Beiträge von gbg im Thema „Zen und Daoismus“

    @ fluid


    Hallo fluid,


    da ich bezüglich des Taoismus noch ein weitestgehend Lernender bin, habe ich Deine Ausführungen dankend angenommen. Ich lasse sie mal für andere mit mehr Kenntnis zum komentieren von meiner Seite aus unkomentiert so stehen. _()_

    Bakram:
    gbg:

    Wie ist Zen eigentlich geschichtlich mit dem Daoismus verknüpft? Weist Du ob etwa ein Laotse mit dem Zen vertraut war?


    Ich kenne mich (noch) nicht so aus mit Daoismus. Ich vermute Daoismus existierte bereits in China bevor der Buddhismus dort auftauchte(Bodhidharma). Die beiden "Religionen" haben sich dann wahrscheinlich miteinander vermischt, wobei Daoismus eher Metaphysik beisteuerte und Buddhismus mehr Psychologie.


    Benkei hat ja ebenfalls dankenswerterweise schon einiges gesagt. Aber sind es tatsächlich Religionen oder vielleicht eher Philosophien? Woran machst Du das fest?
    Methaphysik ist ja auf Aristoteles zurückgehend urphilosophisch und Psychologie doch eher ein wissenschaftliches Feld?
    Oder siehst Du Methaphysik hier und Psychologie dort als den Taoismus bzw. den Budhismus nicht im Kern ausmachend?


    Zitat

    Na irgendwie kann man wujing tatsächlich auch Gott nennen, halt nicht mit Bart sondern etwas abstrakter. Passt besser in unsere Zeit. Ich glaube jeder braucht einen Urgrund um seinen Halt zu finden.


    Meinst Du zum Beispiel Einsteins Ehrfurcht vor der Unendlichkeit unseres Raumzeituniversums oder Kants Ehrfurcht vor dem "bestirnten Himmel" über uns und dem "moralischen Gesetz" in uns reichen aus um Halt zu finden? Oder wie will man in einem "Urgrund" Halt finden über den sich nichts aussagen und den man sich bildlich nicht vorstellen kann? Oder ist das gerade das wahre und schöne an einem solchen "Urgrund"?


    Zitat

    Es handelt sich nur meine momentanen persönliche metaphysische Weltanschauung ...


    Wuji interpretiere ich als etwas für uns nicht wahrnehmbares. Vielleicht etwas noch nicht entdecktes. Trotzdem hab ich das Gefühl seine Präsenz zu erahnen. Mal als Naturgesetz, mal als Schicksal, mal Zufall, mal Regel, mal Prinzip, mal Organisation, mal Kraft, mal System, mal höhere Macht.


    Ein Naturgesetz wie Kausalität?
    Ein Schicksal wie etwas dem auch die Götter, wenn es sie den gäbe unterliegen würden? So etwas wie Karma?
    Ein Zufall wie den Zerfall von radioaktiven Atomkernen?
    Eine Regel wie ein teilweiser Ausschluss von Freiheit?
    Ein Prinzip wie Kants Kategorischen Imperativ?
    Eine Kraft wie die Liebe?
    Ein System wie ein System in der Physik wo nur Energien und Materie ausgetauscht werden?
    Eine Höhere Macht wie ein kaiserlicher Monarch oder der Papst?

    Zitat

    Form ist , glaub ich, alles was wahrnehmbar ist.


    Meinst Du methaphorisch gesprochen Licht "wie die Sonne" oder vom Licht Beschienenes "wie den Mond"?

    Zitat

    Wuji er Taiji ist der Einheit:sgedanke in der ewig sich wandelnden Vielfalt, das unteilbare Eine in der sich verändernden Differenziertheit


    Zitat

    Wie soll man sich ein Wirkprinzip auch anders vorstellen ? Wir sehen nur seine Auswirkungen ohne das Prinzip erfassen zu können.
    Wie stellt man sich Schwerkraft vor ? In der Regel als Apfel der vom Baum fällt. Der Apfel ist aber nur Form und nicht das zugrundeliegende Prinzip dieses ist nicht direkt wahrnehmbar.


