten oder ihm nachgeben.
Niemals ist Ruhe. Alles brennt und juckt und zieht und zerrt.
Ausnahme: in der Meditation gibt es Sequenzen, wo keine neuen Wünsche geboren werden, wo alles ist wie es ist und gut ist. Das Ziehen und Zerren ist weg. Für ein paar Augenblicke bin ich nicht mehr am Motor von Wünschen, Abneigungen und unablässiger Suche nach einer vermeintlichen Verbesserung angeschlossen. Der Sog ist fort, das Feuer brennt nicht mehr so stark. Und mir fällt auf: Im Alltag brennt alles. Meine Welt, mein Wesen, mein Wünschen: Alles brennt!
Buddha vergleicht dieses Getriebensein mit dem Zustand eines Leprakranken, der sich die Wunden an einem Kohlenfeuer ausbrennt und in diesem Schmerz des Ausbrennens Erleichterung (wir nennen das Glück) empfindet:
Angenommen, Māgandiya, es gäbe einen Leprakranken mit Wunden und Blasen an den Gliedern, der, von Würmern zerfressen, mit den Fingernägeln den Schorf von seinen wunden Stellen kratzte und seinen Körper zur Erleichterung über einer Grube mit brennender Holzkohle einbrannte; je mehr er den Schorf abkratzt und seinen Körper einbrennt, desto fauliger, übelriechender und stärker infiziert würden seine wunden Stellen werden, und doch würde er ein gewisses Maß an Befriedigung und Vergnügen daran finden, seine wunden Stellen zu kratzen. Ebenso, Māgandiya, schwelgen Wesen, die nicht frei von Sinnesbegierde sind, die vom Begehren nach Sinnesvergnügen verzehrt werden, die vor Fieber nach Sinnesvergnügen brennen, dennoch in Sinnesvergnügen; je mehr solche Wesen in Sinnesvergnügen schwelgen, desto mehr wächst ihr Begehren nach Sinnesvergnügen an, und desto mehr werden sie von ihrem Fieber nach Sinnesvergnügen verbrannt, und doch finden sie ein gewisses Maß an Befriedigung und Vergnügen bedingt durch die fünf Stränge sinnlichen Vergnügens.
Dumm ist, dass ich immer wieder ins unbewusste Getriebensein abdrifte, manchmal über Stunden und Tage. Nur die Meditation bringt manchmal kurzzeitige Unterbrechungen dieses Zustandes. Oder ich nutze die Meditation, um den derzeitigen Zustand zu unterbrechen, weil ich etwas Angenehmes von der Meditation erhoffe. Damit wird dann sogar die Meditation Gehilfe der Geistesgifte.