Beiträge von Rupert Reiger

    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.



    Wu-men-guan, Koan 20:


    Song-yuan hat immer wieder gesagt: „Ein Mensch mit einer großen Kraft (= der Kraft der Shunyata), warum hebt er seinen Fuß nicht an?“


    Aus Wu-mens Kommentar: „- käme er zufällig an den Ort Wu-mens, müsste er schmerzhafte Schläge einstecken! Warum? - Todesgefahr!“


    „Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.“


    → Jetzt kann ein Mensch mit einer großen Kraft seinen Fuß wieder anheben … .. .




    Auch:


    Bi-Yan-Lu , Koan 25:

    ... Der Einsiedler hat gesagt: „Letzten Endes, was denn dann?“ „Sich eine Eschenholzstange mit Weichkastanien (als Vorrat) über die Schulter legen und (mit Chan aber) ohne sich umzusehen hinein in die Welt der tausend und zehntausend Gipfel gehen.“

    Ach so ja:


    Im Buch von Han Fei (280 – 233 v. Chr.) „Die Kunst der Staatsführung“ kommt im 28. Kapitel, 3. Absatz die Formulierung auch schon vor: „Wer nur mit einer Hand zu klatschen versucht, wird trotz hastiger Bewegung keinen Ton hervorbringen“.


    Der Kontext hier ist natürlich ein anderer, nämlich dass ein Herrscher alleine (!), d.h. zum einen ohne funktionierende Verwaltung oder auch zum anderen ohne die Gefühle des Volks zu kennen, seine Ziele nicht erreicht.


    Han Fei lebte von 280 bis 233 vor (!) Chr.

    D.h. die Formulierung, die beschreibt, dass entweder einer allein auf sich gestellt oder aber dass einer mit nur einem (!) einseitigen Weg (= mögliche Sackgasse) nicht ans Ziel kommt, war wohl in China, dann Japan, schon beliebig lange allgemein üblich.

    Hakuin Ekaku (1686 – 1769), Erneuerer des Rinzai:


    Er lehrte Zazen und er betonte die Kōan-Praxis (Rinzai-Zen).

    Er setzte dabei auf die Kōan-Sammlungen der alten Chinesen (z.B. Bi-Yan-Lu, Cong-Rong-Lu, Wu-men-guan, …), generierte aber auch eigene.


    Er folgte dabei Buddhas Mittlerem Weg:


    Buddha selbst unterwarf sich selbst strengen asketischen Übungen. Da er das als den falschen Weg erkannte, suchte er seinen eigenen Weg und übte sich dabei vor allem in der Meditation. Er nannte dies den „Mittleren Weg“


    Bei Hakuins Erneuerung des Rinzai-Zen passierte jedoch in den Klöstern immer mal das Abgleiten ins extrem asketische. Er hat das wohl auch am eigenen Leib erfahren. Dieses Abgleiten in das extrem asketische, also dieses „Verlassen von von Buddhas Mittlerem Weg“, bezeichnete Hakuin als die Zen-Krankheit. Es geht also um Buddhas mittleren Weg.


    Und jetzt kommen wir zu „wie klingt das Klatschen einer Hand?“ oder „(was für ein) Ton (entsteht beim) Klatschen (mit) einer Hand)?“:


    Ganz einfach:

    Es entsteht kein Ton!

    Das zu erkennen ist die große Heilung von dieser Krankheit!


    Die eine Hand ist also das Leben,

    die andere Hand ist Rinzai ← Zazen & Kōan,

    die eine Hand allein gibt keinen Ton, die andere Hand allein ergibt auch keinen Ton,

    beide Hände zusammen ergeben beim Klatschen einen Ton:


    Es ist der „Mittlere Weg“, der klingt !


    Von der Spitze einer hundert Fuß hohen Stange (der Einsamkeit des Zazen) vorwärtsschreiten: das

    Weltall der Zehn Richtungen ist dann dein vollständiger Leib. Nun sag mal: Unter welchen Umständen willst du das erlangen? (Cong-rong-lu Kōan 74)




    Bi-Yan-Lu, Cong-Rong-Lu, Wu-men-guan sind voll davon:


    Es ist der „Mittlere Weg“, der klingt !

    5. Gesang



    Höchster WEG, gar nicht schwer!


    Die Worte treffen's, Rede trifft.


    Eins hat Arten vielerlei.


    Zweie gibt nicht beiderlei.


    Enden des Himmels: Sonne geht auf, Mond geht unter.


    Vor dem Geländer: tief die Bergwelt, kalt die Gewässer.


    Dem Totenschädel schwanden die Sinne;


    wie soll ihm Freude erstehn?


    Im morschen Baum ein Drachengesang:


    noch ist er nicht verdorrt.


    Schwer, ja schwer!


    Wählerisch wählen? Wolkenlos klar?


    Freund, sieh selber zu!



    6. Zwischenbemerkungen zum Gesang



    »Höchster WEG, gar nicht schwer.« - Derselbe öffentliche Aushang nun zum dritten Male! [Erst vom Dritten Patriarchen ausgegeben, dann von Dschau-dschou, nun gar noch von Hsüä-dou - und so geht es weiter!] - Er stopft sich den Mund mit Reif voll [nimmt etwas in den Mund, was einem das Sprechen unmöglich macht), - Was behauptet er da?


    »Worte treffen's, Rede trifft.« - Schwimmt der Fisch, trübt sich das Wasser, fliegt der Vogel, so fallen Federn. - So zerflattert die Blüte in Sieben, acht Blättchen. - Er streicht Schminke auf!


    »Eins hat Arten vielerlei.« - Schön, wie er das auseinanderlegt. - Wäre es nur ein einziges Einerlei, so gäbe es ja auch keinen letzten Schluss [keine letzte Erkenntnis].


    »Zweie gibt nicht beiderlei.« - Wie könnte er es dann erst mit vier-, fünf-, sechs- und siebenerlei aushalten. Was will er eigentlich mit diesem Rankengewirr?


    »Enden des Himmels; Sonne geht auf, Mond geht unter.« - Eine Begegnung von Angesicht zu Angesicht wird hier geboten! - Über dem Haupt endlose Weite, endlose Weite unter den Füßen. - Nur jetzt nicht das Haupt erheben oder senken! [Jetzt hast du es mit dem höchsten WEG zu tun; da schaut man sich nicht nach Einzelheiten um! Nicht um Gegenstände handelt es sich hier, sondern um dich selbst. (da bin ich nicht ganz mit einverstanden, denn: Sonne = Leben, Mond = Shunyata, siehe auch wie es weitergeht:)]


    »Vor dem Geländer: tief die Bergwelt, kalt die Gewässer.« - Ganz sterben, nicht wieder leben! - Du fühlst doch wohl die kalten Körperhaare sich dir sträuben (!!!)?


    »Dem Totenschädel (= Mensch gefangen in der Shunyata) schwanden die Sinne; wie soll ihm Freude erstehn?« - Aber im Sargholz drin reißt er dann doch die Augen auf (!!!)! - Der Pilger Lu [Hui-nëng, der Sechste Patriarch] ist ihm Weggenosse.


    »Im morschen Baum ein Drachengesang: noch ist er nicht verdorrt (rührt sich noch Leben?).« - Nanu! - Der morsche Baum treibt wieder Blüten! - So kam auch Bodhidharma [noch in hohem Alter] zu uns in den Osten.


    »Schwer, ja schwer!« - Falsche Lehre! Lässt sich nicht vertreten. - Er stellt seine Behauptung auf den Kopf. - Wo kann man hier von schwer und wo von leicht reden?


    »Wählerisch wählen? Wolkenlos klar? Freund, sieh selber zu!« - Ich bin doch aber blind! [Yüan-wu spielt den Ängstlichen, welcher der eigenen Entscheidung ausweichen möchte.] - Ich dächte, das geht andere Leute an. - Es läuft also zum Glück darauf hinaus, dass er [Hsüä-dou] erst einmal selber zusehen muss. - Den Mönch vom Berge [mich, Yüan-wu] geht es nichts an!




    7. Erläuterung zum Gesang



    Hsüä-dou kennt den Punkt, auf den es Dschau-dschou in seiner Unterweisung ankommt. Den stellt er deshalb in seinem Gesang heraus mit den Worten: »Höchster WEG, gar nicht schwer.« Wenn er daraufhin fortfährt: »Worte treffen's, Rede trifft«, so ist das so zu verstehen, dass er eben eine Ecke vorweist, ohne die drei andern zu berücksichtigen. Aber indem er daran die Verse anschließt: »Eins hat Arten vielerlei, zweie gibt nicht beiderlei«, kommt er dann doch in gewissem Sinn über die drei anderen Ecken auf die erste zurück.


    Ihr, saget mir einmal: Welches sind denn die Umstände, unter denen Wort und Rede »es treffen«? Wieso hat denn »Eines« doch »vielerlei Arten«, und gibt zwei doch »nicht beiderlei«? Wenn dir dafür die Augen fehlen, in welcher Richtung willst du denn suchen? Wenn du aber durch diese beiden Sätzchen durchgedrungen bist . . .


    Darum heißt es bei den Alten: Klappe es zu einem Blatt zusammen! Dann siehst du, wie früher auch, die Berge als Berge, Wasser als Wasser, Langes lang, Kurzes kurz; Himmel ist Himmel, Erde Erde. [Denn »Eins hat Arten vielerlei.«] Zu Zeiten aber nennst du die Erde Himmel, zu Zeiten sagst du vom Berg: es ist kein Berg, zu Zeiten sagst du vom Wasser: es ist nicht Wasser. (Denn »Zweie gibt nicht beiderlei.«)


    Also, um es kurz und schlicht zu sagen: Wie gewinnt man Ruhe und Frieden? Kommt ein Wind, so rührt sich's im Baum; wölbt sich die Welle, so hebt sich das Boot. Im Frühjahr sproßt es, im Sommer wächst es hoch, im Herbst wird geerntet, im Winter gespeichert. [Darum heißt es in der Meißelschrift vom Glauben an den Geist, im 10.. Doppelvers:]



    Die Eine Art, von ebenem Mut,


    Zerläuft von selbst, wie Wasser tut.



    Mit diesen vier Versen also ist Hsüä-dou's Gesang [auf Dschau-dschou's Unterweisung] schlagartig zu Ende.


    Nun hat Hsüä-dou aber noch mehr auf dem Herzen. Er knüpft sein zugeschnürtes Bündel auf und zählt her. Nur dass nach seinen vier ersten Versen [die über den höchsten WEG eigentlich schon alles Nötige enthalten] nicht mehr viel zu sagen übrig bleibt. Trotzdem fährt er fort: »Wenn an den Enden des Himmels die Sonne aufgeht, dann geht der Mond unter; wenn vor dem Geländer das Bergland in die Tiefe reicht, dann sind die Gewässer kalt.« Hier kann man wohl sagen: Auch diese Worte treffen es, auch diese Rede trifft. Hier ist Vers um Vers WEG (DAO), Wort für Wort vollkommene Wahrheit. Wie sollte dies nicht die Stelle sein, an der einer die Scheidewand, mit welcher wir das Innere vom Äußeren trennen, einmal vergisst und beides, alles miteinander »zu einem Blatt zusammenklappt«?


    Nachdem Hsüä-dou sich in seinen ersten Versen äußerst schroff und streng gezeigt hat, wird er nun gegen das Ende zu auch reichlich leck und locker. Wenn du in diese Verse fleißig eindringst, bis du sie durchschaust, wenn dir ihr Sinn beim Hinsehen durchsichtig geworden ist, dann wirst du es ungewollt verspüren wie den unvergleichlichen Geschmack des Schaums auf zerlassener Butter. Hast du jedoch die in der Unterschiedenheit befangene Erklärungsweise noch nicht vergessen können, so zerflattert dir die schöne Blüte in sieben, acht Blättchen, und du bleibst bestimmt außerstande, solche Reden [wie sie die obigen zwei Verse bringen] zu verstehen.


    »Dem Totenschädel schwanden die Sinne: wie soll ihm Freude erstehn? Im morschen Baum ein Drachengesang: noch ist er nicht verdorrt. Dies hat er einfach zusätzlich hineingemengt. Und zwar handelt es sich um einen »öffentlichen Aushang« der alten Meister, der die Frage nach dem WEG betrifft. Den holt sich Hsüä-dou herbei und zieht ihn zur Vervollständigung seines Gesanges mit den Worten des Dritten Patriarchen vom höchsten WEG auf einen und denselben Strang. Aber heutzutage verstehen die Leute nicht mehr, wie die Alten es meinen Sie kauen an deren Worten und Sätzen nur herum und kommen zu keinem Schluss. Es muss einer schon sehr gut bewandert sein, um diese Geschichte richtig wahrzunehmen.


