Beiträge von Sudhana im Thema „Rechter Lebenserwerb“

    Elliot:

    Was bildest Du Dir eigentlich ein?


    Hm ... möglicherweise, dass buddhistische Ethik etwas mit gesundem Menschenverstand zu tun hat? Wer braucht heilige Schriften, wenn er über gesunden Menschenverstand verfügt?

    gbg:

    Ist rechter Lebenserwerb Blumen auf seinem Acker säen und Unkraut kommen lassen. Oder nur Weizen säen und kommen lassen?


    Weder noch. Rechter Lebenserwerb ist, seinen Acker zu jäten, Weizen zu säen und auch ein paar Blumen. Soviele, wie man Ackerland entbehren kann. Den Weizen zum teilen, die Blumen zum verschenken.

    Engelbert:

    Was Buddha wohl auch meint, ist überhaupt ein Lebenserwerb und nicht nicht-Lebenserwerb, denn wer von anderer Hände Arbeit lebt, kann ebenfalls verletzen, weil er die Ressourcen anderer verbraucht. Die Bettelmönche und die Armen und die Kranken und die Schwachen und die Alten, die leben aus anderer Hand. Aber der fähige Rest soll gewiss für sein Auskommen selber redlich Sorge tragen.


    Sehe ich auch so. Was nun die Bettelmönche angeht (das war beim hastigen Lesen wohl in den falschen Hals gerutscht, obwohl Du die explizit ausgenommen hattest), so stellt sich da einfach die Frage, was sie der Gesellschaft, die sie versorgt, zurückgeben. Ohne es nun meinerseits nachschlagen zu wollen (so firm bin ich mit dem Palikanon nicht, dass ich da nicht erst suchen müsste) - aber ich denke, Buddha hat nicht gelehrt, dass Dana (Freigebigkeit) nur eine Laienpraxis ist. Wenn Mönche sich ernsthaft üben, dann kann sie das zu wertvollen Ratgebern machern - insbesondere für Menschen, die für Rat nicht bezahlen können. Ein ganz wichtiges Kriterium, das die Schafe von den Böcken scheidet und Anlass des 2. Konzils war, weil einige Mönche meinten, es sei ihnen erlaubt, Geld anzunehmen. Heute nehmen die Vajjian-Mönche das Geld nicht mehr selbst an, sie halten sich einen Laien als Kassierer und Vermögensverwalter.


    Die Frage 'Gesellschaft und Bettelmönche' läuft daraus hinaus, dass man sich als Laie einen Mönch, dem man Dana geben will, erst gut anschauen sollte. Übt er sich richtig, dann lebt er in Symbiose mit der Gesellschaft. Übt er sich falsch oder gar nicht, ist er nur ein Parasit. Wie eingangs geschrieben - das ist lediglich meine Sichtweise. Man darf das ruhig anders sehen - jeder ist frei in seiner Entscheidung, wem er Dana gibt und warum.


    ()

    @Engelbert.


    Harte Worte und gar nicht mal so falsch. Ich habe mich heute ein wenig in der Teekunst geübt und sage deswegen (auch, wenn es nicht von mir selbst stammt): ein guter Ratschlag ist wie ein guter Tee. Er hat einen herben Nachgeschmack. Wobei man wissen muss, dass bei Tee drei Arten von Herbheit unterschieden werden: die wichtigste bei der Teekunst ist Gan, in der sich der Charakter des Tees - seine Stärke - am markantesten zeigt. "Stärke" hat nichts mit der die Aufmerksamkeit und Wachheit stärkenden Droge Teein zu tun. Bei einem perfekten Tee spricht man, wenn die Empfindung von 'Gan' lang anhaltend ist, von 'Hui Gan', dem 'Ozean von Gan', in den der Teetrinker eintaucht. Es erfordert einen hochwertigen Tee und einiges an Übung, um das 'Gan' des Tees zu öffnen.
    Dann gibt es als zweite Art 'Ku' - das geht schon deutlich in die Richtung 'bitter'. Das kann aber bei bestimmten Tees - vorwiegend solchen, denen eine medizinische Wirkung nachgesagt wird - durchaus erwünscht sein. Wer medizinischen Tee trinkt, weiss in der Regel, worauf er sich einlässt und erwartet keine ästhetische Offenbarung. Wobei - wenn der Tee eine wohltuende Wirkung entfaltet, der Genesende seinem Tee sicher auch eine ästhetische Seite abgewinnen kann.
    Und damit es drei werden: dann gibt es noch 'Se'. 'Se' ist einfach nur bitter. Wenn ein Tee 'Se' hat, dann liegt das nicht am Tee - der wurde nur falsch behandelt. Zu heiß oder zu lange gebadet.


    In diesem Sinne: übe Nachsicht. Ich habe den Eindruck, alle bemühen sich hier, so gut sie können. Das verdient Respekt. Wenn das aus Sicht eines Anderen für ihn nicht gut genug ist, sollte ihn das trotzdem nicht daran hindern, eine Tasse Tee zu teilen.


