Beiträge von Sudhana im Thema „7 Jahre in Tibet: Beispiele für den Buddhismus.“

    Selbst:

    Ich glaube, der Rest deines Beitrags, lieber Sudhana, zeigt eher, dass Harrer dich "kratzt"


    Dann hast Du meinen Beitrag nicht verstanden. Wobei ich nicht ausschließen kann, dass das an meiner Formulierung lag. Nachmal ganz deutlich: was mich 'kratzt' ist der alltägliche Faschismus und der Rassismus, der sich heute in Europa und insbesondere Deutschland nicht nur auf der Straße, sondern zunehmend auch in den Parlamenten zeigt. Und die Geschichtsvergessenheit, die dazu einen ganz erheblichen Beitrag leistet.

    Selbst:

    aber war dieser historische Exkurs nötig, in einem deutschen Forum, wo keinem Schüler die Geschichte des Nationalsozialismus unbekannt sein dürfte


    Anscheinend ja - wenn wir schon wieder so weit so weit sind, dass eine Mitgliedschaft in der SS als belangloses Detail, als "Persönliches und Privates" abgetan und dann auch noch darüber schwadroniert wird, es sei ignorant "dass man außer der eigenen Anschauungen[sic] keine anderen zulässt". Nun - Zulassen oder Nicht-Zulassen liegt gewiss nicht in meiner Macht. Dafür die Entscheidung, zu welchen Anschauungen ich schweige und zu welchen nicht. Was sich im Übrigen ja auch Yofi reichlich herausnimmt.


    Das Problem mit der "Geschichte des Nationalsozialismus", wie sie den Schülern "bekannt sein dürfte" - d.h. wie sie ihnen bekannt gemacht wird - ist, dass die anscheinend 1945 zu Ende war.

    Selbst:

    Warum nun Harrer buddhistische Reue nahegelegt werden soll, verstehe ich auch nicht,


    Du hast wirklich nicht verstanden, worum es mir geht. Harrer ist tot - es wäre ganz schön albern, ihm deśana nahezulegen. Genauso albern, wie über mitfühlenden Umgang mit Regenwürmern zu reden (oder zu schreiben), während im Mittelmeer zu tausenden Menschen auf der Flucht ersaufen oder die Parteigenossen zu Hause, denen man sich als Komplize angebiedert hat, sich zum Massenmord bereit machen. Auch hier die Frage: was hat das mit uns zu tun? Vielleicht noch einen Tick deutlicher: wie viel Harrer steckt in uns selbst? Wie weit ist das Verharmlosen und Beschönigen dessen, was er getan oder nicht getan hat, auch ein Verharmlosen und Beschönigen unserer eigenen karmischen Verstrickungen?


    ()

    Selbst:

    Lieber Sudhana, wegen der Produktionsgesellschaften und des französischen Regisseurs würde ich nicht einfach von einem "Hollywood-Film" sprechen wollen.

    Annaud macht so wenig französische Filme wie Petersen deutsche - und Mandalay Entertainment ist eine ziemlich typische Hollywood-Produktionsfirma wie auch der Film mE eine ziemlich typische Hollywood-Produktion. Aber das ist ein unwesentliches Detail.

    Selbst:

    Es wird gleich zu Beginn darauf hingewiesen, dass Harrer Nazi war.


    Das war einer der eher zaghaften kosmetischen Versuche der Schadensbegrenzung für diese 70-Millionen-Dollar-Produktion, nachdem Lehner Harrers problematische Vergangenheit publik gemacht hatte. Das Lexikon des internationalen Films fasst es recht mE gut zusammen:


    „Ein ausuferndes exotisches Star-Epos, das die Wandlung Harrers vom arroganten Egoisten zum Menschenfreund beschreiben will, darüber aber die Chance zu historischer und spiritueller Vertiefung verpasst. Eindrucksvolle Landschaftspanoramen sind das Beste, was der Film zu geben vermag.“

    Selbst:

    Und die Aufgabe, die der Schüler bekam, war ja eine andere: Was ist hier "Buddhistisches" zu entdecken? In einem Ethikkurs werden dann populäre buddhistische Filmklischees womöglich zu interessanten Fragen nach einer buddhistischen Moral.


