Wissen Tiere um Tod?

  • Zu den Grundgedanken der Lehre gehört, daß auch Tiere Leiden erleben.

    In vielen Erklärungen der Idee Leiden wird auch der Tod erwähnt


    Zitat

    Das Leben im Daseinskreislauf ist leidvoll: Geburt ist Leiden, Altern ist Leiden, Krankheit ist Leiden, Tod ist Leiden; Kummer, Lamentieren, Schmerz und Verzweiflung sind Leiden. Gesellschaft mit dem Ungeliebten ist Leiden, das Gewünschte nicht zu bekommen ist Leiden. Kurz, die fünf Anhaftungen sind Leiden.


    Tod ist Leiden - ich denke, damit ist nicht allein der Sterbeprozess gemeint, der von 2 Sekunden in einem Krieg bis zu Monaten bei einer schweren Erkrankung dauern kann, sondern auch das Leiden um das Wissen über die eigene Sterblichkeit. Es soll Menschen geben, die sich aus Angst vor dem Tod das Leben nehmen...


    Meine Frage - wissen Tiere um Tod, ihre Sterblichkeit? Ich habe nie ein Haustier besessen und keinen Kontakt zu 'Nutz'tieren.


    Mir geht es weniger um die Frage, ob Tiere intensiv die Veränderung in ihren letzten Wochen oder Tagen erleben und darauf reagieren, sondern darum, ob völlig gesunde Tiere in der Mitte des Lebens eine Vorstellung davon haben. Ich habe Videos gesehen, wo etwa Elefanten sich von gestorbenen Gruppenmitgliedern verabschiedet haben und verhindert haben, daß Hyänen sich über die Toten hermachen. Gibt es hier einen Übertrag von - das ist übel, was Tante Irma passiert ist, zu irgendwann geschieht das Gleiche mit mir.


    Ich denke, es wird sich hier um eine stark komplexitätsabhängige Frage handelt. Es müssen wahrscheinlich genügend neuronale Verbindungen vorliegen, um solche Gedanken möglich zu machen. Daraus eine Zusatzfrage - wird irgendwann der Grad an Komplexität so hoch werden, daß auch technische Systeme Vorstellungen ihrer Endlichkeit entwickeln könnten?

  • Da war mal ein sehr interessanter Artikel in 'Buddhismus Aktuell'. Ich glaube, es war die 4/2022 er Ausgabe. Da berichteten Tierärztinnen und Tiersterbebegleiterinnen von ihren Erfahrungen. Ihre Beobachtungen deuten darauf hin, dass, zumindest Hunde und Katzen, keinen Begriff von ihrer Endlichkeit haben. Wenn sie im Sterben liegen, scheinen sie sich matt, schlapp, krank und so zu fühlen. Und wenn sie die Möglichkeit haben, schlafen sie am Ende friedlich ein, ohne Angst. So jedenfalls die die Meinung der Beobachterinnen.


    Zur Zusatzfrage, da denke ich, dass das schon irgendwann mal möglich sein kann. Meiner Meinung nach ist es zunächst einmal dazu erforderlich, dass solche technischen Systeme eigenes Bewusstsein entwickelt haben. Und, weiterhin denke ich, dass sie dann trotzdem keine Angst vor ihrem Ende haben werden, da ja Angst, im Speziellen Existenzangst, Gefühlssache ist.

    "Setz dich, Freund und trink einen Tee."

  • Ich denke Haustiere sind immer ein bissl Projektionsfläche :)

  • Warum sollten sie auch Angst haben, wenn sie sich nicht bedroht fühlen. Sie fürchten ja - so vermute ich - auch nicht irgendwelche schrecklichen Auswirkungen ihrer Taten oder hoffen auf ein Paradies. Sie wollen einfach Ruhe und geben den Überlebenskampf auf.


    Alte Völker haben sich genauso einfach ihrem körperlichen Gefühl nachgebend abgesondert und zum Sterben hingelegt.


    Genauso ist mein Mann gestorben. Einfach so, morgens nicht aufgestanden und friedlich eingeschlafen. Er war offenbar einverstanden und hat sich nicht gefürchtet, wollte auf keinen Fall die Hausärztin und nicht ins KH.

    Ich habe das bis heute nicht begriffen und es hat mich zutiefst erschüttert, weil ich so hilflos nicht kapierte, was da vor sich ging. Mit seinem Tod habe ich überhaupt nicht gerechnet.


