Sherab Yönten:
Stero:
Nein, deine Ansicht habe ich in den Quellen nicht gefunden. Aber wenn du damit ausdrücken willst, dass sich Tsongkhapa nicht in subjektiven Schwärmereien und Spekulationen ergeht, wenn er philosophiert, dann ist das eben genau das, was seine Rationalität - außerhalb seiner religiösen Predigten - auszeichnet. Er wendet sich genau gegen die Behauptung der Mystiker, dass es da etwas "Unausprechbares" gäbe. Realisieren ist Erkennen und was erkannt wird, ist die Abwesenheit von inhärenter Existenz bzw Wahrheit in Dingen und Nicht-Dingen - die inhärenter Existenz bzw Wahrheit, welche von einem mentalen Faktor projiziert wird, der per Introspektion erkennbar ist. Punkt. Mehr gibt es da nicht zu sagen
So, wie Du es beschreibst ist Leerheit noch ein "Konzept". Das Konzept Leerheit kann man intellektuell mit Worten beschreiben.
"Konzept" heißt im Deutschen "Begriff". Mir scheint du übersetzt das englische "concept" falsch. "Leerheit" ist ein Wort und als Wort ist es bedeutungslos, wenn nicht eine Idee assoziiert wird. Die Verbindung von Wort und Idee heißt Begriff.
Wenn du nun also feststellst, dass hier in schriftlichen Beiträgen Worte verwendet werden, was soll das für eine Feststellung sein? Eine Erkenntnis etwa?
"Leerheit" als Begriff ist aber notwendigerweise die substantivische Abstraktion des Umstandes, dass etwas Begriffliches leer von etwas begrifflich anderem ist ("begrifflich anders" bedeutet nicht notwendigerweise "andere Entität", weil "mein Arm" in Relation zu "mir" auch begrifflich anders ist, aber zur gleichen Entität gehört), so wie eine Geldbörse leer von Geld ist. Und deshalb ist es eine Frage der Rationalität dies zu bestimmen, wenn man das Wort Leerheit verwendet. Also sind Phänomene oder Objekte leer davon inhärent zu existieren.
Du siehst: alles Worte und "noch Begriffe", weil ich nicht weiß wie ich anders Beiträge schreiben soll.
Sherab Yönten:
Ich verstehe aber unter "Realisation" nicht ausschließlich das Erkennen der Abwesenheit von inhärenter Existenz (das wäre ja relativ einfach), sondern schon etwas mystisches jenseits aller Worte, ...
Ja, solche Mystiker gibts ja zuhauf im Buddhismus, weiß ich ja. Deswegen ist es ja so eine Wonne mal so ein Juwel wie die rationale Philosopie Tsongkhapas dort zu finden.
Sherab Yönten:
denn Worte oder Benennungen sind, auch leer von inhärenter Existenz und spalten die Welt auf in ein Subjekt und Objekt.
Ja, wird alles mit Tsongkhapas Philosophie erfasst.
Sherab Yönten:
Wer Leerheit "realisiert" hat, der kann zunächst in eine Art "Bodenlosigkeit" fallen, die mächtig Angst einjagen Kann, man hat das Gefühl als würde man fallen. Das Ego wehrt sich gegen diese Welt ohne Boden. Erst wenn "man" realisiert (wer realisiert eigentlich ?), dass man keine Angst haben muss, weil es in der Leerheit gar keinen Boden gibt auf den man stürzen könnte, ist es kein Gefühl des "Fallens" mehr sondern ein Gefühl des "Fliegens" (ich zitiere hier einen Kommentar zum Herzsutra: "Das Herzinfarkt Sutra", leider habe ich den Namen des Autors vergessen). Die Realisation von Leerheit ist für mich also eher ein Gefühl, aber nicht im Sinne eines konventionellen Gefühls, sondern eines Gefühls der totalen Ichlosigkeit, das ein Loslassen von sämtlichen Konzepten ermöglicht, auch ein Loslassen des Konzeptes von der Leerheit.
Ja siehst du, solche oder ähnliche Aussagen sind ja inflationär unter Buddhisten. Aber, so leid's mir tut, gänzlich irrational. Man muss hier einfach unterscheiden zwischen der Philosophie und der Psychologie. Philosophie sollte rational und konsistent sein und alles, wirklich alles, modellhaft aufklären, darlegen, keine Fragen offen lassen und v.a. widerspruchsfrei kompatibel sein mit dem ganz alltäglichen Leben. Psychologische Phänomene gehorchen nicht notwendigerweise der Rationalität. Da spielen zuviele Dinge rein wie Hoffnungen, Ängste, Versuche der Welt zu entfliehen, die Suche nach Sinn und Geborgenheit, Angst vor dem Tod etc etc.
Damit will ich nun aber nicht sagen, dass Philosophie keine psychologischen Auswirkungen haben kann. Nein und dieses Gebiet ist es ja grade, das mich interessiert. Deswegen sage ich ja, dass Tsongkhapa einen starken Beitrag zur Erforschung der Psychologie der Sprache gemacht hat mit seiner Philosophie, die - so meine Einschätzung - bereits etwas das Gebiet reiner Philosophie verlassen hat.