Beiträge von Der Unbuddhist im Thema „Wie der Zen William James von den Füssen auf den Kopf stellt“

    Selbst:

    ....kulturell bedingten Gegebenheiten... […] . Das ist alles bekannt und dürfte von den meisten auch so gesehen werden.


    Es gibt im Westlichen Buddhismus vielerorts einen 'Kult des Originals'. Das wäre nicht weiter problematisch, wenn die Leute daraus nicht Autoritätsansprüche ableiten würden. Das vermeintliche Original (im Zen, im tibet. Buddhismus, im sog. Theravada etc. pp.) ist aber, wie du sagst, bedingt durch "kulturell bedingte Gegebenheiten" – und zwar von Anfang an. D.h. der Meister selbst war bedingt. Das wird leider von den meisten nicht so gesehen. Weder Lehrer, und noch weniger ihre Schüler, sind meistens in der Lage, sich wirklich eine Bild zu machen über kulturelle Bedingtheiten. Ironischer Weise macht spätestens Madhymaika selbst mit diesem Kult des Originals Schluss.

    Monday:

    Das Kuriosum besteht eher darin, dass diese Ansicht von Sharf auf Dilworth zurück geht, der allerdings hierin Nishida UND James falsch verstanden hat, was die intellektuellen Relationen anbetrifft. Vgl. Maximiliane Demmel, Der Begriff der reinen Erfahrung bei Nishida Kitaro und William James und sein Einfluss auf Nishidas Begriff der religiösen Erfahrung. München 2004, S. 115 ff - insb. S.125.


    Danke für den Lit.-Hinweis. Würde mich übrigens nicht wundern, wenn derartige Komplikationen auftauchen, dass nun Sharf sich auf etwas bezieht was seine Quelle wiederum falsch verstanden hat....


    P.S. das mit dem bedingten Entstehen ist halt alles ein schreckliches duichAnanda.

    Ein Beispiel für den Veränderungsprozess, den verschiedene asiatische Formen des Buddhismus beginnen, wenn sie mit dem Westen in Berührung kommen, ist der japanische Zen. Dieser hat ab dem Ende des 19. Jahrhunderts eine völlige Neuprägung erhalten, die einem Wechselspiel exo- und endogener Einflüsse unterliegt. Trotz dieser Interaktion gibt es bei uns bis heute den Mythos vom Zen als einer uralten und reinen Tradition der Bilderstürmerei, die akademisches Lernen und das Ritual verneine und stattdessen Natürlichkeit, Spontanität und Freiheit bevorzugt. Zen soll die „reine Erfahrung“ sein, eine ahistorische und transkulturelle Erfahrung „reiner Subjektivität“ die diskursives Denken völlig transzendiert. Zen soll die ultimative und unmittelbare Erfahrung des Lebens sein, ohne dabei von kulturellen Artefakten beeinträchtigt zu werden. Darüber hinaus soll Zen die ursprünglich Quelle aller religiösen Erfahrung sein, westlicher wie östlicher. (vgl. ZN, 107)


    Tatsächlich jedoch lässt sich feststellen, dass dieser Zen ein Konstrukt ist, das seit dem ausgegehenden 19. Jhdt. entstand. Die bekannteste Person in diesem Zusammenhang ist der Autor D.T. Suzuki. Dieser neue Zen ist gekennzeichnet durch folgendes Axiom: „Zen zu studieren heisst, Zen zu erfahren, denn ohne die Erfahrung gibt es keinen Zen den man studieren könnte.“ (ZN, 127) Man wird diese Grundsatzaussage endlos variiert in jeder Zengruppe hören. Die Betonung der Erfahrung ist jedoch neu für den japanischen Zen und geht zurück aufSuzukis persönlichen Freund Nishida Kitarō. Von ihm geht in Zusammenarbeit mit Suzuki eine „neue Buddhismusexegese aus, die die reine und unmittelbare Erfahrung gegenüber Ritual und Studium privilegiert.“ (ZN, 123) Die Einflüsse für diese Entwicklung kommen aus dem Westen und lassen sich bis auf das besondere und neue Interesse an religiöser Erfahrung bei Friedrich Schleiermacher zurück verfolgen, wobei aber besonders der amerikanische Philosoph William James auf Nishida einen wichtigen Einfluss ausübte. Nishida wurde von Suzuki mit James bekannt gemacht, wobei man wissen muss, dass Suzuki Anfang des 20. Jahrhunderts wiederum eine jahrelange ‚Lehrzeit‘ in den USA durchmachte, während der er mit dortigen zeitgenössischen philosophischen Strömungen bekannt wurde. Nishida lernt über Suzuki James’ Erfahrungsbegriff kennen, der dann für den Zen des 20. Jahrhunderts von grösster Bedeutung wird – ohne dass er vorher im Zen eine solche jemals gehabt hätte. Kurios ist dabei, dass Nishida den von James importierten Begriff von der Erfahrung entgegen James’ Intention auslegt. Für James ist „in der psychologischen Introspektion einzig die Tatsache gegeben, daß Denk- und Erfahrungsprozesse vor sich gehen. Mit dieser Vorstellung folgt James der Tradition Humes, der die Existenz einer unveränderlichen substantiellen Seele oder eines reinen, identischen Selbst als Gegenstand der Introspektion bestritten und statt dessen behauptet hatte, es gebe lediglich die wahrgenommenen wechselnden Bewußtseinsepisoden. Für James und Hume gilt gleichermaßen: Bei der Introspektion müssen wir feststellen, daß sich uns kein „reines Selbst“ offenbart, das außerhalb der Empirie stehend die einzelnen Erfahrungsepisoden koordinieren würde.“ (PE, 6 f.)


    Das Kuriosum ist, dass Suzuki und Nishida Kitarō eine ihrer Quellen, was den überaus wichtigen Erfahrungsbegriff im neuen Zen angeht, schlicht völlig entgegen deren Intention verstehen: James kritisiert die Introspektion als verlässliche Quelle des Wissens, Nishida und Suzuki machen daraus eine Quelle reiner Erfahrung transhistorischer Wahrheit.


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    Litertaur:


    PE: William James: Zwischen Psychologie und Erfahrungsmetaphysik, Felicitas
    Krämer, in: e-Journal Philosophie der Psychologie, 2007, Internet: http://
    http://www.jp.philo.at/texte/KraemerF1.pdf (15.1.2015)


    ZN: The Zen of Japanese Nationalism, Robert H. Sharf, in: Curators of the Buddha, Donald S. Lopez, Jr. (Ed.), Chicago, 1995.