    Aber es erinnert mich an Haustiere, die einfach friedlich sterben dürfen.


    Andererseits habe ich bei einem Schlachter eine schlachtreife Kuh in einem Käfig gesehen, die offenbar genau fühlte, dass sie sterben muss. Sie war sehr gestresst und panisch. Vielleicht hat sie gerochen, was da vor sich ging. Und es wird ihr Gewalt angetan.


    Für mich ist ziemlich klar, dass alle Lebewesen fühlen, was vor sich geht, auch wenn wir das nicht benennen können. Der Geist ist eher hinderlich und meint, entscheiden zu müssen.

    Auch wenn ich den Tod meines Mannes nicht verhindern konnte, vielleicht sollte ich ihn gar nicht verhindern. Es verlief alles so wie im Traum und in Zeitlupe.


    Ich habe inzwischen große Ehrfurcht davor, was ich alles nicht weiß - wissen kann / was wir alles nicht wissen können. Deshalb wird uns auch das Handeln und Wissen der Tiere und Pflanzen verborgen bleiben.

    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Deshalb wird uns auch das Handeln und Wissen der Tiere und Pflanzen verborgen bleiben.

    _()_

    Glaub ich auch :) Dennoch findet man heutzutage spannende Dinge über Tiere raus...zb dass Hunde abstrakt denken können oder aus Freude sozusagen weinen (irgendwelche Bindungshormone in den Tränen)


    Ansonsten glaub ich sind sie eher Meister des hier und jetztes.

  • irgendwo ich hatte gelesen, die Katzen spüren es sehr klar, dann die suchen die Weite, also die Einsamkeit( Abgeschiedeneheit), um ruhig zu sterben. Ich frage meine Katze. :)

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Igor07

    Das ist vielleicht weil Katzen keine Rudeltiere sind :)


    Katzen sind leider sowieso sehr speziell :)


    Las unlängst einen Artikel von einer Tierkommunikatorin welche vermisste Tiere aufspürt.

    Sie meinte dass sie es aufgegeben hat Katzen zu suchen, weil sie das Gefühl hat dass Katzen meist selber nicht so genau wissen wo sie sind. Weltenwanderer halt.


    Lieber Gruss!

  • Hallo, lieber fotost , vielen Dank für dieses, mich auch sehr bewegende, Thema! _()_

    Meine Frage - wissen Tiere um Tod, ihre Sterblichkeit?

    Meines Erachtens - nein, sie leben im Hier und Jetzt, allerdings mit dem Erfahrungsschatz aus ihrem bisherigen Dasein (und dem ihrer Vorfahren/"Instinkt").


    Im Laufe meines Lebens lebten 34 (Haus-) Tiere bei mir- vom Goldhamster über Meerschweinchen, Zwergkaninchen, Zebrafinken, bis zu Hunden - , 21 davon durfte ich auch beim Sterben begleiten....

    Leider musste ein Meerschweinchen, das ich (als Kind) unwissenderweise als Einzeltier gehalten hatte (es war auf mich geprägt, anhänglich wie ein Hund!), wohl unnötig leiden, als es im Sterben lag, weil ich dachte, es würde sich wohlfühlen, wenn es in meinem Arm "ginge". Ich saß also stundenlang mit dem armen Schweinchen auf dem Schoß fast unbeweglich da und wartete auf das unvermeidliche Ende. Meinen Eltern wurde das schließlich zuviel, sie ermahnten mich, wenigstens kurz mal eine "Pause" zu machen und etwas zu trinken/essen. Vorsichtig hob ich "Fussi" zurück in seinen Käfig und kehrte nach max. 5 Minuten zurück, um fassungslos festzustellen, dass er die "Gelegenheit genutzt" hatte, um in Ruhe zu sterben (so meine heutige Interpretation, damals dachte ich, er sei gestorben, weil ich ihn "im Stich gelassen" hatte... :cry:)....

    Mir geht es weniger um die Frage, ob Tiere intensiv die Veränderung in ihren letzten Wochen oder Tagen erleben und darauf reagieren, sondern darum, ob völlig gesunde Tiere in der Mitte des Lebens eine Vorstellung davon haben.

