Der Karmapa, Missbrauchsvorwürfe, eine Initiativen von Karma Kagyüs

  • Es gibt eine neue Website, über die sich Karma Kagyüs zu den Missbrauchsvorwürfen gegenüber dem Karmapa Ogyen Trinley Dorje austauschen. Dort heißt es u.a.:


    "Diese Seite wurde als ein Raum geschaffen, in dem wir die Auswirkungen der Anschuldigungen gegen eine so wichtige Persönlichkeit des tibetischen Buddhismus auf unsere Gemeinschaften ansprechen können. Die Tabuisierung des Themas hat sich fragmentierend auf unsere Sanghas ausgewirkt und uns daran gehindert, uns gegenseitig zu unterstützen (...). Hier hat jeder von uns die Möglichkeit, seine Stimme zu finden, anonym zu sprechen und gemeinsam zu beginnen, das persönliche Trauma zu heilen, mit dem viele von uns im Stillen gekämpft haben.


    (...)


    Wir beginnen damit, dass wir anerkennen, wo wir stehen. In verschiedenen Medien wurde von drei verschiedenen Frauen über Anschuldigungen des sexuellen Missbrauchs durch Karmapa berichtet. Eine Frau hat rechtliche Schritte eingeleitet, um Unterhalt für eine Tochter zu erhalten, die der Karmapa angeblich gezeugt hat. Einem Bericht zufolge ordnete das kanadische Gericht an, dass der Karmapa einen Vaterschaftstest macht, um festzustellen, ob er ein Kind gezeugt hat, und das Ergebnis bestätigte, dass das Kind von ihm ist.


    (...)


    Zum jetzigen Zeitpunkt hat Karmapa diese Anschuldigungen nicht öffentlich dementiert. Dieser Bericht und andere Berichte über sexuelles Fehlverhalten und Übergriffe wurden von fast allen buddhistischen Führern mit ohrenbetäubendem Schweigen beantwortet. Mit dieser Website nehmen wir keine Stellung zur Wahrheit oder Unwahrheit dieser Anschuldigungen. Wir erkennen jedoch an, dass es keine unabhängige Untersuchung und keine öffentliche Reaktion des Karmapa gegeben hat. Und dass dieses Schweigen wie auch die Anschuldigungen ein Umfeld geschaffen haben, das zu Unsicherheit, Zweifel und Verwirrung führt.


    Fast alle unsere Dharma-Gemeinschaften haben sich strikt dagegen ausgesprochen, diese Bedenken zu diskutieren. Die Möglichkeit, dass ein Linienoberhaupt, zu dem wir Zuflucht genommen haben, seine Machtposition und seinen Einfluss auf seine Schüler missbraucht hat, und es gibt keine Diskussion oder Versuche, die Wahrheit herauszufinden, hat tiefgreifende Auswirkungen auf die gesamte Dharma-Gemeinschaft weltweit.


    Einige von uns haben damit zu kämpfen, ihre Praxis aufrechtzuerhalten, viele mussten ihr Engagement für den Dharma neu definieren, neu ausrichten oder neu erfinden und stellen fest, dass sich unsere Gemeinschaften nicht mehr wie gesunde oder sichere Räume anfühlen. Diese Website bietet die Bedingungen der Anonymität und wird als der sichere Raum angeboten, den unsere lokalen Zentren vielleicht nicht bieten können und den wir jetzt dringender denn je brauchen." (übersetzt mit Deepl)


    Healing Our Sanghas

    "Es gibt nur eine falsche Sicht: Der Glaube, meine Sicht ist die einzig richtige."

    Nagarjuna

  • So viel zum 'gründlichen Prüfen des Lehrers'. Diskussionsverbote und Totschweigen - wie der Vatikan in seinen besten Zeiten.

    OM MONEY PAYME HUNG

  • So viel zum 'gründlichen Prüfen des Lehrers'. Diskussionsverbote und Totschweigen - wie der Vatikan in seinen besten Zeiten.

