Liebesbeziehung zu einem tibetischen Lama

  • (...) es geht um eine interkulturelle Partnerschaft mit potentiell problematischen Aspekten. Insbesondere, wenn die 'Liebesbeziehung' geheim gehalten und nicht offen gelebt wird / werden soll. Dann ist es in aller Regel nicht die einzige 'Liebesbeziehung'. Fast immer ist das ein Feld schwerer interkultureller Missverständnisse - auf beiden Seiten.


    Zur Vermeidung solcher Missverständnisse ist es insbesondere für die 'Gefährtin' (oder die dazu Ausersehene) empfehlenswert, sich eingehend mit dem 'tibetischen' kulturellen Hintergrund solcher Liebesbeziehungen zu beschäftigen. Am besten, bevor man sie eingeht, so dass man auch weiss, auf was man sich da einlässt. Das Beste, was es da mE derzeit in deutscher Sprache gibt, ist diese auch für Laien gut lesbare Masterarbeit im Fach Religionswissenschaft:

    "Wenn Schwäne im Wasserlilienteich schwimmen" Sexueller Missbrauch im tibetischen Buddhismus

    Die Zeit für die Lektüre der ca. 150 Seiten ist eine sinnvolle Investition - auch, wenn (bzw. weil) sie für jemanden, der das Eingehen einer solchen Beziehung erwägt, vermutlich recht desillusionierend ist.

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Im Zen ist inzwischen bekannt, dass es eigentlich keine einzige Dharma-Linie im Westen mehr gibt, die völlig frei von sexuellem Missbrauch geblieben ist. Nach dieser Lektüre frage ich mich, ob das nicht genauso im Tibetanischen gilt.

  • Vielen Dank, Sudhana !


    Es passt hervorragend, dass ich als Geschenk erhaltene alte Hefte von "Buddhismus aktuell" zurzeit durchstudiere. Da finde ich doch gerade in Heft 1/2017, Seite 63, einen bestens dazu passenden Artikel von Dsongsar Jamyang Khyentse,

    schaut mal hier: Buddhismus Aktuell | UNGEKÜRZTE FASSUNG: Es ist höchste Zeit für eine radikale Veränderung der Erziehung unserer Tulkus (buddhismus-aktuell.de)

    Da bin ich sehr froh, dass man diesen Beitrag auch im Netz findet.


    Sehr, sehr spannend, wenn man das mit der von Dir hier eingestellten Masterarbeit vergleicht!

    Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest,
    sondern wolle, dass alles so geschieht, wie es geschieht,
    und es wird dir gut gehen.
    Epiktet

  • Und ich vergaß noch zu sagen:

    Das Buch von June Campbell habe ich mir damals gekauft, habe es erschüttert "verschlungen".


    Damals war ich noch Mitglied im Orden Arya Maitreya Mandala, gegr. von Lama Anagarika Govinda. Den Ordensgründer habe ich nicht mehr kennengelernt, da er bereits 1985 starb. Lama A. G. erlitt vor Aufregung einen Schlaganfall, als er von den Exzessen von - ich glaube, Chögyam Trungpa war es, bin mir aber nicht ganz sicher - hörte.

    Im Orden AMM wurde von Anfang an gelehrt, dass sexuell ausgelebtes Tantra eine Verirrung sei.

    Dieses "männlich-weiblich" sollte man ausschließlich in Form von inneren Schaubildern (Gottheiten, Mandalas) üben.


    Wir sprachen damals in der Gruppe über das Buch von June Campbell, und eines der Ordensmitglieder war tief betroffen und sie legte aber den Schwerpunkt darauf, dass sie gar nicht verstehen könne, warum June Campbell nachher zum Christentum zurückgekehrt war (diesen Punkt konnte ich in der 150seitigen Masterarbeit nicht vorfinden, doch das schien J. C. wichtig zu sein).