    "Eine Vorstellung davon haben" - glaube ich nicht ( wobei man es ja nicht sicher wissen kann....). Elefanten, Menschenaffen und anderen Tieren, bei denen man mittlerweile ein "Ich-Bewusstsein" nachweisen konnte, würde man ev. zutrauen, dass sie zumindest eine Art "Ahnung" haben, wenn sie z.B. schon miterleben konnten, wie Artgenossen starben.

    Aber selbst wir Menschen können uns den Tod oft nicht wirklich vorstellen, begreifen kaum, was er bedeutet...(Siehe auch im Palikanon: https://www.palikanon.com/majjhima/zumwinkel/m087z.html )

    Gibt es hier einen Übertrag von - das ist übel, was Tante Irma passiert ist, zu irgendwann geschieht das Gleiche mit mir.

    Diesbezüglich denke ich wie roWf , da projizieren wir wohl etwas in Tiere hinein...


    Allerdings nehme ich an , dass Tiere so etwas wie "Todesfurcht" empfinden, auch, wenn sie keine Vorstellung vom Tod als dem "Ende ihres Lebens" haben - aber nicht a priori, sondern, wenn sie sich in akuter Lebensgefahr befinden.

    Instinkt (= ererbtes Erfahrungswissen, welches unbewusst ist) und Lernvorgänge bringen Furcht/Angst hervor, da sie evolutionär Sinn macht (Feindvermeidungsverhalten,..).

    "Fähigkeit ruhiger Erwägung - Anfang aller Weisheit, Quell aller Güte."

    (Marie von Ebner-Eschenbach)


    "...In der Aufhebung des Begehrens (tanha) besteht die Aufhebung des Leidens.

    Dieser edle achtfache Pfad aber ist der zur Aufhebung des Leidens führende Weg..."

    (AN.VI.63)

  • Vorsichtig hob ich "Fussi" zurück in seinen Käfig und kehrte nach max. 5 Minuten zurück, um fassungslos festzustellen, dass er die "Gelegenheit genutzt" hatte, um in Ruhe zu sterben

    Hab ich bei Menschen auch schon so erlebt...Angehörige sassen tagelang beim Opa am Bett und vergossen die Tränen und als sie kurz Kaffee trinken gingen machte er sich schnell aus dem Staub :)


    Rip Fussi :)

  • Las unlängst einen Artikel von einer Tierkommunikatorin welche vermisste Tiere aufspürt.

    Sie meinte dass sie es aufgegeben hat Katzen zu suchen, weil sie das Gefühl hat dass Katzen meist selber nicht so genau wissen wo sie sind. Weltenwanderer halt.


    Lieber Gruss!

    Super! Die Katzen machen , was sie selbst wollen, die Frage dann wäre, wissen sie selbst, was sie wollen? Nicht umsonst man hatte sie im alten Ägypten zusammen mit den Pharaonen mumifiziert.

    Schaue mal, ( danke zuerst):



    Quote

    Ob in Zeichnungen und Reliefs oder als Hieroglyphen: die alten Ägypter hatten ein spezielles Verhältnis zu Tieren und stellten sie oft dar. Nekbet und Wadjet z.B. waren Zwillingssgöttinnen. Nekbet erschien in Geiergestalt und Wadjet trat in Form der Kobra auf. Der Pharao trug der beiden Göttinnen auf der Stirn - zum Schutz. Die Göttin Bastet erschien in Form einer Katze.


    Die heiligen Tiere der Pharaonen
    Ob in Zeichnungen und Reliefs oder als Hieroglyphen: die alten Ägypter hatten ein spezielles Verhältnis zu Tieren.
    www.ndr.de

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • weil ich dachte, es würde sich wohlfühlen, wenn es in meinem Arm "ginge

    Eine ähnliche Erfahrung musste ich leider auch machen. Eine blinde seeehr alte Streunerkatze in der Sterbephase schnurrte immer lautstark wenn ich sie hochhob und herumtrug. Ich dachte durch das Schnurren drückte sie Wohlbefinden aus, in Wahrheit lernte ich später dass sie sich selber beruhigte in ihrer Panik :( und einfach in Ruhe gelassen werden wollte. Tut mir leid.


    Aaaber offropic, sorry fotost

  • ...Elefanten, Menschenaffen und anderen Tieren, bei denen man mittlerweile ein "Ich-Bewusstsein" nachweisen konnte, würde man ev. zutrauen, dass sie zumindest eine Art "Ahnung" haben, wenn sie z.B. schon miterleben konnten, wie Artgenossen starben.

