Sôhei:
Hmm, inwiefern sind denn die Fragen und Antworten eines Koans präzise? V.a. wenn man den begrifflich-intellektuellen Sinn weglässt?
Das hängt natürlich vom jeweiligen Koan ab. Traditionell ist das Koan ja nicht nur Inhalt der (Za-)Zenpraxis, sondern zugleich ein Mittel der Schulung und Prüfung zwischen Schüler und Lehrer. Arbeitest du mit einem Lehrer (Koan-Zen-Meister), wird er oder sie dir die Frage zum jeweiligen Koan stellen und im Dokusan deine Antworten prüfen. Wenn es dich davon abgesehen interessiert, was die Frage zu einem bestimmten Koan ist, dann lässt sich sagen, dass sich diese Frage in vielen Fällen unmittelbar aus dem Sachverhalt erschließt. In Koan-Sammlungen wie etwa dem Mumonkan oder dem Bi Yän Lu taucht die Frage meist in der ein oder anderen Form in Meister Wumen's bzw. Meister Yüan-Wu's Kommentaren auf.
Die Antwort solltest du freillich selber finden und dir von einem Koan-Zen-Meister bestätigen lassen. (Letztere findest du übrigens nicht nur in der Rinzai-Schule. Neben anderen japanischen Linien, gibt es auch eine breite und authentische Koan-Tradition in Korea, überdies in Taiwan, China mit Fragezeichen und offenbar in gewissem Ausmaß auch in Vietnam.) Du kannst dich natürlich auch an diamant wenden, der, wenn ich mich nicht täusche, vor einigen Jahren plante, eine Übersetzung in dieser, also schriftlichen Form höchst umstrittener Koan-Antworten zu veröffentlichen. Ich erinnere mich noch daran, wie ich in einem anderen Forum vergeblich versucht habe, ihn von diesem Vorhaben abzubringen, obwohl es dann, glaube ich, aus anderen Gründen trotzdem nicht dazu kam.
Übrigens sagt niemand, dass du den begrifflich-intellektuellen Sinn eines Koan "weglassen" sollst. Ich wüsste auch gar nicht, wie das gehen soll. Meine Überzeugung ist lediglich - und das darf wohl als eine Art Common Sense im Koan-Zen gelten - dass du die Antwort auf eine Koan-Frage nicht auf intellektuellem Weg, also durch begriffliches Denken wirst finden können.

Tai