Beiträge von void im Thema „Vereinfachte Darstellungen von Karma“

    Monday:

    Eine natürliche Lösung für menschliches Handeln gibt es leider nicht, denn "Mensch" ist ein Kulturwesen und Handeln ist eben was menschliches. Gut zu handeln wird allein deshalb immer verfehlt, weil der Mensch nicht den vollen Überblick über die Wirkungen seiner Handlungen und auch über seine Absichten hat, mögen sie auch noch so mitfühlend oder "gut" sein. Daher ist eben "gut" meistens "gut gemeint" bzw. so wie man's halt gerade versteht.


    Es gibt ja so Testspiele, mit denen man Kooperation messen kann. Eine der Ergebnisse ist dass, Leute die nur selten aufeinanandertreffen unfairer handeln, als Menschen, die damit rechnen müssen, öfter miteinander zu tun zu haben. Kurzfristiges Denken behindert Kooperation, langfristiges Denken födert Kooperation. Das entspricht ja auch der Intuition: Plant eine Firma eine langfristige Kooperation, dann lohnt es sich nicht, den Partner wegen eines einzelnen Deals zu hintergehen.


    Berücksichtigt man diese Eigenschaften der menschlichen Psycho, dann kann es um Kooperation zu fördern sinvoll sein, eine ganz langfristige Perspektive aufzubauen. Im Christentum wird der Blick dazu auf das "jüngste Gericht" gelenkt. Ein zukünftiger "ganz grosser Deal" den man sich nicht durch kurzfristige Gewinn verscherzen soll. Und im Buddhismus wird mit dem "vereinfachten Karmaverständnis" eine ähnliches "langristiges Szenario" aufgebaut.


    So eine naive Herangehensweise ist für unsere Vorstellung (Ich vor dem Thron Gottes; Ich als zertrene Ameise) bestimmt pädagogisch einprägsamer als theoretisch präzisere Karmavorstellung, mit "mehrerer Zuflüssen". So dass alles dann doch wieder ganz kompliziert ist und ich irgendwie aus dem Schneider.


    Jetzt ist das natürlich eine Frage des Menschenbildes: Man kann einwenden, dass das alles eine eher mittelalterliche schwarze Pädagogik ist: Das Kind ist brav, weil sonst der "Schwarze Mann", "das Fegefeuer" oder das unerbittliche Gesetz des Karmas es einem schon zeigen werden. Und das es auch ohne "tranzendente Drohkulisse" Kooperation herzustellen. Also z.B aus Einsicht und Pflichtgefühl heraus oder druch die Drohung mit weltlichen Autoritäten ( Polizei, Gerichte, Presse usw.)


    Ich habe das Gefühl, dass das nciht unbedingt besser oder schlechter geht, als in traditionelleren Gesellschaften.

    kilaya:

    Um im Bild des Medikaments zu bleiben: ein Medikament richtet sich an jemand, der die dazu passende Störung hat. Dann sollte es richtig angewendet werden. Wenn es richtig erklärt und verschrieben wurde, und jemand missbraucht es dann mal, ist das dann der Arzt schuld?


    Ich finde es nicht so sehr zielführend, da Schuldfragen zu stellen, weil die ja leicht in so ein Hin- und Her von Angriff und Verteidigung ausarten.


    Es ist eher ein gesellschaftliches Problem wo es auf ganz viel Abwägen rausläuft. So wie man vielleicht auf medizinischen Kongressen das Verschreiben von Andidepressiva gegenüber andere Therpieformen abwägt. Und da muss man vieles abwägen:


    Ist das "vereienfachte Karma Konzept" wirklich das richtige für den Westen oder Geistern da so viele esoterische Ideen rum, dass es mehr Verwirrung als Erklärung bringt?


    Wem bringe ich es nahe? Ist es eher etwas für Leute die Zuflucht genommen haben und denen man auch einen längeren Waschzettel präsentieren kann oder kann ich es locker, flockig jedem erzählen?
    (Weil ich die Nebenwirkungen als so gering erachte, dass es nicht darauf ankommt)


    Ein "Ist da der Arzt oder der Patient schuld" ist viel zu kurz gegriffen.

    bel:

    Wenn die "vereinfachten Darstellungen von Karma" - eben aufgrund ihrer vereinfachten Darstellung, letztendlich in falschen Schlußfolgerungen mündet, dann mancht es schlicht keinen Unterschied, ob man sagt: "Du bist verantwortlich dafür, daß du in einem bestimmten Land geboren wurdest, daß du beim Überqueren der Straße verletzt wurdest, daß du an Meningitis erkranktest" - oder ob man sagt: du hast "Schuld" daran.
    Daraus kann, wenn überhaupt, nur falsches Mitgefühl erwachsen und die "Hilfe, dafür selbst Verantwortung zu unternehmen", setzt grundsätzlich an der falschen Stelle an - letztendlich ist es die Verweigerung von tatsächlicher Hilfe.


    Warum das Karma-Konzept in Indien und von der indischen Kultur dominierten Ländern trotzdem so hochgeschätzt wurde ist, dass es das hauptsächlich Mittel war, ethisches Verhalten einzufordern.
    Von daher wäre die Idee auf dieses Verständnis von Karma zu verzichten, da den Leuten wie eine vollkommen hinrrissige Idee erscheinen.
    Wenn die Sorge um zukünftige Leben die Leute dazu bringt, gut zu Handeln, dann ist der Verzicht darauf etwas, was üblem Verhalten und Verantwortungslosigkeit Tür und Tor öffnet.
    Von daher ist zu verstehen, wenn es auch trotz seiner Nebenwirkungen, hoch geschätzt wurde.


