Beiträge von Sudhana im Thema „Mahayana-Buddhismus/ Mahayana-Sutren“

    accinca:

    Ja, wenn man so ein richtiger "Indologe" christlicher Kultur ist,
    dann hat man es schwer und glaubt hat was immer man will und hält
    sich gar für "die ewige Indologie" schlechthin die schon längst
    alles "bewiesen" hat.


    Ja, am besten liest man so etwas gar nicht erst. So werden die persönlichen ditthi nicht erschüttert und man kann ebenfalls glauben, was man will.


    Was ein

    Zitat

    richtiger "Indologe" christlicher Kultur

    sein soll weiss ich nicht. Meinst Du damit Leute wie Karl Eugen Neumann? Ohne Indologie hättest Du jedenfalls nie etwas vom Palikanon gehört - vom Lesen ganz zu schweigen.


    ()

    Yofi:

    Ja, ich meinte Sutta- und Vinaya-Pitaka. Das sind Überlieferungen der Lehrreden, die offensichtlich beim ersten Konzil zur Weitergabe bestimmt wurden.


    Das ist alles andere als "offensichtlich", das ist lediglich die offizielle fromme Entstehungslegende, die in der Indologie schon seit dem 19. Jahrhundert (Vinayeff) wissenschaftlich widerlegt ist. Im Palikanon lassen sich ältere (z.B. Sutta Nipata) und jüngere Textschichten identifizieren, insbesondere im Vergleich mit den erhaltenen Bruchstücken des nordindischen Sanskrit-Kanon und den chinesischen Übersetzungen der Agamas (die im Sanskritkanon den Nikaya des Palikanon entsprechen - in Deutschland arbeitet u.a. Bhikku Analayo darüber). Der Palikanon ist eindeutig nicht in ein paar Tagen (dem legendären 1. Konzil) entstanden, sondern hat einen längere Zeit (wahrscheinlich Jahrhunderte) andauernden Kanonisierungsprozess durchgemacht, der erst mit seiner schriftlichen Fixierung in Sri Lanka im 1. Jhdt. v.d.Z. abgeschlossen war. Genauso hat die Indologie auch die Legende widerlegt, Buddha Shakyamuni habe Pali gesprochen - es handelt sich um ein jüngeres Prakrit, aller Wahrscheinlichkeit nach eine reine Literatursprache (ähnlich dem klassischen Sanskrit), die nie Umgangssprache war.


    ()

    Thomas23:

    Im Theravada werden die Mahayana-Sutren ja größtenteils als nicht authentische Schriften, sprich nicht vom Buddha selbst gesprochene Lehren, angesehen und daher abgelehnt wenn ich richtig verstanden habe.


    Das ist so weit richtig. Die von den Theravadin als "authentisch" anerkannten Lehrreden sind kanonisiert - d.h. in den Tipitaka (Palikanon) aufgenommen. Nicht anerkannte eben nicht.

    Thomas23:

    Ich habe aber auch aufgeschnappt das es durchaus vereinzelte Mahayana-Sutren gibt die auch vom Theravada anerkannt werden.


    Was soll "anerkannt" hier genau bedeuten? Sicher nicht als Buddhavacana ("Worte Buddhas") anerkannt. Die frühbuddhistische Schule der Mahāsāṅghika z.B. übernahm zu einem unbekannten Zeitpunkt verschiedene Mahayana-Sutren in ihren Kanon (dies berichtet jedenfalls Paramārtha, 499-569) - die Theravadin haben so etwas nie getan.


    Thomas23:

    Des weiteren habe ich hier im Forum gehört das mittlerweile in der Forschung die Ansicht vertreten werde das der Mahayana-Buddhismus älter als bislang angenommen wurde ist und ebenfalls zu den älteren Schulen gerechnet werden könne.
    Ich wüsste es gerne genauer, d.h. zB welche Mahayana-Sutren denn als authentische Buddha-Reden eingestuft werden, wann und wo denn der Mahayana-Buddhismus gem. aktuellen Forschungsstandes nun entstanden ist.. usw.


    Wie "alt" das Mahayana ist, hängt davon ab, wie man Mahayana definiert. In der Regel macht man das an bestimmten Ideen fest bzw. man sucht den Zeitpunkt, an dem diese erstmals schriftlich formuliert wurden. Das ist insofern problematisch, als - genau wie bei den Sutten des Palikanon - hier eine längere Zeit mündlicher (und daher naturgemäß nicht datierbarer) Überlieferung vorausgesetzt werden kann. Außerdem haben Ideen eine (Vor-)Geschichte - und manche Kernideen des Mahayana (die dann später ausgebaut und weiterentwickelt wurden) waren schon Bestandteil der Lehren frühbuddhistischer ("Hinayana-") Schulen, insbesondere der Mahāsāṅghika und der Lokottaravādin, aber auch der Sarvastivādin.