    Zu den "interessanten Fragen nach einer buddhistischen Moral", die dieser Film aufwerfen könnte, habe ich anscheinend eine etwas andere Sicht bzw. andere Interessen. Ja - was ist hier, in diesem Film eigentlich "Buddhistisches" zu entdecken? Genau das ist eigentlich der Punkt, der mich zur Beteiligung an der Diskussion motiviert hat. Zunächst: ich halte diese Art des "Zugangs" (i.e. per Hollywood-Märchen) zum Buddhismus und meinetwegen auch zu buddhistischer Ethik für didaktisch völlig verfehlt, auch wenn das für Schüler/innen möglicherweise attraktiv sein sollte. Damit werden mE lediglich Stereotypen transportiert und Vorurteile - insbesondere über Buddhismus als 'exotische Religion' - verfestigt. Genau das sollte im Ethik- oder Religionsunterricht gerade nicht passieren. Aus diesem Grund stelle ich mich auch gelegentlich als Diskussionspartner für Schüler/innen im Rahmen des Schulunterrichts (in einer 'Fragestunde') zur Verfügung und bemühe mich, dort so unexotisch wie möglich aufzutreten - so trage ich da z.B. bewusst keine Robe. Ich bin dem evangelischen Religionslehrer (dem ich auch freundschaftlich verbunden bin) dankbar für solche Gelegenheiten - mir ist allerdings auch bewusst, dass es Religions- bzw. Ethiklehrer gibt, denen gerade daran gelegen ist, das 'Exotische' nichtchristlicher Religionen herauszustellen.


    Harrer steht nun in diesem Film (und in der gestellten Aufgabe) stellvertretend für den Europäer, der dem Buddhismus bzw. einer buddhistisch geprägten Kultur begegnet. Und eben da stellt sich ebenfalls - nicht nur hinsichtlich der Art, wie der Film 'Buddhismus' darstellt - die Frage nach der Authentizität des Dargestellten. Alltibasu ist mit der Beantwortung einer solchen Fragestellung im Rahmen seiner Aufgabe gewiss überfordert. Trotzdem halte ich es für sinnvoll, diese Frage zu diskutieren.


    Ein weiterer (und vielleicht wichtigerer) Aspekt: in eben diesem Zusammenhang und unabhängig vom Thema Buddhismus bzw. Begegnung eines Europäers mit dem Buddhismus empfinde ich auch die Verharmlosung und Relativierung der Nazi-Vergangenheit Harrers im Hinblick auf aktuelle politische Entwicklungen als - schlicht gesagt - beunruhigend. Wie schon geschrieben, geht es mir nicht darum, Harrer "schlechtzumachen". Er war so gut oder so schlecht, wie er eben war und spätestens seit er tot ist, kann ihn nicht mehr kratzen, was man über ihn sagt oder schreibt. Bemerkenswert ist es allerdings, dass es Andere kratzt. - was dann zu der erwähnten Verharmlosung und Relativierung führt.


    Die illegale österreichische SA, deren Mitgliedschaft sich Harrer zeitweise gerühmt hat, war eine Terrororganisation, von der sich bruchlos eine ideologische Verbindungslinie zum NSU ziehen lässt. Dem vorgeblich harmlos-naiven Sportfunktionär, der sich unmittelbar nach dem 'Anschluss' Österreichs um Aufnahme in NSDAP und SS bewarb, kann unmöglich entgangen sein, was zwischen 1933 und 1938 im Reich vorgegangen ist: bereits im April 1933 Boykott jüdischer Geschäfte (mit SA-Posten vor den Geschäften), jüdischer Ärzte und Rechtsanwälte, Zulassungsverbot für jüdische Ärzte, Entlassung jüdischer Beamter. Im Mai die Bücherverbrennungen, im Juni die Auflösung aller noch verbliebenen oppositionellen Parteien, im September der Ausschluss aller Juden aus kulturellen Berufen. Zwei Jahre später die Nürnberger Rassengesetze, mit Beginn des Schuljahres 1936 'Rassentrennung' an den Schulen. 1937 wurde das KZ Buchenwald in Betrieb genommen und die systematische Deportation der Juden begann. Alles Ereignisse, die nicht nur Herrn Harrer kaum entgangen sein können und die er mit seinem Eintritt explizit und öffentlichkeitswirksam gut hieß. Zumindest dafür übernahm er mit seinem Beitritt auch eine Mitverantwortung - und dass der Holocaust nur die logische Fortsetzung dieser Politik war, muss ihm allerspätestens 1952 aufgegangen sein.


