Beiträge von Sudhana im Thema „Die Geschichte Tibets und der Buddhismus vor den Chinesen“

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    Man kann hier die angebliche Friedfertigkeit des Buddhismus schön relativieren (Aber dazu muss man ja nur nach Sri Lanka oder Myanmar schaun).


    Ich persönlich halte nicht viel davon, über die "Friedfertigkeit" von Religionen zu räsonnieren. Mehr oder weniger friedfertig sind immer Menschen. Ideologien und Religionen liefern ihnen allenfalls Begründungsmuster für ihre Unfriedfertigkeit- aber ggf. auch für ihre Friedfertigkeit. Was ersteres angeht - da ist der Buddhismus im Vergleich insbesondere zu den abrahamitischen Religionen doch verhältnismäßig unergiebig. Es mag irritieren, dass beides möglich ist - aber das ist dank des menschlichen Intellekts nun mal so.


    Wenn wir über die Friedfertigkeit von Religionen reden, dann läuft das meistens darauf hinaus, alle, die sich einer solchen Religion verbunden fühlen, in einen Sack zu stecken. Da stellt sich dann ganz schnell die Frage nach der eigenen Friedfertigkeit.


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    Nach dem Verhältnis zwischen "Buddhadharma und Politik" und der Korruption die aus der Vermischung der Sphären stammt, zu fragen, ist ja sehr neuzeitlich gedacht.


    Wie kommst Du denn darauf? Schon Buddha selbst entwickelte nach dem Zeugnis des Palikanon politische Ideen (zur Einführung: http://www.www.buddhapanya.org…cio-political%20Ideas.pdf). Und jeder Mönch oder Priester, der nicht nur für sich allein, also 'privat' praktiziert, sondern in eine Gemeinschaft eingebunden, muss sich grundsätzlich mit dem Verhältnis zwischen "Buddhadharma und Politik" auseinandersetzen. Korrumpierend ist nicht die "Vermischung" von Buddhadharma und Politik, korrumpierend ist vielmehr - das zeigt die historische Erfahrung - die Vermischung politischer mit spiritueller/religiöser Autorität.


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    Auch wenn es sinnvoll ist, heutige heutige Verhältnisse unter dem Aspekt der individuellen Verantwortung zu betrachten, so kommt man wohl nicht sehr weit, wenn man das auf mittelalterliche Verhältnisse anwendet.


    Da hast du mich falsch verstanden, obwohl ich versucht habe, genau diesen Punkt klarzustellen. Es geht nicht darum, heutige Sichtweisen "auf mittelalterliche Verhältnisse" anzuwenden, also geschichtliche Abläufe und Akteure zu verurteilen oder zu rechtfertigen. Es geht vielmehr darum, Lehren aus der Geschichte zu ziehen und sie auf unsere eigene historische Situation anzuwenden. Da zeigt sich, dass der in Europa in Folge der Aufklärung entstandene Laizismus klerikalen Herrschaftsmodellen mit der ihren immanenten Tendenz zu Intoleranz, Totalitarismus und hemmungsloser (da religiös gerechtfertigter) Ausbeutung weit vorzuziehen ist. Auch, wenn die klerikale Herrschaft von buddhistischen Mönchen ausgeübt wird.


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    Vielleicht ist es sinvoll die Entwicklung in Tibet mit der in Japan zu vergleichen


    Die lief nur eine Weile analog zu Tibet. Bis Oda Nobunaga in den 70er Jahren des 16. Jahrhunderts die sog. 'Kriegermönche' vom Hiei, von Nagashima und Echizen blutig und dafür um so nachhaltiger entmachtete - also bevor sie, wie in Tibet, die politische Macht an sich rissen. D.h. so weit wie in Tibet gedieh die Macht des japanischen Klerus nie, insofern lässt sich das auch nur sehr bedingt vergleichen.


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    Konkurrierende Adelgeschelchter, die aus der traditionellen Ordnung keinen Herrschaftsanspruch ableiten können, interessieren sich für den im ziviliiserteren Nachbarland populären Buddhismus und laden Mönche ein.


    Das trifft so weder auf die tibetische noch die japanische Geschichte zu.


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    Die neue Herrschaft stützt sich auf den Budhismus und die Mönche werden dafür geschätzt, dass sie zivilsatorische Errungenschaften einführen.


    In Tibet haben buddhistische Mönche seit dem 5. Dalai Lama nicht die Herrschaft "gestützt" (das wäre in der Tat nicht nicht ungewöhnlich), sie haben sie selbst direkt ausgeübt. Insofern ist Tibet ein Sonderfall - politisch vergleichbar nur mit dem historischen Kirchenstaat in Italien (wenn man nicht bis in die Antike zurückgehen will). Da kann man dann in der Tat vergleichen und prüfen, ob buddhistische Kleriker als Machthaber eine humanere, gerechtere, tolerantere und weniger gewalttätige Gesellschaft geschaffen haben als ihre christlichen Brüder im Geiste. Oder als es weltliche Machthaber getan haben ...


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    void:
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    Tibet war halt ein feudalistisches System. Es besteht nicht so großer Unterschied zum feudalistischen Systemen im Mittelalter in Europa. Nur das sie in Tibet halt ein wenig länger Bestand hatten.


    Genau. Jedes Gesellschaftsform bringt ja ihre eigenen Strukturen und Sachzwänge hervor


    Das ist natürlich richtig, aber nach meinem Empfinden geht das an der Sache doch etwas vorbei. Tibet war ja nicht irgendein "feudalistisches System" wie jedes andere, sondern eines, das der Klerus (genauer: ein Teil des buddhistischen Klerus) unmittelbar beherrschte, nachdem er aktiv (und durchaus nicht unblutig) mit Hilfe landfremder (mongolischer) Truppen die Macht erobert hatte. Zumindest mir drängen sich dann doch einige Fragen auf, z.B.: welche Motivation stand hinter dieser Eroberung der Macht und ihrer Ausübung? Wem bzw. welchen Interessen diente die so begründete und aufrecht erhaltene soziale und politische Ordnung - für die der buddhistische Klerus unmittelbar verantwortlich war? "Allen Wesen"? Warum war die tibetische Gesellschaft in sozialer, ökonomischer und politischer Hinsicht so extrem rückständig? Warum hatte das Mittelalter "in Tibet halt ein wenig länger Bestand" bzw. warum endete es erst mit der chinesischen Okkupation 1950? Lag dies an den genannten Interessen? Wem nutzte die tibetische Gesellschaftsordnung vor 1950? Bzw. welchen Interessen sollte denn politische Machtausübung durch buddhistische Mönche überhaupt dienen - und tat sie das in Tibet? Ist politische Machtausübung (insbesondere in der Art, wie staatliche Gewalt in Tibet ausgeübt wurde) überhaupt vereinbar mit dem ethischen Verhalten, dem sich Bhikshus durch ihre Gelübde verpflichten?


    Um nicht missverstanden zu werden - bei diesen Fragen geht es nicht (jedenfalls mir nicht) um Tibet oder überhaupt um historische Fragen - sondern grundsätzlich um das Verhältnis von Buddhadharma und Politik. Um trotzdem mit meinem persönlichen Fazit in Bezug auf die tibetische Geschichte nicht hinterm Berg zu halten: das ist ein ziemlich abschreckendes Beispiel für Korruption durch Macht.


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