Benkei:Namaste!
Ergänzend dazu:
Dōgen:Alles anzeigen„Wo inmitten von Leben und Tod (shōji)[1] Buddha ist, ist kein Leben und Tod (shōji)." Zudem heißt es: „Wo inmitten von Leben und Tod (shōji) Buddha nicht ist, gibt es im Leben. und Tod (shōji) kein Zweifeln."[2]
Dies sind die Worte der beiden Zen-Meister Kassan und Jōsan. Da es Worte von solchen sind, die sich den Weg angeeignet haben, sollt [ihr] sie nicht ungenutzt lassen.
Wer danach strebt, sich von Leben und Tod (shōji) loszulösen, der muß gerade den Sinn dieses Wortes klären. Wer Buddha außerhalb von Leben und Tod (shōji) sucht, der kommt einem vor wie jemand, der ins [südliche] Etsu[3] kommen will, indem er seine Deichsel nach Norden dreht, oder wie jemand, der den Nordstern sehen will, indem er sein Gesicht nach Süden wendet. So verstrickt er sich immer weiter in die Abhängigkeiten in Leben und Tod (shōji), und er verliert zunehmend den Weg der Loslösung (gedatsu) [aus den Abhängigkeiten]. Es gilt gerade dessen innezuwerden: Leben und Tod (shōji) ist zugleich Nirvana; nichts gibt es, was sich als Leben und Tod (shōji) verabscheuen ließe, es gibt auch nichts, was sich als Nirvana wünschen ließe. Dann wird erstmalig das Loslösen von Leben und Tod (shōji) klar.
Es ist falsch, zu meinen, man gehe vom shō (Leben, Geburt, Entstehen) zum shi (Tod, Sterben) über.[4] Entstehen (shō) ist ein Status zu einer Zeit und hat so bereits [sein] Vorher und Nachher. Darum heißt es in der Buddha-Lehre: Entstehen (shō) ist zugleich Nicht-Entstehen (fu-shō). Metsu (Vergehen, Sterben) ist ebenfalls ein Status zu einer Zeit, und hat so auch [sein] Vorher und Nachher. Deswegen heißt es: Vergehen (metsu) ist zugleich Nicht-Vergehen (fu-metsu). Im Fall von Entstehen (shō) gibt es nichts als Entstehen (shō); im Fall von Vergehen (metsu) gibt es nichts als Vergehen (metsu). Darum läßt sich sagen: Kommt Entstehen (shō) auf einen zu, ist allein Entstehen (shō), kommt Vergehen (metsu) auf einen zu, gebe man sich dem Vergehen (metsu) hin. [Beides] ist nicht zu verabscheuen, [beides] nicht herbeizuwünschen.
Dies Leben und Tod (shōji) ist Buddhas würdiges Leben.[5] Wer es verabscheut und wegwerfen möchte, der wird Buddhas würdiges Leben bestimmt verlieren. Wer aber darin stehen und im Leben und Tod (shōji) verhaftet bleibt, auch der verliert Buddhas würdiges Leben und löscht Buddhas Gestalt aus. Erst wenn man [shōji] nicht verabscheut und sich nicht [mehr nach Nirvana] sehnt, ist man in Buddhas Herz. Miß nicht mit dem [eigenen] Herzen, sage nichts mit Worten.
Wer sowohl seinen Leib wie auch sein Herz losläßt und vergißt, sich in Buddhas Haus hineinwirft, von Buddha geführt wird und diesem immer folgt, der läßt Leben und Tod (shōji) los und wird Buddha, ohne Mühe anzuwenden und ohne sein Herz zu verschwenden. Wer sollte dann in seinem Herzen ins Stocken. kommen?
Es gibt einen sehr leichten Weg, Buddha zu werden: Nichts Böses tun, nicht an Leben und Tod (shōji) verhaftet bleiben, für alle Lebewesen herzinniges Mitempfinden haben, alle Oberen achten und mit allen Unteren mitempfinden, im Herzen nichts verabscheuen, im Herzen nichts wünschen, im Herzen unbekümmert und unbesorgt sein, dies heißt Buddha. Suche [ihn] nicht anderswo.
Shōbōgenzō Shōji
Anmerkungen:
[1] Das Wort shōji ist eigentlich ein Wort. Da es keine entsprechende Wendung in der deutschen Sprache gibt, werden die beiden Worte „Leben" und „Tod" durch ein „und" verbunden. Eine wörtlichere, aber ungewöhnliche Übersetzung könnte „LebenTod" lauten, wodurch die Einheit, aber auch die Verschiedenheit der Momente zum Ausdruck gebracht wird. In diesem Text wird ausnahmsweise das japanische Wort shōji immer mit ange-geben, da es den Rhythmus des Textes bestimmt.
[2] Die beiden Wendungen sind zitiert aus dem 7. Buch des Keitoku dentōroku. Taishō Bd. 51, Text 2076, 254.
[3] Ein Gebiet südlich des Flusses Yangzi jiang in China.
[4] Wegen der inhaltlich bewußt eingesetzten Mehrdeutigkeit von shō und shi stehen zunächst die japanischen Worte und dann in eckigen Klammern die drei bzw. zwei Grundbedeutungen. Im folgenden steht dann nur noch ein deutsches Wort als Übersetzung, gefolgt von dem japanischen in Klammern.
[5] Hier steht nicht das sinojapanische Wort „Leben" shō, sondern das japanische inochi, dementsprechend das Wort Buddha nicht wie sonst butsu (sinojapanische Leseweise), sondern hotoke (japanische Leseweise) ausgesprochen werden sollte. Hotoke leitet sich von dem Verb hodokeru (sich-lösen) ab.
Der Text ist folgender Ausgabe entnommen:
Dōgen
Shōbōgenzō
Ausgewählte Schriften
Anders Philosophieren aus dem Zen
Zweisprachige Ausgabe
übersetzt, erläutert und herausgegeben von
Ryōsuke Ōhashi und Rolf Elberfeld
Keio University Press, Tokyo 2006
S. 172 - 176
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