    Wir hatten hier kürzlich einen Thread über 'Reue' und seine Rolle im Buddhismus. Ein interessantes Thema für einen Ethikunterricht wäre nun beispielsweise, ob und wie die Begegnung des Nazis Harrer mit dem Buddhismus bei ihm zu einer Reue und geistigen Umkehr geführt hat. Und da spreche ich nicht von einer Reue wegen der Beeinträchtigung seiner Popularität durch die späten Enthüllungen, sondern wegen einer anderen Sicht auf die menschenverachtende Ideologie, zu der er sich bekannt hatte. Dafür gibt es allerdings in den Schriften und sonstigen öffentlichen Äußerungen Harrers nicht das geringste Indiz.


    "Interessant" wäre dieses Thema selbstredend nicht wegen Harrer, sondern weil es auf ein generelleres Thema verweist, für das der 'Fall' Harrer lediglich ein mögliches Muster aufzeigt: wie wirkt sich die Begegnung mit dem Buddhadharma eigentlich auf unsere eigenen politischen Einstellungen und Ansichten aus und - wenn dies der Fall ist - welche Konsequenzen in Bezug auf unser Handeln ziehen wir dann daraus? So in Hinsicht Reue und Umkehr? Was bedeutet es für unser persönliches Verhalten, wenn z.B. Funktionäre einer zunehmend populärer werdenden Partei meinen, an den Grenzen solle auf Flüchtlinge geschossen werden oder es sei für Bürger unseres Landes unzumutbar, einen Nachbarn mit dunkler Hautfarbe zu haben? Oder wenn ein bereits einschlägig bekannter Dharmalehrer (ich zögere etwas, dieses Wort in diesem Zusammenhang zu gebrauchen) in einer Massenveranstaltung ein Späßchen über im Mittelmeer ertrinkende Flüchtlinge macht?


    Wie verhält man sich da? Ignorant? "Wie wenn man behaupten würde ganz allein auf der Welt zu sein wenn man sich nur fest genug die Ohren zu hält und die Augen schließt"? Anders gefragt - um Deine Metapher aufzugreifen: Wo ist hier eigentlich das Hauptgleis und wo das Nebengleis? Nochmal anders gefragt: was geht uns - Alltibasu und seine Mitschüler eingeschlossen - eigentlich dieser Film an?


    ()

    Yofi:

    Wenn jemand eine Botschaft rüberbringt, was macht mehr Sinn - sich mit dem Inhalt der Botschaft zu beschäftigen, oder sie zu ignorieren und alle möglichen Informationen über Persönliches und Privates des Boten zu sammeln? Das ist in meiner Vorstellung Ignoranz, die sich dadurch auszeichnet, dass man außer der eigenen Anschauungen keine anderen zulässt. Wie wenn man behaupten würde ganz allein auf der Welt zu sein wenn man sich nur fest genug die Ohren zu hält und die Augen schließt.


    Was ist die Botschaft hier in unserem Fall? Es ist der Hollywood-Schinken '7 Jahre in Tibet'. Was heisst, sich mit dem Inhalt der Botschaft zu beschäftigen? Zunächst einmal heisst das, die Botschaft, die ja vorgeblich eine wahre Geschichte erzählen soll, hinsichtlich ihres Wahrheitsgehalt zu prüfen. D.h. zu prüfen, was das von der Botschaft vermittelte Bild Tibets mit der sozialen und politischen Wirklichkeit Tibets der 40er Jahre des letzten Jahrhunderts zu tun hat. Und auch, was die in der 'Botschaft' von Brad Pitt gespielte Rolle mit Heinrich Harrer zu tun hat. Wer das ernsthaft tut, der erfährt etwas über die Botschaft - nämlich, dass sie keine wahre Geschichte erzählt, sondern Mythenbildung betreibt.


    Gutgläubig Botschaften zu schlucken - das ist Ignoranz.


    ()

    Alltibasu:

    Leute, liebe Leute. Könntet ihr diese Diskussion nicht in einem anderen Thread führen? Ich würde gerne Antworten auf diesen Beitrag bekommen, die auch was damit zu tun haben.


    Wenn Du Dir die Mühe machst, zumindest mal die von mir verlinkte Rezension des Buches über Harrer zu lesen (sie ist nicht sonderlich lang), dann verstehst Du vielleicht auch, was diese Diskussion (die von meiner und wohl auch von Elkes Seite ohnehin abgeschlossen ist) mit dem Film, über den Du schreiben sollst, zu tun hat. Jedenfalls mehr als Hollywood mit Tibet.


    Ist vielleicht gar nicht verkehrt, sich auch in dieser Hinsicht etwas Hintergrundwissen zu dem Film anzueignen.


