Aufsatz: Die Übertragung außerhalb der Schriften

  • Eine Wahl treffen heißt also Leiden verursachen, das ist aber nicht zu vermeiden, jede Handlung erzeugt Leiden, auch wenn es sich unbemerkt auswirkt.

    Nein. Es gibt Handlungen, die helfen, das Leiden zu lindern und solche, die es verstärken. Um zu zwischen heilsamen und unheilsamen Handlungen zu unterscheiden, gehört Unterscheidungsvermögen. Das entsteht durch die Beschäftigung mit Unbeständigkeit und Ursache-Wirkung-Beziehungen.

    Ja, gibt es, diese Handlungen, doch das sind Handlungen des: Tun ohne tun wollen. Taten die keinen Dualismus voraussetzen, die durch die gegenseitige Abhängigkeit der Dhamma eben getan werden.

    • Offizieller Beitrag

    Ja, gibt es, diese Handlungen, doch das sind Handlungen des: Tun ohne tun wollen.

    Es ist in den allermeisten Fällen besser, einem anderen Menschen mit Geduld und Freundlichkeit zu begegnen als ihn mit groben Worten zu traktieren. Hier hast Du die Wahl zwischen dem einen und dem anderen, und das Tun ist im besten Falle ein gewolltes und bewusstes Tun. Das gilt für alle zehn unheilsamen Handlungen und deren Gegensätze. Wie ich oben schon geschrieben habe, Shunyata bedeutet nicht, dass es keine Unterscheidungen geben würde zwischen dem einen und dem anderen. Die Illusion beginnt, sobald jemand an "das Gute" oder "das Böse" zu glauben beginnt, um andere Menschen danach zu verurteilen.

  • Diese Beispiele sind keine Dualismen, auch wenn Formulierungen wie Leiden versus Leidlosigkeit usw. diesen Eindruck erwecken können. Derartige Formulierungen blenden tendenziell die gegenseitige Abhängigkeiten aus.


    Von Leiden kann man nur im Zusammenhang von Leidlosigkeit sprechen, so wie man von Gesundheit nur im Zusammenhang mit Krankheit sprechen kann und umgekehrt. Leiden und Leidlosigkeit kann man voneinander unterscheiden, aber deshalb sind sie noch keine Dualitäten. Das kann man auf die meisten anderen Beispiele übertragen


    Zu "Das Bedingte vs. das Nicht-Bedingte (Auch wenn die Vorstellung, dass es Bedingungen braucht, um das Nicht-Bedingte zu erlangen, zutiefst unlogisch ist)"


    Das Bedingte sind alle Phänomene die durch Ursachen und Umstände entstanden sind. Das Nicht-Bedingte ist nicht durch Ursachen, aber durch Bedingungen entstanden. Hier muss man sich klar machen, dass das abhängige Entstehen im Buddhadharma nicht gleichbedeutend ist mit Ursache-Wirkungs-Beziehung. Diese ist nur ein Aspekt des abhängigen Entstehens.


    Das Bedingte ist abhängig von

    • Ursachen und Umständen
    • seinen Teilen
    • begrifflicher Benennung

    Das Nicht-Bedingte ist auch vom Umständen abhängig: nämlich von seinen Teilen und von der Benennung.


    Das Bedingte und das Nicht-Bedingte sind also abhängige Phänomene und sie sind abhängig von Bedingungen, die nicht das Bedingte oder Nicht-Bedingte sind. Der entscheidende Unterschied zwischen beiden ist: Das Bedingte ist unbeständig und wandelt sich deshalb von Moment zu Moment, während das Nicht-Bedingte beständig ist und sich nicht von Moment zu Moment wandelt


    Und auch das Bedingte und das Nicht-Bedingte sind gegenseitig voneinander abhängig wie Leiden und Leidlosigkeit.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

    • Offizieller Beitrag

    Ich meine schon lange, dass das, was Erwachen ist, das Heilsziel also, in den verschiedenen bud. Traditionen völlig unterschiedlich - und inkompatibel - gesehen wird.

    Kannst du dies mal anhand von zwei oder drei buddhistische Traditionen näher erläutern was du damit meinst?

