Beiträge von Selbst im Thema „Wie der Zen William James von den Füssen auf den Kopf stellt“

    Komisch, ich erlebe Zen ganz anders als du das beschreibst. Wäre vielleicht sogar schön, wenn es so wäre, ist es aber nicht. Gehe ich in ein Dojo, sind da kulturelle Verweise, meistens auf Japan. Bodhidharma soll schon mit einer Schrift, dem Lankavatarasutra, in China angekommen sein, so nicht-akademisch war das also nicht. Dann hat der Buddhismus sich mit dem Taoismus verbunden, also auch hier wieder die historisch und kulturell bedingten Gegebenheiten angenommen. Das ist alles bekannt und dürfte von den meisten auch so gesehen werden.


    Der wesentliche Einfluss auf D. T. Suzuki dürfte von Soen Shaku ausgegangen sein, der sein Zenlehrer war. Ich habe den Artikel von Sharf nicht und kann nicht sagen, inwiefern er diesen Punkt reflektiert. Diesen Satz „neue Buddhismusexegese, die die reine und unmittelbare Erfahrung gegenüber Ritual und Studium privilegiert“ kann man nach meiner Ansicht aber nicht halten. Das Konzept "unmittelbare Übertragung außerhalb der Schriften" ist viel älter und kann durch viele Zitate von Zen-Meistern belegt werden, die lange vor Suzuki lebten. In der südlichen Zenschule wurde schon wu-nien, Nicht-Gedanke, als Ideal angesehen (das "diskurvises Denken transzendiert", um deinen Ausdruck aufzugreifen), und Erwachen war kein Akt, dem man durch graduelle Studien oder Ritualausübung erwarb, sondern spontan. Diese Idee beruhte darauf, dass man von Geburt an Buddhanatur habe, und die Vorläufer dieses Gedankens finden sich schon bei Tao-sheng und anderen. Es ist jedenfalls nicht verwunderlich, das bei dieser These jegliche Einflüsse von Schriften, Ritualen, historischem und lokalem Kontext zurücktreten mussten, denn "von Geburt an" heißt ja immer und überall, egal unter welchen Umständen.


    Mir scheint, Sharf liegt hier vollkommen daneben, oder du hast ihn etwas verkürzt zitiert.