    Wobei das Fehlverhalten hier das Oberhaupt der Glaubensgemeinschaft betrifft, nicht nur irgendeinen beauftragten Mönch. Dass dem Papst ein vergleichbares Fehlverhalten nachgewiesen werden könnte, ist mir nicht bewußt - den im Auftrag des Vatikans tätigen Priestern sicherlich zahlreich.

    Ich vermute, das "Diskussionsverbote und Totschweigen" ihren Ursprung in den nachgeordneten Rängen der entsprechenden Glaubensorganisation haben.

    mankind ... must act and reason and believe; though they are not able, by their most diligent enquiry, to satisfy themselves concerning the foundation of these operations, or to remove the objections, which may be raised against them [Hume]

  • So viel zum 'gründlichen Prüfen des Lehrers'. Diskussionsverbote und Totschweigen - wie der Vatikan in seinen besten Zeiten.

    Wobei das Fehlverhalten hier das Oberhaupt der Glaubensgemeinschaft betrifft, nicht nur irgendeinen beauftragten Mönch. Dass dem Papst ein vergleichbares Fehlverhalten nachgewiesen werden könnte, ist mir nicht bewußt - den im Auftrag des Vatikans tätigen Priestern sicherlich zahlreich.

    Ich vermute, das "Diskussionsverbote und Totschweigen" ihren Ursprung in den nachgeordneten Rängen der entsprechenden Glaubensorganisation haben.

    Welchen Papst meinst du, den amtierenden sicher nicht, aber dem Zurückgetreten traue ich einiges zu.

  • ... traue ich einiges zu.

    Es geht um Evidenz, nicht um die eigene Voreingenommenheit.

    mankind ... must act and reason and believe; though they are not able, by their most diligent enquiry, to satisfy themselves concerning the foundation of these operations, or to remove the objections, which may be raised against them [Hume]

  • Dass dem Papst ein vergleichbares Fehlverhalten nachgewiesen werden könnte, ist mir nicht bewußt

    Wenn ich vom "Vatikan in seinen besten Zeiten" spreche, dann sind die auch schon ein halbes Jahrtausend vorbei. Alexander VI., Julius II., Leo X. - diese Kaliber, nicht die freundlichen Grüßonkel heutzutage. Nicht, dass der Laden zwischenzeitlich sauberer geworden wäre - nur ärmer. Laut meiner Tageszeitung will das Erzbistum Trier (in dessen Revier ich wohne, Deutschlands Wilder Westen) jetzt anfangen, Kirchen zu verscherbeln. Geht eh kaum noch jemand hin. Und die Kirchensteuereinnahmen schrumpfen dramatisch; insbesondere seit im August die 'Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Verantwortungsbereich des Bistums Trier' ihren ersten Zwischenbericht vorgelegt hat. Dumm gelaufen, da sitzen Wissenschaftler und Betroffenenvertreter drin, keine Pfaffen. Da soll mal einer sagen, die Lektüre der Morgenzeitung würde einem nur den Tag vermiesen (okay, in der Summe schon ...).


    Nunja, es steht zu hoffen, dass die exotische Konkurrenz nicht ganz so langsam untergeht. Wobei ich mich angesichts der vergleichsweise (mit katholischen Laien!!!) schwach entwickelten Kritikfähigkeit so mancher Buddhisten manchmal schon ernsthaft frage, ob der Buddhadharma im Westen vor allem Leichtgläubige mit einem Faible für den geheimnisvollen Orient anspricht ... vielleicht bin ich ja auch leichtgläubig und bloß noch nicht auf die Schnauze gefallen deswegen. Naja - wer will mir schon an die Wäsche gehen?

    OM MONEY PAYME HUNG

  • ... traue ich einiges zu.

    Es geht um Evidenz, nicht um die eigene Voreingenommenheit.