    Alle Traditionen sind sich darin einig, dass es darum gehe, Dukkha zu überwinden. Was aber Dukkha im Detail ist, da ist man sich überhaupt nicht einig.


    Verkürzt: Der Theravadin möchte so schnell wir möglich aus dem Wiedergeburtskreislauf treten. Samsara ist Dukkha. Der Zenni strebt eine nicht-dualistische Sichtweise der Wirklichkeit an. Dualismus ist Dukkha. Ein tib. Buddhist strebt danach, alle Wesen zu befreien und erscheint so lange wieder, bis dies gelungen ist . Das kann dauern, weshalb diese Sicht im Grunde dazu führt, dass man sich quasi auf ein ewiges Leben freut. Der Amitabha-Buddhist will ins reine Land (dem christlichen Himmel ähnlich). In den frühsten Schichten der klassichen Texte, scheint noch eine anderes Heilsziel auf, das zeitgemässe Deutungen wieder aufnehmen: das gelingende Leben im Hier und Jetzt.


    Man kann nun einwenden, dass dies lediglich eine phänomenologische Sichtweise auf das Thema darstelle. Philosophisch sei man sich über die Grenzen der Traditionen einig, was Dukkha ist und was die Befreiung von Dukkha bedeute. Das ist erstens nicht ganz so und zweitens: Zählt nicht die gelebte Religion mindestens so viel, wie die Theologie?

  • Das Bedingte ist abhängig von

    Ursachen und Umständen
    seinen Teilen
    begrifflicher Benennung

    Das Nicht-Bedingte ist auch vom Umständen abhängig: nämlich von seinen Teilen und von der Benennung.

    Das Nicht-Bedingte ist abhängig vom Glauben, denn es existiert schlicht und einfach nicht.

  • Das Bedingte ist abhängig von

    Ursachen und Umständen
    seinen Teilen
    begrifflicher Benennung

    Das Nicht-Bedingte ist auch vom Umständen abhängig: nämlich von seinen Teilen und von der Benennung.

    Das Nicht-Bedingte ist abhängig vom Glauben, denn es existiert schlicht und einfach nicht.

    Wenn es das Nicht-Bedingte, also die Phänomene, die nicht durch Ursachen, also nicht kausal, entstanden sind, nicht gibt, dann gibt es auch die Selbstlosigkeit der Person nicht. Da Buddha Sakyamuni aber diese gelehrt hat, hätte er nach deiner Argumentation etwas gelehrt, was nicht der Realität entspricht.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Das Bedingte ist abhängig von

    Ursachen und Umständen
    seinen Teilen
    begrifflicher Benennung

    Das Nicht-Bedingte ist auch vom Umständen abhängig: nämlich von seinen Teilen und von der Benennung.

    Das Nicht-Bedingte ist abhängig vom Glauben, denn es existiert schlicht und einfach nicht.

    Wenn es das Nicht-Bedingte, also die Phänomene, die nicht durch Ursachen, also nicht kausal, entstanden sind, nicht gibt, dann gibt es auch die Selbstlosigkeit der Person nicht. Da Buddha Sakyamuni aber diese gelehrt hat, hätte er nach deiner Argumentation etwas gelehrt, was nicht der Realität entspricht.

    Ich kann sehr gut nachvollziehen, was hier gemeint wurde. Wie kann ich das "Nicht-Bedingte" defineren?Wenn mich jemand aud die Fresse haut, dann ich kann als inhärentes Ding nichts den finden, der mich geschlagen hat, nicht den mich ("") als Das Opfer, nichts den Schlag selsbt, per se, als das "Eigenwesen". Alle drei Komponenete bedingen sich miteinader, und das ganze einfach passiert. Das wäre doch dasselbe wie mit dem "Gehen"-Beispiel von N.

    Buddha sprach eindeutig über das "Un-Bedingte". Aber nach dem Erwachen er hatte sich verhalten als der normale Mensch, und ohne dieses "Un-bedingte" mit den "be-ding-ten" Worten auszudrücken, wir hätten keinen Buddhismus.

