Beiträge von mukti im Thema „Virtuosenfrömmigkeit oder doch geistige Überheblichkeit?“

    Engelbert:

    Wir sind schließlich lesen und schreiben gewohnt. Aber es fehlt an der Praxis, es fehlt an der Übung und es fehlt vor allem an der Entsagung: Wenn mehr als 90% des Lebens mit Alltagsleben gefüllt sind, wo soll dann die Zeit für die spirituelle Virtuosität herkommen? Und wenn ich nun aber kein Virtuose bin, wieso gebe ich mich dann als befähigt aus, ziehe eine virtuelle Robe an und beginne zu lehren?


    Ja ohne die Voraussetzungen zu erfüllen sind die Lehrreden nicht zu verwirklichen. Um zu sehen wie weit man damit ist, kann man sich mit dem Vinaya-Pitaka befassen, der dem Sutta-Pitaka vorangestellt ist.

    Wenn man eine Überlieferung stellenweise nicht versteht, gibt es vorerst zwei Möglichkeiten: Entweder man sagt sich das ist Unsinn, das weiß ich doch besser. Oder man sagt sich das ist höchste Weisheit, ich bin aber nicht so weit das zu verstehen. Mir scheint dass das zwei Extreme sind, die man durch einen mittleren Weg vermeiden kann: Was da steht mag aus höchster Weisheit stammen die ich noch nicht habe, oder es mag Unsinn sein - man lässt es erstmal offen und handelt nach eigenem besten Wissen und Gewissen. Was man versteht, bzw. was das Wissen in einem selber erweckt oder fördert, das nimmt man an und praktiziert es. Mit dem Fortschritt ergibt sich allmählich eine bessere Sichtweise und manches wird immer klarer. Man gelangt immer mehr zu Sicherheit in der Beurteilung - Z.B. ein besseres Leben nach dem Tod zu erwirken indem man andere tötet, das kann nur Unsinn sein, oder dass Anhaftung Leid verursacht, das ist richtig.
    Also man ist in erster Linie ehrlich zu sich selber, schaut in sich hinein ob man etwas wirklich sicher weiß oder nur glaubt es zu wissen und vorschnell Urteile fällt. Oder andernfalls ob man zu leichtgläubig ist und etwas als wahr annimmt ohne es als solches erkannt zu haben.
    Und es will mir scheinen dass man durchaus einen großen Respekt und eine besondere Wertschätzung kultivieren soll für Menschen die auf einem Weg des Friedens, der Loslösung und der Weisheit schon viel weiter gegangen sind als man selber.