    Sie, also dieses AMM-Ordensmitglied, kommentierte dazu, dass J. C. bestimmt nicht tief genug in den Tibetischen Buddhismus eingedrungen sei, um verstehen zu können, dass das Christentum keine tiefere Sinnfindung beschreite als eben die Nächstenliebe, die zwar elementar sei, aber nicht den Weg der tiefenpsychologischen Mystik erschließe. Es schien so, als ob dieses Ordensmitglied die Rückkehr Campbells zum Christentum, langfristig gesehen, als noch tragischer empfand als den Missbrauch durch Kalu Rinpoche, wenngleich es sie (das Ordensmitglied) auch äußerst erschütterte.

    Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest,
    sondern wolle, dass alles so geschieht, wie es geschieht,
    und es wird dir gut gehen.
    Epiktet

  • Die Zeit für die Lektüre der ca. 150 Seiten ist eine sinnvolle Investition - auch, wenn (bzw. weil) sie für jemanden, der das Eingehen einer solchen Beziehung erwägt, vermutlich recht desillusionierend ist.

    Vielen Dank dafür! In Bezug auf den tibetischen Buddhismus bin ich kompletter Laie, aber die Arbeit gibt mir doch einen interessanten Einblick in die Wechselwirkung tibetischer und westlicher Kultur, mit teilweise katastrophalen und sicher unerwarteten Folgen.


    Liebe Grüße,

    Aravind.

  • Die Zeit für die Lektüre der ca. 150 Seiten ist eine sinnvolle Investition - auch, wenn (bzw. weil) sie für jemanden, der das Eingehen einer solchen Beziehung erwägt, vermutlich recht desillusionierend ist.

    Vielen Dank dafür! In Bezug auf den tibetischen Buddhismus bin ich kompletter Laie, aber die Arbeit gibt mir doch einen interessanten Einblick in die Wechselwirkung tibetischer und westlicher Kultur, mit teilweise katastrophalen und sicher unerwarteten Folgen.


    Liebe Grüße,

    Aravind.

    Das ist einer der Gründe warum ich zufrieden bin das diese Gruppe von Buddhisten hier nicht mehr mit teilweise katastrophalen und sicher unerwarteten Folgen das Forum aufmischen.

    Es gibt nämlich nicht nur körperlichen Mißbrauch.

  • Das war damals, in den Neunziger Jahren.

    Wenn ich das so vergleiche mit heutzutage, da finde ich es erschütternd, dass man damals nicht annähernd eine Vorstellung davon hatte, wie schlimm es um die Gruppen des Tibetischen Buddhismus steht in Sachen sexueller Ausschweifung und dergleichen - und damit einhergehend, dem Vertuschungs- und Verharmlosungsverhalten.

    Die Orgien des Chögyam Trungpa waren tatsächlich nur die Spitze des Eisbergs!

    Das ist heute alles viel besser aufgedeckt.


    Anders kann ich es mir jedenfalls nicht erklären, warum das genannte AMM-Ordensmitglied damals so ein Gewicht darauf legte, dass sie die Rückkehr von JC zum Christentum gar nicht nachvollziehen könne, während sie die Erfahrungen von JC mit Kalu Rinpoche eher als tragischen Einzelfall deutete.

    Ich möchte erneut hervorheben, dass im AMM sogenanntes sexuelles Tantra verpönt war.

    Obwohl ich es schon beschrieben habe, aber das wird meistens schnell überlesen.


    Ich selbst finde inzwischen die Rückkehr Einzelner (aus Frusterlebnissen im buddhistischen Bereich) zum Christentum gar nicht mehr so relevant. Zwar kann ich das selbst nicht nachvollziehen, indem ich denke, dann kann ja nur jemand wie JC nicht tief genug in den Buddhismus eingedrungen sein, aber es gibt ja auch viele scheinbare Buddhisten, die in Wirklichkeit da nicht tief genug eingedrungen sind, ohne es zu merken, so lange sie sich in der jeweiligen Gruppe wohlfühlen.

