Beiträge von Sôhei im Thema „Meditationsplan erstellen?“

    void:


    Aber eins versteh ich nicht: Heeisst es nicht traditionell „Rinzai für den Shōgun, Sōtō für die Bauern". Haben da dann bauern meditiert oder wie sah die volstümliche Laienpraxis im Sōtō so aus? Wurde "Sitzen" schon in Japan etwas dem Alltag enthobenes, oder geschah das erst mit dem Export und der damit verbundenen Exotisierung?


    Also dass Bauern überhaupt mal in erwähnenswertem Umfang sich mit Zen und Zazen auseinandergesetzt haben, ist mir neu. Weiß wer was dazu?
    Zen war, soweit ich weiß, nie was fürs einfache Volk; zumindest nicht was intensive Praxis und Auseinandersetzung mit der Lehre betrifft.


    Ansonsten kenne ich von nem Suzuki-Buch das "Shingon für den Adel, Zen für die Krieger, Amida für die Bauern". Das scheint mir noch halbswegs plausibel.

    Verstehe das sich abzeichnende Problem nicht.
    Soll jetzt Lotossitz-Sitzen und Zeiza-Sitzen die gleichen körperlichen Auswirkungen und Möglichkeiten beherbergen, wie die anderen aufgezählten Methoden??
    Dass Jojo über das Sitzen den Körper entdeckt, erfährt etc. ist doch wunderbar und widerspricht doch nicht dem, was ich geschrieben habe.


    nibbuti
    Schön dass du geschrieben hast was du glaubst, aber ich fragte ja nach Wissen. Geschichte gibt es viele, klar.

    bel:

    Da drängt sich einem doch glatt die Frage auf, WTF haben sich der Shakyamuni und auch Bodhidharma dabei nur gedacht, so zu sitzen.


    Na ja, der Bodhidharma hat ja die entsprechende Gymnastik gekannt; und der Shakyamuni als alter Kriegersproß war ja wohl auch fit genug :)
    Aber im Ernst - wie genau die wie lange gessesen sind, weiß ich nicht. Weißt du es?


    Davon abgesehen habe ich ja nur gesagt, dass Sitzen als Körperarbeit nicht das Optimum darstellt. Aber das war ja wohl auch nicht deren Absicht, oder?

    Jojo:
    Sôhei:

    Hmm, sorry, aber da bin ich definitv anderer Ansicht. Hier entsteht bei mir der Eindruck, dass du das Sitzen zu einer Art Körperarbeit hochstilisieren tust. Sitzen im Seiza oder Lotossitz ist natürlich eine körperliche Arbeit; aber es gibt m.M.n. viele bessere Methoden, um mit dem Körper zu arbeiten. Rein körperlich würde ich behaupten, gibt bloßes Sitzen wirklich nicht so viel her. (Und ich kenne wirklich viele Körpermethoden, praktisch und theoretisch.)


    Hm, kann natürlich sein, dass ich die wirklich effektiven Methoden einfach nicht kenne.


    Also, ich respektiere Sitzen im Lotossitz oder Seiza als ernstzunehmende körperliche Herausforderung, aber was soll denn da groß passieren?
    Durch das stabile Ruhen kann sich die Wirbelsäule ausrichten, der Lendenwirbelbereich wird gelängt, die Schultern können sinken, es kann Spannung und Verspannung aus dem Brust- und Schulterraum genommen werden, und die Atmung vertieft sich (und wird auf Bauchatmung umgestellt, falls man noch Brustatmer war).
    Klar, das ist eine feine Sache; aber viel mehr ist dann doch nicht drinn. Im Vergleich zu anderen Methoden wie Pilates, Feldenkrais, Hatha-Yoga, Jacobson, Rolfing, Bioenergetik, Qigong oder Kampfkünsten und wie dort mit dem Körper gearbeitet wird ist das m.M.n. verschwinden wenig.
    Durch Sitzen gibt es keine Kräftigung der so wichtigen Beinmuskulatur, es wird nicht gedehnt und gestreckt, die Flexibilität der Wirbelsäule wird nicht geschult aktiviert, das Herz-Kreislauf-System wird nicht beansprucht, es wird nicht die Funktionalität und Effektivität in der Bewegung untersucht, Fehlhaltungen im Stand und Gehen sind kein Thema, körperliche Sperren und Verhaltensweisen werden nicht gezielt angegangen etc. etc. Das meine ich damit.