    Wir leben schon immer im "Un-Bedingt-en", also immer im Jetzt. Und dieser Moment man kann auch nichts real finden, denn er entgleitet uns rein logisch.

    Aber ich wollte weiter über meine Fresse erzählen.

    Obwohl diese Drei "Dinge" man nichts finden kann, ich bekomme sowieso die blutige Nase .

    Mit dem Begriff "Unbedingte" und überhaupt das "Überwinden des Leides" ich verstehe andere Dimension. Denn wenn jemand mich mit dem Hammer erschlagen würde, ich als die konkrete Person würde nichts mehr existieren. Punkt.

    Unter dem Wort "Un-bedingt-e" ich verstehe nur die Überwinding von der Selbst-Identifikation mit dem Schmerz, Katnkheit oder den Tod selbst. Mehr aber nichts. Mir reicht das absolut aus.

    Dann der Schmerz und die "Gehirn-Erschütterung"..*lach* bleiben, aber das Leiden wäre die andere Ebene der Erkenntnis. Man kann Samsara nichts überwinden, rein buchstäblich. Wenn es sogar egal wo steht. Das Leben ist endlich, mit jedem Atemzug der Tod ist immer näher. Ich kann das nichts entgehen, niemals, tut mir leid...

    Das einzige , was in meiner Kraft steht, dass es wäre die Des-Identifikation ( auf der Geistigen Ebene) mit diesem "Körper -Geist-Organismus.".

    Alles andere wäre für mich der Selbst-Betrug und hatte nichts mit dem Buddhismus zu tun, aber eher mit dem Kult , der die Toten zum Leben erweckt.

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Ich weiß, ich bin ein One-Trick-Pony, aber mal wieder mein Senf aus praktischer Sicht:


    Alle Traditionen sind sich darin einig, dass es darum gehe, Dukkha zu überwinden. Was aber Dukkha im Detail ist, da ist man sich überhaupt nicht einig.

    Das erschient mir richtig. Aber wenn man praktiziert, dann erkennt man doch nach relativ kurzer Zeit, was für einen selbst Dukkha ist, wenn man offen genug für Hinschauen und Erfahrung ist. Und umgekehrt, was nicht. Um diese Geistesschulung kommt man doch überhaupt nicht herum, da sind die Schriften oder Lehren der jeweiligen Tradition nur ein Anhaltspunkt. Und es ist überhaupt nicht nötig, das sofort trennscharf entscheiden zu können. Das merkt man dann mit der Zeit schon, ob man auf dem richtigen Dampfer ist.


    Verkürzt: Der Theravadin möchte so schnell wir möglich aus dem Wiedergeburtskreislauf treten. Samsara ist Dukkha. Der Zenni strebt eine nicht-dualistische Sichtweise der Wirklichkeit an. Dualismus ist Dukkha.

    Auch diesen scheinbaren Widerspruch, der hier konstuiert wurde (nicht in Deinem Post, Hendrik), halte ich für, äh, konstruiert. Ich kann mir eine Theravadapraxis ohne Überwindung von Dualität überhaupt nicht vorstellen. Auch das passiert IMHO mit der Zeit von alleine. Auch Dukkha, Anhaftung, Gier, Hass und Verblendung sind Konzepte. Und natürlich lässt man die mit der Zeit hinter sich, so wie alle anderen Konzepte auch. Nicht, weil man meint, das tun zu müssen, um zu erwachen, sondern weil man sie einfach nicht mehr braucht.


    Wenn das Floß ausgedient hat, lässt man es selbstverständlich zurück. Und ich denke, man merkt das nicht einmal bewusst.


    Liebe Grüße,

    Aravind.