    Wahrscheinlich hast du den zeitlichen Rahmen des Rücktritts von Benedikt, nicht so ganz im Wissen. Das er auch erheblich zur Verschleierung und Verdunkelung des Missbrauchsgeschehens, die Verschleppung der Aufarbeitung und das Verhindern der staatlichen Justiz zu verantworten hat, wohl auch nicht. Er hat bestimmt gedacht, dass durch den Tod seines Bruders Ruhe eingekehrt. Ist es ja auch. Merkwürdigerweise haben da die Medien plötzlich Mitleid. Wenn man ein bestimmtes Alter erreicht hat, ist man sowas wie in Immunität. Der Kerl hat ausreichend Dreck an seinem Hirtenstab und etliche hätten gerne, dass er schon tot wäre, ich nicht soll er in seiner Hölle leben, dass sich die Medien doch noch an seinen Verwicklungen erinnern.


    Nur weil du bloß Voreingenommenheit siehst, ist da doch Evidenz. Man muss nur am Ball bleiben. Das ist schwer, denn es gibt eben sehr wenig Meldungen, bloß keine schlafenden Hunde wecken.

    Aber wenn er tot ist, wird ganz plötzlich der sogenannte "investigative" Journalismus wach und macht ihre Schubladen auf und pusten den Staub von den Berichten, macht Glauben, dass die gerade erst geschrieben wurden.

    • Offizieller Beitrag

    Können wir beim Thema bleiben, der Initiative einiger Karma Kagyüs, die notwendig wurde, weil in den Sanghen selbst das Thema um die Missbrauchsvorwürfe gegen den Karmapa tabuisiert werden?

    "Es gibt nur eine falsche Sicht: Der Glaube, meine Sicht ist die einzig richtige."

    Nagarjuna

  • Wie soll man über etwas konkret schreiben, wenn es tabuisiert wird und damit Verblendung Tür und Tor geöffnet wird?

    In den Antworten kann also nur Verlangen und Ablehnung erscheinen und welche Gemeinschaft betroffen ist, ist unwichtig. Es betrifft alle. Mir ist die Christliche eben besser bekannt, schon weil die Verblendungen diese Sangha von Nichtmitgliedern weg gerissen werden. Die Führungsetage hat, wie bei den buddhistischen Sanghen nichts Besseres zu tun, als weiter Verblendungen und Schuldzuweisungen hochzuziehen.

  • Irgendwie mag ich Menschen nicht, die keinen eigenen Standpunkt vertreten, aber anderen vorwerfen, dass sie einen äußern, der nicht dem eigenen, nicht genannten, entspricht. :?

  • Wenn die Initiator_innen sich wenigstens einmal namentlich genannt hätten, ohne erkennbaren Bezug zum thematischen Austausch, hätte ich es als Anlass genommen, mal zu sehen, ob ich von ihnen was lernen kann.

    Ich bin derzeit arg zwiegespalten, was das lernen wollen angeht, bei gleichzeitiger Faszination für manch Lehrinhalt.


    Und es freut mich zu lesen, dass es die Plattform gibt, Meinungsfortentwicklung bei diesem Thema scheint mir gleichermaßen schwierig wie wertvoll.

  • Wie soll man über etwas konkret schreiben, wenn es tabuisiert wird und damit Verblendung Tür und Tor geöffnet wird?

    In den Antworten kann also nur Verlangen und Ablehnung erscheinen und welche Gemeinschaft betroffen ist, ist unwichtig. Es betrifft alle. Mir ist die Christliche eben besser bekannt, schon weil die Verblendungen diese Sangha von Nichtmitgliedern weg gerissen werden. Die Führungsetage hat, wie bei den buddhistischen Sanghen nichts Besseres zu tun, als weiter Verblendungen und Schuldzuweisungen hochzuziehen.

    Zur Erinnerung, der Titel des Threads lautet: "Der Karmapa, Missbrauchsvorwürfe, eine Initiativen von Karma Kagyüs". Wenn Du hierzu nichts schreiben kannst, musst Du Dich nicht beteiligen.