    Auch wenn es historisch zwar ein Mythos ist: nicht umsonst heißt es ja, dass Bodhidharma den Mönchen ob ihrer beklagenswerten körperlichen Verfassung Körperübungen beigebracht hat.

    Jojo:


    Zum Einen sind wir uns in der Regel nicht dessen bewusst, wie stark unser Körperzustand unser Denken - sei es begrifflich oder sonstwie - determiniert. Beispiel: Dieselbe Situation wird für uns völlig unterschiedliche Bedeutung haben, je nachdem ob wir entspannt oder verspannt sind. Wenn wir verspannt sind, ohne das zu merken (was die Norm ist), entsteht daraus in der Regel Fehlwahrnehmung, Fehlbeurteilung, und auf Dauer ein unangemessenes Weltbild, ein Set von unangemessenen Handlungsmustern. Solange das nicht übermäßig dysfunktional ist, fällt uns das überhaupt nicht auf. Wir halten das für normal, und nennen es Charakter oder Persönlichkeit.
    Dies vollständig zu durchschauen ist einer der wichtigsten Zwecke der Übung. Und das kann Jahre und Jahrzehnte dauern. Dass man diese Übung (in vitro) auch in komplexere Situationen (in vivo) übertragen will und soll, ist irgendwie klar. Wenn man mit der in-vitro-Übung aber zu früh aufhört, macht man sich was vor. Die interessante Frage ist nun: wann ist zu früh?


    Hmm, sorry, aber da bin ich definitv anderer Ansicht. Hier entsteht bei mir der Eindruck, dass du das Sitzen zu einer Art Körperarbeit hochstilisieren tust. Sitzen im Seiza oder Lotossitz ist natürlich eine körperliche Arbeit; aber es gibt m.M.n. viele bessere Methoden, um mit dem Körper zu arbeiten. Rein körperlich würde ich behaupten, gibt bloßes Sitzen wirklich nicht so viel her. (Und ich kenne wirklich viele Körpermethoden, praktisch und theoretisch.)


    Auch erscheint mir deine Unterscheidung zwischen Gedanken und sensorischer Ebene doch problematisch. So als ob es ein unmittelbares sensorisches Bewusstsein gäbe, unabhängig oder frei vom Geist/den Gedanken im Kopf. Ich würde jetzt mal eher vermuten, dass auch wenn du dich ganz in deinem zwickenden Knie oder wo immer fühlst: es sind trotzdem deine Gedanken vom Knie und wie es zwickt.


    Schließlich schreibst du:

    Jojo:

    Wenn man das lange und sorgfältig genug übt, kommt man auch zu der Identität von emotionaler Pein und physischer Pein, und schließlich zu der Ursache-Wirkungs-Beziehung zwischen Gedanken und Körper.


    Das knüpft ja jetzt doch wieder an das an, was ich im anderen Thread hinterfragt hatte, die Sache mit der "Anstrenung an der Basis körperlicher Schmerzen". Für das Sitzen, vielleicht; aber ich glaube nicht mal da ausschließlich. Und wie gefragt: wo ist die Anstrengung deinerseits, wenn die eine Kastanie auf den Kopf fällt, wenn du Kopfweh hast, wenn du vielleicht eine Erkrankung mit Schmerzen hast etc.?