    • Offizieller Beitrag

    Mit diesen Einsichten bist du aber bereits weit weg von den Traditionen und asiatischem Buddhismus. Manchmal ist man säkularer, als man denkt. 😉

  • Mit diesen Einsichten bist du aber bereits weit weg von den Traditionen und asiatischem Buddhismus. Manchmal ist man säkularer, als man denkt. 😉

    Oder dein Eindruck der Traditionen und des asiatischen Buddhismus ist nicht so richtig ;)

    _()_

    • Offizieller Beitrag

    Mit diesen Einsichten bist du aber bereits weit weg von den Traditionen und asiatischem Buddhismus. Manchmal ist man säkularer, als man denkt. 😉

    Oder dein Eindruck der Traditionen und des asiatischen Buddhismus ist nicht so richtig ;)


    Frag mal demnächst die Thai, die Dich massiert, oder den Vietnamesen, dessen Restaurant Du besuchst. 🙂

  • Zitat

    Es wird aber klar, dass sie untrennbar sind, weil sie sich gegenseitig in jedem Augenblick, dynamisch und total bedingen.


    Diese Einschätzung von Thorsten, die später, wenn ich es richtig verstehe, von Helmut geteilt wird (der Bedingtes und Nicht-Bedingtes als voneinander abhängig bezeichnet), ist zwar für viele Teil der Überlieferung. Allerdings ist sie offensichtlich falsch, man sollte sie also als Glaubensinhalt erkennen, an dem man festhält. Insofern ist mit Nagarjuna kritischer umzugehen, dicht dran ist eben auch daneben. Seine Auffassung konnte sich im Westen auch deshalb halten, weil Philosophen wie Hume, Kant und Schopenhauer ähnlich dachten.


    Ich verlinke hier ein Video (Englisch), dass es über die Physik erklärt, statt Ursache und Wirkung ist auf der Mikroebene nur noch von "Mustern" die Rede, mit anderen Worten, es ist wissenschaftlich nicht so, dass wir permanent von gegenseitiger Bedingtheit sprechen können. Das erscheint uns nur auf der Makroebene so, wo wir Zeit (die Zeitachse) auf gewöhnliche Weise erfahren.


    Aus diesem Grund meine ich, kann man durch tiefere Versenkung/Erkenntnis, wo sich dann auch Zeit auflöst (die Verankerung in der Gegenwart vollzogen wird), das erfahren, was hier die Physik behauptet. Deshalb sehe ich mich auf einem Zen-Weg, weil ich die Erkenntnis nicht über das Glaubensdogma suche, sondern mittels Versenkung. Dort kann das erfahren werden. Davor, dass in der Versenkung buddhistische Dogmen widerlegt werden, sollte man keine Angst haben.


    Zudem gibt es in der Überlieferung der Tathagatagarbha-Sutren auch die Buddha-Natur, die eher einer causa sui gleicht, also einer Ursache aus sich selbst. Ich kann nicht sehen, dass sie (noch) von etwas abhängig wäre. Das heißt auch hier wieder ist es sogar innerhalb der Überlieferung möglich, auf einen Widerspruch der Texte hinzuweisen, bzw. auf einen Ausweg, der in der Übung womöglich bestätigt werden kann: Da findet sich etwas, das in keiner Abhängigkeit ist und nicht bedingt entsteht/entstanden ist. Aus diesem Grund wird die Idee jedoch auch von vielen Buddhisten abgelehnt, sie erinnert zu sehr an einen "Gott".

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

    Einmal editiert, zuletzt von Bebop ()

  • Mit diesen Einsichten bist du aber bereits weit weg von den Traditionen und asiatischem Buddhismus.

    Ich würde sagen, das hängt davon ab, ob man von asiatischen oder wo-auch-immer "Nur-Gläubigen" oder von praktizierenden Buddhisten spricht. Natürlich gibt es in Asien Buddhisten, die praktizieren. Und das sind nicht nur Mönche.


    Was Du mit "weit weg von den Traditionen" meinst, müsstest Du erläutern.


    Liebe Grüße,

    Aravind.

    PS Bebop : Hier entwickelt sich gerade eine Nebendiskussion. Wenn Dich das stört, sag bitte Bescheid!

  • Frag mal demnächst die Thai, die Dich massiert, oder den Vietnamesen, dessen Restaurant Du besuchst. 🙂

    Da frag ich lieber meinen Lehrer, der in einer burmesischen Linie ausgebildet wurde und lehrt... ;)

    • Offizieller Beitrag

    Allerdings ist sie offensichtlich falsch, man sollte sie also als Glaubensinhalt erkennen, an dem man festhält. Insofern ist mit Nagarjuna kritischer umzugehen, dicht dran ist eben auch daneben. Seine Auffassung konnte sich im Westen auch deshalb halten, weil Philosophen wie Hume, Kant und Schopenhauer ähnlich dachten.

