Beiträge von diamant im Thema „Karma, zum 21328412374123.mal“

    Einzeiler und bloße Behauptungen ohne Beleg bringen nichts. Das spätere Zen sieht eben manchmal anders aus als das frühe Chan, manche Lehrer hatten dieses Wissen nicht, manche Schriften wurden erst in den letzten Jahrzehnten analysiert. Es gibt viele Gründe, aber auf einer "Metaebene" verstehen es die Lehrer oft gleich. Deiner sicher nicht. Dôgen schon. Darum ist es wichtig, neben dem Shôbôgenzô, wo er fürs Volk die Lehre von den drei Zeitaltern lehrt, auch das Eihei Koroku zu kennen. Dôgen gibt Einblicke in diese Meta-Ebene, wenn man ihn hinreichend studiert.


    Zitat

    Unwissenheit erzeugt Wut und Gier.


    Wenn du dabei bleiben willst, solltest du als nächstes mal die Theravada-Lehre schmecken ...


    Wie man hier sieht, erzeugt oft Wissen Wut, z.B. das Wissen um Bloginhalte etc. Das Wissen um die Ursache der Wut hingegen, das hier ja in der Regel vorhanden (angelesen und angehört) ist, reicht offenbar nicht aus, diese abzustellen. Alles, was geschrieben steht, sollte man sorgsam überprüfen. Die Phrase von der Unwissenheit lässt sich widerlegen (Wut kann z.B. auch von einem Hirntumor verursacht sein), nicht jedoch, dass Scheißen, Meditieren und Fressen Karma sind. Das eine ist die flache Ebene, das andere die Meta-Ebene.

    Jon: Ja, das ist von Dôgen im EIHEI KOROKU überliefert - leider weit weniger bekannt als das Shôbôgenzô. Wir sollen demnach einfach tun, was nötig ist, dann brauchen wir uns keinen Kopp um das Konstrukt Karma zu machen. Denn Scheißen ist ja die Folge von Essen, also ist das eine nicht besser oder schlechter als das andere.


    blue:

    Zitat

    das ist unZen und nicht belegbar.


    Natürlich ist belegt, wie schon im frühen Chan die Karma-Lehre als upaya, vorübergehend und vernachlässigbar, gesehen wurde, nachzulesen bei Jeffrey Broughton: The Bodhidharma Anthology mit Texten aus den frühesten Funden der Chan-Überlieferung. Zitat:


    Zitat

    Als Mensch in die Hölle zu fallen bedeutet, im Geist ein Ego zu erschaffen. Wenn die Menschen sagen: 'Ich tue Schlechtes, also erfahre ich Bestrafung; ich tue Gutes, also empfange ich Belohnung', dann ist dies übles Karma. Von vornherein haben solche Dinge nicht existiert, doch die Menschen unterscheiden und behaupten willkürlich, es gäbe sie. Genau darin liegt das üble Karma.


    Das "üble" Karma ist also, daran zu glauben, dass es eine karma-tische Vergeltung gibt. Der Glaube an ein solches Karma selbst ist der Fehler.


    Zitat

    Gewöhnliche Menschen bestehen auf der Unterscheidung: 'Ich begehre, ich bin wütend.' Solche Ignoranten werden in die drei üblen Wiedergeburten fallen.


    Da "solche Dinge von Anfang an nicht existiert haben", sind die Wiedergeburten ein rhetorischer Trick. Statt - wie die Theravadin - zu sagen: Wer begehrt und wütend ist, wird die Folgen tragen (Karma), sagen die Chan-Buddhisten: Wer unterscheidet und auf dem Begehren und Wütendsein herumreitet, der begeht den Fehler.


    Zitat

    'Die 'Sünde' karmischer Hindernisse kommt weder aus den vier Richtungen noch von oben oder unten. Sie entsteht aus verdrehten Ansichten.


    Karma im Sinne von Hindernissen, die man sich selbst schafft, entsteht durch falsche Gedanken. Also eben nicht durch die Gier und die Wut per se (als Gefühle), sondern durch die falsche Vorstellung davon - z.B., dass sie "übel" seien. Man verfängt sich in Gedanken und zahlt den Preis einer minderen Freiheit dafür. Das andere Karma-Verständnis - ich tue dies (Heilsames oder Unheilsames) und ernte jenes, ist demnach abwegig.

    Zitat

    ist das jetzt unter dem Begriff Karma zu verstehen oder nicht?


    Das kommt auf die Schule an. Im Zen langt dein Beispiel in etwa hin: Jemand, der an einem bestimmten Verhalten anhaftet (in deinem Text: Gewalt), neigt zur Wiederholung und Verstrickung darin. Karma ist ein Mangel an Freiheit.


    Die Definition des frühen Chan (Zen) lautet, dass es ein Geistesprodukt und damit eine Illusion ist. Die Karma-Lehre des Pali-Kanon wurde also schon vor knapp 1500 Jahren in einer buddhistischen Tradition als reines Hilfsmittel (upaya) ohne absoluten Sinn angesehen. Der japanische Zenmeister Dôgen Zenji bringt es so auf den Punkt:


    Zitat

    Was ist das schlimmste Karma? Es ist, Kot oder Urin auszuscheiden. Was ist dann das beste Karma? Es ist, früh am Morgen Haferschleim zu essen und mittags Reis, am frühen Abend Zazen zu machen und um Mitternacht schlafen zu gehen.


    Kacken, essen, meditieren, schlafen. Mit anderen Worten, der ganz normale Alltag eines praktizierenden Buddhisten ist Karma. Was dann auch heißt, man kann ihm nicht entfliehen, es macht aber auch keinen Sinn, im Hinblick aufs Karma die Begriffe gut und schlecht zu etablieren.