Religion aus materialistisch-wissenschaftlicher Perspektive

  • SteFo Ist das ungefähr: neo-pyrrhonische Skepsis?

    Bitte nicht. Ich will hier über nichts referieren. Ein jeder suche für sich selbst, was in ihm Resonanz erzeugt.

    Mit Pyrrhon hast du mir aber einen aufgezeigt der mir endlich ermöglicht Buddha oder auch Nagarjuna zu verstehen. Was die eigentliche Grundlage ihrer Lehre ist. Was sie erfahren haben und eben nicht erklären konnten.

    Des Weiteren enthalte ich mich einer weiteren Beurteilung, hat keinen Wert über Dogmen zu streiten.

    :like: :idea: _()_


    Hmm. Mir erscheinen wenigstens manche Worte Buddhas extrem erklärungsmächtig. Als wäre das eine Person im Gegensatz zu anderen gewesen, die noch besser, weitaus tiefergehender erkannt und demgemäß erklärt hat und auch erklären konnte.


    Nagarjuna beispielsweise konnte es nicht mehr so richtig rüberbringen/erklären. Der lebte ja noch in seiner eigenen Gedankenwelt - das ist eigentlich nicht so schwer feststellbar - dass es da schon immer mal wieder 'hapert' mit seinen erhaltenen und auch übersetzten Denkereien und den Worten dann dazu.

  • Ich kehre zum Eröffnungspost zurück und starte erneut, weil mir das zwischenzeitlich erschienene Brillengleichnis nun eine angemessene verbale Ausdrucksmöglichkeit ermöglicht.

    Für einen Neustart ist es erforderlich den Eröffnungspost analysierend zu kommentieren:

    [1. Zitat ]

    Vielleicht mal Zeit die wissenschaftliche Perspektive einzunehmen? Streng wissenschaftlich, d.h. natürlich materialistisch-wisssenschaftlich (sog, "Geisteswissenschaften" gelten dann nicht als Wissenschaft):

    Die Ankündigung lautet "streng wissenschaftliche, d.h. natürlich materialistisch-wisssenschaftlich[e]" Perspektive ("Brille"). Was dann folgt ist jedoch keine solche Perspektive. Selbst der letzten Satz ...


    [2. Zitat ]

    Dass dies alles natürlich wiederum selbst spekulatives [philosophisches] Denken ist und keineswegs bloß auf materiellen wissenschaftlichen Evidenzen beruht ist eben den besagten Kapazitäten des Gehirns geschuldet, die die Neigung haben, durch sich selbst irregeleitetet zu werden.

    ... , der alles zwischen dem einleitenden Satz (1. Zitat) und dem letzten Satz (2. Zitat) Geschriebene ungerechtfertigterweise als unwissenschaftlich (weil spekulativ philosophisch) outet, kann nicht ungeschehen machen, dass der Eröffnungspost ziemlich misslungen ist: eine Perspektive wird angekündigt, aber dann nicht (oder nur teilweise) eingenommen.


    Das aber, was zwischen dem einleitenden Satz (1. Zitat) und dem letzten Satz (2. Zitat) geschrieben steht, entspricht unterschiedlichen Perspektiven ("Brillen"): zunächst ...

    [3. Zitat]

    Im Laufe der Evolution hat das humane Gehirn außerordentliche Kapazitäten erworben, um dem entsprechenden Organismus immer effizienter das Überleben zu ermöglichen. Diese außerordentliche Kapazitäten haben jedoch den Neben-Effekt, dass das Gehirn Fragen konstruiert (weil es das kann), die vollkommen irrelevant sind für das Überleben und Antworten ersinnt (weil es das ebenso kann), die ebenso irrelevant sind. Religionen sind demnach ein Produkt der durch sich selbst irregeleiteten Kapazitäten des Gehirns.

    Alle mentale Phänomene sind eigentlich Illusionen, weil ...

    ... und ...


    [4. Zitat]

    ... Die illusionären mentalen Phänomene spielen jedoch eine Rolle bei der Selbstregulation des Gehirnes, können also in nützliche (wie zB das Selbst ohne das es keine intentionalen Impulse gibt), unnütze (wie zB spekulatives Denken) oder gar schädliche Illusionen (zB obsessive Vorstellungen) eingeteilt werden.

    Hierbei handelt es sich um den Ausdruck spontanen, wenn auch bedingten Denkens, welches der skeptischen Perspektive entspricht, wenn - und nur wenn - keinerlei Anspruch (claim) damit verbunden ist. Sollte zum Zeitpunkt des Niederschreibens ein Anspruch (claim) damit verbunden gewesen sein, so hätte es sich um einen naiv-realistische Perspektive ("Brille") gehandelt. Ich kann mich aber nicht daran erinnern wie mein Gehirn die ausgedrückten Gedanken "intern" präsentiert hatte. Die naiv-realistische "Brille" hatte ich beim Brillengleichnis fälschlicherweise gar nicht erwähnt, weil sie mir als eine "angeborene Brille" scbeinbar nicht erwähnenswert erschien: Gedanken erscheinen manchmal wie ein Abbild einer (gedachten) Realität.


    [5. Zitat]

    ... alles, was wirklich wissenschaftlich evident ist, Aktionspotentiale im Gehirn sind. Für Bewußtsein, Gefühle, Selbst, Glauben, etc. gibt es nicht die geringste wissenschaftliche Evidenz, weil wissenschaftliche Evidenz natürlich notwendigerweise ein bloß materielles Phänomen sein kann.

    Nur dieses Zitat beinhaltet die materialistisch-wissenschaftliche Perspketive ("Brille"), wobei der erste Satzabschnitt nicht ganz korrekt ist, denn, was wissenschaftlich evident ist, hängt von dem eingesetzten Meßverfahren ab: messe ich keine Potentiale sondern setze bildgebende Verfahren ein, die metabolische Aktivität darstellen, dann ist es eben die metabolische Aktivität die evident ist und nicht Aktionspotentiale.


    Das alles wirft die Frage auf:

    Kann Religion überhaupt aus der von mir in diesem Thread beschriebenen und beabsichtigten (aber selten eingenommenen) materialistisch-wissenschaftliche Perspektive betrachtet werden?

    Mir erscheint: Ja, aber nur dann, wenn die Betrachtung sich exklusiv auf die doktrinären Ausdruckformen (Schriften, Aufzeichnung von Predigten/Belehrungen) bezieht, welche das Gehirn zur Synthese von Begrifflichkeiten veranlasst, Begrifflichkeiten, die dann auf Sinneseindrücken beruhen, welche stofflicher Provenienz und also dem Gehirn via Sehen und/oder Hören zugänglich sind.