    In der buddhistischen Heilslehre (!) geht es nicht um eine wissenschaftlich korrekte Darstellung der Welt, sondern um Strategien, das eigene und fremde Leid zu mindern. Das Material dafür ist die Erfahrungswirklichkeit aus der Ersten-Person-Perspektive. Nagarjuna macht auf Strukturen und Dinge aufmerksam, die diese Erfahrungswirklichkeit betreffen. Es geht um die Relation von Begriffen und erfahrener Realität – nicht als wissenschaftlicher Diskurs, sondern als Teil einer soteriologischen Strategie für Einzelne und Gesellschaften. Damit ist die buddhistische Philosophie viel mehr in der Psychologie als in der Physik angesiedelt. Und selbst diese psychologische Perspektive ist nicht objektiv im Sinne einer empirischen Wissenschaft, es ist eine subjektive Wissenschaft, die von der Erfahrung des Einzelnen mit der Wirklichkeit und anderen Wesen ausgeht.


    Die allermeiste Spekulation bezüglich der äußerlichen Beschaffenheit oder der Ursprünge der Welt wird in der buddhistischen Lehre als Zeitverschwendung gewertet, was das Sutra vom vergifteten Pfeil deutlich macht. Daher ist es nur Zeichen eines grundlegenden Missverstehens der buddhistischen Lehre und derer Ziele, wenn man versucht, den Wahrheitsgehalt von buddhistischen Schriften durch moderne Erkenntnisse aus der Naturwissenschaft zu widerlegen.


    Buddhisten wie der Dalai Lama weisen ausdrücklich darauf hin, dass man die Teile der Schriften, die sich durch naturwissenschaftliche Erkenntnis als falsch erwiesen haben, korrigieren oder aber zumindest als überkommene historische Sichtweise deklarieren und behandeln solle. Aber der mit Abstand größte Teil der Schriften befasst sich mit dem Verhältnis des Menschen zu Mitwesen und Umwelt aus der Ersten-Person-Perspektive. Das ist entscheidend. Diese Sicht sollte nicht mit Erkenntnissen aus der Dritten-Person-Perspektive verwechselt werden.


    In unserer Kultur wird die Erste-Person-Perspektive oft geringer geschätzt, weil sie keine "harten Fakten" hervorbringt. Wenn man sich jedoch vergegenwärtigt, dass der Zustand unserer Welt das Ergebnis von Milliarden Einzelentscheidungen ist, die allesamt aus der Ersten-Person-Perspektive getroffen werden, wird klar, wie notwendig geistige Schulung und Kompetenz gerade für diesen Bereich ist. Es geht um nicht weniger als um die Frage: Wie kann ich Glück und Frieden erlangen und Leid vermeiden? Das ist das Thema der Buddhistischen Lehre, nicht die subatomare Physik.

  • Mit diesen Einsichten bist du aber bereits weit weg von den Traditionen und asiatischem Buddhismus. Manchmal ist man säkularer, als man denkt. 😉

    Oder dein Eindruck der Traditionen und des asiatischen Buddhismus ist nicht so richtig ;)


    Frag mal demnächst die Thai, die Dich massiert, oder den Vietnamesen, dessen Restaurant Du besuchst. 🙂


    Ich würde da eher europäische Buddhologen oder Religionswissenschaftler fragen, die verschiedenen Buddhismen und die entsprechende Unterscheidungs und Identifikationsmanie kommt ja auch eher aus Europa.


    Dem Standardbuddhagutfinder der nach bestimmen Werten lebt ist das doch eher egal: Traditionen, buddh Richtung, säkular a, säkular b oder Chan oder so.

  • Buddha konnte ich viel besser verstehen, als ich mich meinem absolut einzeln sein bewusst wurde. Da war nur Raum und ich. Die "Welt" vor dem Urknall. Weiter nichts.

