Beiträge von freeman im Thema „Mitgefühl statt Abgrenzung oder umgekehrt?“

    Kirschbluete:

    Ich kann wiederum nicht verstehen, warum Du diese klare Aussage nicht verstehst. :?:
    Etwas anzubieten mit Zwang gleichzusetzen, kann ich nicht nachvollziehen.


    Entweder nimmt er das Angebot an .... oder er lässt es eben.
    Wenn er es lässt, muss Sabeth aber noch lange nicht "privaten Integrationshelfer" spielen - so meine Sichtweise.


    Ja Himmel, wir drehen uns hier im Kreisel... Sabeth sagte bereits mehrfach, daß der gute Mann keine weitere Hilfe (ausser der Schlafstelle im Treppenhaus) haben möchte!
    Und wenn Sabeth ihn nicht im Haus haben will, dann siehe bitte meine vorangegangenen Posts zu dem Thema. Ich empfinde diese Diskussion mittlerweile dem Obdachlosen gegenüber als unwürdig und klinke mich daher hier besser aus. Over and out.


    ... im Übrigen gibt es sogar Zen-Meister, die unter die Obdachlosen gegangen sind, um mit ihnen eine zeitlang zu leben und von ihnen zu lernen:


    http://www.antaiji.dogen-zen.de/deu/video.shtml


    ( siehe das dortige Interview mit Abt Muho bei 3Sat)

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    Kirschbluete:

    Wenn jemand eine Hilfe "im System" nicht annehmen möchte, dann ist es auch vollkommen sinnfrei, ihn hineinzuzwängen.


    Dann, werte Kirschblüte, verstehe ich folgende Aussagen von Dir nicht wirklich:


    Kirschbluete:

    Mein Eindruck ist eher der, dass der Mann sogar eine ganz starke Anhaftung an Sabeth hat.


    Warum sonst lässt er sich nicht auf ihre Hilfsangebote ein und holt sich die Unterstützung nicht im Obdachlosenheim?...


    Wenn ich dem Obdachlosen Hilfe angedeihen lassen möchte, würde ich Hilfe zur Selbsthilfe anbieten, ggf. würde ich ihn noch zu einer Beratungsstelle mitbegleiten...

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    Sabeth:

    Freeman, das mit dem Anhaften... ich war etwas neidisch auf deinen Ausspruch "er beherrscht die Kunst des Nicht-Anhaftens", habe mich geärgert, weil ich sozusagen doof da stehe, und er so "toll".

    Kirschblüte:

    Mein Eindruck ist eher der, dass der Mann sogar eine ganz starke Anhaftung an Sabeth hat.


    Dann soll Sabeth den Mann wegschicken und er/sie wird sehen, wie stark die Anhaftung wirklich ist. Es ist kein Problem, die Haustür abends abzuschliessen und sich mit den Nachbarn abzustimmen, daß der Mann nicht mehr ins Haus gelangt. Im Übrigen, wenn der Mann nicht gehen will (was ich kaum glaube), kann man immer noch eine einstweilige Verfügung wegen Hausfriedensbruch erwirken. Wenn ich der Mann wäre und ich würde diesen Thread hier lesen, dann wäre ich bereits 1000 Kilometer weitergezogen, glaub mir 8)


    Wie bereits gesagt, es hat keinen Sinn, jemandem Hilfe aufzuzwingen, die er nicht haben will. Es würde mich sehr wundern, wenn Du in der Sozialarbeit gegenteilige Erfahrungen gemacht hast. Da kann man 1000 Jahre dran knabbern, es nützt garnichts. Ausserdem halte ich es für überheblich, jemandem Hilfe aufzuzwingen, die er nicht haben will. Ich kenne Menschen, die sich gerade deshalb vollkommen aus dem System verabschiedet haben, weil ständig andere sie eben "hilfreich" in dieses System hineinzwingen wollten 8)


    Im Übrigen sagte ich bereits, daß Sabeth den Mann wegschicken soll, wenn er/sie den Eindruck hat, daß der Mann zu sehr an ihm/ihr haftet, bzw. er ihn/sie stört.



    Liebe Grüße,
    freeman

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    Sabeth:

    Mitgefühl mit mir haben geht irgendwie nicht - weil ich dann immer finde, ich sei egoistisch. Und so werde ich immer biestiger.