    Seht, sie ist so. Ein Mönch fragte Hsiang-yän: Was ist es um den WEG? Hsiang-yän erwiderte: Das ist, wie wenn in einem morschen Baum der [Wind-] Drache summt. Der Mönch fragte weiter: Wie steht es mit einem Menschen, der im WEGE lebt? Hsiang-yän sagte: Ein Totenschädel mit Augäpfeln darin.


    Später kam der Mönch zu Schi-schuang. Den fragte er: Was bedeutet das Drachengesumme im morschen Baum? Schi-schuang erwiderte: Ein Dasein, das sich noch mit Freude gürtet. Und was bedeutet ein Totenschädel mit Augäpfeln darin? [fragte der Mönch weiter]. Schi-schuang antwortete: Ein Dasein, dem die Sinne noch geblieben sind.


    Der Mönch [immer noch unbefriedigt] kam auch zu Tsau-schan. Diesen fragte er: Was bedeutet das Drachengesumme im morschen Baum? Tsau-schan gab zur Antwort: Dem sind die Blutadern nicht durchschnitten. [Der Mönch fragte weiter:] Was ist es um einen Totenschädel mit Augäpfeln darin? Darauf Tsau-schan: Der ist noch nicht ganz dürr. [Tsau-schan ist ein gütiger Schalk. Auf die erste Frage beantwortet er schon die zweite, auf die zweite nachträglich die erste. Auch darin liegt die Wahrheit, die dem Mönch nicht eingehen will: Zweie gibt nicht beiderlei. So fragt er immer noch weiter:] Welcher Mensch hat es denn schon gehört [das Drachensummen im morschen Baum]? Tsau-schan sagte: Auf der weiten Erde ist nicht einer, der's nicht hörte. Da sagte der Mönch: Nun möchte ich nur wissen: in welchem Kapitel steht eigentlich dieses Wort vom Drachengesumme? Da erwiderte Tsau-schan: Ich weiß nicht, in welchem Kapitel das steht. Die es hören, müssen alle daran sterben.


    Es gibt auch einen Gesang. Er lautet:



    Wenn im dürren Baum der Drache dir singt,


    siehst wahrhaft du den WEG.


    Wenn im Totenkopf keine Sinne mehr sind,


    wird erst das Auge klar.


    Wo Freude dir und Empfindung schwand,


    bleibt zu vermelden nichts.


    Wie nähme ein solcher den Unterschied


    des Reinen im Trüben wahr?



    Bei Hsüä-dou, das muss man schon sagen, hat alles großartig Hand und Fuß. Da mengt er dir in seinen Gesang auf einmal eine Zutat hinein. Aber obgleich es eine solche ist, so gibt es, mit dem übrigen zusammengenommen, doch »nicht beiderlei«.


    Zum Beschluss gibt Hsüä-dou den Seinen noch etwas zum persönlichen Gebrauch mit. Er setzt neu an und sagt: »Schwer, ja schwer!« Auch durch das muss man erst hindurchgedrungen sein, bevor man es gewinnt. Wie ist das zu verstehen? Dafür gibt es ein Wort von Bai-dschang, das lautet: »Alles, alles, Worte, Reden, Berge, Flüsse, die ganze große Erde, jedes einzelne Ding, es macht alles kehrt und kommt zuletzt nur auf dich selbst zurück.« So muss auch dies alles, was Hsüä-dou hier zwischen die Finger nimmt und aufgreift, letzten Endes Wort für Wort notwendig auf dich selbst zurückkommen.


    Und nun saget mir: Welches ist der Punkt, an welchem Hsüä-dou seinen Leuten noch etwas zum persönlichen Gebrauch mitgibt? »Wählerisch wählen? Wolkenlos klar? Freund, sieh selber zu!« Nachdem er bereits sein Rankengewirr fertig geflochten hat und mit seinem Gesang am Ende ist, warum sagt er da noch: »Freund, sieh selber zu«? Ein glücklicher Wurf, diese Mahnung, du sollest selber zusehen. Saget nicht, ihr alle hier, ihr könnet es nicht verstehen! Selbst der Mönch vom Berge hier ist an diesem Punkte in genau derselben Lage: er kann es nicht verstehen.

    Zur Diskussion nochmals ein Beitrag zu den ersten beiden Zeilen des Xin-xin-ming, so wie diese im Bi-Yan-Lu diskutiert sind, nur dies und sonst nichts:







    BI-YÄN-LU



    Meister Yüan-wu's

    Niederschrift von der

    Smaragdenen

    Felswand



    Verfasst auf dem

    Djia-schan bei Li in Hunan

    zwischen 1111 und 1115.

    Im Druck erschienen

    in Sitschuan um 1300



    Verdeutscht und erläutert

    von Wilhelm Gundert

    Für alle Koan des Bi-Yän-Lu gilt (allerdings sind, was den Hinweis angeht, nicht alle vollständig):

    Im Ergebnis stellt sich Yüan-wu's Darbietung der hundert Beispiele der Alten mit Gesängen Hsüä-dou's von Kapitel zu Kapitel in folgender Ordnung dar:


    1. Hinweis

    (Tschui-schi, japanisch Sui-ji), von Yüan-wu.


    2. Das Beispiel

    (Dsö, japanisch Soku), von Hsüä-dou älterer Überlieferung entnommen, gelegentlich von eigenen Bemerkungen begleitet.


    3. Zwischenbemerkungen

    (Dscho-yü, japanisch Jaku-go) zum Beispiel, von Yüan-wu.


    4. Erläuterung

    (Ping-tschang, japanisch Hyô-shô) des Beispiels, von Yüan-wu.


    5. Gesang

    (Sung, japanisch Ju), von Hsüä-dou.


    6. Zwischenbemerkungen zum Gesang, von Yüan-wu.


    7. Erläuterung des Gesangs, von Yüan-wu.


    All diese Texte von 1. bis 7. sind von 1111 bis 1115, bis auf die jeweiligen Beispiele (2.) natürlich, die sind in der Regel viel älter. Hier ist von Gundert noch nichts kommentiert, nur übersetzt, bis auf ein paar Bemerkungen in [].




    BI-YÄN-LU

    Zweites Beispiel – Koan 2:


    Dschau-dschou zu dem Vers:


    »Der höchste WEG (DAO im weiteren) ist gar nicht schwer.«




    1. Hinweis



    Der Himmel und die Erde sind dagegen eng. Die Himmelslichter: Sonne, Mond und Sterne verfinstern sich davor im gleichen Augenblick. Mag auch der Stock mit Hieben regnen, der Scheltruf durch die Halle donnern, so wird einer darum doch noch nicht die Sache selbst erlangen, die in dem uns anvertrauten Erbgut überwärtiger Richtung einbeschlossen ist. Auch die Buddhas der vergangenen und künftigen Äonen, wie die des gegenwärtigen, können das nur für sich selber wissen. Die Patriarchen auch von einer Generation zur andern sind nicht imstande, es vollständig darzulegen. Die ganze Sûtrensammlung mit den Lehren Buddhas während seines langen Lebens reicht nicht aus, es zu erklären, zu erläutern. Und Kuttenmönche gibt es, die sich heller Augen rühmen, und dennoch hilflos davor stehen bleiben.


    Was hat es unter diesen Umständen für einen Sinn, noch lange genauer nachzufragen? Hier mit dem Namen Buddha daherkommen, heißt nur im Schlamm waten und mit Schmutzwasser um sich spritzen; und das Wort Zen dabei noch in den Mund nehmen, treibt nur die Schamröte ins Gesicht.


    Den Älteren, die hier schon lange üben, brauche ich das nicht zu sagen. Aber die Anfänger, die später gekommen sind, mögen es sich nur gleich gründlich zu Herzen nehmen.




    2. Das Beispiel



    Wir legen vor:


    Dschau-Dschou sagte bei der Unterweisung seiner Bruderschaft:


    »Der höchste WEG ist gar nicht schwer,


    Nur abhold wählerischer Wahl«


    Redet man davon auch nur ein klein bisschen, so heißt es schon: hier »wählerische Wahl«, hier »wolkenlose Klarheit«. Der alte Mönch hier steht nicht in der wolkenlosen Klarheit. Ihr da, ihr hütet sie und haltet, wie ich dächte, sie trotzdem hoch - oder ist es nicht so? Nun war da ein Mönch; der fragte: Wenn man schon nicht in der wolkenlosen Klarheit steht, was soll man dann hüten und hochhalten ?


    Dschau-dschou erwiderte: Ich weiß auch nicht.


    Da sagte der Mönch: Ehrwürdiger, wenn Ihr das schon nicht wisst, wieso sagtet Ihr dann doch, Ihr stehet nicht in der wolkenlosen Klarheit?


    Dschau-dschou erwiderte: Das Fragen nach der Sache hast du jetzt gehabt. Mach Deine Verbeugung und tritt zurück.




    3. Zwischenbemerkungen zum Beispiel



    »Dschau-dschou sagte bei der Unterweisung seiner Bruderschaft« - Was macht der alte Chinese da? - Bleibe er doch weg mit seinem Rankengewirr!


    »Der höchste WEG ist gar nicht schwer.« - Nicht schwer und nicht leicht.


    »Nur abhold wählerischer Wahl.« - Und was haben wir vor Augen? [Antwort: Nichts als »wählerische Wahl«, als Gut und Böse, Liebe und Hass!] - Er redet, als wäre der Dritte Patriarch selbst hier anwesend! [Das klingt spöttisch und ist ernst gemeint.]


    »Redet man davon nur ein klein bisschen, so heißt es schon: hier wählerische Wahl, hier wolkenlose Klarheit.« - Ein Doppelkopf mit drei Gesichtern! [Aus dem »höchsten WEG« wird eine Schreckgestalt: aus eins wird zwei, und darüber schwebt das Eine! Und das soll »gar nicht schwer« sein! ] Er legt sich auf Detailgeschäfte! - Schwimmt der Fisch, trübt sich das Wasser; fliegt der Vogel, so fallen Federn. [Auch Dschau-dschou stört mit seiner Kritik die reine Stille; keiner, der davon redet, kann es vermeiden.]


    »Der alte Mönch hier steht nicht in der wolkenlosen Klarheit.« - Der Missetäter ist entlarvt! - Worauf will dieser alte Chinese wohl hinaus?


    »Ihr da, ihr hütet sie und haltet, wie ich dächte, sie trotzdem hoch - oder ist es nicht so?« - Es gibt eine Niederlage! - Oder ist doch auch ein bis ein halber Kerl da? [In Dschau-dschou's Frage steckt eine Falle! Wird auch einer ihm gewachsen sein?]


    »Wenn man schon nicht in der wolkenlosen Klarheit steht, was soll man dann hüten und hochhalten?« - Hier wäre auch eine Tracht Prügel angebracht. - Die Zunge stemmt sich gegen den Gaumen. [Dschau-dschou ist sprachlos! Solchen Angriff hat er nicht erwartet.]


    »Dschau-dschou erwiderte: Ich, weiß auch nicht.« - Nun hat es diesen alten Chinesen aber zu Boden geschlagen! - Niederlage, Rückzug dreitausend Li weit!


    'Da sagte der Mönch: »Ehrwürdiger, wenn Ihr das schon nicht wisset, warum sagtet Ihr dann doch, Ihr stehet nicht in der wolkenlosen. Klarheit?« - Seht zu, wohin der Alte ihm davonläuft! - Er jagt ihn noch einen Baum hinauf! [Mit seiner Draufgängerei bringt er es noch dahin, dass ihm der Meister auf einen Baum klettert, auf den er ihm nicht folgen kann!]


    »Dschau-dschou erwiderte: Das Fragen nach der Sache hast du jetzt gehabt. Mach deine Verbeugung und tritt zurück!« - Wie gut, dass er noch diesen [letzten] Zug hat! - Dieser alte Gauner!




    4. Erläuterung zum Beispiel



    Dem ehrwürdigen Dschau-dschou war es Gewohnheit, dieses Thema zu behandeln, und zwar gerade das Wort »nur abhold wählerischer Wahl«. Es stammt vom Dritten Patriarchen, aus seiner »Meißelschrift des Glaubens an den Geist«. Dort heißt es:



    Der höchste WEG ist gar nicht schwer,


    Nur abhold wählerischer Wahl.


    Dort wo man weder hasst noch liebt,


    Ist Klarheit, offen, wolkenlos.