    Während man in China und den chinesisch orientierten Ländern ja die konfuzianistische Ethik hatte, das karama-Konzept also nicht als Fundament der Ethik benötigte.
    Im Gegenteil war es da ja fast hinderlich. Ein Chinese würde seine Pflicht gegenüber seinem Vater auch dann nicht verletzten, wenn das für ihn persönlich schlchte Folgen in zukünftigen leben hätte.
    Letzteres über ersters zu stelle würde nicht als besonders ethisch sondern als egoistisch gesehen werden.

    kilaya:

    Diese wie Du es nennst "vereinfachten Darstellungen von Karma" kommen in den mir bekannten buddhistischen Schulen immer sofort einher mit der Erklärung, dass es niemals um Schuld geht, es steht im Kontext der Belehrung, dass jeder mein Mitgefühl verdient und dass alle Wesen die Buddhanatur haben. Ausserdem geht es darum, den Leuten zu helfen, ebenfalls selbst die Verantwortung für ihre Handlungen zu übernehmen. Wenn das erste Ziel ist, dass man anderen nicht mehr die Schuld an dem eigenen Erleben gibt, dann wäre es abwegig, also Konsequenz daraus genau das zu tun. Ich tue also in der Folge immer das bestmögliche, egal wer vor mir steht. Die von Dir beschriebenen Nebenwirkungen sollten also nicht auftreten, wenn man den Waschzettel dazu auch gelesen hat.


    Der Punkt ist denke ich der, dass es eben nicht immer Heilige sind, die solche Konzepte anwenden sondern ganz normale, verblendete Leute. Und wenn ich egoistisch bin, warum soll ich denn dann das dazu anwenden, selber Verantwortung zu übernehmen und es nicht dazu benutzten, andere für ihr Schicksal verantwortlich zu machen?


    Das buddhitischen Konzepte missbraucht werden können, bedeutet ja nicht, dass sie schlecht wären. Es ist eher so eine Art von Tragik. Ich glaube, dass das hinduistische Karma-Konzept ursprünglich enstand, um das Kastensystem und damit die Herrschaft der Oberschicht zu sichern. Von daher besteht bei dem buddhitischen Karma-Konzept immer die Gefahr, dass da im Kontakt mit verblendeten Geistern der "buddhitische Lack" abblättert und es in seinen Urzustand (Legitimation des Status Quo) zurückfällt. Genau deswegen sind ja zusätzliche Ermahnungen und Waschzettel so notwendig.

    Für mich ist ein "Vereinfachtes-Karma-Konzept" vor allem ein Hilfsmittel:


    • Um Geduld zu kultivieren: Anstatt über das was mir passiert zu jammern, kann ich - indem ich es als Produkt früherer Taten ansehe - es annehmen lerne.



    • Als Aufforderung zu ethischen Verhalten. Stelle ich mir vor, was auch kleinste schlechte Taten in zukünftigen Geburten für schreckliche Auswirkungen haben, lass ich es lieber.


    Und weil diese beiden Wirkungen so positiv sind, nimmt man dafür "Risken und Nebenwirkungen" in Kauf. Zu diesen Nebenwirkungen gehören eben, dass subtilere Aspekte ausgeklammert werden. ( das was der Flluss-Metapher widerspricht) Aber auch, dass man es statt es als Waffe auf das eigene Ego zu richten, es dazu missbraucht es auf anderen richtet. Wo sich die Wirkung nahezug in das Gegenteil verkehrt:


    Das was den anderen angeht, als "Produkt seiner Taten" zu sehen, bedeutet "meine Verantwortung" zu relativieren, es nicht mehr als "mein Karma" zu sehen. Der Behinderte, Arme, Gefolterte ist selber schuld. So eine Sicht, führt zu weniger Ethik und weniger Geduld. So dient das Konzept zur Rechtfertigung aller möglichen Misstände.


    Dasss das "vereinfachte Karma-Konzept" Risken und Nebenwirkungen hat, bedeutet nicht, dass diese Risken die positiven Aspekte überwiegen würden (und auch nicht das Gegenteil) Für mich bedeutet es vor allem, dass man es nicht als etwas beingungslos Wahres ansieht, sondern als eine teilweise sinvolle und rechtfertigbare Vereinfachung. Etwas, was in seinem eigenen Kontext zielführend ist, es aber nicht sein muss, wenn man den Kontext ändert.


    Ist es nicht sogar so, dass Lamrim Texte immer so eine kleine Einleitung haben? Also, warum man sich Karma vergegenwärtigen soll und was für diverse Vorteile das hat?


    Wie die Aussage "Aspririn hilft gegen Kopfschmerzen" ist es etwas, was wenn man den Normfall ansieht, im Grossen und Ganzen stimmt. Was man aber als allgemeingültig Aussage so nicht stehen lassen kann, weil Aspirn manche Arten von Kopfschmerzen mitunter schrecklich verschlimmern kann. Von daher sind auch buddhitische Hilfsmittel keine magischen Allheilmittel sondern immer etwas, was auch "Risiken und Nebenwirkungen" hat.


    Von dem Pharmakologe Gustav Kuschinsky gibt es den schönen Satz: „Wenn behauptet wird, dass eine Substanz keine Nebenwirkung zeigt, so besteht der dringende Verdacht, dass sie auch keine Hauptwirkung hat.“