Beiträge von Doris im Thema „Euer Weg zu und mit den Geboten“


    Wie kommst Du auf Bitterkeit?
    Erwachsensein bedeutet für mich auch, meine automatischen Abwehrmechanismen zu durchschauen und loszulassen. Wenn ich bei dem Ausdruck "Gebot" automatisch eine Abwehr- und Verweigerungshaltung einnehme, wenn ich mir alles "Verzuckern" muss, dann ist das in meinen Augen nicht ganz reif. Ich finde es wichtig, mir diese Abwehrhaltung auf bestimmte Stichwörter vor Augen zu führen und sie zu untersuchen. Warum streiten wir so oft? Mit Sicherheit, weil Stichwörter fallen, auf die wir negativ konditioniert sind. Dann verschließen wir unser Herz, lesen nicht mehr richtig, interpretieren wild herum statt nachzufragen, lehnen den Anderen ab, fangen an zu kämpfen … Die automatische Abwehr von "Gebot" ist auch so eine Reaktion mit den verschiedenen individuellen Konnotationen. Dadurch entgeht uns ganz schön viel.


    Strenge ist auch ein Nein. Das ist für mich in Ordnung. Jedes Nein enthält ganz viel Ja für andere Dinge, andere Verhaltensweisen und Möglichkeiten.
    Dieses Nein ist Wärme, es ist ein Schutz, die Hand, die einem mal sanft und mal resolut den Weg zeigt. Beispiel: Das klare Nein zu Drogen, öffnet erst die Augen für die unendlichen Möglichkeiten. Diese Nein ist ein Ja zu meinem Leben.


    Ich sehe die Leute auf der Straße nicht als "streng genug". Im Gegenteil. Ich sehe Verzettelung und Orientierungslosigkeit, die sie zum Opfer ihrer Emotionen und der äußeren Einflüsse macht. Ich sehe viel zu viel Nachgiebigkeit für die eigenen Unzulänglichkeiten, wodurch das Heitere und Entspannte keinen Platz bekommt. Frei zu werden ist anfangs wohl sehr anstrengend und erfordert Disziplin. Das ist keine Askese, keine Kasteiung, aber sehr wohl Verzicht und Mühe. Mir scheint, als ob manche Menschen diese Mühen nicht auf sich nehmen wollen, aber sie akzeptieren anstandslos ihre daraus entstehende Erschöpfung. Entschlussfreudigkeit, Ausdauer, Disziplin sind für mich wichtige Elemente auf dem Weg.


    Liebe Grüße
    Doris

    Ist doch eigenartig …
    Erwachsene Menschen, die komplizierte Texte lesen, die sich selbst höchst schwierige Aufgaben stellen, haben eine Abwehr gegen den Begriff "Gebote". Es muss milder und "machbarer" klingen, damit es angenommen werden kann. :D Warum ist das so schwer auszuhalten?


    Zitat

    "Die Beschränkung des Verhaltens" klingt ganz anders, als "das Schlechte unterlassen", es fehlt die Wertung darin. "Den Lebewesen nutzen" klingt auch irgendwie machbarer als "Tue das Gute für die anderen".


    Wertung ist in beiden Sätzen enthalten. In der ersten Übersetzung klingt es nur etwas sanfter und womöglich akzeptabler.
    Beim zweiten Satz lese ich einen anderen Aspekt heraus: Die Eigennützigkeit völlig eliminiert: Ich tue das nicht mehr für mich, mein ganzes Handeln wird auf die andern ausgerichtet. Es enthält somit auch noch die Widmung.


    Was Aiko und c.d. meinten halte ich schon für korrekt. Ich weiß nicht, ob das so für alle Lebenssituationen gilt, weil ich denke, es gibt genügend Momente, wo reflektiert und abgewägt werden muss. Denken und Verstand per se abzustellen halte ich für fatal. Das rote Knöpfchen drückt sich auch ganz konzentriert und selbstlos.
    Aber in ganz vielen Situationen erlebe ich Konzentration und Beschränkung, Mediation als Lösung. Ich denke nicht nur an das Sitzen auf dem Kissen, sondern an die vielen Momente im Alltag, in denen ich mich besinne, und in denen sich dann Handlungsimpulse auflösen. Da wird es mir dann bewusst, wieviel ich den Handlungen aufpfropfe. Daher vermute ich, dass das Unheilsame, das Böse, ebenso wie das Extra-Gute meist durch das Aufpfropfen ihre negative, destruktive Qualität erhalten. Lass ich das Aufpfropfen weg, bleibt die reine Handlung übrig. Die scheint mir irgendwie von Natur aus weniger schädlich zu sein.


    Trotzdem benötige ich Gebote und Richtlinien, und das ist schon in Ordnung. Manche Impulse sind sehr heftig, so dass ich sie mit Regeln und Geboten im Zaum halten muss, und da bin ich froh, dass ich diese zur Verfügung stehen habe. Manche Impulse sind auf sehr subtile Weise heftig und scheinen sich mit äußeren Regeln zu decken, so dass ich auch hier froh um ein Instrumentarium bin, anhand dessen ich Entscheidungen treffen kann. Oft genug entdecke ich erst im Nachhinein den Widerspruch zu den Geboten, das Unlautere meines Impulses, indem ich mein Tun abgleiche.


    Für mich sind das also wichtige Indikatoren und Hilfsmittel, Orientierungsmöglichkeiten, wenn der Königsweg nicht funktioniert, wenn ich einfach nicht auf diesen Pfad zurückkommen kann, wenn sich verwirrende und beängstigende Lebenssituationen ergeben, die mich überwältigen – da habe ich dann einen Anker. Ich nutze einfach alle mir zur Verfügung stehenden Mittel. Dabei schätze ich auch die unerbittliche Strenge und Klarheit von Geboten – sie können den ganzen kleinen Verführungen des Alltags ein klares Nein entgegensetzen. Mir erscheint Mara im Verborgenen und im Detail, in vielen Verkleidungen, und manche davon wissen sich gut einzuschmeicheln.


    Zitat

    Ich habe das expliziter als "Zeige nicht auf die Fehler anderer" kennengelernt.


    Ja, Benkei, so kenne ich das auch. Wenn ich Fehler an anderen entdecke, dann ist das nichts weiter als die Aufgabe, in mir selbst zu suchen. Das bedeutet nicht, alles akzeptieren zu müssen, sondern zum einen, den Großen Zweifel zu pflegen und zum anderen, wirklich nachsehen, wo ich genau dasselbe Defizit aufweise. Auf diese Art habe ich schon einige meiner Fallen entdecken können, in die ich immer tappe. Daher bin ich dankbar, wenn sich jemand blöd verhält und mir auf diese Weise Studienmaterial liefert :D Ein toller Nebeneffekt ist dann, dass sich Abneigung gegen die Person auflöst – ein Konfliktherd weniger. Die Alten Meisterinnen wissen schon sehr gut um all die Rückkopplungen ...


    Liebe Grüße
    Doris