Beiträge von dermatze im Thema „"Reine Lehre" und "gerechte Wut"?“

    MonikaMarie1:

    Hallo dermatze,
    was ist gerechte Wut?
    Erfüllt sie einen Sinn und wenn ja, welchen?
    _()_


    "Gerechte Wut" war eine Umschreibung dafür, dass jemand eine Rechtfertigung für seinen verletzenden Schreibstil sucht. Im Sinn von:

    Zitat

    Wenn der andere die Sicht der Überlieferungen nicht anerkennen will, muss ich ihm hier auch mal eins auf den Deckel geben.

    nibbuti:


    Ich denke auch, dass man an das Dhamma & die Praxis des Buddha persönlich herangehen sollte, sowie die persönliche Geschichte des Gesprächspartners einbeziehen.


    Volle Zustimmung, das wäre wirklich hilfreich. Wenn ich jemanden ernst nehme (im Sinn von "den anderen wahrnehmen als wertvollen Menschen, der genau wie ich nicht verletzt werden will"), wird sich der andere mir mehr öffnen können. Dann ist er auch empfänglicher für meine Meinung.


    Es gibt Situationen, wo das anders ist. Wenn von vornherein ein großer Unterschied im Status zwischen beiden besteht. Und derjenige mit dem tieferen Status das anerkennt. Oder anerkennen muss. Schüler und Lehrer. Diktator und Unterdrückter. Guru und Anhänger. Eltern und Kinder.


    Nur in einem Internetforum habe ich nicht erlebt, dass sich Mitglieder selber einen untergeordneten Status zuweisen und sich herablassend belehren lassen. Man schaltet lieber auf Durchzug. Oder man schlägt zurück.


    Wenn also die Belehrungen des einen Mitglieds (z.B. jemand der sich aufgrund langer Praxis oder vieler Beiträge für berufen sieht, andere in barscher Art zu belehren) beim anderen gar nicht ankommen, was bleibt dann von der Belehrung?


    Meiner Meinung nach bleibt dieses: die Befriedigung des Egos.


    Wenn ich ich mich selber hinterfrage, mit welcher Intention ich viele Beiträge in meinem Foren-Leben geschrieben habe, dann kann ich erkennen: Ich schrieb sie oft nicht, weil mir der andere in dem Moment am Herzen lag. Sondern weil ich mich für kurze Zeit gut fühlte, meine Ansichten den anderen vorzusetzen. Mir gefiel es, für den Moment im Mittelpunkt zu stehen. Und dabei zu denken: "du bist doch ein ziemlich cleverer Mensch. Was du da wieder geschrieben hast. Wie du da wieder die Denkfehler in den Beiträgen der anderen herausgepickt und bloss gestellt hast: Klasse!" Streng genommen trifft das irgendwo auch auf diesen Thread zu. Ich versuche allerdings dabei andere persönlich nicht mehr zu verletzen.


    Um auch den Palikanon zu zitieren:

    Zitat

    265. Wie empfindet ein Mensch Mißachtung infolge des Gebens?


    Da gibt einer einem anderen das Nötige an Gewand, Almosenspeise, Lagerstatt und die für Krankheiten nötige Arznei. Er aber denkt: 'Ich bin der Geber, dieser der Empfänger,' und infolge des Gebens mißachtet er ihn. So empfindet ein Mensch Mißachtung infolge des Gebens.

    Beim Stöbern in diversen Threads hier ist mir ein Muster aufgefallen. Möglicherweise geht es anderen auch so:


    Oft arten Diskussionen in Auseinandersetzungen aus, bei denen man sehr kompromisslos auftritt, weil man sich durch den Palikanon und andere Schriften im Recht sieht. Im Sinne von "ich brauche gar nicht auf dich einzugehen, denn ich reiche dir hier ein Zitat. Das sollte genügen, damit du erkennst: ich habe Recht."


    Es geht mir nicht darum, ob derjenige wirklich im Recht ist. Meine Sicht des Buddhismus ist: die Überlieferungen weisen den Weg, aber ich muss ihren Wahrheitsgehalt letztlich erfahren um sie mir zu eigen machen zu können.


    Es geht mir daher nur um die Art und Weise. Es erscheint mir nicht klug, andere harsch anzugehen. Auch nicht im Sinne einer "gerechten Wut". "Wenn der andere die Sicht der Überlieferungen nicht anerkennen will, muss ich ihm auch mal eins auf den Deckel geben."


    Ich halte das nicht für klug, weil es zunächst zu unangenehmen Emotionen und Zänkereien führt. Wenn ich überheblich, herablassend, provozierend, ausfallend werde, dann wird sich der andere verletzt fühlen und den starken Impuls spüren, sich zu verteidigen. In diesem Zustand ist es ihm kaum möglich, mir Recht zu geben.


    Meine Argumente, seien sie auch noch so gut durch Schriften untermauert, gehen ins Leere.


    Wäre es nicht aus Sicht eines klugen Buddhisten besser, dem anderen mit Werten wie Sanftheit und Mitgefühl zu begegnen? Auch wenn ich meine, dass er gerade falsche Ansichten hat? Thich Nath Hanh (den mancher hier vielleicht nicht ernst nimmt), hat in dieser Hinsicht sinngemäß etwas kluges gesagt:


    Wenn ich mit jemandem verhandele, versuche ich ihm zuerst ernsthaft zuzuhören. Wenn ich mir erlaube zu verstehen, wo und wie er leidet, dann entwickle ich echtes Mitgefühl. Dann erst ist die Offenheit da, um auf die Argumente des anderen einzugehen. Ich lasse mich nicht mehr durch die Sucht des Egos nach Abgrenzung und Streit leiten. Der andere muss nicht mehr verlorenen Stolz fürchten, wenn er ein Argument von mir als richtig anerkennt.