Beiträge von Stero im Thema „Ist säkularer Buddhismus eine Religion?“

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    Stero:


    Interessant ist, dass eine Abkehr von klassisch religiös-metaphysischen Glaubensinhalten oft bewirkt, dass es eine Hinwendung zu säkularen, nicht weniger spekulativen und manchmal auch metaphysisch übersteigerten Glaubensinhalten gibt. So tritt z.B. oft eine "Weltverbesserungs"-Mission besonders zutage: Man glaubt, dass eine Verbreitung der eigenen säkularen Lehre die Gesellschaft positiv umzuformen vermag, wobei vollkommen unklar bleibt, was genau das Positive sein soll, das man anderen nahebringen will.


    Könntest Du für den ersten Teil Deiner Antwort bitte Beispiele geben? Säkular metaphysisch übersteigerte Glaubensinhalte?


    Na eben die Zuschreibung von inhärenter Existenz zu vermeintlichem moralisch "Positivem", stellt einen metaphysisch übersteigerten Glaubensinhalt dar. Ich mein, da streben Leute eine vermeintliche "Verbesserung" der Gesellschaft an und scheren sich einen Teufel drum, ob andere gut finden was sie selbst gut finden, bloß weil sie das was sie gut finden metaphysisch überhöhen. Das genau ist ein Merkmal von Religion: das sich Berufen-fühlen anderen einen Lebensstil aufzuzwingen, den die anderen vielleicht gar ncht wollen.


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    Zum zweiten: gibt es für Dich irgend etwas Positives, das es wert wäre übermittelt zu werden?


    Nein. Jeder soll, wenn er will, sich sein "Positives" selber suchen und anderen damit nicht auf den Sack gehen.


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    Ich stehe Weltverbesserern mit einer gehörigen Portion Skepsis gegenüber. Zuerst mal sollte sich jeder selbst verbessern.


    Ich stehe jedem "man sollte" skeptisch gegenüber, v.a. wenn es um eine Selbstverbesserung geht, die sich andere ausgedacht haben.



    Ich gehe davon aus, dass es 1. die Figur von Erzählungen als Figur von Erzählungen gibt und 2. es keine Wahrheiten gibt. Desweiteren gehe ich davon aus, dass 3. Menschen nicht abgeholt werden müssen und 4. Verehrung Ausdruck von Irrationalität ist.

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    ... Die sehr offene Form der Beschreibung, die Du wählst erlaubt den Begriff Religion auf vieles anzuwenden. Auf die Anhänger eines Fußballvereins wie die AFD. Könnte ich auch im Gespräch gut mit leben, wenn ich weiß, jemand sieht es so. In diesem Sinne wäre dann Buddhismus tatsächlich eine Religion.


    Um diesem Sachverhalt gerecht zu werden, unterscheide ich dann zwischen "klassischen Religionen" und sonstigen "quasi-Religionen" also religionsähnlichen Weltanschauungen, die ich aber auch oft einfach aus rethorischen Gründen als "Religion" bezeichne.
    "Fußballverein" als Religion kann ich mir aber nicht vorstellen. Bei politischen Anschauungen, die in politischen Parteien vorherrschen, dagegen schwingen sehr oft typisch religiöse Elemente mit: metaphysische Anreicherung der Begriffe zu "Gerechtigkeit", "Volk", "Nation", "Klasse", "Arbeiter und Bauern" etc.


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    Würde mich ja echt interessieren, welche Glaubenselemente Du festgestellt hast bezüglich des Buddha die für sB typisch und beschreibend sind. Vielleicht hilft es dem Gespräch wenn ich versuchen würde zu beschreiben, was für mich Buddha oder spezifisch 'Zuflucht zu Buddha' bedeutet.


    Wenn von einer Figur aus Erzählungen gesprochen wird wie von einer leibhaftigen Person, dann lässt das mMn tief blicken.


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    Du schreibst

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    dass der Unterschied zwischen traditonellen und säkularen Buddhisten lediglich darin besteht, dass die säkularen Buddhisten selektiv bestimmte Glaubensinhalte der Traditionellen ablehnen.


    Das ist nett, weil Du damit sB Leute wenigstens nicht aus der großen bunten buddhistischen Gemeinde gedanklich ausgliederst. In diesem Sinne wäre sB einfach nur eine Auswahl aus Bestehendem. Oder um ein Beispiel zu geben: ein veganes Restaurant ist weiter ein Restaurant im Sinne von 'Platz, wo man gegen Bezahlung individuell zubereitete Nahrung zum Dortverzehr erhält'. Es würde durch den Zusatz vegan nur angezeigt, daß bei der Zubereitung der Nahrung auf Tierteile oder -Produkte verzichtet wird.