    Diese Erfahrung ertragen war schwer auszuhalten, doch nun ist es die Basis. Bessere Definitionen in der Signatur.

    Alles andere definiert den Raum, das geht, nur wenn Teile da sind. Raum oder Leere ist also nicht durch sich selbst definiert, sondern durch die Dinge, die in ihm sind, definieren, Raum. Leere ist wirklich leer und nur zu erkennen, wenn es Dinge gibt.

    Ich kann nur auf Leere schließen, wenn Dinge da sind. Und das ist physikalisch bewiesen. Das Leere nicht leer ist und geglaubt wird, dass Leere auch noch Leeres enthält, schafft Metaphysik.

    Das ist auch widersinnig. Denn die Teile enthalten auch nur sich selbst, da gibt es kein leer sein.

    Wo ein Teil ist, ist keine Leere. Teile sind in Leere, aber Leere nicht in den Teilen. Physikalische muss ich damit natürlich sehr klein werden, aber die Teile zu erkennen, die kleiner als das Plancksche Wirkungsquantum sind, kann keiner erkennen.


    Alle Teile sind in gegenseitiger Abhängigkeit, es kann also kein Alles ist Eins oder Eins ist alles geben, dann würde es weder gegenseitige Abhängigkeit noch bedingtes Bestehen von Objekten aus der gegenseitigen Abhängigkeit geben.


    Was hat das mit der Lehre des Buddha zu tun? Die drei Daseinsmerkmale, die Buddha erkannt hat.

    Was hat das mit Leiden zu tun? Der Glaube an ein Ich-sein versucht, die Daseinsmerkmale zu umgehen, mit allen möglichen Tricks und das schafft Leiden.

  • Zitat

    Es geht um nicht weniger als um die Frage: Wie kann ich Glück und Frieden erlangen und Leid vermeiden? Das ist das Thema der Buddhistischen Lehre, nicht die subatomare Physik.


    Ich mache ja beides. Wenn standardmäßig mit bedingtem Entstehen argumentiert wird (das kenne ich seit über zwanzig Jahren und halte genauso lange schon dagegen), kann man sich nicht damit rausreden, mit einer eher nicht mehr zeitgemäßen Vorstellung Philosophie zu betreiben. Der Philosoph - und auch der Psychologe - ist durchaus gezwungen, sich in anderen Wissenschaften umzuschauen, zumal er (der Philosoph) sowieso meist nicht allzu viel zu tun hat. Es kann bei diesen Themen - sowohl Fleischverzehr als auch "Übertragung" - nämlich einen ganz entscheidenen Unterschied machen, ob es eine Verwobenheit der Dinge und Kausalität gibt oder ob das ggf. anders aussieht. Dann nämlich kann es auch gut sein, dass die Fliegenklatsche sozusagen objektiv folgenlos bleibt, jenseits der physikalischen Zusammenhänge. Und es kann sein - und dass wurde im Zen oft berichtet - dass man sich z.B. keine Übertragung besorgen muss, indem man bei einem so genannten Meister lernt (sondern z.B. aus sich selbst drauf kommt). Diese Denke des "alles hängt zusammen" und "B setzt A voraus" schließt gerne bestimmte Vorstellungen aus, die eher auf Chaos, causa sui oder ähnlichem beruhen. Jedenfalls sollte sich jemand, wenn er den psychologischen Ansatz schon bevorzugt, fragen, wieso er für seine Identität an bestimmten Ideen festhalten will und wer da so hartnäckig festhält. Es müsste eigentlich zu erkennen sein, dass ein Problem wie das, Schweine vor dem Schlachten umarmen zu wollen oder irgendwie "ich und andere auszutauschen" im eigenen Kopf entsteht (genau wie jede Zuneigung: ich bin dafür verantwortlich, und ich kann davon auch loslassen, wenn ich es geübt habe), es existiert objektiv nicht (was sich daran zeigen lässt, dass andere es nicht mit einem gemein haben). Also warum denke ich so, wer oder was denkt so, das ist der rechte Ansatz der Übung, und nicht: Gut, dass ich so denke und nun Mitleid mit dem Tier habe. Das reicht m.E. bei weitem nicht.