    Allein die Erforschung religiöser Doktrinen unter Zuhilfenahme entsprechender doktrinärer Hilfsmittel (traditionelle Kommentare und Wörterbücher) erfüllt den Anspruch "Religion aus materialistisch-wissenschaftlicher Perspektive". Es kann dabei keinesfalls um die Glaubwürdigkeit von doktrinären Aussagen gehen, sondern ausschließlich um die Begrifflichkeit, welche durch Sehen (von geschriebenen Wörtern und Sätzen) oder Hören (von gesprochenen Wörtern und Sätzen) hervorgerufen wird, wenn - und nur wenn - sich die entsprechende Begriffsbildung vorbehaltlos doktrinären Definitionen und Wortdeutungen der Religion unterwirft (d.h. jegliches Eigeninteresse beim Verständnis der religiösen Doktrin ist notwendigerweise ausgeschlossen). Gedanken, die sich vom Wort der Schriften, Kommentare, traditionellen Wörterbücher etc. entfernen und Begrifflichkeiten bilden, die eben nicht auf den Sinneseindrücken der religiösen Doktrin beruhen, können spekulativ philosophischer und dabei naiv-realistischer oder skeptischer Natur sein, weichen jedoch alle von der Doktrin ab und können nicht beanspruchen die Doktrin zu "interpretieren", weil die einzig zulässigen "Interpretationen" die traditionellen Kommentare sind.

    mankind ... must act and reason and believe; though they are not able, by their most diligent enquiry, to satisfy themselves concerning the foundation of these operations, or to remove the objections, which may be raised against them [Hume]

    Einmal editiert, zuletzt von SteFo ()

  • Natürlich ist es hilfreich die Entstehungsgeschichte dieses Threads zu berücksichtigen, weil das vielleicht auch erklären kann, wie es zu dem Tohuwabohu des Threadverlaufs bis (ausschließlich) Post #102 gekommen ist: der Thread wurde vom Moderator @Hendrik in meinem Namen unter dem Titel "Wissenschaftliche Evidenz von mentalen Phänomenen" eröffnet, weil er eine Konversation, die ich angestoßen hatte und die just die "Wissenschaftliche Evidenz von mentalen Phänomenen" zum Thema hatte aus dem Thread Religion herausnahm, wohl weil "Wissenschaftliche Evidenz von mentalen Phänomenen" bzgl. des Threads Religion in der Abteilung "Allgemeines zum Buddhismus" als off-topic erkannt wurde, da "Wissenschaftliche Evidenz von mentalen Phänomenen" korrekterweise als nicht zu "Allgemeines zum Buddhismus" gehörend kategorisiert werden muss. "Wissenschaftliche Evidenz von mentalen Phänomenen" im kontext (buddhistischer) Religion schien dagegen sehr gut in die Abteilung "Buddhismus und Wissenschaft im Dialog" zu passen. Von meiner Seite also kein Vorwurf an Moderator Hendrik, weil er so gehandelt hat wie er als Moderator handeln musste.


    Da mein Haupt-Anliegen im Thread Religion, welches mich zum Anstoß der entsprechenden Konversation veranlasste, jedoch nicht "Wissenschaftliche Evidenz von mentalen Phänomenen" gewesen war, sondern „Religion aus materialistisch-wissenschaftlicher Perspektive“ und "Wissenschaftliche Evidenz von mentalen Phänomenen" mir lediglich als Teilaspekt von „Religion aus materialistisch-wissenschaftlicher Perspektive“ erschien, erschien mir der der neue Threadtitel in dieser Abteilung "Buddhismus und Wissenschaft im Dialog" unpassend und ich habe ihn umbenannt nach „Religion aus materialistisch-wissenschaftlicher Perspektive“.

    Diese Umbenennung hat jedoch nichts mehr genutzt, denn "das Kind war bereits in den Brunnen gefallen" und "Wissenschaftliche Evidenz von mentalen Phänomenen" war bereits von anderen Usern zu deren Haupt-Anliegen erkoren worden, vielleicht weil es diskursiv sehr ergiebig erscheint und hier die meisten Reibungspunkte mit der buddhistischen Doktrin erkannt werden können, deren Verteidigung natürlich im Interesse von Buddhisten ist.



    Dies alles beiseiteschiebend habe ich mit Post #102 so getan als sei ich tatsächlich der Threaderöffner gewesen, einfach deshalb um nach dem Tohuwabohu des bisherigen Threadverlaufs den Versuch zu unternehmen, doch noch in die Spur meines Hauptanliegens „Religion aus materialistisch-wissenschaftlicher Perspektive“ zu kommen, doch noch "die Kurve zu kriegen".


    Mein Eröffnungsthread leidet nicht nur an einem perspektivischen Problem wie in Post #102 dargestellt, sondern er leidet auch an einem objektiven Problem wie sich aus dem letzten Abschnitt aus Post #102 (ab "Das alles wirft die Frage auf:") ergibt: die Betrachtung des Eröffnungsthreads bezieht sich nicht "exklusiv auf die doktrinären Ausdrucksformen", sondern sie bezieht sich überhaupt nicht "auf die doktrinären Ausdruckformen" (kein Wunder, wurde der Eröffnungsthread doch aus dem Kontext einer Konversation eines anderen Threads entnommen und soll nun zu dem geänderten Threadtitel passen). Stattdessen stellt der Eröffnungsthread spekulative Überlegungen an wie es wohl zu dem Phänomen "Religion" hat kommen können (3. und 4. Zitat in Post #102), verstößt gegen den Grundsatz "Es kann dabei keinesfalls um die Glaubwürdigkeit von doktrinären Aussagen gehen" ("Illusionen" und "illusionär" in 3. und 4. Zitat in Post #102), drückt jedoch den Teil-Aspekt "Wissenschaftliche Evidenz von mentalen Phänomenen" des aktuellen Threadthemas angemessen aus. Jedoch gehen Ausdrücke zur "Wissenschaftliche Evidenz von mentalen Phänomenen" bereits deutlich über eine Betrachtung hinaus, die sich "exklusiv auf die doktrinären Ausdrucksformen" beziehen sollte wie im letzten Abschnit in Post #102 dargestellt und zielen wiederum ab auf die Glaubwürdigkeit doktrinärer Ausdrücke, welche mentale Phänomene zum Inhalt haben, obgleich die "Glaubwürdigkeit von doktrinären Aussagen" laut letztem Abschnitt aus Post #102 keine Rolle spielen sollte.



    In einem nächsten - im letztem Abschnitt aus Post #102 - noch unerwähnten Schritt kann jedoch auch die Glaubwürdigkeit doktrinärer Aussagen aus der materialistisch-wissenschaftlichen Perspektive eine (wenn auch ambivalente) Rolle spielen. Dazu ein Beispiel zur Illustration:


    Die doktrinäre Ausdrucksform des buddhistischen abhängigen Entstehens kann aus der materialistisch-wissenschaftlichen Perspektive betrachtet und begrifflich analysiert werden (s. letzten Abschnitt in Post #102). Inhaltlich leidet die Glaubwürdigkeit der buddhistischen Doktrin des abhängigen Entstehens jedoch aus der materialistisch-wissenschaftlichen Perspektive darunter, dass es keinerlei wissenschaftliche Evidenz für die mentalen Phänomene des buddhistischen abhängigen Entstehens gibt. Die materialistisch-wissenschaftlichen Perspektive hat demnach bzgl. des Inhaltes der buddhistischen Doktrin des abhängigen Entstehens nur zwei Optionen: 1. Enthaltung bzgl. eines Urteils, 2. (vorläufige) Kategorisierung als "Illusion". Option 1 entspräche der skeptischen Perspektive in Reinform. Option 2 entspräche der skeptischen Perspektive als Ausdruck der natürlichen Erscheinungen des Denkens im Kontext der kulturell bedingten "Überlieferung von Sitten und Gesetzen" der Wissenschaft als kulturell akzeptiertem "Handwerk",

    Um nicht einseitig zu erscheinen:

    Die Betrachtung der christlichen Faktoren von Glauben, Hoffnung und Liebe und deren Wirkung auf dem christlichen Pfad führt aus materialistisch-wissenschaftlichen Perspektive zu einem analogen Ergebnis: kann betrachtet und begrifflich analysiert werden, Inhaltlich entweder Enthaltung bzgl. eines Urteils oder (vorläufige) Kategorisierung als "Illusion".

    mankind ... must act and reason and believe; though they are not able, by their most diligent enquiry, to satisfy themselves concerning the foundation of these operations, or to remove the objections, which may be raised against them [Hume]

  • Die Ankündigung lautet "streng wissenschaftliche, d.h. natürlich materialistisch-wisssenschaftlich[e]" Perspektive ("Brille").

