Beiträge von Jojo im Thema „Wenn Buddhisten töten“

    bel:

    Ein ganz gewöhnlicher Mensch?

    Uchiyama:

    Aber in dieser Übung (Zazen), durch die wir ganz gewöhnlich werden, besteht die unendliche Tiefe. (in seinem Kommentar zum Genjokoan)


    So weit bin ich noch nicht.
    Im übrigen, sind Buddhisten etwa nicht ganz gewöhnlich?
    Am Anfang hab ich mich um diese Bezeichnung so rumgedrückt. Inzwischen, wenn mich jemand fragt, ob ich Buddhistin bin, rede ich da nicht mehr drum rum. Diese Feinheiten Buddhist oder Zenbuddhist versteht eh keiner.

    Sôhei:

    Also können wir fragen:
    1) Beinhaltet dein Verständnis des Buddhismus ein Gebot der absoluten Gewaltlosigkeit?
    2) Kannst du dir Situationen vorstellen, in welchen du es für möglich hältst, Gewalt auszuüben oder die Ausübung durch andere zu unterstützen?
    3) Wie vereinbarst du das miteinander?


    Diese Fragen finde ich allerdings interessant.
    Ich möchte mal versuchen, sie zu beantworten.


    1) Ich glaube, dass die buddhistisch begründete Tradition, in der ich übe, das Töten von anderen Menschen vollständig und grundsätzlich ablehnt, vermutlich auch das Töten von Tieren mit einem Blutkreislauf. Was Kakerlaken und Mücken betrifft, weiß ich nicht. Ich glaube, die dürfen getötet werden, bin aber nicht sicher. Was das Quälen von anderen Menschen angeht, also das Ausüben physischer Gewalt, ist diese Tradition aber scheinbar nicht zimperlich, und kennt Situationen, wo das "zu pädagogischen Zwecken" durchaus erlaubt ist (das Quälen von Tieren scheint wiederum nicht erlaubt zu sein, wahrscheinlich, weil das Pädagogische dabei entfällt).


    Genau die Gewaltattitüde dieser Tradition hat mich damals angezogen (rückblickend). Ich war gewalttätig erzogen worden und Aggressivität gegenüber anderen und Selbstaggression war ein normaler Aspekt meines alltäglichen Lebens. Ohne diese "Töte dein Ego und werde erleuchtet"-Ideologie hätte mich die Sache damals nicht die Bohne interessiert. Lotosblumen, Wohlfühlatmosphäre und Zwangsumarmungen haben mich immer aggressiv gemacht (inzwischen komme ich damit klar :lol: ). Der GEwaltaspekt dieser Tradition hatte also was Gutes.


    Klar, auch diese scheinbar gute Gewalt führt zu sichtbarem Missbrauch, und ebnet offenbar sogar die Grenze zum Töten. Das ist ja auch hier in diesem Thread erwähnt. Der Umgang mit Gewalt und Schmerz auf verschiedenen Ebenen, die Frage, was kulturell motiviert ist und was "zur Lehre" und somit "weitergegeben" gehört, ist in unserer Tradition jedenfalls ein großes Thema geworden. Und das ist gut so, frei nach Wowereit.


    2) Komme ich zu frage 2. Ich sehe eine Menge Leute, denen es ebenso geht wie es mir damals ging. Die für die eigentliche Praxis erst mal nicht zugänglich sind, die ein roh, grob, und aggressiv auftretendes Umfeld brauchen, diesen "wir sind eine Elite-Truppe"-Charakter und diesen ganzen Dreck, um sich auf einen Lehrer einlassen zu können.


    Deshalb bin ich mir trotz der Missbrauchsgefahr nicht sicher, ob es gut ist, das Gewaltarsenal "meiner" Tradition komplett über die Wupper zu schicken. Womit ich die Frage "Kannst du dir Situationen vorstellen, in denen du es für möglich hältst, Gewalt auszuüben oder andere dabei zu unterstützen" mit Ja beantworten MÜSSTE, aber dabei innerlich total zusammenzucke, weil ich es mir nämlich überhaupt NICHT vorstellen kann.


    Frage zwei habe ich kürzlich auch mit einer des Buddhismus völlig unverdächtigen Bekannten erörtert, deren Heimat gerade in einen gewaltsamen Konflikt verwickelt ist. Wir fragten uns, ob man so einen Konflikt "austrocknen" könnte, indem eine Seite wirklich vollständig auf Gewalt verzichtet, und dabei natürlich in Kauf nehmen muss, getötet zu werden. Wir kamen sehr schnell zu der Erkenntnis, dass es uns vielleicht gelingen könnte, uns selbst nicht zu verteidigen, dass wir es aber wahrscheinlich nicht aushalten könnten, wenn (unsere) Kinder getötet oder gar gequält würden.


    Die Frage zu 2) kann ich also vielleicht nicht mit einem herzhaften Ja beantworten, aber ich kann eben auch nicht ausschließen, dass ich immer Nein sagen würde. Und ja, ich nenne mich Buddhistin. Ich gehe damit nicht hausieren, aber ich habe die Laiengelübde abgelegt, und setze mich damit täglich auseinander. Was sollte das sonst sein als "Buddhistin"?


    Frage 3) Meine Antworten auf Frage 1 und Frage 2 passen für mich wunderbar zusammen. It´s a complete fucking mess.