Beiträge von Karnataka im Thema „Karma, die unliebsame Diskussion“

    void:

    Das was an der der Gelug-Schule geschätzt wird, ist ja gerade ihre Scholastik. Also die Lamrim-Texte, in denen die Lehren systematisch zusammengefasst und zu einem "Stufenweg der Befreiung" zusammengefasst wurde. Dieser beinhaltet aber eben nicht nur Lehren für die "spirituell Hochbegabten", die erhoffen können in diesem Leben Befreiung zu erlangen. Sondern sie wendet sich genauso an diejenigen die aus Angst vor zukünftigen Höllenleben nach der Mehrung ihrer spirituellen Verdienste streben. Während für ersteres Publikum druchaus subtile Ansichten über Karma gelehrt werden, gibt es gleichzeitig auch immer die eher volkstümlichen Darstellungen bis hin Aufstellung darüber welche schändlichen Taten zur Geburt bei Erdbeben führen. Da solche Lamrim-Texte das Rückgrat der Schulung darstellen, ist es für Gelug-Gelehrte leider sehr schwer, da anders zu argumentieren.


    Das problem ist wohl, dass es da keine historisch kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Texten nicht gibt. Es fällt schwer die Autoren heiliger Texte als in ihrer Zeit und deren Denken verhaftet zu sehen, wenn man sie gleichzeitig als überzeitliche Buddhas sehen will. Für mich böte sich als Ausweg an, derartige Textstellen als "heilsame Mittel" zu sehen, die sich postiv auf das eigene Handeln auswirken sollen - und und ihre Welterklärungsfunktion einfach fallenzulassen. So wie man ja auch dazu übergegangen den sich in der Mitte unserer Weltscheibe befindlichen Berg Meru eher symbolisch aufzufassen weil nicht unerhebliche geologische Evidenz für die Kugelgestalt spricht.


    Ein zweiter Punkt ist der, das gerade im Vajrayana Anstöße des Yogacara sehr wirkungsstark sind, in denen alle Dinge als geistige Phänomene gesehen werden. Verwischt sich die Grenze zwischen äußerer und innerer Realität derart, macht es keinen Sinn mehr zu unterscheiden, ob Karma sich jetzt alleine auf die eigene Wahrnhemung oder auf äußere Geschehnisse auswirkt, da es letztere im eigentlichen Sinn nicht mehr gibt. Dieser Verlust des Äußeren, in dem sich die phänomenale Perspektive als total setzt, scheint mir sehr problematisch.


    was will man vom Karma?


    Es gibt in Asien einen Glauben, der den Menschen viel Trost spendet, aber, besonders in Indien, wohl auch zu einer sehr fragwürdigen Gleichgültigkeit führen kann. Ich meine, wenn wir unsere westliche Geistesgeschichte betrachten, lassen sich Parallelen herstellen. Void hat die Scholastik, eine Art von Beweisführung, der wir heute mit Misstrauen begegnen, angesprochen; auch die Nur-Geist-Schulrichtung des tibetischen Buddhismus entspricht wohl einer philosophischen Strömung, die sich eher als Sackgasse erwies, zumindest was einen Wissen schaffenden Anspruch angeht. (Dennoch möchte ich diese Richtung nicht abwerten, es fehlt bloß jede Möglichkeit, die Welt als Bewusstsein und Geist zu erforschen, meine ich.)


    Wenngleich es also berechtigte Kritik an Karma gibt, so bleiben dennoch wesentliche, anregende Punkte. Aus meiner persönlichen Sicht:


    • Demut: die Schönheit der Welt erfahren, die Verbundenheit mit anderen Wesen, der Glaube an Schicksal im Sinn von einem unbegreiflichen Geschehen, der neben dem rationalen Denken seinen Platz hat.
    • Lebensende: am Ende mit sich selbst im Reinen sein zu wollen, den geläuterten Geist „übergeben“ in das andere Sein, die Hoffnung, dass dieser letzte Zustand wichtig ist und der Tod ein notwendiger Übergang.
    • Moralität: Der Glaube, dass Freiheit, Vernunft und Moralität Hand in Hand gehen, die menschliche Zukunft gestalten könnten und ein auf ethischen Werten statt auf Egozentrik basierendes Handeln dieser Gesetzlichkeit des Wohlergehens entspricht und das eigene Glück befördert.