    Da relativiert sich dann alles wieder.


    Es passt hervorragend, dass ich als Geschenk erhaltene alte Hefte von "Buddhismus aktuell" zurzeit durchstudiere. Da finde ich doch gerade in Heft 1/2017, Seite 63, einen bestens dazu passenden Artikel von Dsongsar Jamyang Khyentse,

    schaut mal hier: Buddhismus Aktuell | UNGEKÜRZTE FASSUNG: Es ist höchste Zeit für eine radikale Veränderung der Erziehung unserer Tulkus (buddhismus-aktuell.de)

    Da bin ich sehr froh, dass man diesen Beitrag auch im Netz findet.

    Damit es nicht in Vergessenheit gerät:

    Bitte vergleicht Sudhanas Link noch einmal hiermit.

    Es besteht hier ein unmittelbarer Zusammenhang dazu.

    Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest,
    sondern wolle, dass alles so geschieht, wie es geschieht,
    und es wird dir gut gehen.
    Epiktet

  • Zitat daraus:

    Zitat

    Über eine rein akademische Ausbildung hinaus müssen unsere jungen Tulkus lernen, wie man abwartet, bis man an der Reihe ist, wie man teilt, was geteilt werden sollte, und andere grundlegende Elemente menschlichen Anstands und sozialer Verpflichtungen. Wenn sie bedient werden und alles geschenkt bekommen, werden viele dieser Tulkus nicht einmal das einfache menschliche Wissen des Teilens lernen und am Ende unfähig sein, in dieser Welt zu leben. Sie brauchen nicht nur eine Ausbildung zu Führungspersönlichkeiten, sondern einen Grundkurs in menschlichen Beziehungen.

    Lehrer und Erzieher müssen wissen, dass sich einige dieser jungen Tulkus aus Frustration sogar Verbrennungen zugefügt oder sich mit Rasierklingen geschnitten haben – genauso wie es andere verstörte Teenager tun. Solch ein Verhalten bringt uns zum Bewusstsein, welch gefährliche Zeit und welch unsichere und heikle Generation dies ist.


    Zitat daraus:

    Zitat

    Ich stelle mir oft vor, wie einige dieser hochgestellten Lamas davon träumen müssen, allein herumzulaufen, ihr Gepäck selbst zu tragen, einen Tee in einer Teestube zu trinken oder in einer Rikscha zu fahren. Es ist ihr eifriges Gefolge, das ihnen dies verwehrt; denn vonseiten unserer traditionellen Gesellschaftssysteme besteht ein starker Druck, dass diese Lamas sich auf bestimmte Weise benehmen müssen, und ihre Anhänger sie mit Gefolge, Dienern, Brokaten und allen Arten von traditionellen und modernen Statussymbolen umgeben müssen.

    Es gibt sogar eine tibetische Redensart (mit der ich als Kind und Jugendlicher getadelt wurde), dass Lamas wie eine goldene Statue sein sollten – was bedeutet, dass wir ganz still sitzen, nicht nach rechts oder links schauen und uns mehr wie ein wertvoller Gegenstand benehmen sollten denn als ein menschliches Wesen. Es gibt eine andere Redensart, dass ein Schneelöwe als Schneelöwe in den hohen Bergen bleiben solle, denn wenn er nach unten ins Tal komme, werde man ihn für einen Hund halten. Diese beiden Redensarten offenbaren, wie Lamas davon abgehalten werden, sich unter das „gemeine Volk“ zu mischen, aber ebenso, wie veraltet unsere traditionelle Pädagogik für die Erziehung von Lamas für eine moderne Gesellschaft ist.



    Teil-Zitat aus dem Fazit des Artikels:

    Zitat

    Es ist kein Wunder, dass Tulkus, wenn sie etwa 20 Jahre alt werden, häufig sehr sonderbar geworden sind, nichts über die Welt wissen und ihnen ihre Klöster, ihr Personal und nahe Verwandte jeden Moment ihres Lebens diktieren. Noch größer ist das Problem, wenn diese Umgebung selbst korrupt und der Vetternwirtschaft ergeben ist, wie es allzu oft der Fall ist.