    Da hattest Du mich schon verloren. Das ist nicht die Ankündigung einer ergebnisoffenen Diskussion, sondern ähnelt verteufelt einer versteckten petitio principii. Das strenge "streng" ist ja eine reine Luftnummer - wissenschaftstheoretisch gehst Du schlicht von einem naiven wissenschaftlichen Realismus aus - und das ist alles andere als "natürlich". Damit ignorierst Du nicht nur andere realistische Wissenschaftstheorien, sondern erst recht nicht-realistische Wissenschaftstheorien (u.a. Positivismus, Pragmatismus, konstruktiven Empirismus usw.). Zur Orientierung: wikipedia. Dass Deine "materialistisch-wissenschaftliche Perspektive" so ziemlich die ungeeignetste für das Verständnis der Funktion religiöser Doktrinen ist, verurteilt die Diskussion Deiner Thesen von vorneherein zur Unfruchtbarkeit. Und das hier:

    Die doktrinäre Ausdrucksform des buddhistischen abhängigen Entstehens kann aus der materialistisch-wissenschaftlichen Perspektive betrachtet und begrifflich analysiert werden

    Kann man natürlich machen. Nur wozu? Zum Verständnis verhilft das nicht. Dazu braucht es einen hermeneutischen Ansatz, keinen empirischen. Um Deine Metapher aufzugreifen - wenn schon eine Perspektive, dann eine introspektiv ausgerichtete. Nimm die Brille ab, die brauchst Du da nicht.


    Ansonsten noch eine Lektüreempfehlung (Rezension) zum Thema Neurozentrismus.

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Die Ankündigung lautet "streng wissenschaftliche, d.h. natürlich materialistisch-wisssenschaftlich[e]" Perspektive ("Brille").

    Da hattest Du mich schon verloren. Das ist nicht die Ankündigung einer ergebnisoffenen Diskussion, sondern ähnelt verteufelt einer versteckten petitio principii. Das strenge "streng" ist ja eine reine Luftnummer - wissenschaftstheoretisch gehst Du schlicht von einem naiven wissenschaftlichen Realismus aus - und das ist alles andere als "natürlich". Damit ignorierst Du nicht nur andere realistische Wissenschaftstheorien, sondern erst recht nicht-realistische Wissenschaftstheorien (u.a. Positivismus, Pragmatismus, konstruktiven Empirismus usw.). Zur Orientierung: wikipedia. Dass Deine "materialistisch-wissenschaftliche Perspektive" so ziemlich die ungeeignetste für das Verständnis der Funktion religiöser Doktrinen ist, verurteilt die Diskussion Deiner Thesen von vorneherein zur Unfruchtbarkeit. Und das hier:

    Mr scheint, du hast das Brillengleichnis übersehen. Mein sprachlicher Ausdruck ist bloße Berichterstattung zu Erscheinungen, die von Perspektiven ("Brillen") abhängen. Es gibt nichts, was ich zu beweisen trachte oder was ich behaupten würde als "Realität" oder "Wahrheit", weil "Beweis" in den skeptischen Augen, denen die Brillen (Perspektiven) aufgesetzt werden, keine Aussagekraft hat.



    Die doktrinäre Ausdrucksform des buddhistischen abhängigen Entstehens kann aus der materialistisch-wissenschaftlichen Perspektive betrachtet und begrifflich analysiert werden

    Kann man natürlich machen. Nur wozu? Zum Verständnis verhilft das nicht.

    Dazu braucht es einen hermeneutischen Ansatz, keinen empirischen. Um Deine Metapher aufzugreifen - wenn schon eine Perspektive, dann eine introspektiv ausgerichtete. Nimm die Brille ab, die brauchst Du da nicht.


    Sehr gut erkannt. "wozu?" Die materialistisch-wissenschaftliche Betrachtung von religiösen Doktrinen dient der Re-konstruktion des Ideen-(oder Gedanken)-Systems als Ganzem und dessen Überprüfung auf Kohärenz und Konsistenz ... auf rein begrifflicher Basis. Mir erscheint in deinen Worten Parteinahme. Parteinahme ist mit der materialistisch-wissenschaftlichen Perspektive unvereinbar.

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  • Die materialistisch-wissenschaftliche Betrachtung von religiösen Doktrinen dient der Re-konstruktion des Ideen-(oder Gedanken)-Systems als Ganzem und dessen Überprüfung auf Kohärenz und Konsistenz

    Zunächst einmal - die Betrachtung von religiösen Doktrinen hat absolut nichts mit Materialismus zu tun. Religionsphilosophie ist zwangsläufig eine Geisteswissenschaft, deren Thema Ideengeschichte ist. Erst in der Religionssoziologie ist ein möglicher Ansatz für eine materialistische Betrachtung gegeben, wo es um kulturelle (insbesondere ökonomische, soziale und politische) Korrelate religiöser Doktrinen geht. Das ist etwas völlig anderes als eine Überprüfung dieser Doktrinen auf Kohärenz und Konsistenz. Ein solches kulturelles und materielles Korrelat ist etwa der erstmals mit dem Homo neanderthalensis auftretende Brauch, verstorbene Artgenossen zu bestatten. Über die korrelierenden religiösen Doktrinen (deren Existenz man lediglich mit einiger Wahrscheinlichkeit postulieren kann) sagen diese materiellen Daten herzlich wenig aus, erst recht über deren Kohärenz und Konsistenz. Du versuchst, mit einem Sieb Wasser zu schöpfen; das Sieb wird zwar nass, aber damit hat es sich auch schon. Das Problem ist nicht das Wasser, sondern das untaugliche Werkzeug - was Dir ja mittlerweile auch selbst aufgefallen zu sein scheint. Du setzt im Dunkeln eine Sonnenbrille auf.


    Vielleicht liegt das Problem ja in einem unklaren Verständnis von Materialismus - dass wir hier also von unterschiedlichen "Brillen" reden. 'Skeptizismus' ist da, glaube ich, ohnehin ein fruchtbarerer Ansatz. Das bedeutet, zunächst die Frage nach den Quellen gültiger Erkenntnis zu beantworten - und auf dieser Ebene ist speziell der Buddhismus grundsätzlich skeptizistisch. Als Quelle gilt ausschließlich die Apperzeption (ṣaḍāyatana, sparśa, vedanā), die durch diskursiv-konzeptuelles Denken (vikalpa) eine 'entfaltete' differenzierte Vorstellung (prapañca) schafft, beruhend auf grundlegenden Dichotomien, insbesondere Existieren / Nichtexistieren (asti / nāsti), hypostasiert zu Sein / Nichtsein (bhāva / abhāva) sowie die Dichotomie Identität / Differenz (ekatva / anyatva). Auf dieser Grundlage entstehen differenziertere Funktionen: Ideen (saṁkalpa), Annahmen (parikalpa), Meinungen (kalpanā) über die derart vereinzelten konzeptuellen Phänomene (dharmas), die wiederum systematisiert als als Doktrinen, Theorien, 'Weltanschauungen', Sichtweisen (dṛṣṭi) kommuniziert (und ggf. an-/eingenommen) werden.


    Das sind Deine "Brillen" - Materialismus ist eine solche. Und es ist schon einmal gut, wenn man weiss, dass man eine Brille trägt - dann kann man sie auch absetzen. Wenn man eine Brille aufsetzt, sollte es eine für den Zweck geeignete sein; wenn man die Sterne betrachtet, ist eine Lesebrille eher hinderlich.


