Zitat
Gehen wir von einem "Gedanken" aus. Und jetzt macht man sich auf die Suche nach einem Denker. Da lässt sich nichts finden. Nun. Inwiefern unterscheidet sich genau ab diesem Punkt Dzogchen von Mahamudra.
Vom Standpunkt der Sichtweise und im Sinne des Verweilens in der jeweiligen Erfahrung stellt sich diese Frage gar nicht (mehr)... Man macht sich nicht auf die Suche, man ist darüber hinaus, sich irgendwie entscheiden zu müssen, ob es einen Denker gibt oder nicht. Es ist bedeutungslos. Das Ende des Reflektierens über den Denker oder Nicht-Denker macht die Erfahrung aus. Der Gedanke ist einfach da, selbstbefreit.
Auf dem Weg zu diesem Zustand unterscheidet sich dann der Unterbau, man könnte vielleicht sagen, dass man sich im Mahamudra mit dem vereinigt, was auftaucht, bis man erkennt, dass man schon immer ungetrennt davon war. Beim Dzogchen versucht man sich gewahr zu sein, dass man immer schon ungetrennt davon war.
Der Unterschied, wenn überhaupt vorhanden, ist also höchst subtil. Ab dem Moment der Erfahrung, um die es bei beiden geht, gibt es keinen Unterschied mehr. Die Frucht ist tatsächlich die gleiche....
Was dann folgt, wenn Dzogchenpas sagen, im Dzogchen gäbe es noch das Erscheinen der "Lichter", das es im Mahamudra nicht gäbe, ist lediglich ein Trick. Das ist wie wenn die Erleuchtung Berlin ist. Beide kommen in Berlin an, dann sagt der Dzogchenpa: "von Berlin aus kann ich in den Zug nach Potsdam umsteigen. Das steht in Deinem Fahrplan nicht mit drin." Es ist nur so: ich bin ja schon am eigentlichen Ziel und von hier aus kann ich ÜBERALL HIN weiterfahren. Das ist eigentlich so selbstverständlich, dass man es nicht unbedingt erwähnen muss
Auch die Sache mit dem "es sind verschiedene Wege, also ist auch die Frucht verschieden" - das ist ein semantischer Trick. Denn wenn ich das Bild von einer Frucht verwende, zieht das einen ganzen Rattenschwanz an anderen Bildern nach sich. Aber es ist ja nur eine Analogie. Verwende ich das Bild von einem Gipfel, dann wird deutlich, dass jeder Bergsteiger am gleichen Gipfel ankommt, egal auf welcher Seite des Bergs er entlangkraxelt. Und jeder hat da oben die gleiche Aussicht. Wenn der Dzogchenpa meint, sein Weg sei der Bessere gewesen, weil er dann da oben von einem Hubschrauber abgeholt wird, dann ist das ein Irrtum, denn das hat nichts mit dem Weg zu tun. Das Potential steht jedem zur Verfügung.
Nun könnte man sagen, indem der Dzogchenpa von Anfang an seinen Geist darauf ausgerichtet hat, dass oben der Hubschrauber erscheint, hat er es leichter, von diesem abgeholt zu werden. Er hat ihn ja sozusagen schonmal vorbestellt. Aber jemand anders, der dort oben ankommt, findet es vielleicht viel schicker, den Berg auf der anderen Seite wieder herabzusteigen, die Erfahrung des Gipfels ist integriert. Wer ihm entgegenkommt, dem macht er Mut, weiterzugehen, da das Ziel erreichbar ist. Ist der also dann weniger erleuchtet? (Wir reden hier von einem Buddha, der sich als Bodhisattva ausdrückt!)
Oder jemand kommt ganz unbedarft da oben an, und der Dzogchenpa steigt gerade in seinen Hubschrauber, dann fliegt er vielleicht einfach mit, ohne dass er jemals vorher auf den Gedanken gekommen ist, dass es da oben Hubschrauber geben könnte. Der Dzogchenpa, der an dem Punkt zwangsläufig seinen Stolz verloren haben wird, wird ihm das Mitfliegen sicher nicht verweigern, nur weil "er sich keinen eigenen Hubschrauber bestellt hat und überhaupt ja auf der "Seite des Gipfels" angekommen ist, wo es keine Hubschrauber gibt".
Also, zum Kern der Sache - oder eben zum Gipfel - es gibt nur einen Kern einer Sache, so wie der Berg nur einen Gipfel hat. Aber an dem Punkt öffnet sich für jeden der offene Raum und alles ist aus sich selbst heraus befreit und alles kann ungehindert erscheinen...
Das ist einfach so. Erleuchtung ist einfach so. Es wäre ein komisches Universum, wenn man das Allerhöchste nur als alter Tibeter oder Nachahmer solcher erreichen könnte...
Eigentlich ist jede Definition dessen, was "Nach der Erleuchtung" im Detail passieren muss, damit sie echt ist, eine Einschränkung und damit ein Schritt zurück in eine Begrenzung - vom Blickpunkt eines Buddha her betrachtet...