    Jojo:


    Mein Fazit bleibt also: Nach allem, was ich aus Eurer Diskussion verstanden habe, postuliert Huineng lediglich, dass eine formalisierte Praxis ohne rechte Aufmerksamkeit zwecklos ist, und dass sich die Praxis nicht auf die formalisierte Praxis beschränkt.


    Was nunmal nichts anderes heißt, als dass es viele Wege gibt. Von nur-Sitzen, über viel-Sitzen bis wenig-Sitzen oder auch gar-nicht-Sitzen ist alles möglich. Alles kann funktionieren, und umgekehrt funktioniert weder das eine noch das andere automatisch. Das ist doch eine ganze Menge, was Huineng da einräumt.

    Jojo:


    Letztlich geht es beim Sitzen wohl um das, was Doris zusammengefasst hat. Man kann auch Nur-Stehen üben, oder Nur-Liegen. Entscheidend ist, dass man für eine gewisse Zeit aufhört, das zu tun, was ich "ausweichen" nenne. Dann passiert das, was ich den Aquarium-Effekt nenne: Wenn ein paar Fische in einem großen Ozean herumschwimmen, bemerkt man sie wahrscheinlich nicht. Wenn dieselben Fische in einem Aquarium herumschwimmen, bemerkt man sie sehr gut. In unbewegtem Zustand funktionieren die Körpergrenzen wie die Wände eines Aquariums. Man bemerkt die inneren Impulse sehr viel deutlicher, und dann kann man halt damit "arbeiten", bzw. eben nicht "arbeiten", sondern jede Aktivität zu einem Ende kommen lassen, bis das Aquarium leer ist.


    Ja, nur geht das eben genauso in Bewegung. Vom gleichmäßigen Gehen bis zum flotten Joggen. Innere Impulse wahrnehmen können ist keine Frage von Ruhe oder Bewegung, sondern von der inneren Ausrichtung und Bereitschaft dazu. Durch langes Sitzen lernst du davon abgesehen nur noch eines mehr: langes Sitzen.
    Meiner Meinung/Erfahrung nach.

    Stimme da Diamant in vielen Punkten zu.


    Weder Lotossitz noch Seiza tun den Knien wirklich gut. Natürlich gibt es individuelle Unterschiede, und natürlich ist der Rahmen bei den meisten erstmal ausbaubar, wenn der Körper an sich besser organisiert ist. Aber für den Körper gibt es ganz zweifellos bessere Methoden.


    Regelmäßiges bzw. langfristiges (Monate und Jahre) langes Sitzen (bedeutet für mich: ab 30 Minuten aufwärts, mehrmals täglich) als Notwendigkeit für irgendwelche Entwicklungsprozesse anzusehen halte ich ebenfalls für einen fatalen Irrtum (zumal für einen, der m.M.n. im Grunde null-komma-null mit den Schriften in Einklang ist bzw. durch diese gestützt werden kann). Definitv passiert dabei was, aber ich denke in erster Linie baut es ein Selbstbild eher auf als ab.


    Wenn es zu einer Methode Überwindung bedarf, weil sie Schmerzen bereitet, dann ist die Methode schlecht oder schlecht angewendet. D.h. nicht, dass es auf dem Weg nicht auch mal wehtun darf (ja vielleicht sogar muss). Aber so ist das wie eine viel zu große Tablette die man täglich runterwürgt, obwohl man dasselbe auch als Tropfen haben könnte. Weil man das aber nicht weiß oder glaubt, fängt man dann an das unnötige Runterwürgen der Tablette selbst zu einem eigenständigen und bedeutungsvollen Aspekt zu erheben.


    Und noch was: Ich behaupte, niemand sitzt wirklich unbewegt. Es sei denn er ist tot, aber dann fällt er um oder ist festgeschnallt. Ansonsten bewegt sich schon mal der Bauch bei der Atmung, und es bewegt sich das Herz und das Blut etc. Letztlich wird der ganze Körper ständig durch Mikrobewegungen ausgeglichen und stabilisiert. Mit unbewegt sitzen ist da nichts.