    Jedenfalls sind diese dṛṣṭi (um statt 'Doktrinen' diesen umfassenderen Begriff zu verwenden) Strukturen, die regelmäßige Korrelationen zwischen vereinzelten konzeptuellen Phänomenen der 'entfalteten Vorstellung' beschreiben - mehr oder weniger begründet. Dabei ist dann die Funktion des Schließens nach logischen Regeln eine sekundäre epistomologische Quelle. Wobei spätestens seit Kant bekannt sein dürfte, dass eben diese Funktion (bzw. Kausalität generell) eine apriorische ist - mithin lediglich die Form der entfalteten Vorstellung beschreibt, aber nicht das Vorgestellte. Was - so jedenfalls nach buddhistischer dṛṣṭi - auch gar nicht existiert, sondern eine grundlegende Fehlannahme ist (atmadṛṣṭi). Das abendländische Denkmodell einer Substanz (eines 'Dinges an sich') mit Akzidenzen (nach Kant 'das Reale in der Substanz') unterscheidet sich davon deutlich.


    Jedenfalls hat der Buddhismus denselben sparsamen epistomologischen Ansatz wie der Skeptizismus. Insbesondere schließt er - in auffälligem Kontrast insbesondere zu den anderen Weltreligionen - als gültige Quellen von Erkenntnis Offenbarungen und Tradiertes aus (paradigmatisch ist da das explizite Verwerfen des Veda durch Buddha), was die Subsumierung seiner Lehren unter 'religiöse Doktrin' etwas problematisch macht - gerechtfertigt ist dies lediglich durch den 'religiösen' Charakter ihrer sozialen Korrelate, d.h. ihre Ähnlichkeit mit den entsprechenden Institutionen anderer Religionen. 'Religion' ist vor allem ein soziales Phänomen, da bin ganz bei Durkheim und Weber. Das, was ich oben als 'Struktur' der entfalteten Vorstellung beschrieben habe, also das Korrelieren scheinbar isolierter Phänomene, nennt Luhmann 'Systeme' - und von Interesse sind diese vor allem als soziale Funktionssysteme. Hier ist eine materialistische, auf Empirie beruhende Untersuchung dieser religionssoziologischen Phänomene möglich und sinnvoll. Zu Kohärenz und Konsistenz der religiösen Doktrinen jedoch, mit der diese Phänomene korrelieren, also der spezifischen Sichtweise, an der sich eine weltanschaulich definierte soziale Gruppe mit ihren Meinungen und Handlungen orientiert, sagt das sehr wenig aus. Dazu bedarf es vielmehr einer logischen Analyse der Doktrin, also der Nutzung der o.g. sekundären Erkenntnisquelle.

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Der Begriff "Materialismus" ist für mich etwas was nicht so sehr Wissenschaftler sondern Marxisten im Munde führen.


    "Materialismus" ist für Marxisten ein wichter Begriff ist, weil für sie das Problem ja Ausbeutung und Machtmechanismen das Problem sind und Gedankenkonstrukte häufig die materielle Realität von Ausbeutung, Herrschaft und Stofflüssen verschleiert. Von daher wollen sie den ideologischen Überbau der "hehren Ideen" beiseite schieben und sich die Herrschaftsverhältnisse anschauen. Wobei natürlich der "dialektische Materialismus" selber eine Philosophie und Weltanschauung ist. Die richtige Ideologie die die falschen zertrümmert.


    Während Wissenschaftler ja von ihrem Untersuchungsgegenstand ausgehen sollten und die passenden Instrumente und Begriffe aus ihren Fragestellungen ableiten. Da stört der Begriff des "Materialismus" eher.


    Auch Newton sah sich ja dem Vorwurf ausgesetzt, dass er mit der Gravitation eine ohne Berührung funktionierende "Okkulte Kraft" annahm. Wissenschaft kann sich also auf alles Mögliche beziehen. Man konnte Jahrhundertelang "Licht" erforschen und dabei darüber reden, inwieweit es Materie ist oder eher nicht. Materialismus wäre da ganz im Weg gestanden.

  • Der historische Materialismus von Marx und Engels ist ja als Antwort auf Hegels Dialektik zu sehen. Dabei geht es um die Triebkräfte der Gesellschaft und Geschichte, die nach Marx und Engels durch die Entwicklung und Dialektik von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen bestimmt werde. Hegels Dialektik ist hingegen eine des Geistes und nach dessen Philosophie werde die Geschichte durch die Ideen und das Denken bestimmt.

    Der Begriff historischer Materialismus geht dabei vor alle auf Friedrich Engels in seiner gleichnamigen Schrift zurück. Er ist die Übernahme des philosophischen Begriffs auf soziale Verhältnisse und damit auch eine Form der Sozialwissenschaft.


    Ich sehe in dem Philosophen David Lewis eine interessanten Vertreter des Materialismus, da er davon ausgeht, dass jedes Erlebnis mit einem physischen (neurochemischen) Zustand identisch ist. Lewis bezeichnet sich selbst als Realist und reduktiver Materialist.


    Wenn Wissenschaftler einen Gegenstand konstruieren, den sie untersuchen, dann erschaffen sie auch eine materialistische Betrachtungsweise und viele Gegenstände sind ja auch nicht direkt zu betrachten, sondern lediglich an ihren materiellen Spuren.

    :zen:

  • Sudhana, void, Leonie, um auf eure Posts eingehen zu können, müsste ich nicht nur die materialistische-wissenschaftliche Brille ablegen und dann mal diese und mal jene Brille aufsetzen, sondern mich auch noch anderen Objekten als dem Objekt "Religion [als solche]" des Threadthemas zuwenden. Aber dann würde sich der Thread erneut zerfransen und zu dem Tohuwabohu des Threadverlaufs bis (ausschließlich) Post #102 zurückkehren.

    Ich kann also nur wiederholend ausdrücken: Meine Augen sehen skeptisch und vor diese Augen kann ich unterschiedliche Brillen setzen. Die Brille dieses Thread soll die materialistisch-wissenschaftliche Brille sein. Ich könnte auch ausdrücken, was ohne diese Brille meinen skeptischen Augen erscheint, oder die psychoanalytische oder die buddhistische Brille aufsetzen (die christliche Brille erarbeite ich mir zur Zeit), aber das Thema dieses Threads beinhaltet nun mal die materialistisch-wissenschaftliche Brille.


    [Folgender Exkurs ist vielleicht hilfreich fürs Verständnis:

    Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Sehen der skeptischen Augen und der materialistisch-wissenschaftlichen Brille: Die skeptischen Augen sehen nur evidente Erscheinungen und stellen alles infrage, was über diese gesagt wird, weil das was über evidente Erscheinungen gesagt wird, nicht-evident ist und bloß Meinen und Glauben ist. Mit der materialistisch-wissenschaftlichen Brille wird nun diese skeptische Sehensweise konsequent umgesetzt: Evidenz ist Evidenz im Sinne wissenschaftlicher Evidenz und evidente Erscheinungen sind dann Erscheinungen, die allen Individuen unabhängig von ihrem religiösen oder philosophischen Glauben erscheinen können. Solche Erscheinungen sind dann notwendigerweise Erscheinungen der fünf Sinne, zu denen auch im Alltag beobachtet werden kann, dass sich Individuen über die Erscheinungen als solche leicht einig werden (z.B. tritt ein Dissenz, ob eine Erscheinung "Hund" oder "Baum" benannt werden muss, fast nie auf). Erscheinungen der fünf Sinne aber sind stofflicher Natur, so wie auch wissenschaftliche Evidenzen stofflicher Natur sind. Da nun aber sprachlicher Ausdruck grundsätzlich an eine Öffentlichkeit gerichtet ist (außer bei Selbstgesprächen), sind relevante sprachliche Äußerungen nur jene, die sich auf Erscheinungen beziehen, welche auch öffentlicher Beobachtung zugänglich sind. Dies sind die Erscheinungen der fünf Sinne. Daneben ist es natürlich jedem Individuum gestattet nach Belieben private Theorien, Hypothesen zu entwickeln, zu glauben und zu meinen, was ihm beliebt. Bloß ist eine Konversation über private Theorien, Hypothesen, Glauben und Meinungen aus materialistisch-wissenschaftlicher Perspektive unsinnig, weil es dabei nur um Begrifflichkeiten gehen kann, welchen keinerlei wissenschaftliche Evidenz zugrunde liegt. Die Betrachtung von Religion aus materialistisch-wissenschaftlicher Perspektive beruht demnach auf dem Sehen der Worte und Sätze der religiösen Doktrin (Post #102, letzter Abschnitt) und der entsprechenden rein begrifflichen Basis. Bzgl. einer inhaltlichen Bewertung der Begrifflichkeiten der Doktrin ("Glaubwürdigkeit") gibt es jedoch nur die beiden Optionen des Post #103.]

