Auch von mir ein Dank!
Habe mir das Buch bestellt. Gibt es auch schon als deutsche Übersetzung.
Beiträge von Doris im Thema „Dekonstruktion“
-
-
blue_aprico:
Diese Art des Zerlegens bzw. Analysierens ist allerdings nur ein Behelfsmittel in Bezug auf starke Anhaftung. Sie geht ja mit einer Unmenge an Vorstellungen und Gedanken einher, die selber wiederum Hindernisse darstellen, aber erst mal in Kauf genommen werden. "Meditation über Leerheit" ist das noch lange nicht. Die erkennt intuitiv Wirklichkeit/Wahrheit und löst ( nun ) `weise`( letzte, innere ) Hindernisse auf.
Ich sagte ja auch nur, dass diese Art kontemplativ-analytische Vor-Gehen(s)-Weise keine Zen Praxis darstellt. Aber auch, dass die Verwendung technischer Begriffe aufs Glatteis führt.
Ich frag mich sowieso warum da oft "ein Baum" herhalten muss, schließlich ist "das Licht ( die Aufmerksamkeit ) nach innen zu kehren" . Ist wohl was ur-deutsches - die Sache mit dem Baum. "Mein Freund der Baum" geht allerdings anders. Die Tibeter gehen grundsätzlich davon aus, dass wir keine ( groben ) Aversionen pflegen, sondern uns und der Welt vertrauensvoll, gewissermaßen "gut-mütig" gegenüber stehen. Deswegen ist das Behelfsmittel der Negation für sie ( und für Zen ) auch nur von ausgleichender Natur; es dient viel mehr der Entsagung von Sinneslust, von Anhaftung. Der Westler macht daraus eine (zusätzliche) Negierung. Und die setzt sich über "Dekonstruktion" ( destruktive Sichtweise ) fort.Das verstehe wer kann.
Du interpretierst da Sachen hinein! Meine Fresse!
Das "ur-deutsche" Beispiel habe ich von einem tibetischen Lehrer, der kein Wort Deutsch spricht.
Du hast doch keine Ahnung was "der Westler" macht. Das sind Vorurteile und Fantasien. -
Zitat
Aber gibt es nicht gerade bei euch tibetischen Buddhisten analytische Meditationen die genau so vorgehen?
Genau das schrieb ich doch, lieber void. -
Wenn Du nachvollziehst, wo Du den Schlüssel verlegt haben könntest, dann "re-konstruierst" Du was. Du baust gedanklich Deine Stationen nach.
"Dekonstruieren" tust Du, wenn Du den Baum analysierst:
Stamm, Wurzel, Blätter, Adern, Zellen, Mitochondrien, Samen usw.
Und da kannst Du Dich dann fragen: Was davon ist der Baum? Und wann ist es kein Baum mehr? Ist es kein Baum mehr, wenn die Samen fehlen? Oder muss ein Stamm da sein? Was ist mit Bäumen, die aus vielen Ästen bestehen, ohne Hauptstamm? Ist eine Wurzel allein noch ein Baum? Ist ein Blatt allein ein Baum? Ist ein Baum ohne Blatt noch ein Baum? … -
"Dekonstruktion" hat nichts mit Zerstörung zu tun. Das wäre "Destruktion".
Hier die Etymologie für "Destruktion"
http://www.dwds.de/?qu=Destruktion"Dekonstruktion" ist abgeleitet von "Konstruktion", und bedeutet demnach das Gegenteil von "Aufbauen", nämlich "Abbauen". Das ist keineswegs ein zerstörerisches Moment enthalten. Es bedeutet eher "Zerlegen". So wie man eine Uhr zerlegt, ein Zelt abbaut. Da wird nichts kaputtgemacht.
Dekonstruieren wäre konkret ein Konstrukt zerlegen. Das ist eine wichtige buddhistische Methode.
Z.B. gibt es das klassische Beispiel mit dem "Baum". Du zerlegst den "Baum" in seine Bestandteile und merkst, dass das kein Ende nimmt. So erkennst Du den "Baum" als Konstrukt. Und das kann dazu führen, dass Du erkennst, dass Du Dir die Welt konstruierst. Das ist ein übliches Analyseverfahren im Buddhismus. Ich kenne genügend tibetische Texte und Anleitungen, z.B. den Körper zu dekonstruieren – nicht umsonst nannte ich mich zuerst hier Knochensack. Als Ausgangspunkt sind da die Fragen: Wer bin ich? Bin ich mein Körper? Wo sitzt der Geist? … Das führt dann eben dazu, dass ein Ich als nicht-auffindbar und als Konstrukt erkannt wird.Hübsch finde ich diese Aufzählung aus Wiki zu "Dekonstruktion":
Zitat
1.