    Wenn für mich Religion einfach Religion ist und ich nicht involviert bin, dann gibt es keinen Anlass für mich zwischen einer "wahren" und einer "falschen" Religion zu unterscheiden. Wenn aber jemand z.B. typisch hinduistische Ausdrücke verwendet und behauptet, dass er Buddhist sei, dann entspricht dies einfach nicht der Faktizität der konventionellen Religionsbezeichnungen.


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    Sind Dir bei Deinen Kontakten zu sB Anhängern schon mal Leute begegnet, die außer der Ablehnung selektiver Elemente der traditionellen Schulen auch über die Einbindung neuer Elemente (beziehungsweise die Verbindung neuer Elemente mit der Kernlehre) nachdenken?


    Interessant ist, dass eine Abkehr von klassisch religiös-metaphysischen Glaubensinhalten oft bewirkt, dass es eine Hinwendung zu säkularen, nicht weniger spekulativen und manchmal auch metaphysisch übersteigerten Glaubensinhalten gibt. So tritt z.B. oft eine "Weltverbesserungs"-Mission besonders zutage: Man glaubt, dass eine Verbreitung der eigenen säkularen Lehre die Gesellschaft positiv umzuformen vermag, wobei vollkommen unklar bleibt, was genau das Positive sein soll, das man anderen nahebringen will. Das erinnert dann irgendwie immer ein wenig an die Scientologie-Sekte.

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    Stero:


    Ich hab mal mit säkularen Buddhisten diskutiert :lol: Seitdem weiß ich, dass da wo "Buddhismus" draufsteht, Religion drin ist.


    Dazu ließe sich einiges sagen. Also zuerst schön, daß Du über den Tellerrand blickst und Austausch suchst.


    Nun, Konflikte sind Anlass für Rationalität. Deshalb ist das Erforschen von Konflikten anderer grundsätzlich der Rationalität dienlich. Die Ursache des Konfliktes zwischen manchen traditionellen Buddhisten und manchen säkularen Buddhisten besteht einfach in der Verwendung des Wortes "Buddhismus" auf beiden Seiten, der jedoch zu einer divergenten Begriffsbildung führt. Die "Abtrünnigen" können jedoch deshalb nicht von diesem Wort lassen, weil auch sie glauben und der Glauben unmittelbar mit dem Wort "Buddhismus" zusammenhängt.


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    Dann - das was säkularer Buddhismus genannt wird ist in der absoluten Findungsphase, da gibt es nur wenig was festgeschrieben wäre.
    Und dann, wie so oft hier (und anderswo), zu viel was der Begriffsbestimmung durch den einzelnen überlassen ist. Ich habe keine Idee ob das, was Du Religion nennst auch für mich unter diesen Begriff fällt. Dein Satz wäre außerdem, selbst wenn die Definition von Religion klar wäre undeutlich.


    Wenn sich irrationale Leute um ein Wort streiten, dann immer, weil sie keine Konvention bzgl. einer Definition haben, sich aber gar nicht bewußt werden, dass Definition das einzige Problem ist bzw. - weil sie eine irrational emotionale Beziehung zu dem Wort kultiviert haben - es gar ablehnen es als bloßes Definiendum anzuerkennen.


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    Zitat

    Seitdem weiß ich, dass da wo "Buddhismus" draufsteht, Religion drin ist.


    Hat Dir ein sB Anhänger gezeigt, wo aus seiner Sicht zu beanstandende religiöse Elemente in den etablierten b Schulen sind?
    Oder: hast Du erkannt, daß für Dich Buddhismus, egal ob säkular oder nicht immer irgendwie Religion ist?


    Würde mich interessieren - wo ist Religion in Buddhismus, spezifisch im säkularen Buddhismus?


    Ich habe einen naiven Glauben auf der Seite säkularer Buddhisten festgestellt, der sich zB immer dann äußerte, wenn sie über "den Buddha" sprachen. Ein weiteres Merkmal ist das Sozialverhalten, welches für Anhänger einer religiösen Glaubensgemeinschaft typisch ist. Auch hier gab es keinen Unterschied zwischen den säkularen und den traditionellen Buddhisten. Religion hat immer diese beiden Merkmale: Glaube und Sozialverhalten. Dabei ist das Sozialverhalten meist so dominant, dass Anlass besteht anzunehmen, dass Sozialtriebe der eigentliche Anlass zur Bildung von Glaubensgemeinschaften darstellen und nicht der Glaube an sich, dass also Glaubensinhalte nur Mittel zum Zweck des Auslebens von Sozialtrieben ist.
    Ich folgerte, dass der Unterschied zwischen traditonellen und säkularen Buddhisten lediglich darin besteht, dass die säkularen Buddhisten selektiv bestimmte Glaubensinhalte der Traditionellen ablehnen. Sonst gibt es keinen Unterschied. Die Kategorisierung als "Religion" liegt aber nicht an einzelnen spezifischen Glaubensinhalten, sondern an Glauben und an Sozialverhalten, welches für Glaubensgemeinschaften charakteristisch ist.