    Diese Interpretationen, ob Tiere so etwas wie Ich-Bewusstsein haben gehen ja oft über Spiegel-Experimente. Da bekommen Tiere vorsichtig eine Markierung aufgeklebt, wo sie normal nicht hinsehen können und dann wird beobachtet, ob sie sich selbst im Spiegel erkennen und wie sie auf die Markierung reagieren.


    Das gibt ganz verblüffende Ergebnisse. Delphine etwa können in einem Alter, in dem kein Baby das schafft, verstehen, daß sie sich sehen und daß die Markierung nicht zu ihnen gehört und versuchen sie zu entfernen.


    Einige Menschenaffen schaffen dies nie, Gorillas, besonders männliche finden es wichtiger, den Rivalen im Spiegel anzugreifen und wenn das nichts bringt, den Spiegel zu zertrümmern. Krähen (meine Lieblingstiere) hingegen schaffen es meist sofort und nutzen danach die Chance, Stellen an ihrem Körper zu betrachten, die sie sonst nicht erreichen können, genau wie es Menschen tun würden, die zum ersten Mal einen Spiegel sehen.


    Danke für den Hinweis auf die Evolutionsforschung @Anna Panna-Sati , ich denke, es würde uns oft helfen zu akzeptieren, daß auch wir Menschen Teil der Natur sind und bestimmten Gesetzen unterliegen.


    Todesfurcht kann in einigen Situationen eine gute Reaktion sein, für uns Buddhisten sollte Mut zum Leben im Mittelpunkt stehen.

  • Daraus eine Zusatzfrage - wird irgendwann der Grad an Komplexität so hoch werden, daß auch technische Systeme Vorstellungen ihrer Endlichkeit entwickeln könnten?

    In deinem Bewusstsein könnten technische Geräte durchaus ein Bewusstsein entwickeln :)

  • Daraus eine Zusatzfrage - wird irgendwann der Grad an Komplexität so hoch werden, daß auch technische Systeme Vorstellungen ihrer Endlichkeit entwickeln könnten?

    In deinem Bewusstsein könnten technische Geräte durchaus ein Bewusstsein entwickeln :)

    Ok, als ich 50 Jahre Jünger war, habe ich massenweise SF Texte verschlungen :grinsen:


    Heute sehe ich so etwas nüchterner. Bewusstsein, mit der möglichen Konsequenz, irgendwann zu verstehen, daß alles Entstandene endlich ist, hat schon viel mit Komplexität - der Anzahl der schaltenden Elemente und der Menge ihrer Verknüpfungen zu tun.


    Daß es etwa Bienen schaffen, mit ihren Mikrogehirnen wieder zurück in ihren Bau zu finden, darf als Rätsel angesehen werden. Jeder normale Schreibtischcomputer hat hunderte Male mehr Rechenelemente.


    Du hast sicher gesehen, meine Frage ging viel weiter, ich rede nicht über PCs in Arbeitszimmern, sondern über Systeme wie etwa das gesamte Internet in 100 Jahren...

  • Da war mal ein sehr interessanter Artikel in 'Buddhismus Aktuell'. Ich glaube, es war die 4/2022 er Ausgabe. Da berichteten Tierärztinnen und Tiersterbebegleiterinnen von ihren Erfahrungen. Ihre Beobachtungen deuten darauf hin, dass, zumindest Hunde und Katzen, keinen Begriff von ihrer Endlichkeit haben. Wenn sie im Sterben liegen, scheinen sie sich matt, schlapp, krank und so zu fühlen. Und wenn sie die Möglichkeit haben, schlafen sie am Ende friedlich ein, ohne Angst. So jedenfalls die die Meinung der Beobachterinnen.


    Zur Zusatzfrage, da denke ich, dass das schon irgendwann mal möglich sein kann. Meiner Meinung nach ist es zunächst einmal dazu erforderlich, dass solche technischen Systeme eigenes Bewusstsein entwickelt haben. Und, weiterhin denke ich, dass sie dann trotzdem keine Angst vor ihrem Ende haben werden, da ja Angst, im Speziellen Existenzangst, Gefühlssache ist.

    Danke für den Hinweis auf den Artikel in Buddhismus aktuell, das scheint genau auf meine Frage zu passen und spiegelt das wider, was ich mir mit meinem Laienverstand so zurechtdenke...