    ()

    Elke:

    Ich habe zum Glück die Zeit des Nationalsozialismus nicht miterleben müssen, aber ich wage nicht zu behaupten, dass ich in der Zeit eine Heldin gewesen wäre.


    Es geht gar nicht um "Heldentum". Es geht darum, zumindest nicht mitzumachen - sich an Verbrechen nicht zu beteiligen. Wenn man nicht gerade Soldat war (Stichwort Befehlsnotstand) war man dazu nicht gezwungen.

    Elke:

    Und vermutlich hätte ich auch nicht gewagt, einer Partei nicht beizutreten, der man nicht beitreten "muss" - zumindest offiziell nicht "muss".


    Sorry, aber genau das ist eine der typischen Schutzbehauptungen der Mitläufer, der Du da aufsitzt - man sei irgendwie "gezwungen" gewesen, beizutreten und hätte nicht "gewagt" sich dem zu verweigern. Das ist nachgewiesenermaßen eine Lüge. Der Anteil der Parteimitglieder lag unter 15% der erwachsenen Bevölkerung des Deutschen Reiches. Bei SA und SS lag der Anteil selbstredend noch deutlich darunter. Die österreichiche SA, der Harrer beigetreten war, war vor dem "Anschluss" (bei dem diese Organisation eine entscheidende Rolle spielte) illegal - "gezwungen" war da mit Sicherheit keiner Mitglied. Die Aufnahme in die Partei wurde durch die Anordnungen 24/37 und 140/39 des StdF (Stellvertreter des Führers) geregelt. Zitat aus Anordnung 24/37: "Ein Zwang oder Druck, der Partei beizutreten, darf unter keinen Umständen ausgeübt werden, der Grundsatz der Freiwilligkeit als eines der wertvollsten und wesentlichsten Merkmale der Bewegung muss vielmehr voll aufrecht erhalten werden!" Im Gegenteil wurden etliche Bewerber in den mit deutscher Gründlichkeit penibel durchgeführten Aufnahmeverfahren abgewiesen - z.B. Geistliche, weil die o.g. Anordnungen die Aufnahme von kirchlich stark gebundenen Bewerbern untersagten.
    Das schlimmste, was einem als Nichtmitglied passieren konnte - vorausgesetzt, man gehörte keiner der Opfergruppen der Nazis an und hielt ansonsten das Maul - war, dass man bei der beruflichen Karriere hinter Parteigenossen zurückstehen musste. Daraus einen "Zwang" zum Beitritt abzuleiten, ist schlicht verlogen.

    Elke:

    Harrer mag eine gewisse Zeit Nationalsozialist gewesen sein - aber er hat - wie an anderer Stelle zitiert - zugegeben, dass er sich ideologisch verirrt hat.


    Zitat? Konkret hat Harrer von "jugendlicher Dummheit" gesprochen - die er, wie schon geschrieben, mit immerhin 26 Jahren begangen hat und von einem "Lebensirrtum". Und das nach 50 Jahren des Schweigens, erst nachdem ihm seine Nazi-Vergangenheit durch die im amerikanischen Nationalarchiv aufgefundenen Mitgliedsausweise nachgewiesen wurde. Ich würde das eher als "Lebenslüge" bezeichnen.

    Elke:

    Schlimmer finde ich die, die ihre Verirrungen nie aufgegeben haben


    Hat Harrer das denn? Zitat Harrer, 1997 im Spiegel zu seiner Mitgliedschaft in NSDAP, SS und SA: "Ich habe ein reines Gewissen".

    Elke:

    Und wenn jemand Propaganda für den IS macht, finde ich es natürlich nicht gut - muss ich darauf überhaupt eingehen??? Das wäre nur insofern vergleichbar, hätte Harrer auch danach noch Propaganda für die NS-Diktatur gemacht.


    Wie jetzt? Propaganda für die Terrororganisation NSDAP ist mit Propaganda für die Terrororganisation IS nur vergleichbar, wenn die "auch danach" (wonach? nach 1945?) noch gemacht wurde? Wieso? Weil Harrer - wie gefühlte 99,9% der Nazis - natürlich keine Ahnung hatte, was seine Parteigenossen da eigentlich trieben?