    Aber, wenn man nur ein wenig ja oder nein sagt, »so heißt es schon, hier wählerische Wahl, hier wolkenlose Klarheit«. [Damit will Dschau-dschou sagen:] Wenn ihr das [nämlich diese Verse des Dritten Patriarchen] einfach so [nach dem Wortlaut] nehmt, so seid ihr bereits ausgeglitten. Beschläge und Nägel, Leim und Kleister, was lässt sich damit Dauerhaftes zusammenfügen? [D. h.: Starre logische Begriffe, wie »wählerische Wahl« und »wolkenlose Klarheit« werden dem ununterscheidbaren Ineinander der Gegensätze innerhalb der Einheit nicht gerecht.]


    Dschau-dschou sagt: »Hier wählerische Wahl, hier wolkenlose Klarheit.« Nun, die heutigen Zen-Beflissenen und Frager nach dem WEG sind [in der Tat] entweder in wählerischer Wahl befangen, oder aber hocken sie in der wolkenlosen Klarheit fest.


    »Der alte Mönch hier ist nicht in der wolkenlosen Klarheit. Ihr da, ihr hütet sie und haltet, wie ich dächte, sie trotzdem hoch; oder ist es nicht so?«- Ihr meine Hörer! Wenn er schon nicht in der wolkenlosen Klarheit ist, so saget mir einmal: Wo steht Dschau-dschou denn dann? Und wieso lehrt er die andern, sie zu hüten und hochzuhalten?


    Mein ehemaliger Meister vom Berg des Fünften Patriarchen pflegte bei der Erläuterung dieses Ausspruchs von Dschau-dschou zu sagen: »Er ließ die Arme herabhängen und stellte es euch mimisch dar.« [Die Hörer sollen sich vorstellen, wie Dschau-dschou dastand, als er bekannte, er stehe nicht in der wolkenlosen Klarheit. Völlig entspannt lässt er die Arme hängen, stellt sich einfach hin, so wie er ist. Keine geschwellte Brust, kein Adlerblick, kein Hass und keine Liebe, aber eine allem bereite Offenheit und Durchlässigkeit.] Wie versteht ihr das? Saget mir einmal: Wie ist das mit dem Armehängenlassen? Erfasset den Sinn des Lasthakens, anstatt auf das Sternchen am Nullpunkt zu achten!


    Dass nun dieser Mönch daherkommt und vor den Meister tritt, ist schon etwas Besonderes. Er greift Dschau-dschou an der Stelle an, wo er sich leer zeigt, geht hin und versetzt ihm einen Hieb: »Wenn man schon nicht in der wolkenlosen Klarheit steht, was soll man dann hüten und hochhalten?«


    Dschau-dschou aber geht nun weder mit dem Stock noch mit dem Scheltruf vor, sondern sagt bloß: »Ich weiß auch nicht.« Angenommen, der Mönch hätte es nicht mit diesem alten Chinesen zu tun gehabt, so würde es Hiebe abgesetzt haben, dass er bei jedem einzelnen nicht mehr gewusst hätte, was er vorher sagte und was er nachher sagen sollte. Es ist ein Glück, dass dieser alte Chinese die in sich selbst beruhende Freiheit zu jeder Wendung besitzt, welche ihn befähigt, dem Mönche so zu antworten.


    Ihr heutigen Zen-Freunde werdet auf jene Frage [des Mönchs] wohl dasselbe sagen: Ich weiß und verstehe es auch nicht. Doch das gilt nicht! Ihr geht wohl auf derselben Straße, aber nicht in derselben Spur. [D.h.: es wären wohl dieselben Worte, wie die des Dschau-dschou; aber sie kämen aus einem anderen Geist.]


    Dieser Mönch ist ganz ungewöhnlicher Art. Erst ihm, und keinem anderen, fällt es ein, zu fragen: »Ehrwürdiger, wenn Ihr das schon nicht wisset, warum sagtet Ihr dann, Ihr stehet nicht in der wolkenlosen Klarheit?« Das ist ein noch besserer Hieb, den er ihm da versetzt.


    Ein anderer nun als Dschau-dschou würde in solch einem Fall in der Regel versuchen, sich [mit logischen Argumenten] herauszureden und käme dennoch damit nicht zurecht. Aber Dschau-dschou ist ein Meister seiner Kunst. Er begegnet jenem einfach mit dem Bescheid: »Das Fragen nach der Sache hast du jetzt gehabt. Mach deine Verbeugung und tritt zurück!« Dieser Mönch bleibt dem alten Chinesen gegenüber nun einmal völlig hilflos. Er kann nur den Atem einziehen und die Stimme verschlucken.


    Das macht: Hier ist ein Meister unserer Schule von großer Hand. Er führt dir keine Reden über das Geheimnisvolle, Wunderbare, er gibt sich nicht mit Kunstgriffen und Gesten ab. Er nimmt sich der Menschen einfach dadurch an, dass er sie vor die Tatsache des Eigentlichen stellt. [Das hebt ihn auch über Angriffe von andern weit hinaus.] Darum kann er sagen: Binde dir zum Schelten einen Schnabel vor! Gieß zu deiner Spucke Wasser nach! Nie hat man davon gehört, dass dieser alte Chinese die Gewohnheit gehabt hätte, die Leute mit dem Stock oder mit Scheltrufen zu traktieren, sondern nur, dass er ganz schlichte, alltägliche Worte im Munde führte, und nur, dass selbst weitberühmte Männer vor ihm hilflos waren. Und dies deshalb, weil er nie sich auf ein Vielerlei von Einzelheiten einließ. Das gab ihm die königliche Freiheit, eine Sache je nachdem quer von der Seite anzufassen [wie den Eingangsvers der Meißelschrift vom Glauben an den Geist], bald sie auf den Kopf zu stellen [wie die wolkenlose Klarheit], das eine Mal gegen den Wind zu steuern [»ihr hütet die wolkenlose Klarheit und haltet sie hoch«], ein andermal sich von ihm treiben zu lassen [»Ich weiß auch nicht«]. Die Menschen heutzutage haben dafür kein Verständnis und sagen immer nur, Dschau-dschou habe auf das, was die Leute sagen, keine Antwort und erkläre ihre Fragen nicht. Sie merken gar nicht, wie sie damit in demselben Augenblick schon stolpern.

    [26] Entsprichst [du] dem Subjekt, erlöschen die Objekte, vertreibst [du] die Objekte, geht das Subjekt unter.


    [27] Die Objekte hängen [davon] ab, Objekte eines Subjekts [zu sein], das Subjekt hängt [davon] ab, das Subjekt von Objekten [zu sein].


    Roloff im Link oben: Trittst du ganz in die Sphäre des Subjekts ein, anders gesagt, ziehst du dich in den einen Geist zurück, dann gibt es für dich keine Objekte und damit auch keine Welt mehr; ziehst du dich solchermaßen aus der Welt der Objekte nach innen zurück, hörst du jedoch auf, Subjekt zu sein; denn – so [27] – um Subjekt zu sein, bist du immer auf Objekte bezogen und mithin angewiesen.


    [28] Willst [du] beide Teile verstehen, ist [ihr] Ursprung die eine ›Leere‹.


    [29] Die eine ›Leere‹ [ist] beides gleichzeitig, zusammen enthält [sie] die Zehntausend Dinge.


    Leere meint das DAO als Grund der Welt und auch dessen Erfahrung einer Annäherung (nur Annäherung, da durch Sinnlichkeit, Worte, Verstand, Vernunft nicht erreichbar) in der Shunyata. Vom DAO als Grund der Welt geht alles aus, so die Zehntausend Dinge, sprich alles was durch Perzeption fassbar ist; dazu gehört auch alles „feinstoffliche“, was durch Messung als Erweiterung menschlicher Perzeption messbar / fassbar ist.

    Roloff (Link oben) schreibt hier noch:

    Das gemahnt an daoistische Aussagen wie die, dass das DAO die Samen aller Dinge enthält – als metaphorische Umschreibung dessen, dass die Zehntausend Dinge im DAO ihren Ursprung haben (Dao De Jing, Text 21). Eine analoge Formulierung wäre auch hier weniger anstößig, weil ja die ›Leere‹ eben als ›Leere‹ nichts enthält, also streng genommen auch die Zehntausend Dinge nicht enthalten kann.

    → Solche einfachen Fehler haben die großen Meister der alten Chinesen nicht gemacht. >Leere< meint vielmehr, wie oben schon beschrieben, dass das DAO als Grund der Welt durch Sinnlichkeit, Worte, Verstand, Vernunft nicht erreichbar ist, somit für die Perzeption nicht fassbar ist, somit für die Perzeption leer ist. Es gibt übrigens bei obigem Link einige durchaus zentrale Stellen, die ähnlich zu korrigieren sind.


    [30] Schau nicht nach ›Fein‹ [und] ›Grob‹ – lieber gibt es Parteinahme [fürs] Einseitige.


    Das Einseitige meint wieder das DAO als Grund der Welt. Das Grobstoffliche meint die den menschlichen Sinnen zugängliche Natur, das Feinstoffliche meint die Grundbausteine, aus denen die Natur aufgebaut ist. [30] unterscheidet dazwischen nicht, was auch Sinn macht, da heutige wissenschaftliche Methoden zur Erschließung des Feinstofflichen nur als Erweiterung menschlicher Perzeption betrachtet werden können.


    Aber:


    [35] Lässt [du] das Wesen zu [und] entsprichst dem DAO, [kannst du] ohne Kümmernisse in die Ferne schweifen.


    Erfahren wir das DAO als Grund der Welt in der Shunyata (weiterhin immer wieder fortfahrend als Herberge), dann ab in die Welt!


    [38] Willst [du] das eine Fahrzeug erlangen, verabscheue nicht die sechs [Arten des] Staubes.


    [39] Die sechs [Arten des] Staubes nicht zu verabscheuen gibt [dir] zugleich das richtige Bewusstsein zurück.


    Das eine Fahrzeug meint den einen Geist, das DAO als Grund der Welt, Die sechs [Arten des] Staubes meint die sechs Sinne (inkl. des kausalen Verstandes, von dessen Kausalität sich das Karma ableitet) des Chan. Man soll sich, ausgehend vom DAO als den Grund der Welt der Welt zuwenden.


    [41] Dinge [sind] nicht verschieden von Dingen – ein falsches Selbst verharrt [in] Begierde.


    [43] Verblendung erzeugt Störung der Stille, Erwachen [ist] ohne ›Gut‹ [und] ›Schlecht‹.


    [46] Gewinnen [und] Verlieren, ›Richtig‹ [und] ›Falsch‹ – lass [sie] sogleich los [und] verwirf [sie]!


    Dao De Jing (Übersetzung Hans-Georg Möller):

    [19] Kargheit zeigen, einfach sein

    den Eigensinn zügeln, die Begierden klein

    Gelehrsamkeit lösen, von Zweifeln befrein.

    [2]In der Welt erkennen alle

    Schönes als schön.

    Schon gibt es Häßliches.

    Alle erkennen,

    was taugt (gut ist).

    So gibt es Untaugliches (schlechtes).

    Das Fülle und Leere einander erschaffen,

    schwer und leicht einander erzeugen,

    lang und kurz einander bilden,

    hoch und tief einander erfüllen,

    Töne und Stimmen einander ergänzen,

    vorher und nachher einander folgen,

    ist stetig.

    Gerade daher

    verweilt der Heilige (= Herrscher)

    beim Geschäft des Nicht-Handeln (unterscheidet nicht was Richtig oder Falsch),

    und betreibt die Lehre des Nicht-Reden.

    Die zehntausend Dinge -

    er bringt sie in Gang und fängt sie nicht an,

    er führt sie aus und hängt nicht daran,

    er bringt sie zum Erfolg und hat seinen Platz

    nicht bei ihnen.

    Nun,

    allein indem er seinen Platz nicht bei ihnen hat,

    gerade daher verlassen sie ihn nicht.


    [50] Die Zehntausend Dinge richtig betrachtet, kehrst [du] wieder zurück zum ›Von-selbst‹.


    Da holen wir nach:


    [34] Loslassen [führt zum] ›Von-selbst‹, der Körper vergeht nicht [und] bleibt nicht.


    Dao De Jing:

    [29] Will einer die Welt an sich nehmen

    und an ihr handeln -

    Ich sehe, daß es ihm nicht gelingt.

    Nun,

    die Welt ist ein heiliges Gefäß

    und nicht etwas, woran man handelt.

    Wer handelt, scheitert dabei.