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  • Sudhana, void, Leonie, um auf eure Posts eingehen zu können, müsste ich nicht nur die materialistische-wissenschaftliche Brille ablegen

    Nein, müsstest du nicht. Im Gegenteil.


    Wissenschaft basiert nicht so sehr auf "Materialismus" sondern dass man empirisch und systematisch von der Sache selbst ausgeht und seine Methode, Begriffe und Erkenntnisse für andere nachvollziehbar macht. Transparenz ist das A und O.


    Als Galileo Galilei durch sein Fernrohr die Jupitermonde entdeckte gab er genaue Anleitungen, wie andere sein Instrumentarium nachbauen und so seine Aussagen potentiell reproduzieren oder widerlegen konnten. Seine "Brille" kam mit Gebrauchsanleitung. Sich verständlich zu machen und zu rechtfertigen zum wissenschaftlichen Handwerkszeug.


    Ich verstehe dich so dass du uns nicht erklären willst, was du genau unter materialistisch oder unter wissenschaftlich versteht. Wie ein merkwürdiger Galileo der seinen Kollegen sagt, dass er ihnen seine "wissenschaftlich/materialistischen Brille" nicht zeigen kann, weil er sie sonst abnehmen müsste. Mann kann ja schlecht von Evidenzbasiertheit ausgehen ohne Evidenz zu geben.


    Vermutlich meinst du mit ""wissenschaftlich/materialistischen Brille" was anderes - eher so eine innere nüchterne "no Bullshit" Herangehnsweise? Eine aufklärerischen Ideologiezertrummerung oder so etwas?

  • Sudhana, void, Leonie, um auf eure Posts eingehen zu können, müsste ich nicht nur die materialistische-wissenschaftliche Brille ablegen

    Nein, müsstest du nicht. Im Gegenteil.


    Wissenschaft basiert nicht so sehr auf "Materialismus" sondern ...

    Dein Thema ist offensichtlich Meinen und Glauben bzgl. Wissenschaft. Das Thema dieses Threads ist "Religion aus materialistisch-wissenschaftlicher Perspektive". hier ist zur Perspektive alles gesagt, was mir dazu als relevant erscheint.

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  • Um sich Religion aus einer "materialistisch-wussenschafzlichen" Perspektive zu nähern ist es unumgänglich zu definieren was unter einer "materialistisch- wissenschaflichen Perspektive" verstanden wird.


    Ansonsten macht das wenig Sinn und jeder versteht darunter was anderes.

  • Um sich Religion aus einer "materialistisch-wussenschafzlichen" Perspektive zu nähern ist es unumgänglich zu definieren was unter einer "materialistisch- wissenschaflichen Perspektive" verstanden wird.


    Ansonsten macht das wenig Sinn und jeder versteht darunter was anderes.

    Das erscheint mir nicht so. Warum sollte etwas "unumgänglich" erscheinen, wenn nicht eine Brille aufgesetzt wurde, welche das so erscheinen lässt? "unumgänglich" zielt doch ab auf unbedingte Notwendigkeit, aber da es keine wissenschaftliche Evidenz für "Notwendigkeit" gibt, muss "Notwendigkeit" und also "unumgänglich" auf Meinen und Glauben beruhen. Vermutlich trägst du eine Brille, derer du dir gar nicht bewußt bist.

    Ich wiederhole: hier ist zur Perspektive alles gesagt, was mir dazu als relevant erscheint. Diese Worte mögen nicht dem entsprechen, was dir als "Definition" erscheint, aber alles für's Verständnis der materialistisch-wissenschaftlichen Brille ist darin enthalten.

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  • Um nun aber nicht den Eindruck zu erwecken, dass es von meiner Seite noch irgendwas zum Thema des Threads zu sagen gäbe, möchte ich zum Ausdruck bringen, dass ich alles schon gesagt habe zum Thema "Religion aus materialistisch-wissenschaftlicher Perspektive", nämlich:

    Kann Religion überhaupt aus der von mir in diesem Thread beschriebenen und beabsichtigten (aber selten eingenommenen) materialistisch-wissenschaftliche Perspektive betrachtet werden?

    Mir erscheint: Ja, aber nur dann, wenn die Betrachtung sich exklusiv auf die doktrinären Ausdruckformen (Schriften, Aufzeichnung von Predigten/Belehrungen) bezieht, welche das Gehirn zur Synthese von Begrifflichkeiten veranlasst, Begrifflichkeiten, die dann auf Sinneseindrücken beruhen, welche stofflicher Provenienz und also dem Gehirn via Sehen und/oder Hören zugänglich sind.

    Allein die Erforschung religiöser Doktrinen unter Zuhilfenahme entsprechender doktrinärer Hilfsmittel (traditionelle Kommentare und Wörterbücher) erfüllt den Anspruch "Religion aus materialistisch-wissenschaftlicher Perspektive". Es kann dabei keinesfalls um die Glaubwürdigkeit von doktrinären Aussagen gehen, sondern ausschließlich um die Begrifflichkeit, welche durch Sehen (von geschriebenen Wörtern und Sätzen) oder Hören (von gesprochenen Wörtern und Sätzen) hervorgerufen wird, wenn - und nur wenn - sich die entsprechende Begriffsbildung vorbehaltlos doktrinären Definitionen und Wortdeutungen der Religion unterwirft (d.h. jegliches Eigeninteresse beim Verständnis der religiösen Doktrin ist notwendigerweise ausgeschlossen). Gedanken, die sich vom Wort der Schriften, Kommentare, traditionellen Wörterbücher etc. entfernen und Begrifflichkeiten bilden, die eben nicht auf den Sinneseindrücken der religiösen Doktrin beruhen, können spekulativ philosophischer und dabei naiv-realistischer oder skeptischer Natur sein, weichen jedoch alle von der Doktrin ab und können nicht beanspruchen die Doktrin zu "interpretieren", weil die einzig zulässigen "Interpretationen" die traditionellen Kommentare sind.

    und

    In einem nächsten - im letztem Abschnitt aus Post #102 - noch unerwähnten Schritt kann jedoch auch die Glaubwürdigkeit doktrinärer Aussagen aus der materialistisch-wissenschaftlichen Perspektive eine (wenn auch ambivalente) Rolle spielen. Dazu ein Beispiel zur Illustration:


    Die doktrinäre Ausdrucksform des buddhistischen abhängigen Entstehens kann aus der materialistisch-wissenschaftlichen Perspektive betrachtet und begrifflich analysiert werden (s. letzten Abschnitt in Post #102). Inhaltlich leidet die Glaubwürdigkeit der buddhistischen Doktrin des abhängigen Entstehens jedoch aus der materialistisch-wissenschaftlichen Perspektive darunter, dass es keinerlei wissenschaftliche Evidenz für die mentalen Phänomene des buddhistischen abhängigen Entstehens gibt. Die materialistisch-wissenschaftlichen Perspektive hat demnach bzgl. des Inhaltes der buddhistischen Doktrin des abhängigen Entstehens nur zwei Optionen: 1. Enthaltung bzgl. eines Urteils, 2. (vorläufige) Kategorisierung als "Illusion". Option 1 entspräche der skeptischen Perspektive in Reinform. Option 2 entspräche der skeptischen Perspektive als Ausdruck der natürlichen Erscheinungen des Denkens im Kontext der kulturell bedingten "Überlieferung von Sitten und Gesetzen" der Wissenschaft als kulturell akzeptiertem "Handwerk",

    Um nicht einseitig zu erscheinen:

    Die Betrachtung der christlichen Faktoren von Glauben, Hoffnung und Liebe und deren Wirkung auf dem christlichen Pfad führt aus materialistisch-wissenschaftlichen Perspektive zu einem analogen Ergebnis: kann betrachtet und begrifflich analysiert werden, Inhaltlich entweder Enthaltung bzgl. eines Urteils oder (vorläufige) Kategorisierung als "Illusion".

    mankind ... must act and reason and believe; though they are not able, by their most diligent enquiry, to satisfy themselves concerning the foundation of these operations, or to remove the objections, which may be raised against them [Hume]

  • Um nun aber nicht den Eindruck zu erwecken, dass es von meiner Seite noch irgendwas zum Thema des Threads zu sagen gäbe, möchte ich zum Ausdruck bringen, dass ich alles schon gesagt habe zum Thema "Religion aus materialistisch-wissenschaftlicher Perspektive",

    Du willst sagen, dass das Thema "Religion aus materialistisch-wissenschaftlicher Perspektive", so wie SteFo es sieht und dabei glaubt, er habe eine Brille an - beendet werden kann. Dann schließe den Thread.

    :zen:

  • Zunächst einmal Danke Leonie für den kurzen Abriss des Histomat; das fasst das Wesentliche treffend zusammen. Diese Auffassung läuft bezüglich unseres Themas darauf hinaus, dass die Korrelation 'religiöse Doktrin' und die ihr korrespondierenden sozialen Institutionen als bedingt durch die gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse (einerseits der technische Entwicklungsstand der Produktionsmittel und andererseits die Verfügungsgewalt darüber) aufgefasst werden. Das ist die materielle Basis, die - so jedenfalls die Prämisse des Histomat - den 'kulturellen Überbau' bedingt. Das Sein bestimmt das Bewusstsein - das ist Materialismus in nuce. Um es zu wiederholen: eine entsprechende materialistisch-wissenschaftliche Kritik ("Betrachtung") religiöser Doktrinen ist bei dieser Prämisse auf ihre gesellschaftliche Funktion beschränkt.

    Ich sehe in dem Philosophen David Lewis eine interessanten Vertreter des Materialismus, da er davon ausgeht, dass jedes Erlebnis mit einem physischen (neurochemischen) Zustand identisch ist. Lewis bezeichnet sich selbst als Realist und reduktiver Materialist.

    Diese postulierte Identität ist natürlich selbst keine beweisbare Annahme sondern lediglich eine pragmatische. Es ist offensichtlich ein positivistischer Ansatz - insofern mit den von Wittgenstein im Tractatus logico-philosophicus aufgezeigten Begrenzungen und Defiziten hinsichtlich Ethik, aber auch Kausalität. Wäre ggf. interessant, wie er mit Poppers Kritik der Verifikation umgeht - SteFo mit seinen "evidenten Erscheinungen" wäre bei Popper jedenfalls durchgefallen; das mag eine materielle Perspektive sein, aber keine materiell-wissenschaftliche.


    Was nun dialektischen Materialismus angeht, so ist speziell wegen seiner Buddhismuskritik natürlich Slavoj Žižek von Interesse (zur Einführung hier und hier, es gibt auch etliche längere rants von ihm auf youtube). Wobei ich da den Verdacht einer leichten pathologischen Obsession hege - nicht als Einziger, wie sich herausgestellt hat (vgl. hier - Money Qote: "Manifestly, Zizek dislikes Buddhism insofar as it gives you a good reason not to be a Marxist."). Jedenfalls, wie ich finde, eine "materialistisch-wissenschaftliche" Kritik, mit der man sich als Buddhist durchaus auseinandersetzen kann.

    Um sich Religion aus einer "materialistisch-wussenschafzlichen" Perspektive zu nähern ist es unumgänglich zu definieren was unter einer "materialistisch- wissenschaflichen Perspektive" verstanden wird.


    Ansonsten macht das wenig Sinn und jeder versteht darunter was anderes.

    Der Begriff ist definiert. Das Problem entsteht, wenn man im Diskurs Begriffe verwendet, deren Definition und Begriffsgeschichte man nicht kennt und sich stattdessen selbst Definitionen ausdenkt.

    OM MONEY PAYME HUNG

    Einmal editiert, zuletzt von Sudhana ()

  • Der Begriff ist definiert. Das Problem entsteht, wenn man im Diskurs Begriffe verwendet, deren Definition und Begriffsgeschichte man nicht kennt und sich stattdessen selbst Definitionen ausdenkt.

    Von dieser Definition wird ja klar, dass es eun eher philosophisch-werltanschauiicher Begriff ist, der gegen den damaligen Idealismus gerichtet war.


    Während ja das was SteFo vorschlägt ganz was anderes ist. Etwas was die materielle Grundlage und den Kontext außer acht lässt und ganz von Text ( der Doktrin) ausgeht:


    Kann Religion überhaupt aus der von mir in diesem Thread beschriebenen und beabsichtigten (aber selten eingenommenen) materialistisch-wissenschaftliche Perspektive betrachtet werden?

    Mir erscheint: Ja, aber nur dann, wenn die Betrachtung sich exklusiv auf die doktrinären Ausdruckformen (Schriften, Aufzeichnung von Predigten/Belehrungen) bezieht, welche das Gehirn zur Synthese von Begrifflichkeiten veranlasst, Begrifflichkeiten, die dann auf Sinneseindrücken beruhen, welche stofflicher Provenienz und also dem Gehirn via Sehen und/oder Hören zugänglich sind.

    Allein die Erforschung religiöser Doktrinen unter Zuhilfenahme entsprechender doktrinärer Hilfsmittel (traditionelle Kommentare und Wörterbücher) erfüllt den Anspruch "Religion aus materialistisch-wissenschaftlicher Perspektive". Es kann dabei keinesfalls um die Glaubwürdigkeit von doktrinären Aussagen gehen, sondern ausschließlich um die Begrifflichkeit, welche durch Sehen (von geschriebenen Wörtern und Sätzen) oder Hören (von gesprochenen Wörtern und Sätzen) hervorgerufen wird, wenn - und nur wenn - sich die entsprechende Begriffsbildung vorbehaltlos doktrinären Definitionen und Wortdeutungen der Religion unterwirft (d.h. jegliches Eigeninteresse beim Verständnis der religiösen Doktrin ist notwendigerweise ausgeschlossen).

    Für mich beschreibt das doch eher einen hermeneutischen Ansatz wo man von Text und seiner Eigenlogik ausgeht. Während die materialistischen Vulgärmarxisten aus jedem Wolkenkuckucksheim von der Luft auf den Boden zerren wollen, erforscht man das ja als Hermeneutiker aus der Innenperspektive.