    Aus meiner Perspektive habe ich ja sogar in erster Linie argumentiert ("Falsifizieren"). Da bleibt dann eine Wahrheit übrig, die von der Überwindung des Leidens. Schon beim aufgezeichneten Weg, also einem anderen Teil der "edlen" Wahrheiten, finde ich Fehler. Ich kann jedoch verifizieren, dass ich mit leidhaften Erfahrungen anders umgehen kann, wenn ich Loslassen beherrsche. Bei mir macht der Fleischverzicht und das Fliegenmorden nichts aus. Ich argumentiere hier zwar heftigst über meinen Gedankenapparat, aber der funktioniert nicht so, dass er über die einfachsten Handlungen im Alltag grübeln müsste. Eher ärgerlich, dass mir gestern vorm Schlafengehen eine Stichmücke entwischte, aber ich hab da was in der Steckdose, was sie vielleicht (und hoffentlich) abmurkst. Im Vordergrund steht also nicht: "Gut, dass ich nicht getötet habe", sondern: "Besser töten als Dengue-Fieber" etc. Besser Ameisen beseitigen als morsches Holz (hier gibt es welche, die sich ins Holz bohren, das abdichten, dann irgendwann mit Flügeln wieder schlupfen und wenn man nicht aufpasst, in den Buchrücken hängen und die Bücher sukzessive zerstören). So funktioniert das Tier auch, das an sein eigenes Überleben zuerst denkt. Dann kann man sich Fragen der Koexistenz stellen.


    Über das Loslassen letztlich der eigenen Kategorien funktioniert dann diese Koexistenz. Es gibt keinen Grund, andere zu behelligen, weil ich sie schlecht finde, sondern aus rein pragmatischen Gründen. Genau wie das Tier aus rein pragmatischen Gründen jagt und tötet. Die Frage wäre hier zynisch zugespitzt, wer hier eigentlich den wahren Austausch von sich und den Tieren vollzieht und sie (ihre Natur) versteht.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

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    Frag mal demnächst die Thai, die Dich massiert, oder den Vietnamesen, dessen Restaurant Du besuchst. 🙂

    Da frag ich lieber meinen Lehrer, der in einer burmesischen Linie ausgebildet wurde und lehrt... ;)


    Das, was im Westen als Buddhismus gelehrt wird, auch von Deinem burmesischen Lehrer, ist bereits eine modernisierte Fassung des Dharma, die im 19. Jahrhundert als Antwort auf die kolonialisierenden Christen geschaffen wurde. Also schon säkularisiert. Und es verändert sich weiter. Sich abzugrenzen: Das da ist nur dummer Volksbuddhismus und nicht das wahre Dharma der authentischen Linie XYZ ist problematisch.

  • Sich abzugrenzen: Das da ist nur dummer Volksbuddhismus und nicht das wahre Dharma der authentischen Linie XYZ ist problematisch.

    Diese Abgrenzung und die Adjektive "dumm" und "volks" entspringen rein Deiner Phantasie.


    Allerdings interessiert mich das, was Du hier Volksbuddhismus nennst, nicht, wenn er nicht Praxis beinhaltet. Interessiert nicht, im Sinne von "völlig gleichmütig". Ich habe keinerlei Bedürfnis, das zu bewerten.


    Ich würde auch keinen katholischen Bauern aus Franken nach seinem Verständnis der Bergpredigt fragen, außer, er hat da ein besonderes Interesse und entsprechende Kenntnisse.


    Liebe Grüße,

    Aravind.

    • Offizieller Beitrag


    Aber genau das ist doch die Arroganz. Es gibt mehr Katholiken im Sinne des Bauen aus Franken, als Theologen, die kompetente Auskunft über die Bergpredigt geben könnten. Ist der fränkische Bauer deshalb weniger Katholik oder weniger authentischer Christ? Wohl eher im Gegenteil. Das, was wir hier diskutieren, ist verkopfter westlich-säkularer Buddhismus, der bereits in einer säkularisierten Form in den Westen kam, egal ob Zen drauf steht oder Vajrayana. Weltweit sieht Buddhismus völlig anders aus, als wir meinen, was Buddhismus sei.