    Wer festhält, verliert's.


    Im Link oben (wu wei → Nichthandeln im Sinne von Enthaltung eines gegen die Natur (Natur allgemein aber auch im Sinne gegen die Natur des Menschen) gerichteten Handelns):

    Das DAO handelt nicht – und nichts bleibt ungetan (dào wú weí ér wú bù weí)


    [58] Die Klarheit der ›Leere‹ strahlt von selbst, ohne [dass du] die Kraft des Geistes bemühst.


    [59] Denken ermisst nicht [ihren] Zustand, Wissen [und] Gefühl [können sie] unmöglich ergründen.


    Das DAO existiert, ist aber durch Sinnlichkeit, Worte, Verstand, Vernunft sprich Perzeption nicht ergründbar.


    [64] [Diese] Lehre treibt nicht an [und] zieht nicht in die Länge – ein einziger Gedanke [umfasst] zehntausend Jahre!


    „zehntausend“ heißt immer alle:

    Das DAO als Grund der Welt gilt für alle Zeiten,

    dieses DAO, durch Sinnlichkeit, Worte/Sprache, Verstand, Vernunft nicht ergründbar gilt immer,

    deshalb:


    [73] [Ist] das DAO der Sprache abgeschnitten, [gibt es] kein ›Vergangen‹, [kein] ›Zukünftig‹, [kein] ›Jetzt‹ mehr.

    Wieder mal alles sehr interessant, man liest mit viel Gewinn.


    Ich möchte nur noch zwei Sachen erweiternd zur Diskussion dazufügen:


    1) Die Übersetzung des Xin-xin-ming / Shinjinmei von Dietrich Roloff, z.B.:

    ‎ZEN - „Der Duft Hunderter von Blumen“
    ‎Nonfiction · 2019
    books.apple.com


    ZEN - „Der Duft Hunderter von Blumen“

    Das Shinjinmei des Seng-can / Sôsan und die ‚Lehrreden‘ des Hong-zhi Zheng-jue / Wanshi Shôgaku


    wobei „Der Duft Hunderter von Blumen“ ein Zitat aus einem Gedicht von Du Fu (712 – 770) ist:

    „Beständig denke ich an Jiang-nan im Monat März –

    Die Rebhühner rufen und der Duft Hunderter von Blumen“

    von dem nur mehr diese zwei Zeilen erhalten sind, überliefert in Koan 24 Wu-men-guan.



    2) Es ist nun so, dass der erste Satz des Xin-xin-ming / Shinjinmei schon im zweiten Koan des Bi-Yan-Lu zitiert wird:


    Xin-xin-ming:


    wie hier:

    Das Erlangen des Weges ist nicht schwierig, du musst nur auswählen und unterscheiden ablehnen.


    oder Dietrich Roloff (s.o.):

    Das DAO zu erreichen [ist] nicht schwierig – [du musst] nur das Auswählen von dir tun!


    Wobei DAO als der Urgrund der Welt zu verstehen ist, woraus sich dann auf seinen Wegen alles entwickelt → De = Tugendkraft im Sinne von Wirkkraft.


    Dazu zweites Koan Bi-Yan-Lu Übersetzung Wilhelm Gundert:


    Dschau-dschou sagte bei der Unterweisung seiner Bruderschaft:

    Der höchste Weg ist gar nicht schwer,

    Nur Abhold wählerischer Wahl.

    Redet man davon auch nur ein klein bisschen, so heißt es schon: Hier wählerische Wahl, hier wolkenlose Klarheit. Der alte Mönch hier steht nicht in der wolkenlosen Klarheit. Ihr da, ihr hütet sie und haltet, wie ich dächte, sie trotzdem hoch – oder ist es nicht so?

    Nun war da ein Mönch, der fragte: Wenn man schon nicht in der wolkenlosen Klarheit steht, was soll man dann hüten und hochhalten?

    Dschau-dschou erwiderte: Ich weiß es auch nicht.

    Da fragte der Mönch: Ehrwürdiger, wenn ihr das schon nicht wißt, wieso sagtet ihr dann doch, ihr steht nicht in der wolkenlosen Klarheit?

    Dschau-dschou erwiderte: Das Fragen nach der Sache hast du jetzt gehabt. Mach Deine Verbeugung und tritt zurück.


    Oder zweites Koan Bi-Yan-Lu Übersetzung Dietrich Roloff:


    Zhao-zhou wandte sich an die Gemeinde [der Mönche] und sagte: „Das DAO zu erreichen ist nicht schwierig; es gilt nur, sich vom Auswählen und Vorziehen loszusagen. Kaum dass sich Worte und Sprache einstellen, wird daraus ein Auswählen und Vorziehen, wird daraus ein Verstehen. Doch dieser alte Mönch hier weilt nicht [mehr] im Verstehen. Leute wie ihr es seid – [Ihr] bewahrt es vielmehr und schont es, oder nicht?“

    Nun war da ein Mönch, der wissen wollte: „Da [Ihr] nun nicht [mehr] im Verstehen weilt, was gäbe es dann noch zu bewahren und zu schonen?“

    Zhao-zhou sagte: „Ich weiß [das] auch nicht“

    Der Mönch sagte: „Da Ehrwürden [das] nun nicht weiß, warum sagt [Ihr] dann trotzdem, [Ihr] weiltet nicht [mehr] im Verstehen?“

    Zhao-zhou sagte: „Nach [Deiner] Sache zu fragen hast [Du] jetzt Gelegenheit gehabt:

    Mach [Deine] Verbeugung und zieh Dich zurück!“


    Schon mal als Warnung: Das ist kein Rückzieher Zhao-zhous, so einer verliert nicht!


    Vielmehr geht es um:


    „Ich wähle nicht wählen“

    1) „Ich wähle nicht wählen“ --> ich wähle also nicht (!), also ist mein Wählen zu negieren zu „nicht: Ich wähle nicht wählen“

    2) ich kann also wählen

    1) „Ich wähle nicht wählen“ ...

    2) ......

    1) ....

    2) ...

    .....

    ...

    Das ist ein ewiger Kreis, der paradoxer weise alternierend widersprüchliches zu beweisen scheint, was Unsinn ist. Es gibt nur eine Möglichkeit, so dass es keine ewiger Kreis ist:

    Der schlaue Fuchs Zhao-zhou sieht das genau und schneidet an der richtigen Stelle ab:

    „Mach deine Verbeugung und zieh dich zurück!“



    Nun ist bei Roloff die Verbindung von (Ur-) Daoismus und Chan gegeben, als vom DAO als die Wurzel von allem.


    Chan, als Beispiel das Koan Wu (Übersetzung immer Roloff):


    Cong-rong-ru Koan 18

    oder

    Wu-men-guan (= die „da ist nichts (!) Schranke“ vor dem Chan Tor) Koan 1:

    Weil ein Mönch ihn fragte:

    Hat auch ein Hund das Buddha-Wesen oder nicht?

    Sagte Zhao-Zhou:

    Wu


    „Wu“ kann nun bedeuten: „Da ist das Nichts“ aber auch „Da ist nichts!“, was nicht das selbe ist, aber dazu:


    Da dieses „Nichts“ als durch Sinnlichkeit, Worte, Verstand, Vernunft im letzten Grund nicht erschließbar gilt, wird es in der Praxis auch egal, ob wir sagen „da ist das Nichts“ oder „Da ist nichts!“.

    Dazu:

    Wu-men-guan Koan 30:

    Also der Geist (DAO/Ding an sich) ist Buddha:

    Weil Da-mei ihn fragte: „Was ist mit Buddha?“, sagte Ma-zu:

    „Also der Geist ist Buddha“

    Wu-men-guan Koan 33:

    Nicht Geist, nicht Buddha:

    Weil ein Mönch ihn fragte: „Was ist mit Buddha?“, sagte Ma-zu:

    „nicht Geist, nicht Buddha!“


    So verschieden Wu-men-guan 30 und 33 auch sein mögen: In der Wirkung der letztlichen (!) Unerreichbarkeit des Grundes der Welt durch Sinnlichkeit, Worte, Verstand, Vernunft, entweder da dieser Grund nicht existiert oder da er existiert aber durch Sinnlichkeit, Worte, Verstand, Vernunft nicht erreichbar ist, sind sie gleich und das reicht, das ist der Punkt. Mehr interessiert nicht.



    In der Philosophie des Dao wird es als existierend aber ebenfalls als durch Sinnlichkeit, Worte, Verstand, Vernunft unerschließbar angenommen:

    Laozi, Dao De Jing, 1:

    Ein Dao -

    kann es als Dao bestimmt werden,

    ist es kein stetiges Dao (könnte man etwas als Dao bestimmen, wäre es nicht das Dao)

    Ein Name -

    kann er als Name bestimmt werden,

    ist er kein stetiger Name.

    Keinen-Namen-habend

    ist der Beginn der zehntausend Dinge.

    Namen-habend

    ist die Mutter der zehntausend Dinge.


    Dazu nochmals Chan:

    Cong-rong-lu Koan 74:

    Fa-yans “Urstoff und Manien"

    Ankündigung des Koan:

    Fülle besitzt zehntausend Kräfte und Fähigkeiten: gereinigt ist sie ohne noch so

    feinen Staub; allen Formen steht sie fern und ist zugleich die Gesamtheit der

    Dinge. - Von der Spitze (der Shunyata) einer hundert Fuß hohen Stange vorwärtsschreiten: das

    Weltall der Zehn Richtungen ist dann dein vollständiger Leib!

    Nun sag mal: Unter welchen Umständen willst du das erlangen?

    Beispiel:

    Ein Mönch fragte Fa-yan: “Ich habe mich belehren lassen, dass es da den Satz gibt:

    Aus einem nicht da seienden (auch existierenden aber nicht erreichbaren) Ursprung steht die Gesamtheit der Dinge da.

    Was ist dieser nicht da seiende Ursprung?"

    Fa-yan sagte: “Die Erscheinungen entspringen einem nicht vorhandenen (auch existierenden aber nicht erreichbaren) Urstoff; die Namen gehen aus dem hervor, was noch keinen Namen hat.“









    Und schon haben wir das nächste, wo sich Dao und Chan gleichen:


    Es geht um Erscheinung, dann Vorstellung und sonst nichts:


    Cong Rong Lu 57:

    Yan-yangs “Kein einziges Ding“:

    Ankündigung:

    Wer mit Spiegelbildern spielt, um so der Erscheinungen habhaft zu werden,

    Der weiß nicht, dass die Erscheinungen der Ursprung der Spiegelbilder sind.

    Wer die Stimme erhebt, um dem Echo Einhalt zu gebieten,

    Der weiß nicht, dass die Stimme der Ursprung des Echos ist.

    Wenn das nicht heißt, auf einem Ochsen reitend nach dem

    Ochsen zu suchen, dann bedeutet es, mittels eines Keils einen Keil zu entfemen.

    Wie kannst du diese Fehler vermeiden?

    Beispiel:

    Der Ehrenwerte Yan-yang fragte Zhao-zhou: “Wenn einer nicht ein einziges Ding mitbringt, was dann?"

    Zhao-zhou sagte: “Legt es ab, ein für alle Mal!"

    Yan-yang sagte: “Wenn er nicht ein einziges Ding mitbringt, was soll er dann ablegen?"

    Zhao-zhou sagte: “Wenn das so ist, dann tragt die Last mit Euch fort!"

    → Es geht um das „Leben“ !!!!!!!!


    Dazu: Die Erscheinungen detektieren wir mit den 5 Sinnen plus dem kausalen Verstand, das ergibt die 6 Sinne des Chan, das ergibt die Spiegelbilder aus den 6 Sinnen und wie das Wort Spiegelbilder schon besagt: Es ist Erscheinung als Abbild von was, dann Vorstellung und sonst nichts.

    Die Spiegelbilder sind also nur so was wie Abbilder einer nicht erreichbaren Realität, des DAO als Grund der Welt, schon gleich sind sie nicht das DAO.


    Und nochmals Laozi, Dao De Jing, 1:

    ...

    Keinen-Namen-habend

    ist der Beginn der zehntausend Dinge.

    Namen-habend

    ist die Mutter der zehntausend Dinge.

    Denn man kann nur Erscheinung benamen.


    Und so schließt sich der Kreis von Dao und Chan.


    Man kann das DAO also nicht durch Sinnlichkeit, Worte, Verstand, Vernunft erreichen, aber man kann persönlich diesbezüglich eine individuelle Erfahrung einer Annäherung machen und da bietet das Chan die große Hilfe über die Erkenntnisse des (Ur-) Daoismus hinaus: Durch Zazen zur Erfahrung der Shunyata.