    Elke:

    Anstatt auf die Vergangenheit eines toten Mannes zu schielen, wäre es außerdem besser sein Augenmerk auf die Gegenwart zu richten


    Es geht nicht um Harrer. Es geht darum, nicht zu vergessen - gerade das schärft den Blick auf die Gegenwart. Harrer ist der Modellfall eines Karrieristen und Opportunisten, der sich verkauft hat. Für die Finanzierung seiner Himalyaexpedition, für einen gut dotierten Offiziersrang und Posten als Skilehrer in der SS. Wofür ist eigentlich egal - wichtig ist es, deutlich zu machen, dass man nicht damit durchkommt, wenn man sich korrumpieren lässt. Nochmals - es geht nicht darum, einen toten Mann zu dissen. Es geht darum, aus dem Fall 'Harrer' zu lernen. Wer die Geschichte vergisst, kann nicht aus ihr lernen. Wer aus der Geschichte nicht lernt, ist gezwungen, sie zu wiederholen.


    ()

    Elke:

    Ja, man kann sich im Nachhinein immer leicht das Maul zerreißen über Parteizugehörigkeit im Dritten Reich.


    Ja. Weil die Verbrechen dieser Partei offensichtlich und bestens dokumentiert sind. Diesen - sorry - dummen Spruch von Dir hört und liest man leider nur allzu häufig. Er unterstellt, die Zugehörigkeit zur Partei (wobei Harrer darüber hinaus noch zwei weiteren verbrecherischen Organisationen angehörte) sei irgendwie aus den Umständen der Zeit heraus entschuldbar oder zumindest verständlich - und übernimmt damit kritiklos die Rechtfertigungversuche der Täter. Dazu sollte man sich vor Augen halten, dass niemand gezwungen war, Mitglied der NSDAP, der SA oder der SS zu werden (bei der Waffen-SS gibt es gewisse Ausnahmen). Wer da Mitglied wurde, war nicht nur Sympathisant, sondern aktiver Unterstützer (Harrer zumindest als nur allzu williges Werkzeug der NS-Propaganda) verbrecherischer Organisationen, die einen Angriffskrieg und den größten Völkermord der Geschichte vorbereiteten und durchführten.


    Zumindest bedenkenlosen Opportunismus (bedenkenlos in Bezug auf die Opfer dieser Organisationen) kann man jedem dieser Mitglieder unterstellen. So viel "Maul zerreissen" darf nicht nur, sondern muss sein. Die ganze Erbärmlichkeit und moralische Verkommenheit eines solchen Verhaltens wie das von Harrer sollte offengelegt werden, um alles zu tun, damit die historische Lektion des Faschismus nicht noch einmal wiederholt werden muss, bis sie auch der letzte Idiot kapiert hat. Und zwar gerade in einer Zeit, in der sich das bekannte Brecht-Zitat "der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch" als erschreckend treffsicher erweist.

    Elke:

    Offensichtlich hat Harrer seine Verirrung erkannt


    Tatsächlich? Wo wird das für Dich "offensichtlich"? Weder in seinen Büchern noch in seinen Fernsehreportagen hat er sich jemals zu diesen "Verirrungen" bekannt. Wie die meisten, denen erst als der Krieg verloren war, bewusst wurde, dass sie sich "verirrt" hatten und die dann in ihrem charakterlosen Opportunismus auf das nächste Pferd setzten. Harrer z.B. auf die CIA, der er nach dem Krieg in Indien zuarbeitete. Gerade Harrer als jemand, der insbesondere bei der Nachkriegsjugend immer noch populär war, hätte sich als Aufklärer in eigener Sache nützlich machen können, wenn er denn bereit gewesen wäre, offen und öffentlich über seine "Verirrungen" zu sprechen und sie aufzuarbeiten. Das hätte Respekt und Nachsicht mit seiner "Verirrung" verdient. Aber er verhielt sich genau wie die meisten seiner Gesinnungsgenossen - Verschweigen und Verleugnung, bis die Beweise auf dem Tisch lagen. Und dann die Verharmlosungen und Lügen. "Jugendliche Dummheit" (immerhin war er schon 26, als er NSDAP und SS beitrat, 21 beim Eintritt in die illegale SA Österreichs), "Zwänge" (wer zwang ihn?). Für mich ist da etwas ganz anderes "offensichtlich" - nämlich, dass er ein skrupelloser Karrierist war.

    Elke:

    und meines Wissens nach hat er sich ansonsten nichts zuschulden kommen lassen.


    Würdest Du jemanden, der z.B. Propaganda für den IS macht, mit der gleichen Nachsicht behandeln? Weil er sich ja "ansonsten nichts zuschulden kommen" lässt? Die Mitgliedschaft in SA, SS und NSDAP, die unmittelbar verantwortlich für über 50 Millionen Kriegstote und über 13 Millionen Opfer von Kriegsverbrechen waren, ist also für Dich nur so eine Art läßliche Sünde?


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