    "(...) Aber wenn man praktiziert, dann erkennt man doch nach relativ kurzer Zeit, was für einen selbst Dukkha ist, wenn man offen genug für Hinschauen und Erfahrung ist. Und umgekehrt, was nicht. Um diese Geistesschulung kommt man doch überhaupt nicht herum, da sind die Schriften oder Lehren der jeweiligen Tradition nur ein Anhaltspunkt. Und es ist überhaupt nicht nötig, das sofort trennscharf entscheiden zu können. Das merkt man dann mit der Zeit schon, ob man auf dem richtigen Dampfer ist." Auch das ist völlig falsch. Es ist die irrtümliche Annahme, dass Wahrheit irgendwie in der Praxis, in der Versenkung, in der Meditation zu finden sei aus der dann Dogma und Philosophie entstehen. Wenn das so wäre, gäbe es die verschiedenen bud. Traditionen nicht, ja vielleicht nicht einmal verschiedene Religionen.


    Viellmehr schafft die Religion den Rahmen, in dem die meditative Erfahrung gedeutet wird. Das Unaussprechliche nimmt innerhalb der Leitplanken der Religion und Kultur des Praktizierenden Gestalt an. Nicht umgekehrt. Das hätten manche Buddhisten nur gern. Nicht umsonst heißt die gleiche Erfahrung im Zen Kenshō in der christlichen Mystik Unio Mystica: Die Vereinigung des Menschen mit Gott.

  • Das, was wir hier diskutieren, ist verkopfter westlich-säkularer Buddhismus, der bereits in einer säkularisierten Form in den Westen kam, egal ob Zen drauf steht oder Vajrayana. Weltweit sieht Buddhismus völlig anders aus, als wir meinen, was Buddhismus sei.

    Das sind erst einmal unbelegte Behauptungen deinerseits. Oder willst du uns nur vermitteln, dass du ein hervorragender Kenner der Strömungen des weltweiten Buddhismus bist?


    "(...) Aber wenn man praktiziert, dann erkennt man doch nach relativ kurzer Zeit, was für einen selbst Dukkha ist, wenn man offen genug für Hinschauen und Erfahrung ist. Und umgekehrt, was nicht. Um diese Geistesschulung kommt man doch überhaupt nicht herum, da sind die Schriften oder Lehren der jeweiligen Tradition nur ein Anhaltspunkt. Und es ist überhaupt nicht nötig, das sofort trennscharf entscheiden zu können. Das merkt man dann mit der Zeit schon, ob man auf dem richtigen Dampfer ist."

    Wie wäre es mal mit einer Quellenangabe, damit man dieses Zitat inhaltlich einordnen kann?


    Es hat sich erledigt. Siehe Beitrag #50 und Beitrag #51.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

    Einmal editiert, zuletzt von Helmut ()

  • Ist der fränkische Bauer deshalb weniger Katholik oder weniger authentischer Christ?

    Das hab ich ja ausgeführt, und Du legst mir wieder eine Bewertung und Arroganz in den Mund, das nervt mich. Ich nehme eine solche Bewertung nicht vor, sie ist für mich völlig irrelevant.


    Mich interessiert ausschließlich: Sind Dinge nützlich für meinen Pfad. Mehr oder weniger buddhistisch, authentisch oder nicht-authentisch ist mir dabei völlig gleichmütig. Gerade bei dem Beispiel mit meinem bäuerlich Nachbarn habe ich das sogar explizit erläutert.

    Es ist die irrtümliche Annahme, dass Wahrheit irgendwie in der Praxis, in der Versenkung, in der Meditation zu finden sei aus der dann Dogma und Philosophie entstehen.

    Hab ich weder geschrieben noch gemeint.


    Ansonsten: Wo sollte denn sonst die Wahrheit liegen, wenn man den Pfad des Buddha geht, wenn nicht in der Praxis? Dort und nur dort kann man überprüfen, ob dieser Krams, den sich Buddha ausgedacht hat, und den andere aussortiert und aufgeschrieben haben, zu etwas taugt.


    Liebe Grüße,

    Aravind.