    Dieser Weg wird dann für den Laien bezeichnet als eine Herberge auf dem Lebensweg, in die man immer wieder einkehrt.



    Vielleicht noch ein paar selektierte / unvollständige Interpretationen, Nummerierung wie beim Link oben; worauf bei den alten Chinesen immer zu achten ist, das ist, dass alle Mosaiksteinchen lokaler Interpretation (z.B. einer Interpretation von ein paar Zeilen) zusammengefügt ein konsistentes Bild ergeben, da sie Darlegungen von verschiedenen Seiten eines einzigen konsistenten Grundgedankens sind:


    [1] Das DAO zu erreichen [ist] nicht schwierig – [du musst] nur das Auswählen von dir tun!


    Das DAO als hier als der Urgrund der Welt zu sehen, als das „Seiende“, es hat kein Ziel und ist somit einfach banal und somit weder gut noch böse. So was wie „Sinn“ ist nicht einmal definiert und somit auch nicht „kein Sinn“ oder „sinnlos“. Alle Koan die mit „Was ist der Sinn von …?“ beginnen fallen da darunter: Somit kann man nicht einmal sagen, dass schon solche Fragen „sinnlos“ sind, da „Sinn“ und somit auch „sinnlos“ nicht definiert und auf der Basis des DAO nicht definierbar sind (im täglichen Leben schon, aber wir sind hier beim DAO). Machen sie sich die Mühe und lesen sie Koan, die beginnen mit „Was ist der Sinn von …?“ im Bi-Yan-Lu, Cong-Rong-Lu, Wu-men-guan, wie die alten chinesischen Meister das handhaben ;-D mach Deine Verbeugung und tritt zurück.


    [2] [Du darfst] nur nicht verabscheuen [und] lieben, [dann] durchdringst [du es und] verstehst!


    Die Unerreichbarkeit des DAO durch Sinnlichkeit, Worte, Verstand, Vernunft heißt nicht, dass man nicht eine gewisse persönliche Erfahrung darüber gewinnen kann. Dazu ist Voraussetzung zu begreifen, dass das DAO weder gut noch böse ist und kein Ziel hat, [dann] durchdringst [du es und] verstehst!

    In keinster Weise bedeutet das, dass man in seinem weltlichen Dasein als Teil der 10000 Wesen nicht lieben soll, im Gegenteil.


    [4] Willst [du] erreichen, [dass es (das DAO)] vor [dir] erscheint, [dann] halte nicht fest an ›Günstig‹ und ›Ungünstig‹!


    Das DAO kennt das nicht, ansonsten analog oben.


    [8] Weil [du] erwählst [und] verwirfst, deshalb [erreichst du] nicht die ›Soheit‹!


    Soheit = DAO als Urgrund der Welt


    [12] Versperre nur die Seite der Zweiheit, sei lieber vertraut mit dem Samen des Einen!


    [13] [Hast du] den Samen des Einen nicht verstanden, verliert die Seite der Zweiheit [ihr] Verdienst.


    Nur ohne Dualität kann man eine Erfahrung des DAO erreichen. Das heißt nicht, dass man nur hier verweilen soll, wenn auch immer wieder als Herberge auf dem Lebensweg. Es gibt auch noch die ganze Welt, in der wir leben und wo wir auch leben sollen, weil wir sonst nichts anderes haben.


    [14] Verbannst [du] das Sein, ist kein Sein vorhanden; fügst [du dich] der ›Leere‹, handelst [du] der ›Leere‹ zuwider.


    Das ist die Aufforderung mit der Erfahrung und Hilfe der Shunyata im Leben zu stehen.


    [17] Kehrst [du] zum Ursprung zurück, erlangst [du] den Sinn das Ziel; folgst [du] den Spiegelbildern, verlierst [du] den Ahnherrn.


    Die Erscheinungen detektieren wir mit den 5 Sinnen plus dem kausalen Verstand, das ergibt die 6 Sinne des Chan, das ergibt die Spiegelbilder aus den 6 Sinnen und wie das Wort Spiegelbilder schon besagt: Es ist Erscheinung dann Vorstellung und sonst nichts.

    Die Spiegelbilder sind also nur so was wie Abbilder einer nicht erreichbaren Realität, schon gleich sind sie nicht das DAO, aber sie sind auch unser Leben.


    Dazu auch aus Die Lehrreden des Hong-zhi Zheng-jue / Wanshi Shôgaku (auch Link oben):

    [15] Das DAO (als Grund der Welt) schlendert im Kreisen; [es] kehrt ein in die Leere und vergisst die Erscheinungen; [es ist] das Äußerste an Reinheit und Klarheit [und] aus sich selbst heraus hell; als Helle [aber tut es] nur [eins, nämlich] aus sich selbst heraus zu strahlen …

    Verlasst [euch] einzig auf den Ursprung [, der] den Wandel (von schlichtweg allem, mit Bezug auf den Menschen siehe Buch der Wandlungen, auch Veränderung) hervorruft. Niemand erleidet [dann] die Ungelegenheiten der seidendünnen Schattenbilder [in] diesem Zwischenraum = Höhle.

    [45] Geht hin, das gelassene Schlendern vollständig auszuführen! Schneidet ohne Mitte [und] Grenze [alle] Ecken [und] Kanten ab. [Seid] ein glatt gewalzter Boden (wörtl. ›ein Boden runder Walzen‹) [und] obendrein eine leere Höhle ohne Schmutz.


    Also: Das DAO ist der Grund der Welt, sein Strahlen generiert die Schattenbilder an den Wänden der Höhle (das erinnert an Platons Höhlengleichnis, aber ohne Platons metaphysischen Klimbim), die Schattenbilder sind das, was wir mit unseren 6 Sinnen (und allem was wir auch mit modernsten Methoden messen können) wahrnehmen.


    Kommen wir also zum DAO zurück, erreichen wir das Ziel. Verharren wir bei den Spiegelbildern - den Erscheinungen und unserer Vorstellung, verlieren wir es.


    [18] Wendest [du dich nur] einen Augenblick zu den Spiegelbildern zurück, überwindest [du] das Verwerfen [der Dinge] angesichts der ›Leere‹.


    [19] Wechselst [du] angesichts der ›Leere‹ [zur] Veränderung, geht alles von [deiner] falschen Ansicht aus.


    Hier mal direkt vom Link oben:

    Inhaltlich gesehen geht es in diesen beiden Doppelzeilen darum, wie wir uns zu dem Gegensatz von ›Leere‹ und Dingen der Welt verhalten sollen, Letztere hier durch die Begriffe ›Spiegelbilder‹ und ›Veränderung‹ vertreten. Das Xin-xin-ming verwirft beide möglichen Arten von Einseitigkeit: Sich allein der ›Leere‹ zuzuwenden (innerhalb derer es laut Herz-Sûtra Veränderung nicht gibt) und dabei die Dinge der Welt zu verwerfen ist ebenso falsch wie anstelle der ›Leere‹ nur die Dinge der Welt gelten zu lassen und die ›Leere‹ zu verwerfen; richtiges Verhalten besteht – typisch für den Chan-Buddhismus – stattdessen darin, im Angesicht der ›Leere‹ zugleich den Dingen der Welt einen eigenen Wert zuzuerkennen.


    [20] Nutzlos, nach dem ›wahrhaft Wirklichen‹ zu suchen – [du] musst nur aufhören, eine Ansicht [zu haben].


    Das DAO als Grund der Welt ist durch Sinnlichkeit, Worte, Verstand, Vernunft nicht erreichbar aber durch aufhören, eine Ansicht zu haben, durch Zazen zur Erfahrung der Shunyata, annäherbar.


    [22] Kaum gibt es ›Richtig‹ [und] ›Falsch‹, verlierst [du] verworren den Geist.


    Das DAO als Grund der Welt kennt weder gut noch böse, weder richtig noch falsch.


    [23] Zweiheit hängt [davon] ab, [dass] es das Eine gibt, [doch] ebenso erhalte [auch] das Eine nicht aufrecht.


    Aus dem DAO folgt die Welt, aber auch aus Zazen zur Erfahrung der Shunyata, des DAO, folgt unser Leben in der Welt.


    [24] [Steht] der eine Geist (das DAO als Grundlage für die Welt) nicht [als] Hauptsache [da], [erscheinen] die Zehntausend Dinge ohne Fehler.


    Was aber das immerwährende Einkehren in die Shunyata als Herberge impliziert, nach dem aber, was hier steht, nicht als Selbstzweck sondern als Hilfe zum Leben.

    Ein sehr schöner Text:


    Als Linji Kiefern pflanzte, fragte Huangbo: »Warum pflanzt du hier tief in den Bergen so viele Kiefern?«

    Linji sagte: »Erstens wegen der Landschaft um den Tempel. Zweitens, um den Menschen danach ein Zeichen zu setzen« und stieß dann mit seiner Hacke dreimal auf den Boden.

    Dann schwang er wieder seine Hacke und grub weiter.

    Huangbo sagte: »Wie dem auch sei, auf jeden Fall hast du dir dreißig Schläge mit dem Stock verdient.«

    Linji schwang weiter seine Hacke und schnob bei jedem Hieb hörbar den Atem aus.

    Huangbo sagte: »Du hast bereits dreißig Schläge von meinem Stock gekostet.«

    Linji nahm nochmals die Hacke, stieß damit dreimal auf den Boden und machte einen tiefen Atemzug.

    Huangbo sagte: »Mit dir wird meine Lehre in der Welt gedeihen!«


    Man muss auch Kiefern pflanzen … und mit Kiefern ist vieles gemeint.

    Wenn man ein bisschen Zeit hat, dann läuft wieder die Denke an:



    Chan und Philosophie-Studium - passt das zusammen?


    Klar passt das zusammen.



    Erst mal das Negative:


    »Byung-Chul Han schreibt:


    Auch in seiner Religionsphilosophie zerrt Hegel das Andere rigoros ins Eigene. Er zwängt es in die Kategorien des eigenen Denkens, die dem Anderen überhaupt nicht angemessen sind, die seine Andersheit gerade verschwinden lassen. Dieses hermeneutische Verfahren, bei dem viel Gewalt im Spiel ist (Hegel würde von der Macht des Geistes sprechen, ohne die jene »Heimatlichkeit« nicht möglich wäre), läßt sich exemplarisch bei Hegels Interpretation der buddhistischen Religion, nämlich bei Hegels Buddhismus beobachten. Nur im Eigenen sieht Hegel das Vollkommene. Im Anderen dagegen erblickt er das fehlende Eigene. Diese Sicht aufs Fremde bleibt bestimmend für die ganze Religionskomparatistik. Von einer inter-kulturellen Religionskomparatistik kann deshalb nicht die Rede sein, weil die eigene Kultur die Mitte besetzt und das Andere an den Rand gedrängt wird. So erklärt Hegel die christliche Religion zur »vollendeten Religion.


    Hegel projiziert die zur vollendeten Religion erklärte christliche Religion auf den Buddhismus, läßt diesen dadurch als unvollkommen erscheinen.«


    Dass das die übliche Hegelsche Begrenztheit ist, ist offensichtlich. Man sollte es nicht Philosophie nennen.



    Aber, interessante Beispiele, mit Betonung auf Beispiele:


    Da ist die Verbindung von Daoismus, Chan, Schopenhauer und Nietzsche, was die Wurzel von allem ist:



    Chan, als Beispiel das Koan Wu (Übersetzung immer Roloff):

    Cong-rong-ru Koan 18:

    Wu-men-guan (= die „da ist nichts Schranke“ vor dem Chan Tor) Koan 1:

    Weil ein Mönch ihn fragte:

    Hat auch ein Hund das Buddha-Wesen oder nicht?

    Sagte Zhao-Zhou:

    Wu


    „Wu“ kann nun bedeuten: „Da ist das Nichts“ aber auch „Da ist nichts!“, was nicht das selbe ist, aber dazu:


    Da dieses „Nichts“ als nicht erschließbar gilt, wird es in der Praxis auch egal, ob wir sagen „da ist das Nichts“ oder „Da ist nichts!“.

    Dazu:

    Wu-men-guan Koan 30:

    Also der Geist (Ding an sich) ist Buddha

    Weil Da-.mei ihn fragte: „Was ist mit Buddha?“, sagte Ma-zu:

    „Also der Geist ist Buddha“

    Wu-men-guan Koan 33:

    Nicht Geist, nicht Buddha

    Weil ein Mönch ihn fragte: „Was ist mit Buddha?“, sagte Ma-zu:

    „nicht Geist, nicht Buddha!“

    So verschieden Wu-men-guan 30 und 33 sein mögen: In der Wirkung der letztlichen (!) Unerreichbarkeit sind sie gleich.


