Aiko:
Das erinnert mich sehr stark an Billy Graham und seine Evangelistic Association.
Ausgerechnet dieser grauenhafte evangelikale Schreihals........
Die christliche Gnadenlehre kann doch auch in weniger schrillen Tönen daherkommen:
„Wenn wir in dieser Erfahrung des Geistes uns loslassen, wenn das Greifbare und Angebbare,
das Genießbare versinkt, wenn alles nach tödlichem Schweigen tönt, wenn alles den Geschmack
des Todes und des Unterganges erhält, oder wenn alles wie in einer unnennbaren,
gleichsam weißen, farblosen und ungreifbaren Seligkeit verschwindet, dann ist in uns faktisch
nicht nur der Geist, sondern der Heilige Geist am Werk. Dann ist die Stunde seiner Gnade.
Dann ist die scheinbar unheimliche Bodenlosigkeit unserer Existenz, die wir erfahren, die Bodenlosigkeit
Gottes, der sich uns mitteilt, das Anheben des Kommens seiner Unendlichkeit, die
keine Straßen mehr hat, die wie ein Nichts gekostet wird, weil sie die Unendlichkeit ist. Wenn
wir losgelassen haben und uns nicht mehr selbst gehören, wenn wir uns selbst verleugnet haben
und nicht mehr über uns verfügen, wenn alles und wir selbst wie in eine unendliche Ferne
von uns weggerückt ist, dann fangen wir an, in der Welt Gottes selbst, des Gottes der Gnade
und des ewigen Lebens zu leben. Das mag uns am Anfang noch ungewohnt vorkommen, und
wir werden immer wieder versucht sein, wie erschreckt in das Vertraute und Nahe
zurückzufliehen, ja wir werden es sogar oft tun müssen und tun dürfen. Aber wir sollten uns
doch allmählich an den Geschmack des reinen Weines des Geistes, der vom heiligen Geist
erfüllt ist, zu gewöhnen suchen. Wenigstens so weit, daß wir den Kelch nicht zurückstoßen,
wenn Seine Führung und Vorsehung ihn uns reicht.
Der Kelch des Heiligen Geistes ist identisch in diesem Leben mit dem Kelch Christi. Ihn aber
trinkt nur der, der langsam ein wenig gelernt hat, in der Leere die Fülle, in dem Untergang den
Aufgang, im Tod das Leben, im Verzicht das Finden herauszukosten. Wer es lernt, macht die
Erfahrung des Geistes, des reinen Geistes, und in dieser Erfahrung die Erfahrung des Heiligen
Geistes der Gnade. Denn zu dieser Befreiung des Geistes kommt es im Ganzen und auf die
Dauer nur durch die Gnade Christi im Glauben. Wo er diesen Geist befreit, befreit er ihn aber
durch die übernatürliche Größe in das Leben Gottes selbst hinein.“
K. Rahner, Über die Erfahrung der Gnade, Schriften zur Theologie, Bd. 3, Einsiedeln/Zürich/Köln 1964