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    MrRight2004:

    Für meine Person wird dabei als störend empfunden, das dabei der Grundsatz der rechten Lebenserwerbes nicht gänzlich verwirklicht wird.


    Was ist denn der Grundsatz rechten Lebenserwerbs? Es ist derselbe Grundsatz, auf dem auch die anderen Verhaltensempfehlungen der pañcaśīla beruhen. In diesen fünf empfohlenen Verhaltensweisen geht es um den Umgang mit seinen Mitwesen und ihr 'Nenner' ist derselbe: ahiṃsā, Nicht-Verletzen mit Körper, Sprache und Geist (kaya, vac, manas). Die Theravadin bezeichnen das sehr zutreffend als sikkhāpada, 'Übungswege'. Zen-Leute sprechen da etwas blumiger von "Feldern des Verdienstes" - wozu übrigens gehört, dass man die auf diesen Feldern geernteten Verdienste nicht für sich selbst erwirbt, sondern sie anderen Wesen widmet.


    Das heisst, die pañcaśīla sind keine 'Gebote', die womöglich nicht einmal hinterfragt werden sollen. Wie auch? Buddha war auch nur ein Mensch wie Du und ich und kein Gott - wie hätte er sich da anmaßen können, anderen Menschen Gebote zu erteilen? Es geht also um Empfehlungen, wie man sich im Umgang mit seinen Mitwesen übt - mit anderen Worten um den sozialen Aspekt unserer Praxis (oder Übungsweise). Da gibt es eigentlich nur wenige 'no gos', die man dann aber auch ernst nehmen sollte. Keks hat sie aufgezählt. Sie zu beachten, ist allerdings alleine etwas wenig.


    Der Lebenserwerb - ob nun mit Betteln oder mit Arbeit - ist eine große Herausforderung an unsere alltägliche Praxis. Man muss darauf achten, dass man sich selbst nicht überfordert. Ruhenden Verkehr zu regeln, ist eine Aufgabe, die niemanden verletzt (auch einen Strafzettel ausstellen verletzt niemanden wirklich) und hat darüber hinaus auch eine nützliche Funktion für die Gesellschaft (auch, wenn Viele das nicht einsehen wollen). Insofern ist nichts dagegen einzuwenden, damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ich verstehe aber auch, dass Du Bedenken hast, Dich mit Leuten auseinanderzusetzen, denen eine solche, das Zusammenleben regulierende Tätigkeit, nicht passt und die den Fehler dann nicht in ihrem eigenen asozialen Verhalten suchen sondern bei Dir. Genau das ist dann auch "der Anlaß für viele Auseinandersetzungen und auch unangenehme Situationen in dieser Tätigkeit" - nicht die Tätigkeit selbst.


    Damit umzugehen - das ist die eigentliche Herausforderung. Hier kannst Du Dich im sikkhāpada 'Rechter Lebenserwerb' üben, indem Du bei den unvermeidlichen Auseinandersetzungen und unangenehmen Situationen Gleichmut und freundliches Wohlwollen bewahrst. Ob Du das kannst, ob Du schon so weit geübt bist, oder ob Du damit (noch) überfordert bist, kannst nur Du selbst wissen und entscheiden. Ob also bei dieser Tätigkeit der "Grundsatz des rechten Lebenserwerbes nicht gänzlich verwirklicht wird" oder doch, liegt einzig bei Dir. Das "gänzliche verwirklichen" muss ja nicht auf Anhieb klappen - deswegen nennt man das ja auch eine Übung. Nur die Übung macht den Meister.


    Du hast das Glück, auch Alternativen zu haben. Zeitungen austragen ist gut - den Menschen Informationen und Nachrichten ins Haus bringen. Vielleicht sogar Freude - ich freue mich jedenfalls, wenn ich vom Morgenspaziergang mit dem Hund zurück komme und jemand in meinen Briefkasten eine Zeitung gelegt hat. Ich weiss, dass der, der das gemacht hat, noch früher aufgestanden ist als ich und ich bin ihm dankbar dafür.


    Ich kann mir auch vorstellen, dass Schülernachhilfe eine dankbarere Aufgabe ist (weil das 'Helfen' da deutlicher zum Ausdruck kommt) - eine weniger fordernde als Strafzettel schreiben allerdings auch. Man sollte da auf sich selbst achtgeben. Eine größere Herausforderung bedeutet intensivere Praxis, das ist gut. Man kann an der Herausforderung aber auch scheitern, und das wäre schlecht. So etwas zehrt am Vertrauen auf den Weg (Śraddhā). Man braucht also Augenmaß für die eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten - die braucht man generell bei der buddhistischen Praxis, nicht nur bei der des rechten Lebenserwerbs.


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