    In der Philosophie des Dao wird es als existierend aber ebenfalls als unerschließbar angenommen:

    Laozi, Dao De Jing, 1:

    Ein Dao -

    kann es als Dao bestimmt werden,

    ist es kein stetiges Dao (könnte man etwas als Dao bestimmen, wäre es nicht das Dao)

    Ein Name -

    kann er als Name bestimmt werden,

    ist er kein stetiger Name.

    Keinen-Namen-habend

    ist der Beginn der zehntausend Dinge.

    Namen-habend

    ist die Mutter der zehntausend Dinge.


    Dazu nochmals Chan:

    Cong-rong-lu Koan 74:

    Fa-yans “Urstoff und Manien"

    Ankündigung

    Fülle besitzt zehntausend Kräfte und Fähigkeiten: gereinigt ist sie ohne noch so

    feinen Staub; allen Formen steht sie fern: und ist zugleich die Gesamtheit der

    Dinge. - Von der Spitze einer hundert Fuß hohen Stange vorwärtsschreiten: das

    Weltall der Zehn Richtungen ist dann dein vollständiger Leib

    Nun sag mal: Unter welchen Umständen willst du das erlangen?

    Beispiel

    Ein Mönch fragte Fa-yan: “Ich habe mich belehren lassen, dass es da den Satz gibt:

    Aus einem nicht da seienden Ursprung steht die Gesamtheit der Dinge da.

    Was ist dieser nicht da seiende Ursprung?"

    Fa-yan

    sagte: “Die Erscheinungen entspringen einem nicht vorhandenen Urstoff; die

    Namen gehen aus dem hervor, was noch keinen Namen hat.“


    Bei Schopenhauer ist gleichzusetzen Dao = „Ding an sich“, und auch er schreibt:

    Warum unsere Erkenntnis des Dinges an sich keine erschöpfende, adäquate ist.

    Die innere Wahrnehmung (Shunyata), welche wir von unserm eigenen Wesen haben, ist zwar der einzige Weg, zur Erkenntnis des Wesens an sich der Dinge zu gelangen; aber diese Erkenntnis ist keine erschöpfende, adäquate. Denn, obgleich die Selbsterkenntnis eine unmittelbarere ist, als die der Außendinge, so ist sie doch keine ganz unmittelbare (Shunyata), da auch sie noch an die Form der Vorstellung gebundene Wahrnehmung ist und als solche in Subjekt und Objekt, in ein Erkennendes und Erkanntes zerfällt. Also auch in der inneren Erkenntnis findet noch ein Unterschied statt zwischen dem Sein an sich ihres Objekts und der Wahrnehmung desselben im erkennenden Subjekt. Jedoch ist die innere Erkenntnis (Shunyata) von zwei Formen frei, welche der äußeren anhängen, nämlich von der des Raumes und der Kausalität. Hingegen bleibt noch die Form der Zeit, wie auch die des Erkanntwerdens und Erkennens überhaupt. Demnach hat in dieser inneren Erkenntnis das Ding an sich seine Schleier zwar großen Teils abgeworfen, tritt aber doch noch nicht ganz nackt auf. (W. II, 220. 563 fg.)

    Die vollkommenste Erkennbarkeit, d. h. die größte Klarheit, Deutlichkeit und erschöpfende Ergründlichkeit kommt nur Dem zu, was der Erkenntnis als solcher eigen ist, also der apriorischen Form der Erkenntnis, nicht aber Dem, was, an sich nicht Vorstellung, nicht Objekt, erst durch das Eingehen in diese Formen erkennbar, d. h. Vorstellung, Objekt geworden ist. Jeder Inhalt, den die Formen bekommen, enthält schon etwas nicht mehr vollständig seinem ganzen Wesen nach Erkennbares, also etwas Grundloses, wodurch sogleich die Erkenntnis an Evidenz verliert und die vollkommene Durchsichtigkeit einbüßt. Dieses der Ergründung sich Entziehende ist eben das Ding an sich, ist dasjenige, was wesentlich nicht Vorstellung, nicht Objekt der Erkenntnis ist, sondern erst indem es in jene Form einging, erkennbar geworden ist. (W. I, 144.)

    Die Erkenntnis und die Vielheit, oder Individuation, stehen und fallen mit einander, indem sie sich gegenseitig bedingen (Anmerkung: Kausalität der Wandlungen). Hieraus ist zu schließen, dass jenseits der Erscheinung, im Wesen an sich aller Dinge, welchem Zeit und Raum, und deshalb auch die Vielheit fremd sein muss (!), auch keine Erkenntnis vorhanden sein kann. Ein Erkennen der Dinge an sich im strengsten Sinne des Worts, wäre demnach schon darum unmöglich, weil, wo das Wesen an sich der Dinge anfängt, das Erkennen wegfällt, und alle Erkenntnis schon grundwesentlich bloß auf Erscheinungen geht. (W. II, 311.)


    Da haben wir es wieder, wie schon im Dao wie im Chan.


    Wir haben im Dao, Chan und bei Schopenhauer also die selbe Wurzel, woraus sich eine vergleichbare Philosophie entwickelt.


    Und schon haben wir das nächste, wo sich Dao, Chan und Schopenhauer gleichen:


    Es geht um Erscheinung, dann Vorstellung und sonst nichts:


    … an die Form der Vorstellung gebundene Wahrnehmung ist und als solche in Subjekt und Objekt, in ein Erkennendes und Erkanntes zerfällt.

    … welche der äußeren Erkenntnis anhängen, nämlich von der des Raumes und der Kausalität. Die Kausalität kommt vom Verstand, der kausal ist und sonst nichts, so ergibt sich die Vorstellung.

    … Hieraus ist zu schließen, dass jenseits der Erscheinung, im Wesen an sich aller Dinge, welchem Zeit und Raum, und deshalb auch die Vielheit fremd sein muss, auch keine Erkenntnis vorhanden sein kann. Ein Erkennen der Dinge an sich im strengsten Sinne des Worts, wäre demnach schon darum unmöglich, weil, wo das Wesen an sich der Dinge anfängt, das Erkennen wegfällt, und alle Erkenntnis schon grundwesentlich bloß auf Erscheinungen geht.


    Man könnte das Werk Schopenhauers auch nennen:

    „Die Welt als Wille=Dao und Vorstellung“


    Es soll auch (nur mal) ein Chan-Beispiel nicht fehlen:

    Cong Rong Lu:

    57. Yan-yangs

    “Kein einziges Ding“

    > Ankündigung

    Wer mit Spiegelbildern spielt, um so der Erscheinungen

    habhaft zu werden,

    Der weiß nicht, dass die Erscheinungen der Ursprung der

    Spiegelbilder sind.

    Wer die Stimme erhebt, um dem Echo Einhalt zu gebieten,

    Der weiß nicht, dass die Stimme der Ursprung des Echos ist.

    Wenn das nicht heißt, auf einem Ochsen reitend nach dem

    Ochsen zu suchen, dann bedeutet es, mittels eines Keils einen Keil zu entfemen.

    Wie kannst du diese Fehler vermeiden?

    > Beispiel

    Der Ehrenwerte Yan-yang fragte Zhao-zhou: “Wenn einer nicht

    ein einziges Ding mitbringt, was dann?"

    Zhao-zhou sagte: “Legt es ab, ein für alle Mal!"

    Yan-yang sagte: “Wenn er nicht ein einziges Ding mitbringt,

    was soll er dann ablegen?"

    Zhao-zhou sagte: “Wenn das so ist, dann tragt die Last mit

    Euch fort!" → Es geht um das „Leben“ !!!!!!!!


    Dazu: Die Erscheinungen detektieren wir mit den 5 Sinnen plus dem kausalen Verstand, das ergibt die 6 Sinne des Chan, das ergibt die Spiegelbilder aus den 6 Sinnen und wie das Wort Spiegelbilder schon besagt: Es ist Erscheinung dann Vorstellung und sonst nichts.


    Und nochmals Laozi, Dao De Jing, 1:

    ...

    Keinen-Namen-habend

    ist der Beginn der zehntausend Dinge.

    Namen-habend

    ist die Mutter der zehntausend Dinge.

    Denn man kann nur Erscheinung benamen.


    Und so schließt sich der Kreis von Dao, Chan und Schopenhauer … und auch Nietzsche … und somit auch der Kreis von Chan und Philosophie.




    Man braucht schon auch den Kopf dazu, was sollten ansonsten die ganzen Koan Sammlungen und Studien?


    Vor allem die Rinzai-Schule zeichnet sich durch die Koan-Arbeit aus, was aber andere Wege nicht abwertet!


    Natürlich ist Dao, Chan und entsprechende Philosophie für des Individuum, hat aber auch Wirkung auf die Gesellschaft. Das geht bis zu einer ökonomischen Philosophie.


    Ich hab dazu 2 Anhänge drangehängt.


    Das „da ist nichts“ des Mahayana und vor allem des Chan endet nicht im Nihilismus … im Gegenteil: Es geht darum mit Hilfe des Chan als immer wiederkehrende Herberge im Lauf des Lebens „zu leben“.



    Und wenn der Kopf sich nicht mehr sträubt, dann steht dem Chan nichts mehr im Weg.


    Bitte melde dich an, um diesen Anhang zu sehen.

    Bitte melde dich an, um diesen Anhang zu sehen.

    Bi-Yan-Lu 25:

    ... Der Einsiedler hat gesagt: „(zu guter letzt:) Letzten Endes, was denn dann?“ „Sich eine Eschenholzstange mit Weichkastanien über die Schulter legen und (mit Chan aber) ohne Rücksicht auf jemanden hinein in die Welt der tausend und zehntausend Gipfel gehen.“


    „ohne Rücksicht auf jemanden" heißt natürlich nicht ohne Mitleid sein, sondern sich „selbst" entfalten, anstreben auf seinen eigenen zu Beinen stehen. Jetzt sind wir wieder bei Zhuang Zi (z.B. das Koch Kapitel) und Lao-Zi:

    Dao-De-Jing:

    57:

    Darum sagt der Heilige Mensch (Herrscher in China):

    Ich bin ohne tun,

    Und das Volk wird von selbst sich entfalten.

    48:

    (Herrscher) bleib ohne Tun,

    Nichts, das dann (durch uns alle zusammen) ungetan bliebe.

    Empfinde ich genau so, außerdem alles voller Saft und Kraft, eine Wohltat.



    Es ist doch so: Der Kopf ist Teil des Menschen, sträubt sich der Kopf, nimmt es der Mensch nicht auf. Würde da einer verlangen zu glauben, dass 1 mal 1 gleich Null ist, dann geht das nicht. Bei Lin-ji, Dao, Koan sträubt sich nichts, im Gegenteil, das rutscht. Oft benutzt Lin-ji noch die alten Worte als Metaphern, dass er in seiner Zeit verstanden wurde, oft spricht er Klartext voller Kraft. Oft führt er die Leute hinters Licht indem er sie wählen lässt, dann gibts Prügel, wird wohl nicht so schlimm gewesen sein :). Da sträubt sich nichts, das nimmt der Mensch auf.



    Nun ist es so, dass Lin-ji immer die Übenden bzw. Glatzköpfe anspricht, also die Mönche meint. Aber was heißt das für den Menschen wie er rumläuft, ob er nun am Bau arbeitet, Bauer ist, Bücher schreibt, im Supermarkt an der Kasse sitzt, der Kaiser von China ist, Ministerpräsident ist, Arzt ist, irgendein Angestellter ist, verheiratet ist oder nicht?



    Von Lin-ji geht die Rinzai Schule aus und genau diese sieht Koanstudium als wesentlich an. Man kann dazu also Koan befragen, nur Beispiele von vielen:


    Zitat


    Hier alles entweder aus Bi-Yan-Lu oder aus Huang-bo und das Mumonkan (Wu-men-guan), Windpferd Verlag, von Dietrich Roloff:


    Sehr verkürzt:


    Wu-men-guan 35:

    Kommentar von Wu-men:

    Wenn du in diesem Punkt zur Wahrheit erwacht bist, dann weißt du sogleich, dass das Heraustreten aus der Hülle (des Menschen des täglichen Lebens) und das Eintreten in die Hülle (des täglichen Lebens) wie das (wiederholte) Übernachten in einer Herberge (des „Wu“) für Reisende ist.


