Beiträge von Sôhei im Thema „Andere kritisieren“


    Ich sehe schon, wir reden aneinander vorbei.
    Ich glaube auch, dass man mit Freundlichkeit sehr viel zum Positiven verändern kann. Aber vermutlich haben wir einfach unterschiedliche Beispiele im Kopf. Ich denke es gibt viele soziale Situationen - Paar-Beziehungen, Arbeitsverhältnisse, Eltern-Kind-Beziehungen, Cliquen - in denen es für manchen Beteiligte am Besten wäre, diese Situation zu verlassen. Vielleicht kennst du ja ein einen Sozialarbeiter, Pädagogen, Therapeuten oder so, der dir mal ein bisschen was davon berichtet, was so abgeht. Viele Menschen schaffen es nicht, wegzugehen, weil sie nie ausreichend ermutigt worden sind, für sich selbst zu entscheiden; und andere halten deshalb lieber an dem Bekannten Pensum Leid fest was so manche Beziehung mit sich bringen mag, weil es ihnen nicht gelingt den Mut aufzubringen, zu gehen. Schlussstriche ziehen und ziehen können hat grundsätzlich weder was mit "unbuddhistisch" zu tun, noch ist es der bequemere Weg.


    Aber ich denke ich weiß was du meinst. Als "stärkerer und stabilerer" kann ich natürlich viele Situationen lange mittragen, ertragen und auch versuchen positiv zu wirken. Aber gerade bei letzterem wäre ich sehr sehr vorsichtig. Das führt nämlich schnell zu einem Selbstbild, wo man ja der Gute ist, weil man redet ja heilsam, ist geduldig etc. Das ist meinem Empfinden nach nur gegenüber ganz wenigen Menschen authentisch über lange Zeit möglich...

    Verrückter:

    Es ist eine Flucht, weil man die Situation meidet, statt sich in rechter Rede zu üben.


    Sehe ich immer noch nicht so. Das Bemühen um rechte Rede ist für mich in einen größeren sozialen Kontext eingebettet; und dieser Kontext darf auch verändert werden. Umgekehrt könnte ich sagen, zu behaupten man verlässt eine bestimmte Konstellation nicht weil man meint sich in rechter Rede üben zu müssen, ist Feigheit davor auch mal unangenehme Entscheidungen zu treffen.

    Verrückter:
    Zitat

    Wenn ich mich z.B. in einer Clique nicht mehr wohlfühle, weil sich die Interessen und Sichtweisen auseinander entwickelt haben, muss ich weder die anderen von meiner Sicht überzeugen, noch muss ich weiter dabeibleiben obwohl es mir nicht mehr gefällt. Selbiges gilt für viele andere Bereiche.


    Ja, in einer unverbindlichen Situation wie einer Clique mag das so sein. Es gibt aber auch viele Situationen, wie z.B. ein Arbeitsverhältnis oder die Familie oder die allgemein-kulturelle Prägung der Gesellschaft an sich, in denen man nicht einfach gehen kann, nur weil einem etwas nicht gefällt. Wenn ich plötzlich andere Interessen entwickle als meine alten Freunde, ist das natürlich was ganz anderes.


    Ja, da ist es oftmals sehr viel schwieriger. Dennoch gibt es auch da - meiner Meinung und Erfahrung nach - einen ziemlich großen Spielraum. Die Frage meist ist nur, ob man auch bereit ist die Konsequenzen zu tragen.

    Nochmal: Was ist denn Kritik?
    Ich vertrete den Ansatz, dass verbale Äußerungen nicht dadurch zu Kritik werden, was sie aussagen oder wie sie es aussagen; sondern durch die Art und Weise, wie ich auf bestimmte Äußerungen reagiere bzw. mit ihnen umgehe.


    Den Kommentar von Verrückter "Flucht vor der Realität" z.B. könnte ich auch als Kritik auffassen. Tue ich aber nicht; ich halte es für seine Meinung, von der ich in dieser Kurzform aber nicht verstehe, wie er dazu kommt oder was er damit meint.

    Verrückter:
    Sôhei:

    Auf Dauer muss ich mir dann eher überlegen, wie ich weniger in der Gesellschaft von jemanden bin, wo ich mich nicht wohlfühle.


    Das hingegen betrachte ich als Flucht vor der Realität.


    Was soll das mit "Flucht vor der Realität" zu tun haben? Kannst du das etwa erläutern?


    Jeder von uns hat einen gewissen Handlungsspielraum, auch was soziale Kontakte betrifft. Wenn ich mich z.B. in einer Clique nicht mehr wohlfühle, weil sich die Interessen und Sichtweisen auseinander entwickelt haben, muss ich weder die anderen von meiner Sicht überzeugen, noch muss ich weiter dabeibleiben obwohl es mir nicht mehr gefällt. Selbiges gilt für viele andere Bereiche.

    Ich sehe da mehrere Aspekte:


    Die Frage ist doch zunächst mal die, was Kritik bedeutet. Ist kritisieren eine klar definierte Verhaltensweise? Ist die interessantere Frage nicht vielmehr die, wann wir etwas als Kritik empfinden?


    Wenn jemand zu mir sagt "du, deine Schuhe sind ja echt gräßlich", oder "den Film fand ich total sch..." (nachdem ich ihm gerade davon vorgeschwärmt hatte), dann verletzt mich das vielleicht im ersten Moment, aber es ist ja keine Kritik. Es ist halt seine Meinung, und die muss ja nicht mit meiner konform gehen.


    Und dann gibt´s ja die ganzen Sachen in Richtung "stimmt - stimmt nicht". Wenn ich z.B. behaupte, Jesus ist eine Inkarnation von Buddha, und ein anderer sagt "Quatsch", ist das eigentlich auch keine Kritik. Sondern, ohne Begründungen von meiner und seiner Seite bleibt es wiederum bei Meinungen. Wenn ich sage, das steht aber in dem Buch von XY, und der muss es wissen, und der andere mir dann beginnt zu erläutern, was da alles nicht so Recht ins gängige Bild passt, dann mag mir das nicht gefallen und ich kann natürlich sagen "Trotzdem!". Aber auch hierbei bin es eigentlich ich, der es als Kritik empfindet.


    Klar gibt es Leute die liebend gerne an allem rumnörgeln, letztlich bleibt aber doch immer die Frage, was daran zutrifft und was nicht. Auf Dauer muss ich mir dann eher überlegen, wie ich weniger in der Gesellschaft von jemanden bin, wo ich mich nicht wohlfühle.


    Wann man hingegen seine Meinung und sein Wissen kundtut, muss ja jeder selbst entscheiden.