    Als Folge dessen kann die Szene, die Neulinge im tibetischen Buddhismus vorfinden, enorm verwirrend sein: mit angeblich allwissenden Lamas, die nicht einmal ihr nächstes Gefolge kontrollieren können. Tibeter werden solch himmelschreiend seltsames Verhalten entschuldigen, indem sie sagen, dass es nicht die Schuld des Lamas sei – der Lama ist immer erhaben –, sondern sein Gefolge oder seine Vertrauten das Problem seien.

    Doch irgendwie macht das die nüchterne Tatsache auch nicht besser, dass unsere Tulkus selten wahre Praktizierende des Dharma sind, gestört und ohne Bezug zu ihrem eigenen Leben und schon gar nicht in der Lage, wahre Führerschaft gegenüber Schülern und Anhängern zu übernehmen. Ich kann nur beten, dass ihr merkwürdiges Verhalten irgendeinen unsichtbaren Nutzen hat, der von gewöhnlichen Lebewesen wie mir nicht erfasst werden kann.

    Ich frage mich gerade, welchen Nutzen das überhaupt haben könnte.


    Und dabei stelle ich mir die gewöhnlichen Lamas vor, die ich bereits kennengelernt habe und über welche zum Teil wahre Berichte existieren über sexuellen Missbrauch (von Sangha-Mitgliedern).

    Hier ist ja nun von der Fragwürdigkeit der Erziehung junger Tulkus die Rede, und der Verfasser, Dsongsar Khyentse Rinpoche, ist selbst einer und weiß, wovon er spricht.

    Wenn ich nun beides zusammenbringe, so geht mir durch den Kopf, dass das Gefolge dieser Tulkus (und wenn sie zu Besuch in eines ihrer Zentren kommen, zählen die jeweiligen Resident-Lamas dort ja auch zum Gefolge) In Versuchung kommen, wenigstens ein bisschen von dem goldenen Glanz dieser Tulkus zu erheischen.

    Es ist wie das Ausgießen eines leckeren süßlichen Getränks auf eine breite Fläche - am Ende bleibt dann ein unappetitlicher klebriger Fleck übrig,

    Die breite Fläche steht hier in meiner Visualisation für die gewöhnlichen Sangha-Mitglieder. Die kriegen es nämlich letztendlich dann ab, aber keiner der Insider fragt nachher nach dem Schaden. Der klebrige Fleck wird so schnell wie möglich wieder weggeputzt, indem sich alle gegenseitig was vorheucheln und vertuschen.


    Also, nochmal kurz: die gewöhnlichen Lamas wollen auch gern etwas von dem "Glanz" ihrer verzogenen Tulkus abbekommen und benehmen sich den Sangha-Mitgliedern gegenüber so ähnlich (wie der Tulku ihnen gegenüber). Das versetzt sie in die Illusion, dass sie selbst bereits kurz vor der Erleuchtung stehen (überspitzt gesagt), und dann sind dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet.


    Das Eingangsthema hatte ja eine andere Färbung als die, welche ich hier einbringe. Aber ich muss das hier unbedingt tun, denn ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass ein Lama, mit dem Hintergrund eines solchen Umfelds, und mit welcher Person auch immer, auf Dauer eine normale Liebesbeziehung eingehen kann.


    In diesem Sinne finde ich es enorm wichtig und auf bestimmte Weise erhellend, die 150 Seiten lange Masterarbeit, eingangs eingestellt von Sudhana , wenn man sie gründlich gelesen hat, zu vergleichen mit dem von mir eingestellten Artikel des Autors Dsongsar Khyentse Rinpoche.

    Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest,
    sondern wolle, dass alles so geschieht, wie es geschieht,
    und es wird dir gut gehen.
    Epiktet