    Wu-men-guan 46:

    Das Koan zitiert ein Gedicht von Chang-sha:

    „Ein Mensch, der oben auf einer hundert Fuß hohen Stange sitzt

    Obwohl er den Zugang erlang hat, ist das noch nicht das Wahre.

    Oben auf einer hundert Fuß hohen Stange (des „Wu“) musst du vorwärtsschreiten

    In der Welt der Zehn Richtungen deinen vollständigen Leib zeigen.“


    Auch Nan-quans genügsamer Wasserbüffel, der im Leben seine Pflicht tut:

    Zhaozhou fragte Nan-quan: „Ein Mensch, der es weiß (!!!), wo sollte er (dann!!!) hingehen?“

    Nan-quan: „Er sollte am Fuße des Hauses zu einem Wasserbüffel werden.“ Und weiter: „Gestern um Mitternacht schien das Mondlicht (Metapher für die Shunyata) aufs Fenster (erst dann und immer wieder).“


    Bi-Yan-Lu 40:

    ... „Himmel und Erde haben eine gemeinsame Wurzel und die 10000 Dinge sind ein einziger Leib, das ist doch höchst geheimnisvoll.“

    Nan-quan zeigte auf einen Blütenstrauch und sagte: „Die Menschen von heute schauen auf diesen Blütenstrauch, als wäre er ein Traum (es geht Nan-quan nicht nur um den Wasserbüffel, es geht auch um das schöne, nicht nur als Traum sondern real).“


    Bi-Yan-Lu 51:

    In Yuan-wus Ankündigung:

    Auch wenn du auf der Stelle den Ort der einsamen (!!!) Befreiung erreichst, könntest du nicht vermeiden, zehntausend Li nach dem Tor deines heimatlichen Dorfes (der Welt der 10000 Dinge) auszuschauen! Vermagst du denn dorthin zurückzukehren und auch tatsächlich dort anzukommen (weil wir sonst nichts haben)?


    Bi-Yan-Lu 18:

    Im Beispiel kommentiert Xue-dou (wohl vor Hakuin): „Eine Hand allein, nicht ein Laut!“ (eine Hand = Chan, die andere dazu dann die 10000 Dinge, die Welt, erst beide zusammen ergeben einen Laut)


    Bi-Yan-Lu 44:

    He-shan: 4 mal:

    Die Trommel hören

    Die Trommel hören

    Die Trommel hören

    Die Trommel hören

    bumm bumm bumm bumm bumm bumm bumm ...........


    Bi-Yan-Lu 25:

    ... Der Einsiedler hat gesagt: „(zu guter letzt:) Letzten Endes, was denn dann?“ „Sich eine Eschenholzstange mit Weichkastanien über die Schulter legen und (mit Chan aber) ohne Rücksicht auf jemanden hinein in die Welt der tausend und zehntausend Gipfel gehen.“


    Lin-ji vor dem Jahr 866!

    Wir haben an der Stelle schon mal gesagt, dass Chan das Maximum dessen ist, was man "zeigen" kann.

    Alles was darüber hinausgeht ist unbegründete Spekulation, was Meinung sowie Gegenmeinung hervorruft, beides ist möglich.

    Alles was darüber hinausgeht sind nur (verständliche?) menschliche Wünsche.

    Danke euch beiden.


    "Wenn ihr Buddha trefft , tötet Buddha" darf man natürlich nicht falsch verstehen;

    Ich habe kein Problem mit solcher Ausdrucksweise. Im Gegenteil, ich schätze die schonungslose, unmissverständliche, manchmal auch drastische / radikale Art, die im Dao / Chan / Zen keine Seltenheit ist.

    Es bewahrt einen immer wieder davor, sich falsche Vorstellungen zu machen oder in eine Trallala-Geistesträgheit zu verfallen. :)

    Danke, ich sehe das genauso, die alten Dao / Chan / Zen Chinesen waren nun mal keine "Winsler" ... die gibts woanders.


    Und wenn du schon Dao / Chan / Zen schreibst: Ja, man kann wohl überall, wo in der Übersetzung "Weg" steht, "Weg = DAO" stehen lassen.

    Lin-ji ist so 866 gestorben, also Tang Zeit, das Lin-ji Lu ist aber so vor 1120 entstanden, also Song Zeit, der Hochzeit des Chan. Die Sprache der Tang Zeit ist nicht die Sprache der Koan der Song Zeit, wo viel vom Indischen herübergeretteter Ballast abgeworfen ist. Chan ist wohl sehr, sehr chinesisch. Aber wie immer scheint das Chinesische voller Metaphern, nicht alle aber viele meinen was ganz ... ja soll man sagen einfaches.


    Aus dem Buch LINJI - Das Denken ist ein wilder Affe - O.W.BARTH Verlag - Seite 72

    Zitat

    10

    Frage: »Was ist Buddha und was ist Māra

    Der Meister sagte: »Ein Gedanke des Zweifels in eurem

    Geist ist Māra (indisches Relikt = Metapher, mehr nicht!). Wenn ihr erfasst, dass alle zehntausend

    Erscheinungen ohne Geburt sind, dass Geist wie ein Phantom

    ist und es weder ein Staubkorn noch ein Ding gibt und

    überall Reinheit ist – das ist Buddha (mehr nicht!). Deshalb sind Buddha

    und Māra zwei Zustände – der eine rein, der andere befleckt.

    Nach meiner Einsicht gibt es weder Buddha noch Lebewe-

    sen, weder Vergangenheit noch Gegenwart; diejenigen, die

    es erlangen, erlangen es ohne Zeitverstreichen, ohne Übung,

    ohne Beweise, ohne Gewinn und ohne Verlust. Zu allen Zeiten

    gibt es keine andere Lehre. Selbst wenn es zum Beispiel

    eine Lehre gäbe, die dies überschreitet, dann würde ich

    sagen, dass sie wie ein Traum oder ein Phantom ist. Das ist

    alles, was ich lehre.


    Passend dazu auch 23, 25 und 27 in Teil II - Unterweisungen



    "Wenn ihr Buddha trefft , tötet Buddha" darf man natürlich nicht falsch verstehen;

    man könnte es so übersetzen:

    Wenn du mit Chan Shunyata erreichst, dann ist da nichts mehr und wenn da nichts mehr ist, dann ist da auch kein Chan mehr.

    Ja,


    aber das Höhlen-Gleichnis-Bild Platons eignet sich zum "Einordnen der Begriffe" und da Platon es so "gezeichnet" hat, muss man es zitieren wenn man es verwendet. Es verhilft zu einer gewissen Ordnung.


    Ansonsten hab ich mit Platon bloß mal angefangen aber nicht durchgehalten.


    Bei Dao-De-Jing, Bi-Yan-Lu, Cong-Rong-Lu, Wu-Men-Guan ist es anders, man versteht zuerst keines Wegs alles, aber kaum ist man durch, möchte man gleich wieder vorne anfangen ... mit wieder mehr Gewinn ... .. .


    Schopenhauer und Nietzsche sind die zwei "Westler", die dazu zumindest nicht disjunkt sind (so wie Hegel, ach was solls, jeder wie er will), sie kommen zeitlich viel später und man liest sie auch öfter.


    Was einen fesselt sind dann die fa-yu als Lehrreden des Hong-zhi (der vom Cong-rong-lu), da kommen auch wörtlich die "Schattenbilder" als dasjenige vor, das den 6 Sinnen des Subjekts zugänglich ist (analog Höhlengleichnis, in der Übersetzung von Dietrich Roloff, für diejenigen, die wie ich leider, leider nicht Chinesisch können, aber super zu lesen, auch wenn man nicht mit jeder Kritik vollständig übereinstimmen muss), das ist wieder was !!!


    Im Westen geht das wohl Richtung Idealismus – Wikipedia (im Gegensatz zum Realismus) des 18ten Jahrhunderts, während Hong-zhi im 12ten zu finden ist und der Idealismus des Buddhismus wohl auf das 2te Jahrhundert (Mahayana dann Yogacara) mindestens (!!!) zurückgeht. Auch das entspricht dem Höhlengleichnis-Bild so wie oben richtigerweise "missbraucht", aber nicht Platon!


    Aber allmählich gehts in Bereiche, wo andere schreiben sollen, die mehr wissen.

    Das immerwährende Schwert der Koan:

    Mit Zazen durch Duàn zu einer Shunyata des WU.


    Es ergeben sich zwei Fragen:


    Ein „da ist nichts“ kann Menschen ins Bodenlose fallen lassen.


    Die andere Frage ist: Sind Menschen noch gut, ohne Belohnung durch Wiedergeburt oder im Himmel?


    Erst die letzte Frage, dann die darüber:


    Ja, Menschen können auch mit „wu“ noch moralisch sein, erst Schopenhauer dann Laozi:


    Schopenhauer, aus „Die beiden Grundprobleme der Ethik“:


    Kriterium der Handlungen von echt moralischem Wert:

    Legale Handlungen können aus egoistischen Triebfedern hervorgehen, aber nicht echt moralische. Dogmen sind zwar geeignet, Legalität zu erzeugen, aber nicht Moralität. Angenommen, dass der Glaube an Götter, deren Wille und Gebot die sittliche Handlungsweise wäre, und welche diesem Gebot durch Strafen und Belohnungen, entweder in dieser, oder in der anderen Welt, Nachdruck erteilten („belohnen“, siehe Matthäus 6.4: dein Vater im Himmel, der sieht was du Wohltaten im geheimen tust, wird dich belohnen, Lukas 6.35: leiht ohne was zurückzuerwarten, eure Belohnung wird groß sein und ihr werdet Kinder des Höchsten sein), allgemein Wurzel fasste und die beabsichtigte Wirkung hervorbrächte; so würde dadurch zwar Legalität der Handlungen, selbst über die Grenze hinaus, bis zu welcher Justiz und Polizei reichen können, zu Wege gebracht sein; aber Jeder fühlt, dass es keineswegs Dasjenige wäre, was wir eigentlich unter Moralität der Gesinnung verstehen. Denn offenbar würden alle durch Motive solcher Art hervorgerufene Handlungen immer nur im bloßen Egoismus wurzeln. Dagegen ist das Kriterium der Handlungen von echt moralischem Wert die Ausschließung derjenigen Art von Motiven, durch welche sonst alle menschlichen Handlungen hervorgerufen werden, nämlich der eigennützigen im weitesten Sinne des Wortes. Abwesenheit aller egoistischen Motivation ist also das Kriterium einer Handlung von moralischem Wert.


    Die moralische Triebfeder:


    Die moralische Triebfeder muss schlechterdings, wie jedes den Willen bewegende Motiv, eine sich von selbst ankündigende, deshalb positiv wirkende, folglich reale sein; und da für den Menschen nur das Empirische, oder doch als möglicherweise empirisch vorhanden Vorausgesetzte Realität hat; so muss die moralische Triebfeder in der Tat eine empirische sein und als solche ungerufen sich ankündigen (!!!), an uns kommen, ohne auf unser Fragen danach zu warten, von selbst auf uns eindringen, und dies mit solcher Gewalt, dass sie die entgegenstehenden, riesenstarken, egoistischen Motive wenigstens möglicherweise überwinden kann. Dieser Forderung entspricht allein das Mitleid.


    Das heißt, es lässt nicht jenes selbst zu, das im Mitgefühl sich gefiele (Zufügung: Denn das definiert den Gutmenschen).


    Entsprechend im Buddhismus: Mitleid darf nicht im geringsten Gefühl von Selbstzufriedenheit entstehen lassen (weil das ein egoistischer Grund ist).


    Obige „Abwesenheit aller egoistischen Motivation ist also das Kriterium einer Handlung von moralischem Wert“ entlarft auch den Kantschen Imperativ als nicht moralisch: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde“ hat als Grund, dass ich nur deshalb einem anderen den Schädel nicht einschlage, weil ich nicht will, dass wiederum ein anderer ihn mir einschlägt. Trotzdem, der Sinn von oben: ... „so würde dadurch zwar Legalität der Handlungen, selbst über die Grenze hinaus, bis zu welcher Justiz und Polizei reichen können, zu Wege gebracht sein“, aber es bleibt ein egoistischer Grund und somit kein moralischer.


    Laozi, Dao-De-Jing (In der Übersetzung von Günther Debon):


    KAPITEL 38


    Höchste Tugend weiß von der Tugend nicht;

    Daher: gibt es die Tugend.

    Niedere Tugend läßt von der Tugend nicht;

    Daher mangelt die Tugend.


