Beiträge von Karnataka im Thema „Worauf will Nagarjuna raus?“

    Doris Rasevic-Benz:

    Das geschieht meiner Meinung nach, eben wenn Schwärmerei dominiert. Ästhetik selbst kann nämlich in weiten Teilen ganz gut erklärt und beschrieben werden, nicht nur der Goldene Schnitt. Aber wenn man anfängt auf Analyse und Beschreibung zu verzichten, wenn man sich kein bisschen mehr darum bemüht und alles einer diffusen Intuition überlässt, dann wird es sentimental, schwärmerisch und letztendlich gefährlich. Es ist das Vage, das verführbar macht. Der Verstand wird ja absichtlich abgeschaltet und diffamiert, so dass die Menschen dann resistent gegen jede Argumentation und jeden Zweifel werden. Bzw. zweifeln sie an allem, das ihrem Empfinden entgegenstehen könnte, nur nicht an sich, ihren Sentiments und am Objekt ihrer Sentiments, was Ding oder Mensch sein kann.


    Das stimmt nach meiner Ansicht nur teilweise. Natürliches Empfinden kann zu Ungerechtigkeit, Verführbarkeit usw. führen, dennoch bildet es den Ursprung moralischer Empfindungen. Reine Rationalität ist dagegen richtungslos. Angeblich hat schon der Maquis de Sade karikierend gezeigt, dass sich auch Grausamkeit mit Vernunft begründen lässt.

    void:

    Ästhetik bedeutete in dieser Zeit noch etwas anderes: Die Idee war, das man den Menschen einerseits auf eine intelektuellen Ebene erziehen kann, es aber eben darunter auch andere nicht-intektuelle -Ebene der "sinnlichen Erkenntnis" gibt, die man ebenfalls schulen sollte.


    Das Ästhetische ist also nicht rein das optisch/Akkustisch schöne sondern das was einen sinnlich anzieht. Und da ist es dann ja schon ein unterschied ob man sich an groben Sachen erfreut oder seine Wahenmhmungfähig so geschult hat, dass man sich an feinen Dingen erfreut, die einen in eine bessere Richtung bringen. So war da die Denkweise.


    Das bedeutet nicht, dass Künstler moralischer sind, sondern eher dass man als Künstler eine hohen moralische Verantwortung hat. So wie ein Art "geisitiger Koch" der den Leuten entweder was bekömmliches, gesundes oder einen abstumpfenden Frass servieren kann. Die Idee das man sich auch auf der sinnlichen Ebene Schulen sollte, war sicher eine gute Idee.


    Auch wenn dann aus einem "zufriedenen Schwein" ein "unzufriedener Sokrates" wird? Nein, im Ernst: Ich würde Schiller Recht geben, dass es Vernunft alleine nicht tut, sondern dass es auch Empfindsamkeit braucht, die mit ästhetischer Sensibilität vermutlich zusammenhängt. Im Gesamtpaket scheinen die „feinen Dinge“ die Menschen in eine bessere Richtung zu bringen.


    void:

    Das Ganze hat aber dann im 19.Jahrhundert zu so einem elitären Kunstreligion geführt, wo alle nur noch erhaben und empfindsam rumgetan haben und sowas von Schöngeister waren, die der hehren, erhabenen Kultur gefrönt haben. Was ja dann Nietzsche vernichtend kritisiert hat.


    Den eigentlichen Todesstoß besonders für die ästhetische Empfindung der Erhabenheit gaben totalitäre Regime wie der Nationalsozialismus, wo etwa die Filme von Leni Riefenstahl solche Empfindungen für manipulative Zwecke missbrauchten. Auch die harmlose Ästhetik der Nachkriegszeit entspricht einem Bedürfnis, das mitunter kritisiert wird. Für sich ist die ästhetische Empfindung weder gut noch böse.


    Sicher gehört die ästhetische Erziehung zum Schulunterricht. Auch empfinde ich in gewisser Hinsicht konservativ und sehe Kunst und Schönheit in enger Beziehung. Sind Künstler aber automatisch moralischer, wie Schiller behauptet?
    Schillers Zeitgenosse Immanuel Kant, der Philosoph der Aufklärung, brachte folgenden Gedanken: Wenn wir etwas für schön halten, haben wir den Anspruch, dass auch andere unser Urteil teilen. Dennoch treffen wir unser Urteil, ob etwas schön sei, selbstständig. (Beim Kitsch und in der Werbung ist das anders: Da wird etwas produziert, damit andere es schön finden sollen. Die Produzenten richtet sich also nach dem Geschmack der anderen.)


    Der Clou bei diesem Gedanken ist: Kant sah darin eine Ähnlichkeit von ästhetischem und moralischem Urteil. Auch das moralische Urteil möchte Zustimmung, entsteht jedoch nach Kants Ansicht aus innerer Überzeugung.


    Für mich zählt der Vergleich von Kunst und Ethik in der Hinsicht, dass es auch für Ethik aus meiner Sicht kein wissenschaftliches Testverfahren gibt, wie in jeder Situation richtig zu handeln sei. So wie man nicht wissenschaftlich festschreiben kann, wann etwas schön ist, gibt es auch für die Vielfalt der Welt keine universellen moralischen Regeln. Kant sah das bekanntlich ganz anders und wollte mit dem Kategorischen Imperativ ein universelles Testprinzip geben.
    Kants Ansicht von der "reinen Vernunft" ist im Rahmen der Aufklärung zu verstehen.
    Mit "Schiller, Mahayana, Christentum und Islam" würde auch ich meinen, dass es Mitgefühl braucht, um gute Lösungen zu finden.