    Ist "Schwerkraft" wie Aristoteles Glaubte die Neigung der "Dinge" hin zu einem Mittelpunkt wo allgemein die "Dinge" in ein Zentrum streben. Neuwissenschaftlich gesprochen eine Energiesenke oder eine Mulde im RaumZeitkontinuum?
    Aber gefällt Dir nicht auch Aristoteles Auffassung besser weil sie mehr Raum bietet , als Methaper einfach allgemeiner und damit auch allgemeingültiger ist. Mir geht es zumindest so...
    Kann nicht auch Einsicht zu einem Zentrum streben?

    Zitat

    Unendlich ist gut. Wuji als unendlicher Raum, unendliche Zeit, unendliches Bewusstsein. Formen (Taiji) sind begrenzt, sie sind zwar auch Teil der Leere grenzen sich aber von ihr ab (wodurch ?) und werden dadurch endlich. Körper ist Form, Gedanke ist Form, Dinge sind Form, alles was begrenzt ist, ist Form. Formen sind abgrenzbares Prinzip (Form ist [auch]Leere, Leere ist [auch] Form).


    "Formen grenzen sich von der Leere ab", so habe ich das noch nie betrachtet. Vielen Dank für dieses schöne Bild aus Deiner Feder, Bakram.

    Zitat

    Im Moment vermute ich, dass Daoismus der metaphysische Über- oder Unterbau des Zen sein könnte. Buddhismus des Palikanon verzichtet auf Metaphysik. Dennoch kommen metaphysische Gedanken im Zen z.B. in den Koans und in den Sutren vor.
    Der Mensch kann nicht ohne Glauben leben, er braucht eine plausible Metaphysik als Grundlage, die ihm Halt im Dasein vermittelt.


    Womit wir denke ich wieder beim Wuji bzw. Mu wären.

    Zitat

    Wie gesagt, alles nur meine momentane Meinung, der ich genau so auf der Suche bin wie viele andere. :D


    Das ist doch ein echter Konsens! :)


    Liebe Grüße
    gbg

    Hallo Bakram,


    (Brauchst nicht auf alle Fragen einzugehen, nur, wenn Du magst auf diejenigen die Dir interessanter resp. wichtiger erscheinen)


    Bakram:

    Weil ich kürzlich eine Taiji Schnupperstunde besuchte kam ich plötzlich mit Daoismus in Kontakt, welcher mein Intresse weckte.


    Ist Taiji in Japan nicht zu einer Kunst der eher älteren Leute geworden? Hast Du in dem Kurs auch jüngere Menschen angetroffen?

    Zitat

    Beim Studium des Daoismus bemerket ich erstaunliche Paralellen mit Zen.


    Wie ist Zen eigentlich geschichtlich mit dem Daoismus verknüpft? Weist Du ob etwa ein Laotse mit dem Zen vertraut war?

    Zitat

    Die Kalligrafie Enso entspricht genau dem Zeichen für Wuji.


    Ist Kalligrafie eigentlich ursprünglich eine eher chinesische oder japanische Kunstform. Kenne sie nur aus Kung-Fu Filmen... Taoismus und Zen sind doch beide ursprünglich rein chinesisch beheimatet gewesen?
    Was bedeutete und bedeutet die Kalligrafie den Chinesen bzw. Japanern damals und heute?

    Zitat

    Wuji bedeutet im Daoismus der leere Urgrund alles seienden, welcher als metaphysische Ebene allem Seienden vorausgeht, da alles seiende notwendigerweise seinen Ursprung im Nichts nimmt:
    Wuji verweist also auf einen gestaltlosen Ur-Grund, zu dem alles auch wieder zurückkehrt. Wuji ist unsichtbar, unbedingt, grenzenlos, eigenschaftslos und unfassbar.http://de.wikipedia.org/wiki/Wuji