    Höchste Tugend ist ohne Tun;

    Ist auch ohne Grund (!!!), warum sie täte.

    Niedere Tugend tut,

    Hat auch einen Grund, warum sie tut.


    Höchste Menschlichkeit tut,

    Aber ohne Grund (!!!), warum sie tut.

    Höchste Rechtlichkeit tut,

    Doch mit einem Grund, warum sie tut.



    Nun zu:


    Mit Zazen durch Duàn zu einer Shunyata des WU:


    Ein „da ist nichts“ kann Menschen ins Bodenlose fallen lassen.

    Das ist die Schranke vor dem Tor des Chan.


    Wu-Men-Guan Koan 1:


    Weil ein Mönch ihn fragte: „Hat auch ein Hund das Buddha-Wesen oder nicht?“, sagte Zhao-zhou: „Wu“ ... „da ist nichts“!


    Darauf folgt der Kommentar von Wu-men (in der Übersetzung von Albert Krieter / Mumonkan, gibts als pdf):


    „Um Zen zu verwirklichen, muss man die Hindernisse der Patriarchen überwinden. Erleuchtung kommt immer erst, wenn der Weg des Denkens versperrt ist (!!!). Wenn du die Barriere der Patriarchen nicht überwindest oder wenn dein Denken nicht abschneidest, so ist alles, was du denkst und tust, wie ein verirrtes Gespenst. Du fragst vielleicht: Was ist das, die Barriere eines Patriarchen? Diese eine Wort Mu ist es (!!!). Das ist die Barriere des Chan (!!!). Wenn du durch sie hindurchgehst, so siehst du Joshu (Zhao-zhou) von Angesicht zu Angesicht. Dann kannst du Hand in Hand arbeiten mit der ganzen Reihe der Patriarchen. Ist das nicht höchst erfreulich? Wenn du durch diese Barriere hindurch möchtest, so musst du mit jedem Knochen deines Körpers, mit jeder Pore deiner Haut arbeiten, immer erfüllt von dieser Frage: Was ist Mu? Und sie Tag und Nacht mit dir herumtragen. Glaube nicht, es sei dies das übliche negative Symbol, das einfach "Nichts" bedeutet. Es ist nicht das Nichts, das Gegenteil von Existenz. Wenn du wirklich diese Barriere überwinden willst, so musst du das Gefühl haben, als würdest du eine heiße Eisenkugel verschlucken (!!!!!!!), die du weder verdauen noch ausspucken kannst. Dann verschwindet dein früheres minderwertiges Wissen. Wie eine Frucht im Sommer reift, so werden deine Subjektivität und deine Objektivität auf natürliche Weise eins werden. Es ist so, wie wenn ein Stummer einen Traum hatte. Er weiss es, aber er kann ihn nicht erzählen. Wenn du in diesen Zustand eintrittst, so ist die Schale des Ego zerbrochen, und du kannst den Himmel erschüttern und die Erde bewegen. Du bist wie ein großer Krieger mit einem scharfen Schwert (!!!!!). Wenn ein Buddha in deinem Weg steht, so tötest du ihn; wenn ein Patriarch ein Hindernis aufrichtet, so tötest du ihn; und du bist frei auf deinem Weg des Lebens und des Todes (!!!). Du kannst jede Welt betreten, als sei sie dein eigener Spielplatz (!!!). Ich will dir erzählen, wie man das mit diesem Koan erreicht: Konzentriere deine ganze Energie auf dieses Mu und lasse keine Unterbrechung zu. Wenn du in dieses Mu eintrittst, und es erfolgt keine Unterbrechung, so wird dein Erfolg wie eine brennende Kerze sein, die das ganze Universum erleuchtet.“


    Da ist wieder das Schwert des Abschneidens, aber da ist auch der Absturz in das Bodenlose, nichts Metaphysik, nicht irgendwas wie Gott, aus vorbei ... das ist sie, die heiße Eisenkugel zum verschlucken.


    Wie kommt man nun von der verschluckten heißen Eisenkugel zu „du bist frei auf deinem Weg des Lebens und des Todes (!!!). Du kannst jede Welt betreten, als sei sie dein eigener Spielplatz (!!!)“?


    Darum geht es eben wesentlich in den Bi-Yan-Lu, Cong-Rong-Lu, Wu-Men-Guan.


    Z.B. Wu-Men-Guan Koan 35: Kommentar Wu-men (Übersetzung auch im folgenden immer Dietrich Roloff, entsprechend Bi-Yan-Lu, Cong-Rong-Lu, Wu-Men-Guan):


    Wenn du in diesem Punkt zur Wahrheit erwacht bist, dann weißt du sogleich, dass das Heraustreten aus der Haut (zugleich Eintreten in die Shunyata) und das wieder Eintreten in die Haut (nach der Shunyata) wie das Übernachten in einer Herberge für Reisende ist.


    Es geht also in keinster Weise um die glühende Eisenkugel als Selbstzweck, es geht darum, dass das Universum erleuchtet ist zum Zwecke des „Du kannst jede Welt betreten, als sei sie dein eigener Spielplatz (!!!)“.


    Denken wir nochmal an Nietzsche, aus „Menschliches, Allzumenschliches, 1878“:


    33.

    ...

    die Menschheit hat im Ganzen keine Ziele, folglich kann der Mensch, in Betrachtung des ganzen Verlaufes, nicht darin seinen Trost und Halt finden, sondern seine Verzweifelung (die glühende Eisenkugel). Sieht er bei Allem, was er thut, auf die letzte Ziellosigkeit der Menschen, so bekommt sein eigenes Wirken in seinen Augen den Charakter der Vergeudung (und der Hoffnungslosigkeit des Endlichen).

    ...

    34.

    ...

    ich könnte mir eben so gut, wie jene geschilderte und bei einzelnen Naturen mögliche Nachwirkung, eine andere denken, vermöge deren ein viel einfacheres, von Affecten reineres Leben entstünde, als das jetzige ist: so dass zuerst zwar die alten Motive des heftigeren Begehrens noch Kraft hätten, aus alter vererbter Gewöhnung her, allmählich aber unter dem Einflusse der reinigenden Erkenntniss schwächer würden (hier ist die Shunyata „Wu“ !!!!!!!). Man lebte zuletzt unter den Menschen und mit sich wie in der Natur, ohne Lob, Vorwürfe, Ereiferung, an Vielem sich wie an einem Schauspiel weidend, vor dem man sich bisher nur zu fürchten hatte. Man wäre die Emphasis los und würde die Anstachelung des Gedankens, dass man nicht nur Natur oder mehr als Natur sei, nicht weiter empfinden. Freilich gehörte hierzu, wie gesagt, ein gutes Temperament (oder Übung), eine gefestete, milde und im Grunde frohsinnige Seele, eine Stimmung, welche nicht vor Tücken und plötzlichen Ausbrüchen auf der Hut zu sein brauchte und in ihren Aeusserungen Nichts von dem knurrenden Tone und der Verbissenheit an sich trüge, - jenen bekannten lästigen Eigenschaften alter Hunde und Menschen, die lange an der Kette gelegen haben. Vielmehr muss ein Mensch, von dem in solchem Maasse die gewöhnlichen Fesseln des Lebens abgefallen sind, dass er nur deshalb weiter lebt, um immer besser zu erkennen, auf Vieles, ja fast auf Alles, was bei den anderen (!!!) Menschen Werth hat, ohne Neid und Verdruss verzichten können, ihm muss als der wünschenswertheste Zustand jenes freie, furchtlose Schweben über Menschen, Sitten, Gesetzen und den herkömmlichen Schätzungen der Dinge genügen (ein erfülltes Leben ist nicht ausgeschlossen). Die Freude an diesem Zustande theilt er gerne mit und er hat vielleicht nichts Anderes mitzutheilen, - worin freilich eine Entbehrung, eine Entsagung mehr liegt. Will man aber trotzdem mehr von ihm, so wird er mit wohlwollendem Kopfschütteln auf seinen Bruder hinweisen, den freien Menschen der That, und vielleicht ein Wenig Spott nicht verhehlen: denn mit dessen “Freiheit” hat es eine eigene Bewandtniss (ahja: Nietzsche lehnt die Willensfreiheit ab).


    Das schließt in keinster Weise aus, dass man seinen Aufgaben im Leben nachkommt, ob man nun seine Schale auswäscht (Cong-Rong-Lu Koan 39: Zhao-zhou) oder eine Firma leitet.


    Die Shunyata als das Übernachten in einer Herberge für Reisende in die man immer mal wieder eintritt und austritt hat den Sinn und Zweck: Leben !!! Die Reisenden sind Reisende des Lebens!



    Bloß dazu noch ein paar schöne Beispielchen:


    Wu-Men-Guan (wie oben schon gesagt das folgende nach Roloff) Koan 46:


    Shi-shuang:


    Ein Mensch, der oben auf einer hundert Fuß hohen (Shunyata-) Stange sitzt –

    Obwohl er den Zugang erlangt hat, ist das noch nicht das Wahre.

    Oben auf einer hundert Fuß hohen Stange musst du vorwärts schreiten –

    In die Welt (!!!) der zehn Richtungen deinen vollständigen Leib zeigen!


    Wie so oft unschlagbar der Kommentar von Wu-men:

    ... sag doch mal: „Von der Spitze einer hundert Fuß hohen (Shunyata-) Stange ... warum denn da vorwärtsschreiten? – Ich habe mich heiser geschrien!


    ... auf dass ein erfülltes Leben winkt!


    Bi-Yan-Lu Koan 39:


    Ein Mönch fragte Yun-men: „Was ist mit dem reinen und klaren Wahrheitsleib?“

    Yun-men sagte: „Blüte – Medizin – Umzäunung (!!!)“

    Der Mönch sagte: „Wenn dann einer einfach so davongeht, was denn dann?“

    Yun-men sagte: „Goldhaar-Löwe!“


    Bi-Yan-Lu Koan 44 (mit wichtiger Abweichung von der Roloffschen Übersetzung):


    Im Voraus:

    In China wurde an den Stadttoren die Trommel geschlagen bevor sie geschossen wurden, damit diejenigen noch raus konnten die mussten. Hier meint raus: Rechtzeitig raus aus immerwährender (!!!) Shunyata ins Leben, was die Herberge für den Reisenden nicht ausschließt!


    He-shan ließ einmal die Bemerkung fallen: Sich im Lernen üben heißt Hörer sein; das Lernen abgeschnitten zu haben (Shunyata) heißt Nachbar sein, und diese beiden überschreiten heißt wahres Überschreiten !“

    Ein Mönch fragte: „Was ist dieses wahre Überschreiten?“

    He-shan sagte: „Djiä da gu = den Trommelschlag verstehen!“

    Der Mönch fragte nochmals: „Was ist dieses wahre Überschreiten?“

    He-shan sagte abermals: „Djiä da gu = den Trommelschlag verstehen!“

    Der Mönch fragte: „Ist es Geist, dann ist es Buddha, danach frage ich jetzt nicht! Was aber besagt: Es ist weder Geist noch Buddha?“

    He-shan sagte: „Djiä da gu = den Trommelschlag verstehen!“

    Der Mönch fragte: „Wenn ein Mensch kommt, der nach oben hin strebt, wie begegnet ihr dem?“

    He-shan sagte: „Djiä da gu = den Trommelschlag verstehen!“



    Man kommt an den Chinesen, am Dao-De-Jing und den Bi-Yan-Lu, Cong-Rong-Lu, Wu-Men-Guan nicht vorbei ... Jahrhunderte später noch die zwei verschiedenen Seiten einer Medaille Schopenhauer und Nietzsche (je nach Temperament) ... .. . das ist aber auch hinreichend.

    Was verbleibt?


    Das was uns die Chinesen !!! durch das Dao und im Chan durch die Koan sagen: WU!

    Das heißt, es gibt keine Shunyata irgendeiner Metaphysik.


    Dazu Wu Men Guan = Da ist nichts Sperre vor dem Tor:

    Koan 33:

    Weil ein Mönch ihn fragte: „Was ist mit Buddha?“, sagte Ma-zu: „Er ist nicht Geist, nicht Buddha.“

    Kommentar Wu-men:

    Wenn du es schaffst, hier den Durchblick zu erlangen, dann ist die Angelegenheit deines Bemühens um Versenkung zu ihrem Ende gekommen.

    Die Lösung im Gesang:

    Triffst du auf einen Schwertreisenden, musst du ihm deines überreichen ...


    Das immerwährende Schwert der Koan:

    Was heißt das in der Praxis?

    Mit Zazen durch Duàn zu einer Shunyata des WU.