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    Nagarjuna

  • Der normale Weg ist es ja, dass sich Menschen freiwillig dazu entscheiden Mönche oder buddhistische Lehrer zu werden. Orgyen Thringle Dorje kam aber schon als Kind ins Kloster, würde dann mit 7 als Karmapa anerkannt. Dies bedeutet eine extreme Erwartung:


    Karmapa bedeutet auf tibetisch: derjenige, der die Aktivitäten der Buddhas ausführt.

    Der erste Karmapa Düsum Khyenpa (1110 – 1193) hinterließ als erster genaue Angaben zu seiner eigenen Wiedergeburt, sodass sein Herzensschüler die Reinkarnation finden konnte. Damit führte Karmapa vor circa 900 Jahren das sogenannte Tulku System ein – das bewusste Reinkarnieren und Wiedererkennen hoher buddhistischer Lehrer. Alle Karmapas waren Meister von herausragender Qualität und Reichweite. Sie wurden nicht nur von den Tibetern und den Menschen der ganzen Himalaya-Region verehrt, sondern auch von den Vertretern anderer Schulen des tibetischen Buddhismus hoch geachtet.

    Ein Karmapa ist nicht einfach ein vollendeter Lehrer ist , sondern im Guru Yoga verehrt man im Karmapa die gesammelte spirituelle Energie aller vergangener Karmapas und der ganzen Traditionslinie ( des Ubertragunsbaum )


    Dorje wurde von der Volksrepublik China hochofizielle als "lebender Buddha" anerkannt. Man kann sich kaum eine höhere Erwartung an einem Menschen ansehen, als wenn einen ein Milliardenland als Erwachten- volkseigener Tulku - ansieht.


    Wenn man annimmt, dass jemand wirklich all diesen Erwartungen ( also ein vollendeter Lehrer und Ausdruck eines Buddhaaspekt ist) entspricht,dann besteht ja keine Gefahr darin, ihn als einzigen Mann in einem nur-Frauen Retreat leiten zu lassen, die einen alle als höheres Wesen sieht.


    Aber was, wenn das nicht so ist.


    Was, wenn es sich doch nur um einen "normalen" Menschen handelt,

    einen durchschnittlichen jungen Mann handelt, der vielleicht eine Freundin gefunden hatte, eine Familie gegründet hätte, dann ist diese Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit wie Zünder, der auf einen Funken wartet. Ein Rezept für strukturellen Mißbrauch.

    Am 4. März 2018 veröffentlichte Orgyen Thrinle Dorje auf seinem offiziellen YouTube-Kanal ein Video. Er erklärt darin mehrfach, er sei ein einfacher Mensch, habe keine Verbindungen zu den vorherigen Karmapas und sei insbesondere keine Wiedergeburt irgendeines Lama.[2]

    Von daher ist die Frage wie man damit umgeht, dass die spirituelle Praxis der Schule Guruyoga auf den Karmapa als ihr Zentrum hat, derjenige der in dieser Rolle ist, ihr aber nicht gerecht wird. Das ist ein Konflikt den die Karma Kagyüs für sich auflösen müssen.

  • Der normale Weg ist es ja, dass sich Menschen freiwillig dazu entscheiden Mönche oder buddhistische Lehrer zu werden. Orgyen Thringle Dorje kam aber schon als Kind ins Kloster, würde dann mit 7 als Karmapa anerkannt. Dies bedeutet eine extreme Erwartung:

    Tatsächlich möchte ich auch nicht mit diesem armen Menschen tauschen. Ich verfüge über eine gewisse Freiheit zu gehen wohin ich will und zu sein, der ich möchte. Wer als kleines Kind schon für eine Rolle trainiert wird, wie er, hat das in diesem Masse nicht.


    Er wird von Menschen, die ihm begegnet sind, als depressiv beschrieben. Das rechtfertigt natürlich keinesfalls Missbrauch. Aber das ganze ist ein klarer Hinweis auf strukturelle Probleme dieser Religion.

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    Nagarjuna

  • Irgendwie mag ich Menschen nicht, die keinen eigenen Standpunkt vertreten, aber anderen vorwerfen, dass sie einen äußern, der nicht dem eigenen, nicht genannten, entspricht. :?