    Danke auch für Dein Eingehen auf meine Zusatzfrage. Ich möchte aus buddhistischem Blickwinkeln entgegnen - wenn ein System (biologisch, technisch, natürlich oder was auch immer, so etwas wie Bewusstsein entwickelt, wie könnte das ohne 'Gefühlssachen' geschehen? Ist Bewusstsein nicht zwangsläufig mit Gefühl verbunden?

  • Du hast sicher gesehen, meine Frage ging viel weiter

    Verzeihung, ich meinte damit dass sich die Frage nach dem Bewusstsein von anderen Lebewesen oder eben technischen Geräten meiner Meinung nach nur in deinem eigenen Bewusstsein beantworten lässt, hab mich aber falsch ausgedrückt.


    Ob Tiere oder technische Systeme den Begriff Endlichkeit überhaupt kennen oder sich eher durch Fortpflanzung oder Reproduktion sozusagen ewig machen weiss ich nicht.


    Lieber Gruss!

  • Einige Menschenaffen schaffen dies nixe, Gorillas, besonders männliche finden es wichtiger, den Rivalen im Spiegel anzugreifen und wenn das nichts bringt, den Spiegel zu zertrümmern. Krähen (meine Lieblingstiere) hingegen schaffen es meist sofort und nutzen danach die Chance, Stellen an ihrem Körper zu betrachten, die sie sonst nicht erreichen können, genau wie es Menschen tun würden, die zum ersten Mal einen Spiegel sehen.

    Ja, Rabenvögel gehören zu den klügsten Lebewesen und verblüff(t)en Forscher immer wieder, weil sie trotz ihres, im Vergleich zu Säugetieren, andersartigen Gehirnaufbaus (u.a. kein Cortex) - in puncto Intelligenz - den Vergleich mit Primaten nicht zu scheuen brauchen....


    Tübinger Forscher weisen erstmals Bewusstseinsprozesse im Gehirn von Vögeln nach | Universität Tübingen


    Zu deinem Thema fand ich bei YouTube ein ziemlich grausiges Video, das eine Krähe zeigt, die versucht, eine Ratte auf die Straße zu zerren, ganz offensichtlich, um sie dort plattfahren zu lassen. Man weiß ja - ich selbst habe es schon beobachtet -, dass Krähen z. B. Walnüsse auf die Straße legen, um sie durch die PKW "öffnen" zu lassen.


    Die Frage ist jetzt: Plante die Krähe, die (wehrhafte!) Ratte töten zu lassen, um sie gefahrlos verspeisen zu können (dann würde sie ev. über eine rudimentäre Vorstellung vom Tod verfügen) oder behandelt sie sie nur einfach wie ein Walnuss?


    "Fähigkeit ruhiger Erwägung - Anfang aller Weisheit, Quell aller Güte."

    (Marie von Ebner-Eschenbach)


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    (AN.VI.63)

  • Spannende Frage. Ich denke dass das "gefahrlos verspeisen können" eher so eine Instinktsache ist um die Beute halt wehrlos zu machen.


    Hundewelpen zb. trainieren den Jagdvorgang in Sequenzen, beispielsweise erfolgt das üben von anpirschen, hetzen, zupacken und totschütteln nicht unbedingt in der logischen Reihenfolge. Oft wird der Hausschuh des Besitzers zuerst mal tüchtig totgeschüttelt um ihn danach abzulegen und eine Weile zu fixieren oder ihn zu beschleichen :)


    Wölfe töten ihre Beute nicht unbedingt schnell und gnädig, manchmal fressen sie sich durch die Eingeweide der lebenden Beute weil sie ein schneller Biss durch die Kehle des Tieres mit Hörnern und Zähnen konfrontieren würde.


    Ob wehrlos mit Tod gleichgesetzt werden kann ist die Frage.

  • ich selbst habe es schon beobachtet -, dass Krähen z. B. Walnüsse auf die Straße legen, um sie durch die PKW "öffnen" zu lassen.

    Wir haben hier in Hamburg in einigen Seen Miesmuscheln. Ich habe gesehen, daß Krähen, aber auch Möwen sich eine Muschel aus dem flachen Wasser holen und sie dann ganz gezielt aus 5-6 Metern Höhe auf größere Steine fallen zu lassen, damit die Schale zerspringt, damit sie an das Fleisch kommen,,,


    Zur Frage nach dem Töten der Ratte - meine Eingangsfrage würde hier bedeuten, ob aus dem 'die Ratte ist tot, ich kann sie leichter verspeisen' ein Übertrag stattfindet zu - irgendwann bin ich auch tot und wahrscheinlich wird mich irgendein anderes Tier verspeisen.


