Was bedeutet es zu "existieren"? Wenn wir sagen, dass etwas existiert, dann gehen wir stillschweigend davon aus, dass es eine Dauer hat, d.h. dass es von Moment zu Moment fortbesteht. Aus der Warte des gesunden Menschenverstandes betrachtet ist ein Ding, was es ist (A = A). Wenn es um 12 Uhr A ist und um drei Uhr nachmittags immer noch A, dann existiert es (im Sinne von fortbestehen) drei Stunden lang. Würde es nicht fortbestehen, so wäre es nicht mehr A.
Aber, was ist dieses "etwas", das da tatsächlich fortbesteht? Alles verändert sich. Bis zu seinem vollständigen Verfall wird ein Haus ständig von neuem in Stand gesetzt. Gedanken kommen und gehen. Gefühlen tauchen auf und vergehen.
Wie aber kann ein Ding sich verändern und dabei trotzdem bleiben, was es ist? Wie kann "es" etwas anderes werden und zur gleichen Zeit es selbst bleiben? Ja, worauf bezieht sich dieses "es" überhaupt?
Wenn Dinge als sie selbst fortbestehen (d.h. existieren), dann können sie sich nicht verändern. Und verändern sie sich, in welchem Sinne sind sie dann immer noch sie selbst?
Eine übliche Antwort auf diese Frage lautet: "Die Dinge bestehen fort und sie verändern sich. Früher war ich ein Kind, aber jetzt bin ich erwachsen. Ich habe mich verändert. Sogar jetzt im Augenblick verändere ich mich, dennoch bestehe ich fort. Das ist Existenz."
In welcher Hinsicht aber bezieht sich das Wort "Ich" (oder "du") auf das Kind von damals? Nichts von diesem Kind exisiert heute noch. Bezieht sich das "du" auf den Körper? Alle physischen Bestandteile des Kinderkörpers haben sich längst aufgelöst. Bezieht es sich auf den Geist? Alle dem Kind gehörenden Gedanken, Gefühle oder geistigen Eindrück sind schon lange verflogen.
Natürlich haben Sie Erinnerungen, Fotos, Videos, Tonaufzeichungen usw. von diesem Kind. Aber dieses Kind besteht nicht mehr. Da ist nur das unmittelbare "du" - und das ist ganz offensichtlich nicht das selbe wie das verschwundene Kind.
Wenn Sie das einmal genau unter die Lupe nehmen, dann stellen sie fest, dass dieses unmittelbare "du" auch nicht das selbe ist wie das "du" vor einem Jahr, oder das vor einer Woche oder sogar das von einem Augenblick zuvor. Dieses "Du" hat nie fort-bestanden, dieses "Du" ändert sich ständig.
Tatsächlich hat es nie ein fortbestehendes "etwas" gegeben, auf das das Wort "du" wirklich gepasst hätte. Auch in diesem Augenblick gibt es das nicht.
Anders gesagt: dieses "du" bezieht sich auf nichts, das man als solches festnageln könnte. "Du", "mein", "Ich" - diese Begriffe beziehen sie nicht auf irgendeine existierende Entität, sondern nur auf den fortwährenden Wandel selbst.
Einfach gesagt: die Dinge sind nicht objektiv oder substanzhaft. Wir glauben es nur. Eine durchaus nützliche Fiktion, jedoch trotzdem eine Fiktion.
Es ist sicherlich schwierig, an Existenz zu zweifeln. Unser Glaube an Existenz ist unerschütterlich. Sogar Descartes wollte das nicht in Frage stellen. Existenz in Frage zu stellen - das wäre in der Tat Großer Zweifel. Aber genau das müssen wir tun.
Um aus dieser Sackgasse zu gelangen, könnte es hilfreich sein folgendes zu fragen: Wenn Dinge und Ideen so existieren, wie wir das gemeinhin annehmen, was sind dann die Merkmale dieses Existenz? Aufgrund welcher Anzeichen und Charakteristika können wir Existenz identifizieren?
Das erste und augenfälligste Merkmal der so schwer fassbaren "Idee" von Existenz ist unablässiger Wandel. Nichts "existiert" ohne Veränderung - nicht einmal Raum oder Zeit. Die Wissenschaft hat gezeigt, dass sobald der Raum selbst definiert wird (d.h. etwas beinhaltet), es den Anschein hat, er würde expandieren, also sich verändern. Veränderung ist das Kernmerkmal von Zeit und Raum.
Nirgendwo im gesamten Universum "existiert" etwas in einem unveränderlichen Zustand. Nirgendwo entdecken wir irgendetwas mit einer fortbestehenden individuellen Identität oder einem eigenem Sein. Somit enthüllt der Wandel - das erste Daseinmerkmal - die Untrennbarkeit von nichts und etwas.
Wir finden keine Ausnahme von dieser Regel. Alle Dinge kommen und gehen, weil alle Dinge mit all dem erscheinen, was sie nicht sind und mit all dem inter-identisch sind. Zu keinem Zeitpunkt gibt es ein stabiles, dauerhaftes, unveränderliches Ding. Nur einen unnunterbrochenen Strom von all-verbundenen, all-abhängigen und bedingten Ereignissen (engl.: interconnected, interdependent, conditioned). Anders gesagt: Wandel bedeutet nicht, dass aus einem "Ding" ein "anderes Ding" wird. Das ist nur der Anschein des Wandels. Wandel ist das gesamte dynamische Geflecht der Allabhängigkeit (interdependence).
Wenn wir die unmittelbare Erfahrung aufmerksam verfolgen, dann werden wir ergänzend zur Einsicht, dass in der Welt nichts von Dauer zu finden ist, sehen, dass da auch nichts ist, das wirklich zufrieden stellen könnte, und nichts, das ein Selbst besäße.
Diese drei Daseinsmerkmale - Nicht-Dauer, Unbefriedigtsein, und Nicht-Substantialität - sind untrennbar miteinander verbunden. Wir wollen Bestand, finden jedoch nur Veränderung - zwei Merkmale des "Daseins" die unvermeidlich mit Unzufriedenheit einhergehen.
Wenn wir an Existenz glauben, so ist Veränderung deshalb nicht zufriedenstellend, weil wir unvermeidlich danach streben, das zu er- oder behalten, was wir schätzen oder begehren und andererseits das zu vermeiden, was wir nicht schätzen oder begehren. Da sich alles ständig verändert, können wir weder das eine noch das andere je zuverlässig und anhaltend realisieren. Wir können dem Wandel nicht entfliehen.
Unsere übliche Methode, mit diesem unterschwelligen unbefriedigenden Aspekt der WIRKLICHKEIT umzugehen - d.h. der Versuch, das zu behalten was wir haben wollen und das zu vermeiden, was wir nicht haben wollen - ist zum Scheitern verurteilt. Unbefriedigtsein ist ganz eng mit Veränderung verbunden.
Das andere Daseinsmerkmal, das mit Nicht-Zufriedenheit verbunden ist, resultiert aus dem Anhaften an etwas, das ganz und gar bedingt ist: das in unserer Vorstellung erscheinende Selbst.