Identifikation der begrifflichen Konstruktion eines gegebenen theoretischen Feldes bzw. Textes. Meist stößt Dekonstruktion dabei auf Gegensätze (Dialektiken).
2.
Untersuchung der Gegensätze hinsichtlich ihres hierarchischen Verhältnisses zueinander. (Welches Element kommt häufiger, welches seltener, welches gar nicht vor? Welches Element wird im Text höher bewertet als das andere?)
3.
Umkehrung und Abschwächung der vorgefundenen Gegensatzpaare und deren Verdrängung durch das Nicht-Gesagte.
4.
Entwicklung eines weiteren, „dritten“ (bei zweiteiligen Gegensätzen), „vierten“ (bei dreiteiligen Gegensätzen) usw. Terminus für jeden gefundenen Gegensatz, der den geschichtlich gefestigten Gegensatz in Bewegung versetzt bzw. seine ihm immer schon innewohnende Bewegung verständlich macht. (Z.B.: Konstruktion vs. Destruktion ➔ Dekonstruktion, Leben versus Tod ➔ Gespenst, oder: Vergangenheit versus Gegenwart versus Zukunft ➔ Vorzukunft)
5.
Die hierarchische Ordnung wird somit gebrochen, neu geordnet und die textlichen Konstruktionen als geschichtlich bedingt vorgeführt. Das wichtigste dabei ist, dass die somit dekonstruierten Gegensätze als „im Fluss bleibend“, also vor wie nach dem dekonstruktiven Eingriff als bedingt verstanden werden, da eine neue, andere Festlegung eines Gegensatzes den geschichtlichen Werdungsprozess der Welt zurückweisen würde. Die Dekonstruktion will hingegen genau diesen unendlichen Werdungsprozess aufzeigen und bewegt sich praktisch in diesem.
6.
Nachdem ein Gegensatz dekonstruiert ist, eröffnen sich neue Wege des Umgangs mit bzw. in der Welt. So versteht Derrida bspw. Leben und Tod nicht als unabänderlich und auch nicht als klar und ein für alle Mal trennbare Abschnitte des Werdens, sondern die Bedingungen von Leben und Tod verändern sich selbst fortwährend: Neue medizinische, genetische, ökonomische, mediale, epistemologische usw. Techniken ändern z.B. die Länge eines Lebens oder die Möglichkeiten von Geburt und Wiedergeburt von jemandem oder etwas. Auch das für tot erklärte Erbe von Marx hat so nach Ausbruch der Weltwirtschaftskrise ab 2007 eine Art Wiedergeburt erfahren und kann auch wieder sterben. In jedem Falle spukt es als Gespenst herum - wie alles andere auch.
7.
Da für die Dekonstruktion also nichts jemals unabänderlich ist, ergibt sich aus der Dekonstruktion des Gegensatzes von Leben und Tod das Gespenst(ische) als neues Modell des Werdens der Welt. Wie erklärt, ist für Derrida niemals etwas vollkommen tot oder lebendig, sondern es besetzt verschiedenste Formen der Gespenstigkeit. Derridas eigener Tod (der insofern vorübergehend, also im Fluss ist wie es bislang keine Möglichkeiten zur teilweisen oder vollständigen Wiedergeburt gibt) ist eine Form der Gespenstigkeit davon. Deswegen ist der Tod genau wie das Leben selbst gespenstisch.
8.
Der Text wird vom neu gewonnenen bzw. entdeckten, bisher ausgeschlossenen Element (in unserem Bsp.: Gespenst) her nochmals, aber anders gelesen. (Was sagt uns ein Text oder andere Texte, wenn der Gegensatz von Leben und Tod zum Gespenst als einem nicht an sich fest Existierendem hin umgewandelt wird? Wie funktioniert er mit Gespenst statt mit Leben und/oder Tod?)
9.
Verhindern des Wiederherstellens von Festigkeiten jedweder Art durch alle Felder bzw. Texte hindurch mithilfe weiterer dekonstruktiver Praxis.(Anmerkung von mir: Man sollte den Begriff "Text" erweitern, dann wird es verständlicher. Außerdem ist der Begriff "Dekonstruktion" nicht auf sprachliche Texte allein anzuwenden, sondern so wie Derrida selbst sagt, eine Haltung.)
-
Zitat
Nur am Rande: Selbst das Konzept "Auflösen von Konzepten" ist nur ein "Konzept"
Nicht wenn es geschieht. Solange Du nur den Gedanken daran hast, ist es ein Konzept. -
Zitat
Es geht jedenfalls um das Hinterfragen von Konzepten, und wenn man sie alle auflöst, endet man im Nihilismus,
Das glaube ich nicht. Nihilismus ist ja nicht das Auflösen von Konzepten. Es ist ein neues Konzept. -
Sollen denn keine Gedankenkonstruktionen zerschlagen werden?