    Wenn ich mir das praktisch vorstelle, muß ich an die Texte von von Himmelsbaum .( z.B Mahayana und die anderen) denken.

  • Es ist ein Irrtum, wenn dir erscheint, dass ich die materialistisch-wissenschaftliche Brille vorschlagen würde. Nein, ich setze mir sie auf und sehe, was mir dann erscheint und ggf. berichte ich darüber. Es ist ähnlich wie sich einen Film im Kino anzuschauen: Man kann es hinterher einfach für sich behalten oder darüber berichten.

    'Materialistisch-wissenschaftlich' wird die Brille genannt, weil alleine die materielle Evidenz des geschriebenen Wortes (farbliche Form auf andersfarbiger materieller Grundlage wie Papier oder Monitor) oder des gehörten Wortes (Klang durch Schwingungen der Luftmoleküle) zählt und diese ist jedem Auge bzw Ohr zugänglich, unabhängig davon, was die Person glaubt. Das Gehirn synthetisiert dann Begrifflichkeiten zu den Formen oder Klängen, die als solche leer von Bedeutung sind ohne diese Synthese des Gehirnes. Und indem die Begriffe gebildet werden wie von der Doktrin per Definitionen oder doktrinären Wörterbücher oder Kommentaren vorgegeben (was eindeutig erleichtert wird, wenn der Untersuchende selbst [an] nichts glaubt), erscheinen dann die Begrifflichkeiten einzelner Worte oder ganzer Sätze dem doktrinären Kontext angemessen.

    Auf gleiche 'materialistisch-wissenschaftliche' Art und Weise werden wissenschaftliche Experimente durchgeführt: Auf dem Display eines wissenschaftlichen Meßgerätes werden Formen gesehen, das Gehirn synthetisiert begrifflich Zahlen und diese Zahlen sind im Kontext ihres Auftretens (Zielgröße, Aufbau des Experimentes, Art der Meßgeräte, etc.) zu verstehen.


    'Wissenschaftlich' ist auch: "jegliches Eigeninteresse beim Verständnis der religiösen Doktrin ist notwendigerweise ausgeschlossen". Ein Buddhist kann deswegen niemals die buddhistische Doktrin durch eine materialistisch-wissenschaftliche Brille sehen. Ein Buddhist identifiziert sich, wenn nicht mit der buddhistischen Doktrin (welche ihm als solche gar nicht bekannt sein muss), dann doch mit seinem individuellen bedürfnisgesteuerten Verständnis einer 'selbst-gestrickten' Doktrin oder seinem individuellen bedürfnisgesteuerten Verständnis doktrinärer Worte und Sätze.


    Die materialistisch-wissenschaftliche Brille stellt also eine maximale Entfremdung des Selbst vom Objekt seiner Untersuchung (der Doktrin) dar, genau so wie sie bzgl. eines Wissenschaftlers und seines zu erforschenden Objektes sein muss.

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  • Das, was Du da pompös als 'materialistisch-wissenschaftliche Betrachtungsweise' deklarierst, nennt sich schlicht und einfach 'Lesen'.

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Das, was Du da pompös als 'materialistisch-wissenschaftliche Betrachtungsweise' deklarierst, nennt sich schlicht und einfach 'Lesen'.

    Ja und nein. Wenn die maximale Entfremdung zwischen Selbst und Gelesenem gegeben ist, dann würde ich zustimmen. Wenn diese maximale Entfremdung nicht gegeben ist - wie in deinem Fall, der Parteiergreifung - dann würde ich dem nicht zustimmen.

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  • Das, was Du da pompös als 'materialistisch-wissenschaftliche Betrachtungsweise' deklarierst, nennt sich schlicht und einfach 'Lesen'.

    Ja und nein. Wenn die maximale Entfremdung zwischen Selbst und Gelesenem gegeben ist, dann würde ich zustimmen. Wenn diese maximale Entfremdung nicht gegeben ist - wie in deinem Fall, der Parteiergreifung - dann würde ich dem nicht zustimmen.

    Mir fiel auf, dass das nicht ganz konsistent ausgedrückt wurde. Deshalb:


    Was ist das "Das" in "Das, was Du da pompös als ..."? Da ein Zitat fehlt, scheint sich das "Das" auf den unmittelbar vorangehenden Post zu beziehen. Der ganze Post kann mit "Das" allerdings nicht gemeint sein, sondern nur jener Teil des Posts, der sich mit "Lesen" assoziieren lässt und der die dabei zur Anwendung kommende 'materialistisch-wissenschaftlich' Brille beschreibt und erörtert:

    Warum mein "Ja und nein."? Weil der Wortlaut "was Du da ... als 'materialistisch-wissenschaftliche Betrachtungsweise' deklarierst, nennt sich schlicht und einfach 'Lesen'." nicht angemessen erscheint, weil er die kategorische Behauptung zu implizieren scheint, dass es sich tatsächlich um eine Gleichung X=Y handele. Die Benennung scheint aber immer vom Willen des Benennenden abzuhängen. Also bedarf die Aussage der Relativierung "Ja[, wenn ...] und Nein[, wenn ...]"."Ja": Man kann (muss aber nicht) das was ich im obigen Zitat beschreibe "Lesen" nennen und dann "nennt es sich" (um diese sprachliche Figur zu verwenden) "Lesen".

    "Nein": Man kann auch (muss aber nicht) davon absehen, das was ich im obigen Zitat beschreibe "Lesen" zu nennen und dann "nennt es sich" nicht "Lesen".

    Ich würde für "Nein" plädieren, weil das umgangssprachliche "Lesen" doch wohl eher nicht die beschriebene 'materialistisch-wissenschaftlich' Brille assoziieren lässt.Will man jedoch das Wort "Lesen" im Kontext des im obigen Zitat Beschriebenen verwenden, dann spreche man doch naheliegenderweise von "Lesen mit materialistisch-wissenschaftliche Brille". Will man das nicht, will aber tatsächlich das im obigen Zitat Beschriebene mit "Lesen" ohne die Qualifikation "mit materialistisch-wissenschaftliche Brille" gleichsetzen, dann folgt daraus natürlich, dass nur das im obigen Zitat Beschriebene "Lesen" ist, was sich in meinen Sätzen "Wenn die maximale Entfremdung zwischen Selbst und Gelesenem gegeben ist, dann würde ich zustimmen. Wenn diese maximale Entfremdung nicht gegeben ist - wie in deinem Fall, der Parteiergreifung - dann würde ich dem nicht zustimmen." widerspiegelt.

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  • Die materialistisch-wissenschaftliche Perspektive beobachtet also auf den ersten Blick nur wie Religionen (Worte, Sätze, Texte) im Lichte des oben Gesagten erscheinen:

    Sprachlich kohärent oder inkohärent, sprachlich konsistent oder inkonsistent. Inhaltlich jedoch notwendigerweise ohne Urteil oder als Illusion.


    Kann eine Perspektive beobachten oder muss es einen Beobachter geben? Die Frage ist irrelevant, weil nur das Gehirn und dessen stoffliche Vorgänge wissenschaftlich evident sind. Fühlt es sich an wie "Beobachter", so sind es stoffliche Vorgänge des Gehirnes. Fühlt es sich an wie "ich beobachte" so sind es stoffliche Vorgänge des Gehirnes.


    Selbst wenn es sich anfühlt als würde "ich von Aussagen der Religion affiziert" (d.h. ein Wort, Satz oder Text erzeugt in mir Resonanz und ich werde deshalb geneigt Interesse zu entwickeln) und verlöre so also die materialistisch-wissenschaftliche Perspektive, dann sind es stoffliche Vorgänge des Gehirnes.