    Wenn wir diesen Schritt auslassen, müssen wir jedem Tier, das jagt und tötet ein Wissen um Tod unterstellen.

  • Die Idee, dass ein Tier über seinen Tod in der Zukunft nachdenkt hat ja mehrere Komponenten.

    1. Dass es wirklich versteht was Tod ist.
    2. Dass es das auf sich selber übertragen kann.
    3. Dass es über etwas weit in der Zukunft liegendes Nachdenken kann.

    Letztes gibt es am ehesten bei Elefanten. Bei diesem gibt es ja den Fall dass Wasserstellen austrocknen und wenn alle Wasserstellen in der Gegend austrocknen, dann erinnern sich alte Elefantinnen wann das auch so war können die Gruppe in mehrtägigen Wanderungen zu weit ( 50 km) entfernten Wasserlöchern führen. Und man kann sich natürlich vorstellen, dass sich so ein Elefant auch an Individuen und wie sie gestorben sind, an Gefahren usw erinnert. Ich kann mir vorstellen dass er sich Fragen wie "Komme ich mit diesem Jungelefanten durch diese Gefahrenstelle" konkret stellen und bedenken kann. Und auch für sich selber gefährliche Situationen vorstellen kann.


    Aber über den eigenen Tod sinieren wird er wohl nicht. Von daher kann ich mir das auch ein anderen Tieren schwer vorstellen.


    Im Bezug auf 1 und 2 reden wir über die "Bestürzung" die der Mensch über den Tod anderer empfindet. Diese kommt ja zum Teil aus der Diskrepanz, dass da jemand sichtlich nicht mehr lebt wir aber gleichzeitig ein inneres Bild von dem anderen - seinem Handeln, seiner Stimme - im Kopf haben.


    Krähen reagieren auf tote Artgenossen teilweise sehr verwirrt:


    Swift war mit dem Präparieren von toten Krähen in der Nähe von Seattle beschäftigt und dabei beobachtete die Ornithologin, wie lebende Krähen auf ihre toten Artgenossen reagieren. Die meisten Krähen stoßen warnende Alarmrufe aus. Eine logische Reaktion, so sollen andere Vögel vor möglichen Gefahren gewarnt werden. Andere versammeln sich um die Leiche und halten eine Art Begräbnis für den toten Artgenossen ab. 24 Prozent der Vögel werden ziemlich aufdringlich. Sie picken und zerren an der Leiche. Vier Prozent der Begegnungen enden in Nekrophilie, also einem sexuellen Akt mit dem toten Vogel und damit nicht genug. "In den dramatischsten Fällen näherte sich eine lebende Krähe der toten und während sie Alarm rief, kopulierte sie mit der Toten. Dann steigerte sich die sexuelle Raserei und sie riss den toten Körper in Fetzen", schreibt Swift auf ihrem Blog.

    Dies klingt natürlich erstmal total seltsam und bizarr. Aber das was daran aufällt ist, dass der Tod nicht als was Normales aufscheint, sondern als etwas ganz und gar Verwirrendes:

    ... Swift vermutet, dass es während der Brutzeit bei einer Minderheit der Krähen zu einem Kurzschluss im Verhalten kommt. Wenn diese Tiere eine tote Krähe sehen, erkennen sie Merkmale von Nahrung, einem Eindringling und einem Gefährten. Aber es kommt nicht zu einer angemessenen Reaktion auf einen der drei Stimuli, die Krähe reagiert auf alle drei Reize gleichzeitig. "Im Ergebnis kann sie all diese Informationen nicht richtig verarbeiten und nur auf alles zugleich reagieren", sagt die Wissenschaftlerin.

    Und diese Verwirrung angesichts des Todes gibt es ja auch bei Affen.


    Von daher halte ich es für sehr un wahrscheinlich, dass ein Tier einfach so über seinen zukünftigen Tod nachdenkt. Aber man kann sich etwas konstruieren was nahe davor ist. Also wenn ich als Elefant eine Wanderung plane auf der es ein tödliches Hindernis gibt ich mich aber daran erinnere dass ein Kollege bei so etwas ähnliches starb und mich an meine Bestürzung angesichts des Todes erinnere.