    Stellst Du Dir das Wuji eher wie eine Durchsichtigkeit oder wie eine Schwärze oder allgemein wie eine Negation vor? Denn Durchsichtigkeit ist ja die Negation von Undurchsichtigkeit und Schwärze von Weiße. Ist also mit dem Begriff Negation schon alles über Wuji gesagt oder greift er für Dich zu kurz oder ist er gar ganz falsch in Deinen Augen?
    Ist Wuji des weiteren ein Kreis der angefangen gemalt und zuendegemalt geschlossen wird? Ist es ein Kreis oder trifft es auf Wuji eher nicht zu als zu?
    Gestaltloser Urgrund...
    Das erinnert mich an einen Abgrund. Ist Wuji ein Abgrund. Muss ich vor ihm Angst haben? Oder ist es eher ein "blauer Himmel"? Oder trifft das Wuji auch nicht? Warum nicht, wenn ja?
    Wie kann ich mir sonst etwas "eigenschaftsloses" überhaupt nur ansatzweise vorstellen?

    Zitat

    Da assoziere ich natürlich gleich das Mu Koan und bemerke, dass mu und wu dasselbe Zeichen 無 sind.


    Wie darf ich mir "Mu" "vorstellen". Es sagt mir im Moment nicht besonders viel. Früher dachte ich immer an ein Muhen einer Kuh... Aber das scheint mir wie der Kinderglaube an einen Gott mit weißem Bart. :)
    Aber die Zeichenübereinstimmung die Du aufzeigst macht mich nur noch neugieriger, interessierter.

    Zitat

    Wir leben aber nicht in einer Leere sondern inmitten von Formen: Form ist Leere, Leere ist Form (Herzsutra) assoziere ich mit dem daoistischen Wuji er Taiji


    Was meinst Du mit "wir leben nicht in einer Leere". Stehen die beiden (der eine) Begriff(e) Mu bzw. Wuji (無) nicht für eine "unsichtbare Leere" bzw. für ein "Vakuum"?
    Meinst Du mit Formen so was wie ausgedehnte Körper, Körper, die bis auf ihr Wesensmerkmal Ausgedehntsein reduziert betrachtet werden?
    Und das "nur"weil sie überall vorkommen wie Du sagst?

    Zitat

    Wuji er Taiji ist der Einheit:sgedanke in der ewig sich wandelnden Vielfalt, das unteilbare Eine in der sich verändernden Differenziertheit


    Ist Wuji ein Gedanke? Oder ein undenkbarer Gedanke? Wie darf ich mir diesen Einheitsgedanken bildlich vorstellen. Oder darf ich das gerade nicht?
    Oder kann ich mir darunter wie Du sagsrt eine Form vorstellen, bzw. etwas das nur ausgedehnt ist und sonst nichts also als unenlichen Raum vielleicht?

    Zitat

    Im Daoismus gibt es noch viel mehr gemeinsamkeiten mit Zen: Das Prinzip Wu-Wei. Und ev auch die Vorstellung von moral.
    Ich hab schon mal gelesen, dass Zen von Daoismus beeinflusst wurde aber das die Paralellen so stark sind hat mich überrascht.


    OK dann lassen wir das mit den Historischen Vergleichen, muss auch nicht unbedingt sein.
    Aber wie kommst Du auf eine Paallele bezüglich der Moral zwischen beiden Richtungen?

    Zitat

    Ich poste dies um meine Beobachtung jenen mitzuteilen denen dies nicht bewusst ist und um Meinungen zu erfahren ob meine Assoziationen richtig sind und frage mich nun auch ob man Zen verstehen kann ohne Kenntnis der daoistischen Philosophie ?


    Deine Meinungen sind zumindest interessant ob sie richtig sind kann ich leider nicht ganz beurteilen, aber vielleicht kommen wirja gemeinsam auf einen Nenner.
    Was sind Deiner Meinung nach die Pfeiler des Zen bzw. des Daoismus?


    Mein Fazit: Bei mir sind noch sehr viele Fragen offen aber u.a. das sogar das kalligrafischen Zeichen 無 für Mu und Wuji gleich ist macht mich baff!


    Liebe Grüße
    gbg