Beiträge von Kirschbluete im Thema „Mitgefühl statt Abgrenzung oder umgekehrt?“

    Zum Reifeprozess gehört für mich auf jeden Fall, dass ich mir (und anderen) nicht vormache, wie weit entwickelt ich mich glaube und daher meine (psychischen) Grenzen akzeptiere und auch in mein Leben integriere.
    Gewalt gegen die Psyche ("Ich bin ein grenzenlos guter Mensch, weil ich mich schon so hoch entwickelt glaube und deshalb darf jeder alles mit mir machen!") halte ich nicht für sehr förderlich im Bezug auf den Reifeprozess.

    Hallo Markus,


    danke für Deinen m.E. sehr sinnvollen Beitrag.
    Was mir eben (noch) nicht ganz klar war, war die Frage:


    Zitat

    Es geht Sabeth darum: Nicht weiter zu helfen


    Ich hatte da noch eine Art "Zwiespältigkeit" hineininterpretiert, daher hatte ich noch den Vorschlag mit der Beratungsstelle für Flüchtlinge mit eigebunden (als ich eben auch gelesen hatte, dass der Mann Afrikaner ist. An den Flüchtlings-Aspekt hatte ich noch gar nicht gedacht).


    Unter diesem Aspekt:


    Zitat

    Ihr Konflikt besteht anscheinend jetzt darin, aus der Bitte gegenüber dem Mann: "Warum suchen Sie sich nicht eine andere Schlafstelle?" Eine klare Aufforderung zu formulieren: "Steh auf und geh!"


    gehe ich aber auch völlig konform mit dem, was Du schreibst.



    Hallo Sabeth,


    mir kommt ganz spontan die Vermutung, dass es sich bei dem Mann um einen Flüchtling handelt, dessen Duldung möglicherweise abgelaufen ist und der von Abschiebung bedroht ist (ich habe vor einigen Jahren einen Flüchlting begleitet und unterstützt, bei dem wir nach einem "elenden Prozess" die Aufenthaltsgenehmigung erwirken konnte. Lange Geschichte, anderes Thema!)


    Da erschließt sich für mich auch der Sinn, warum und weshalb der die Obdachlosenhilfe nicht in Anspruch nimmt.
    Würden da Kontrollen stattfinden, könnte er möglicherweise "von jetzt auf gleich" abgeschoben werden, falls er ein Papier mit sich führt, das ausweist, dass die Duldung erkennbar abgelaufen ist.


    Das einzige, das Du tun kannst ist, dass Du ihn fragst, ob er ein Flüchtling ist, der von Abschiebung bedroht ist.
    Wenn er das bejaht, kannst Du ihm allenfalls die Adresse einer Flüchtlingsberatungsstelle heraussuchen:
    da kann ich Dir versichern, dass die Mitarbeiter unter Verschwiegenheitspflicht stehen.


    Wobei ich davon ausgehe, dass er schon mit entsprechenden Stellen Kontakt hatte.
    Einen Versuch könntest Du aber trotzdem wagen, falls Du Dich innerlich drauf einlassen kannst.


    Aber trotz seiner möglichen Hintergründe, berechtigt ihm das nicht zum Lungern vor Deiner Wohnungstüre.
    Auch in der Flüchtlingsberatung haben wir "Helfer" gelernt, klare Grenzen zu setzen und glaub' mir: wir bringen genug Einsatz, aber man muss nicht alles erdulden und was ich gelernt habe ist, dass es absolut ein Ding der Unmöglichkeit ist, "alle zu retten".



    Ich brauche z.B. in meinem Job (Kinder- und Jugendhilfe) Möglichkeiten zu meinem eigenen Schutz, zu meiner eigenen Abgrenzung, dass ich "bei mir bleiben" kann und somit meiner Energie bewahren kann, wenn meine Hilfe gefordert wird.
    Ohne Selbstfürsorge und ohne Abgrenzung könnte ich auf dem Sektor nicht tätig sein.



    Hallo Doris,


    so auch meine Sichtweise.
    Sabeth hat ja auch schon im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Hilfe angeboten, die ihr angemessen erscheint.
    Zum einen gibt es das Mitgefühl für den Obdachlosen, aber ich kann mich (so wie Du auch, Doris) da auch gut ein Stück weit in Sabeth einfühlen.