    Es muß also sehr viel konkret zusammenkommen um zu so einem Gedanken zu kommen. Und ein abstraktes Nachdenken kann ich mir bei vorsprachlichen Wesen nicht vorstellen.

  • Zur Frage nach dem Töten der Ratte - meine Eingangsfrage würde hier bedeuten, ob aus dem 'die Ratte ist tot, ich kann sie leichter verspeisen' ein Übertrag stattfindet zu - irgendwann bin ich auch tot und wahrscheinlich wird mich irgendein anderes Tier verspeisen.


    Wenn wir diesen Schritt auslassen, müssen wir jedem Tier, das jagt und tötet ein Wissen um Tod unterstellen.

    Ganz recht, aber genau das scheint nicht der Fall zu sein, sondern es geht nur darum, die Beute kampf- und fluchtunfähig zu machen, um sie ohne Verletzungsgefahr verzehren zu können.


    Oft genug werden Beutetiere ja lebendig gefressen, wie roWf in seinem Beitrag ausführt, es ist wohl sogar eher die Regel, als die Ausnahme.... :shock: :(


    Der Gedanke "Irgendwann bin ich (auch) tot." stellt sich - selbst bei uns Menschen - ja eher ein, wenn ein Mitmensch, also ein "Artgenosse" gestorben ist, weniger beim Anblick eines toten Tieres, das der Ernährung dienen soll (letzteres hätte sicher - zumindest heutzutage - appetitzügelnde Wirkung...).

    Im Gegenteil ist jeglicher Beuteerwerb ja ein (vorläufiger) Garant fürs Weiterleben....

    "Fähigkeit ruhiger Erwägung - Anfang aller Weisheit, Quell aller Güte."

    (Marie von Ebner-Eschenbach)


    "...In der Aufhebung des Begehrens (tanha) besteht die Aufhebung des Leidens.

    Dieser edle achtfache Pfad aber ist der zur Aufhebung des Leidens führende Weg..."

    (AN.VI.63)

  • Wenn wir diesen Schritt auslassen, müssen wir jedem Tier, das jagt und tötet ein Wissen um Tod unterstellen.

    Meine Katze hat mal eine Maus getötet - die ist da durch den Garten gesaust und es war ihr sichtlich ein großer Spaß. Und als dann die Maus tot da lag, hat sie sich gestupft und hätte es wohl mit Freude gesehen, wenn die Maus wieder lebendig geworden wäre und das Spiel weitergegangen wäre.


    Na meinem Empfinden hat sie weder Tod verstanden noch Töten und das auf sich zu übertragen, liegt weit außerhalb ihrer Möglichkeiten. Es war alles nur ein tolles Spiel.

  • Es war alles nur ein tolles Spiel.

    bzw hat sie ihre Jagdtechnik trainiert und verfeinert weil sie sonst verhungert wär in früheren Zeiten :)


    Wenn Beutegreifer nur jagen würden wenn sie Hunger haben gäb es sie wohl nicht mehr, Mutter Natur belohnt Jagdverhalten angeblich mit einer guten Portion Endorphin :)

  • Na meinem Empfinden hat sie weder Tod verstanden noch Töten und das auf sich zu übertragen, liegt weit außerhalb ihrer Möglichkeiten. Es war alles nur ein tolles Spiel.

    Ich kann mir auch gut vorstellen, daß die ganze Prozedur 'hardwaremäßig' programmiert ist und daß eine Katze keine Möglichkeit der Entscheidung besitzt.


    Nebenbei würde es auch zu Deinem Eindruck passen, daß die Katze sich vielleicht gefreut hätte, wenn das Jagdspiel weitergegangen wäre..


    Wahrscheinlich würde die degenerierteste Rassekatze, deren Vorfahren seit 20 Generationen in Penthauswohnungen gelebt haben und die einen Herzinfarkt bekommen würde, wenn sie eine echte Maus sieht, immer noch versuchen einen Schmetterling zu jagen, der sich in ihre Umgebung verirrt hat.

  • Oft genug werden Beutetiere ja lebendig gefressen, wie roWf in seinem Beitrag ausführt, es ist wohl sogar eher die Regel, als die Ausnahme..

    Yep. Das ist wohl für viele Nicht-Aasfresser eine Lebensversicherung gegen vergammeltes Fleisch.


    Liebe Grüße, Aravind.