    Dann betrachte dieses unangenehme Gefühl doch genauer um es zu verstehen, und oder zu unterbrechen - das scheint mir für so einen schlichten Bewertungswunsch/Gefühlsausdruckswunsch, der dazu ja (das ist das Problem ...) in der Festigung eines Ichgedankens mündet, keine grosse Aufgabe.

  • Der normale Weg ist es ja, dass sich Menschen freiwillig dazu entscheiden Mönche oder buddhistische Lehrer zu werden. Orgyen Thringle Dorje kam aber schon als Kind ins Kloster, würde dann mit 7 als Karmapa anerkannt. Dies bedeutet eine extreme Erwartung:

    Tatsächlich möchte ich auch nicht mit diesem armen Menschen tauschen. Ich verfüge über eine gewisse Freiheit zu gehen wohin ich will und zu sein, der ich möchte. Wer als kleines Kind schon für eine Rolle trainiert wird, wie er, hat das in diesem Masse nicht.


    Er wird von Menschen, die ihm begegnet sind, als depressiv beschrieben. Das rechtfertigt natürlich keinesfalls Missbrauch. Aber das ganze ist ein klarer Hinweis auf strukturelle Probleme dieser Religion.

    Klingt nach der Möglichkeit einer existenten Win-Win-Lösung.

  • Behauptungen und Mutmaßungen gibt es viele. Aber auch diese haben nicht den Status von Evidenz.

    mankind ... must act and reason and believe; though they are not able, by their most diligent enquiry, to satisfy themselves concerning the foundation of these operations, or to remove the objections, which may be raised against them [Hume]

  • Klar, es gibt Skandale. Es gibt Missbrauch, Vertuschung, Machtgier – das ganze Programm des Menschseins eben. Schlimm ist das. Im Kloster, in der Firma, in der Familie, im Turnverein. Merkwürdig, dass diese schwarzen Flecken derzeit das ganze Gebilde des Religiösen schwarz färben, während die weißen, lichten, positiven, heilsamen Elemente diese Kraft offenbar nicht haben.


    Die Headline-Journalistik hat es leichter mit Skandalen, mit Schock, Wut, Angst und Empörung als mit Nachrichten wie: zweihundert Menschen hatten nach einem Vortrag von Lehrer XY wieder mehr Lebensfreude, Kirche ABC hat in verarmtem Land Schule errichtet, Priester Soundso opfert gesamte Freizeit für Projekte in sozialem Brennpunkt, Meister von Tradition Hierundda eröffnet neues Zentrum und erreicht ein paar Hundert Menschen, die danach etwas friedfertiger zu ihren Ehepartnern sind. Würden diese Nachrichten die jeweiligen religiösen Gefüge mit der gleichen Kraft positiv färben wie die negativen Nachrichten sie zugrunde richten, würde es wohl auch weniger Vertuschung geben und vielleicht auch etwas produktivere Aufarbeitung zur Prävention von Verbrechen.


    Mir tut es weh, zu lesen und zu hören, wie die Religionen und Traditionen immer mehr durch Skandale definiert und beurteilt werden, sodass die eigentliche Funktion und das ungleich größere Heilsame des Religiösen dahinter in Vergessenheit gerät oder als zu überwindender Ballast jede Grundlage in der Gesellschaft verliert. Dabei haben wir alle Religionen, echte Spiritualität (im Gegensatz zu Selbstoptimierungswellness oder Esoterik-Industrie) und geistige Schulung gerade heute so bitter nötig.

    Das ist denn doch nur der Abendwind, der heute mit ordentlich verständlichen Worten flüstert.

  • Thorsten Hallscheidt :


    These 1: Es gibt überall Missbrauch. Nur im Bereich Religion führt das dazu, dass die Religion als ganzes diskreditiert wird.


    These 2: Daran ist ein bestimmter Teil der Presse schuld, der die Vorkommnisse skandalisiert.