    Manche, die sich mit diesem Thema wissenschaftlich befassen, gehen heute davon aus, dass sich das Mahayana vor allem in Kreisen von als Anachoreten ('Einsiedler') lebenden Bhikshu entwickelte, während das sog. Hinayana eine Lehrauslegung war, die coenobitische ('in Gemeinschaft lebende') Bhikshu entwickelten. Möglicherweise liegt der Keim der auseinandergehenden Entwicklung schon in den Vorgängen unmittelbar nach Buddha Shakyamunis Parinirvana:


    Zitat

    In dieser Zeit ging der ehrwürdige Purāno in den südlichen Hügeln auf Almosen mit einer großen Mönchsgemeinschaft, mit 500 Mönchen. Nachdem die Ordensälteren Lehre und Or­densregeln rezitiert hatten, wanderte der ehrwürdige Purāno nach Rājagaha zum Bambuspark, zum Hügel der Eichhörn­chen, zu den ordensälteren Mönchen. Er ging zu ihnen, wech­selte freundliche Begrüßungsworte mit ihnen und setzte sich seitwärts. Zu dem seitwärts sitzenden ehrwürdigen Purāno spra­chen die ordensälteren Mönche: "Von den ordensälteren Mön­chen sind Lehre und Ordensregeln rezitiert worden. Schließe dich dieser Rezitation an." – "Brüder, wohl rezitiert worden sind sicher von den Ordensälteren Lehre und Ordensregeln. Aber ich habe die Lehre vom Erhabenen von Angesicht zu Angesicht gehört und aufgenommen. So will ich sie bewahren."
    Vinaya Pitaka, Cullavagga XI,2


    Grundsätzlich hat man im Mahayana einen anderen Begriff von "Authentizität" als im Theravada. Buddhavacana (und damit implizit als authentisch anerkannt) sind nach der einen Auffassung lediglich die von dem historischen Siddharta Gautama Shakyamuni Buddha gesprochenen Worte. Was auch erklärt, warum fundamentalistische Theravadin darauf bestehen, die Sutten seien ipsissima verba Buddha Shakyamunis - also genau so und nicht anders gesprochen (in Pali, selbstverständlich). Eine Annahme übrigens, der kein ernstzunehmender Indologe heute noch folgt. Nach der anderen Auffassung ist 'Buddha' keine einzelne Person (schon gar keine historische Person), sondern jemand, der anuttarā-samyak-saṃbodhi (Shakyamuni Buddhas Erwachen) erfährt bzw. nachvollzieht/aktualisiert und aus dieser Erfahrung heraus (die ihn zum Buddha macht) lehrt. Das wiederum legt an die 'Authentizität' (in diesem Sinne) der Mahayana-Sutren einen Maßstab an, dem womöglich nicht jedes dieser Sutren durchgehend gerecht wird - mit dem allerdings auch nur ein ebenfalls Erwachter richtig messen kann. Nur Buddhas können Buddhas erkennen, heisst es im Lotossutra. Wobei man da (bei dem "gerecht werden") auch die Umstände beachten sollte. Anliegen der Theravadin ist es, die Lehren eines historischen Buddha zu konservieren und möglichst getreu zu überliefern. Anliegen der Mahayanin ist es, Lehren der Buddhas aller Zeiten zu überliefern - die notwendig jeweils auf einen bestimmten Kontext (bestimmte Zuhörer, ein bestimmtes geistig-kulturelles Umfeld) zugeschnitten waren. Es sind 'geschickte Mittel' und insofern nicht notwendig für jeden 'geschickt'.


    Der eigentliche Unterschied liegt noch etwas tiefer. Die Theravadin vertreten den Standpunkt, dass es in einem Weltzeitalter (kalpa) immer nur einen Buddha geben kann, der sich von einem Arhat darin unterscheidet, dass er den Weg zur Befreiung aus eigener Kraft erkannt hat, ihn bis zum Ende gegangen ist und ihn anderen gelehrt hat. Für das Mahayana hat jedes fühlende Wesen das Potential, Buddha zu werden - und der Arhat ist den Weg Buddhas nicht ganz bis zum Ende gegangen. Es ist eine unterschiedliche Sicht auf "Übertragung" - der eine Anspruch ist es, die Worte Buddhas zu übertragen. Der andere (zweifellos anspruchsvollere), das Erwachen Buddhas zu übertragen und dabei die Fülle der Mittel zu nutzen.


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