    Das ist der Punkt, scheint mir: Wenn ich kein Mitgefühl mit mir selbst habe, dann kann ich doch unmöglich Mitgefühl mit anderen haben und vice versa.


    Sabeth:

    Freeman, das mit dem Anhaften... ich war etwas neidisch auf deinen Ausspruch "er beherrscht die Kunst des Nicht-Anhaftens", habe mich geärgert, weil ich sozusagen doof da stehe, und er so "toll".


    Es geht doch nicht ums "toll dastehen" usw. Man kann niemandem seine Hilfe aufzwingen. Wenn Du von jemandem keine Hilfe möchtest, dann willst Du ja auch keine Hilfe aufgezwungen bekommen, oder? Wenn der Mann nur Deine Hilfe in Bezug darauf annimmt, daß Du ihn bei Euch im Treppenhaus übernachten lässt, gut, zumal Du ja sagst, er nähme Dir nichts. Und wenn Du ihn da nicht haben willst, na, dann schick ihn weg, es gibt Millionen Treppenhäuser in der BRD, er wird ein anderes finden.


    Sabeth:

    Mein Gefühl sagt aber:Stören. Das ist leider oft nicht zusammen passend.


    Mein Vorschlag wäre, diesen augenscheinlichen Konflikt dahingehend zu lösen, daß Du Dich einfach entscheidest, ob er Dich stört oder nicht stört- wenn er Dich stört, dann schick ihn weg, wenn er Dich nicht stört, dann lass ihn da. Ist doch irgendwie nicht so kompliziert, oder? Gestehe Dir einfach selbst zu, daß Dein Mitgefühl mit anderen Grenzen hat. Auch mein Mitgefühl hat seine Grenzen, keine Frage.


    Übrigens sagen Bettler in Indien niemals Danke. Und warum? Weil der Geber immer auch im Eigeninteresse handelt.

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    Lieber Sabeth, hier schreibst Du:


    Sabeth:

    Was nimmt er dir? Nichts.


    Dann aber schreibst Du:


    Sabeth:

    Doch, er haftet an am Platz vor meiner Tür.


    Stört er Dich nun oder stört er Dich nicht? Ich verstehe nicht, was genau Dein Problem ist!



    LG,
    freeman

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    Sabeth:

    ... er bekam auch alles. Täglich Essensmöglichkeit, einen Wohncontainer, einen Raum in einer WG, eine Arbeit, eine andere Arbeit, aber überall wollte er sich an nichts halten und hat somit alle Anlaufmöglichkeiten wieder verloren.


    Respekt für diesen Mann. Er scheint in der Übung des Nicht-Anhaftens bereits sehr weit fortgeschritten zu sein 8)


    ... im Übrigen schliesse ich mich uneingeschränkt dem Kommentar von Ji'un Ken an.

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    Sabeth:

    Das ist mein Problem mit dem Mitgefühl -
    ich zwinge mich dazu, es zu empfinden, weil ich meine, ich habe kein Recht auf Abgrenzung


    Sich zum Mitgefühl zu zwingen halte ich nicht für sonderlich fruchtbar. Wenn ich das Elend der Obdachlosen sehe, dann denke ich jedesmal "Morgen schon könnte ich selbst obdachlos sein" (jeder Obdachlose könnte mein "getarnter Meister" sein!) Da kommt dann das Mitgefühl von ganz allein. Ich betrachte die Tugend des Mitgefühls mit anderen als Tugend des Mitgefühls mit mir selbst. Somit ist Mitgefühl für mich überlebensnotwendig, ohne Mitgefühl mit mir selbst und anderen bin ich nicht lebensfähig. Um das zu realisieren, probiere man mal gänzlich ohne Mitgefühl durchs Leben zu gehen und achte darauf, was dann geschieht :grinsen: So gesehen betrachte ich das Mitgefühl mit anderen eben als ziemlich identisch mit dem Mitgefühl für mich selbst. Wie das die verschiedenen Menschen im Einzelnen handhaben, wo sie sich abgrenzen und das Mitgefühl ein Ende hat, das kann letztlich wohl nur jeder mit sich selbst ausmachen.



    Gruß,
    freeman