    Auch eine "ich-lose" Analyse eines Wortes, Satzes oder Textes ist also nicht ein Analyse auf Basis von "bare awareness" sondern nur stoffliche Vorgänge des Gehirnes.


    Das soll nur verdeutlichen, dass sich die materialistisch-wissenschaftliche Perspektive auf Religionen natürlich primär nur auf die Religionen als sprachliche Konstrukte (Worte, Sätze, Text) bezieht, aber sekundär (und das geht über das bisher Gesagte hinaus) auch das gesamte Erleben des "Wissenschaftlers" im Kontext dieser sprachlichen Konstrukte miteinbeziehen muss.


    Ein vollkommen Ich- und Selbst-loses Manifestieren bloß zerebraler Prozesse, die alleine wissenschaftlich evident sind, ist das Resultat, sowohl hinsichtlich der Worte, Sätze, Texte der Religion als auch hinsichtlich eines ggf. auftretenden subjektiven Erlebens dieser Worte, Sätze, Texte. Alles was ist, ist Leerheit und Erscheinungen (Worte, Sätze, Texte und ggf. subjektive Affiziertheit) in dieser Leerheit, Erscheinungen verursacht duch zerebrale Prozesse. Alles was ist ist also der Flux des Stofflichen in Leerheit, der erscheint als sei er durch eine unbekannte Kraft derart gesteuert, dass er Bedeutung und Affiziertheit (als Illusion für ein illusorisches Selbst) produzieren kann.


    Autor des hier Geschriebenen ist der Flux des Stofflichen

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    2 Mal editiert, zuletzt von SteFo ()

  • Vom letzten Post nun kann es sich in zwei Richtungen verzweigen (muss es aber nicht):

    1. Ein Postulat des nicht-evidenten Geistigen und Verweigerung von darüberhinausgehenden "warum"-Fragen legt die buddhistische Brille nahe, notwendigerweise mit Bekräftigung des Selbst-Willens.

    2. Ein Postulat des nicht-evidenten Göttlichen auf der Basis von darüberhinausgehenden "warum"-Fragen legt die theistische Brille nahe, wobei nicht notwendigerweise der Selbst-Wille bekräftigt werden muss, denn obgleich nur der Selbst-Wille die "warum"-Fragen hervorbringen kann, so kann er sich dann doch im Willen des postulierten Göttlichen auflösen.

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  • Kann mich z.Zt. leider nicht stärker involvieren in diesen Thread, aber ich habe gerade ein interessantes Interview mit einem Physiker gefunden, in dem es über die Grenzen der common-sense und sogar der grundlagenphysikalischen Erkenntnisfähigkeit geht; der Frager holt hier (dem nicht-Spezialisten) unklare Aspekte aus der Quantentheorie hervor ... und der Physiker sagt, er fühle sich irgendwie genötigt, ernsthafter über einen nichtmateriellen Anteil in der Wirklichkeit nachzudenken...

    Ich fand die beiden Teile des Interviews sehr anregend, (es ist wohl Teil einer Buchankündigung/-bekanntmachung), hier sind die Links:

    Teil 1 Teil 2 Vielleicht kann ich in ein paar Tagen darauf zurückkommen (bin allerdings selbst in diesem Thema kein Profi).

  • Vielleicht kann ich in ein paar Tagen darauf zurückkommen (bin allerdings selbst in diesem Thema kein Profi

    Es geht da um das Buch von Ganteför "Das rätselhafte Gewebe der Wirklichkeit und die Grenzen der Physik". Das kann man sich auch als Vortrag von ihm ansehen/anhören. Ganteför hat auch einen youtube-channel und da kann man einen Eindruck von dem Physiker bekommen. Auf seiner Webseite sieht man auch, dass er über alles Bescheid weiß - was unter Physiker recht häufig vor kommt. Wenn die nicht mehr so in ihrem Fach tätig sind, reden sie über "Gott und die Welt" oder über "Physik und Glaube".

    So wie eben auch Ganteför in dem Interview, in dem er sein neustes Buch promotet:

    Zitat

    KARSTEN: Momentan leben wir ja in einer Welt, in der Naturwissenschaft alles erklären kann, in der wir alles wissen. Und ihr Buch behauptet gar nichts, sagt aber, hier endet jetzt eigentlich unser Wissen. Und mit diesem Ende müssen wir leider auch zugeben, dass Fragen philosophischer oder, wegen mir, theologischer Natur auch noch in gewisser Weise unbeantwortet bleiben oder zumindest nicht abschließend beantwortet werden können. Was hat Sie getrieben, was war der Anlass, dass Sie dieser Sache auf die Spur gegangen sind?

    GANTEFÖR: Diese Brücke zum Glauben, zur Theologie, meinen Sie, was mich dazu getrieben hat?

    Vielleicht sollte ich kurz erzählen, dass ich mal überlegt hatte, Theologie zu studieren. Und vorher Elektrotechnik. Aber wenn man verstehen will, wie ein Transistor oder ein Halbleiter wirklich funktioniert, braucht man Physik. Zwischendurch wollte ich dann Theologie studieren, auch in dem Bemühen, die Wirklichkeit wirklich zu verstehen. Das ist ja eigentlich auch so was Theologisches. Man will wissen, wie die Welt entstanden ist und warum es uns überhaupt gibt. Und dann habe ich jetzt eben bis zu meiner Pensionierung die ganze Zeit diese normale Physik gemacht, eigentlich wirklich ohne eine metaphysikalische Ebene. Und ich dachte die ganze Zeit: Ich muss die Physik verstehen, so weit es geht – und dann kann ich mal über diese tieferen Fragen nachdenken. In der Pandemie war ich dann ja immer im Homeoffice, da konnte ich das dann auch mal. Und dann ist mir aufgefallen, dass die Physik auf so ganz einfache Fragen wie „Warum gibt es vier Naturkräfte?“ oder „Warum gibt es nur drei stabile Elementarteilchen?“, soweit ich weiß, keine Antworten hat.


    Warum gibt es überhaupt Etwas und nicht Nichts?

    Dazu gibt es einen netten Band beim Philosophie-Verlag Meiner und da heißt es im Klappentext:

    Zitat

    Die Frage ›Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?‹ gehört zu den ebenso traditionsreichen wie umstrittenen Problemen der Philosophie. Bereits mehrmals in die Mottenkiste der Philosophiegeschichte verbannt, erlebt sie doch zuverlässig ihre Renaissancen.


    https://meiner.de/warum-ist-ub…icht-vielmehr-nichts.html?


    Der letzte Beitrag in dem Sammelband ist von Gaßner und Lesch zu Ansätzen und Perspektiven der Physik in dieser Frage.

    Gaßner hat auch eine Reihe von Videos auf einem Kanal, die ich sehr empfehle, weil sie weniger mit Glaube zu tun haben, als mit Staunen. Und Staunen kann eigentlich jeder darüber, der was sinnlich erfasst und nicht einer der so spekuliert und glaubt.

    Wenn man etwas nicht verstehen kann, dann bedeutet das nicht, dass man dann glauben müsste. Man kann das Nicht-Verstehen einfach akzeptieren und ein wenig weiter forschen im Meer des Unverstandenen. Das bedeutet ja noch lange nicht, dass es da einen Schöpfer gibt.

    Es bedeutet nur, dass es kein Ende für die Forschung, die Physik und den ganzen Rest gibt. So gesehen hat Religion gegenüber der (Natur)wissenschaft keine Chance.


    Harald Lasch und Josef Gaßner

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    :zen:

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