    These 3: Weil skandalisiert wird, führt das dazu, dass erst recht, vertuscht wird.


    These 4: Darüber werden die positiven Effekte, die Religion hat, vergessen.


    Habe ich das richtig verstanden?

    "Es gibt nur eine falsche Sicht: Der Glaube, meine Sicht ist die einzig richtige."

    Nagarjuna

  • Ich habe mit Bedacht das geschrieben, was ich geschrieben habe. Hätte ich die Emphase wählen wollen, die Du bestimmten Aussagen gibst, hätte ich diese gewählt. Zum Beispiel würde ich nicht der Presse "Schuld" geben, da es auch von der begrenzten Ressource Aufmerksamkeit abhängt, was, wie ankommt. So könnte man auch dem Rezipienten eine "Mitschuld" geben. Aber auch das würde ich so nicht sagen wollen.


    Ich habe nicht geschrieben, dass es überall Missbrauch gibt. Ich habe Bespiele gewählt, die wegen Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt ebenfalls immer wieder in den Schlagzeilen landen, ohne dass die entsprechende Struktur gleich als ganze gesellschaftlich auf dem Prüfstand stünde. Niemand würde die Familie abschaffen wollen, auch wenn die meisten Femizide in Familien geschehen. Niemand würde Sportvereine abschaffen wollen, auch wenn es in Sport und Turnvereinen immer wieder zum Missbrauch Minderjähriger kommt. Und auch die Struktur einer hierarchisch geführten Firma steht nicht zur Disposition, obwohl hier sexualisierte Diskriminierung und Gewalt an Tagesordnung ist.


    Positive Effekte werden nicht vergessen, spielen aber in der öffentlichen Wahrnehmung eine zunehmend geringe Rolle (Im Gegensatz zu Sportvereinen, Familie oder Firmenstrukturen).


    Zuletzt wird nicht vertuscht, weil skandalisiert wird, sondern der Schaden, der durch Fehlverhalten entsteht, ist durch das enorme Empörungspotenzial bei öffentlichen Institutionen oder in der Öffentlichkeit stehenden Personen insgesamt größer, weil eben dies im Rahmen von Machtkämpfen um Deutungshoheit und tendenziösen Diskreditierungen gerne genutzt wird: Jemand, der Religion ablehnt, wird seine ihre Meinung schnell bestätigt finden (War ja wieder klar, diese Katholiken, Tibeter, Zen-Meister, you name it.). Stichwort Informationsbubble. Die begrenzte oberflächliche Wahrnehmung durch Headlines verstärkt diesen Prozess noch. Schau mal, mit wie vergleichsweise wenig an moralischer Indifferenz eine Politiker*in heute seinen/ihren Hut nehmen muss.

    Das ist denn doch nur der Abendwind, der heute mit ordentlich verständlichen Worten flüstert.

  • Deswegen ist es doch wichtig, dass diese Initiative nicht von Nicht-Buddhisten ausgeht, die den ganzen Buddhismus abschaffen wollen. Und auch nicht von Leuten außerhalb des tibetischen Buddhismus die diesen als ganzes als überholt sehen und auch nicht von Leuten außerhalb der Karma Kagyü Traditionen die diese Tradition abschaffen wollen sondern von Leuten innerhalb der Karma Kagyü Tradition.


    Der Titel ist ja sogar "healing our Sangha"


    We invite you to explore the map and hope that together, we can create:

    • A safe space to begin to heal the pain and trauma caused by the allegations by finding our voices again as we work through what this has meant for us.
    • A way to preserve the sangha, overcoming the isolating effect of the silence around the issue and showing us where we are together.
    • A way to address the harm caused to communities when doubts are raised (and never addressed) regarding those whom we have trusted and who occupy positions of great authority in the lineage.
    • A way to protect the vulnerable. We are ensuring that allegations of such abuse are taken seriously and investigated so that no one can simply abuse their power over others with impunity in Buddhist communities. (This refers to all potential victims of abuse, not solely those alleging abuse in these cases.)