    Ich kann wiederum nicht verstehen, warum Du diese klare Aussage nicht verstehst. :?:
    Etwas anzubieten mit Zwang gleichzusetzen, kann ich nicht nachvollziehen.



    Zitat

    Warum sonst lässt er sich nicht auf ihre Hilfsangebote ein und holt sich die Unterstützung nicht im Obdachlosenheim?...


    Hilfsangebot: Ein Angebot zur Hilfe.


    Entweder nimmt er das Angebot an .... oder er lässt es eben.


    Zitat

    würde ich Hilfe zur Selbsthilfe anbieten



    "anbieten": nicht zwingen.



    Wenn er es lässt, muss Sabeth aber noch lange nicht "privaten Integrationshelfer" spielen - so meine Sichtweise und so auch Deine, wenn ich Dich richtig verstanden habe.



    Verstehst Du das wirklich nicht???? :shock:

    Für mich grenzt das Verhalten jedenfalls schon an Stalking:


    Zitat

    Stalking ist das willentliche und wiederholte (beharrliche) Verfolgen oder Belästigen einer Person, deren physische oder psychische Unversehrtheit dadurch unmittelbar, mittelbar oder langfristig bedroht und geschädigt werden kann. Stalking ist in vielen Staaten ein Straftatbestand (in Deutschland als „Nachstellung“) und Thema kriminologischer und psychologischer Untersuchungen.


    http://de.wikipedia.org/wiki/Stalking



    :?: Freeman: Was hast Du denn in mein Posting hineininterpretiert bzw. was hast Du denn gemeint, herauszulesen? :?:


    Was ich geschrieben habe, widerspricht Deiner Auffassung überhaupt nicht. Ich gehe da absolut konform mit Dir!
    Wenn jemand eine Hilfe "im System" nicht annehmen möchte, dann ist es auch vollkommen sinnfrei, ihn hineinzuzwängen. Aus dem Grund habe ich von eigenverantwortlicher Entscheidung, die Hilfe nicht annehmen zu wollen geschrieben.
    Aus dem Grund bekommt man z.B. in Fällen von Abhängigkeit nur dann einen Therapieplatz, wenn man selbst um diese Hilfe bittet (was ich als sehr sinnvoll betrachte).


    Zitat

    Ich kenne Menschen, die sich gerade deshalb vollkommen aus dem System verabschiedet haben, weil ständig andere sie eben "hilfreich" in dieses System hineinzwingen wollten


    Besser ist das!


    Aber es berechtigt den Betroffenen auch nicht, diese Art von Hausfriedensbruch zu begehen und auch da gehen wir -wenn ich Deine Postings richtig begriffen habe- konform.

    Zitat


    Freeman, das mit dem Anhaften... ich war etwas neidisch auf deinen Ausspruch "er beherrscht die Kunst des Nicht-Anhaftens", habe mich geärgert, weil ich sozusagen doof da stehe, und er so "toll".


    Mein Eindruck ist eher der, dass der Mann sogar eine ganz starke Anhaftung an Sabeth hat.


    Warum sonst lässt er sich nicht auf ihre Hilfsangebote ein und holt sich die Unterstützung nicht im Obdachlosenheim?


    Ich arbeite ja selbst in der sozialen Arbeit und es gibt definitiv Menschen, die sich eigenverantwortlich entschieden haben, keine effektive Hilfe zur Selbsthilfe annehmen zu wollen.
    Schon als Frau wollte ich nicht, dass ein wildfremder Mann sich ständig vor meiner Türe aufhält.
    Ich bin gewiss kein "verschrecktes Weiblein", aber dass ein mir unbekannter Mann tagein, tagaus mein Kommen und Gehen nachvollziehen kann: das möchte ich nicht.


    Wenn ich dem Obdachlosen Hilfe angedeihen lassen möchte, würde ich Hilfe zur Selbsthilfe anbieten, ggf. würde ich ihn noch zu einer Beratungsstelle mitbegleiten.
    Und die Selbsthilfe findet nicht im Flur vor meiner Tür in einem Raum statt, in dem mein "Tagesverhalten" nonstop für einen mir fremden Mann nachvollziehbar gemacht wird.