    Das klingt doch weder agressiv noch anklangend sondern versöhnlich.

  • Ich habe mit Bedacht das geschrieben, was ich geschrieben habe. Hätte ich die Emphase wählen wollen, die Du bestimmten Aussagen gibst, hätte ich diese gewählt.

    Ich versuche nur, es zu verstehen. Wenn ich‘s nicht verstehe, kann ich nicht angemessen antworten. 🙂🙏

    "Es gibt nur eine falsche Sicht: Der Glaube, meine Sicht ist die einzig richtige."

    Nagarjuna

  • Ich denke an dem was Thorsten Hallscheidt sagt ist sicher was dran

    Ein Grund, warum Missbrauch in religiösen Institutionen von den Medien gerne aufgegriffen , weil der Kontrast zwischen"heiligen Anspruch" und der oft schlimmen Wirklichkeit da so groß ist. Je Heiliger man tut desto wirkungsvoller die Entlarvung. Dadurch entsteht aber ein verzerrtes Bild, Missbrauch käme in religiösen Institutionen sehr häufig vor und auch viel häufiger als in weltlichen. Es wäre interessant, da die Zahlen dazu zu haben.


    Aber vielleicht führt das auch in eine falsche Richtung. Vielleicht ist nicht so sehr der Missbrauch selber der Punkt, sondern die Art und Weise wie mit ihm umgegangen wird.


    Und da war es so, dass die Kirchen gerade in Deutschland lange Zeit ihre eigene religiöse Sphäre zugestanden wurde. Verdachtsfällen gegen einen Pfarrer würde anders nachgegangen als denen gegen einen Onkel oder Sportwart.


    Man vertraute den Institutionen an, das für sich selber aufzuarbeiten. Wobei gerade die Kirchen da eine eigene Logik hatte, der es weniger um Opferschutz ging, sondern um Sühnung von Sünde.


    Und weil sich jetzt - wo sich die Gesellschaft entchristlicht - dieser Schutzschild nachlässt - zeigt sich da retrospektiv, dass da vieles an interner Aufarbeitung nicht funktioniert hat. Deswegen tauchen so viele Fälle auf - Opfer die nie gehört wurden - so dass es so erscheint, als wäre das Ausmaß von Missbrauch in der Kirche so großer gewesen. Aber es ist sicher sinnvoll das jetzt zu thematisieren und zu schauen, dass in der Zukunft ein Pfarrer nicht anders behandelt wird als ein Onkel oder Sportwart der gleich handelt.


    Aber das kann natürlich auch in die andere Richtung umschlagen wo ein Pfarrer mehr als potentieller Täter gesehen wird als ein Trainer oder Familienangehöriger.


    Die Entchristlichung selber bedeutet ja, dass Menschen denen die christliche Kirche einst etwas war was sie mit Sympathie betrachteten, sie nun als fremd und seltsam wahrnehmen. Und genau diese Emotion der Entfremdung kondensiert sich an den Missbrauchsfällen. Während es vorher nur ein Gefühl ist, dass die Gebete der Kindheit nun fremd und seltsam tönen, geben einem die Skandale eine Begründung , warum das alles dubios ist. Während man dazu neigt, die gleichen Skandale beim Ballett, beim Theater oder im Profisport weiterhin als Misstände die behoben werden hinnimmt.


    An den Fällen von sexuellen Missbrauch entzündet sich eine Säkukarisuerungsfront die im Prinzip behauptet, dass Missbrauch deswegen auftritt, weil es da so starke Formen unhinterfragter Autorität gibt, die diesen erleichtern. Das ist sicher eine gute Hypothese, wo einiges dran ist. Es wäre interessant da zu erforschen, wie viel das ausmacht.

  • Man wirft Heuchelei vor und vergisst, dass man selbst ein Heuchler ist, weil man glaube etwas Heiligeres zu sein als der, den man als Heuchler bezeichnet.

    Menschen sind Menschen, vermindert Heuchelei.

    Entschuldigung für diesen Beitrag. _()_