Beiträge von Doris im Thema „Wie wird man schwere Anhaftungen los?“

    Askese
    Genau das meine ich auch.


    @Sherab
    Ja, das schafft Platz für neue Herausforderungen und das Entdecken anderer Aufgabengebiete.


    Es ist ja immer die Rede vom Affengeist. In der tibetischen Tradition wird der Affengeist sogar in den Meditationen sinnvoll beschäftigt. Da weiß man um die Realität, dass der Geist beschäftigt werden will.
    Ich merke bei mir selbst: Ist der Geist genügend beschäftigt, dann kann er auch mal still sein. Er sucht dann nicht ständig, sondern ist satt. Das ist kein Erschöpfungszustand, wie er eher beim sinnlosen Umhersuchen entsteht, sondern ein angenehmer und entspannter Zustand. Sich zumüllen, um Löcher zu stopfen, das verursacht geistige Erschöpfung und negativen Stress, weil keine Befriedigung erreicht wird.

    Anandasa:


    Das Problem ist, dass ich angefangen habe mir meinen "Stoff" zu Hause zu holen, indem ich mir ganz tolle Sachen aus dem Internet runtergeladen habe und an solchen Sachen aufbauend mir meine eigene Sachen erstellt habe. Nach kurzer Zeit gefiel mir meine "Arbeit" zu Hause viel besser als im Geschäft. Folge war, dass die Arbeitsleistung im Geschäft runterfiel und es fing an ernst zu werden, aber ich komme aus meiner Endlosschlaufe nicht raus und bastele ständig zu Hause weiter an meinem Kram. Ich habe zwar damit aufgehört, weil klar ist, dass das schädlich ist. Aber es spukt dann weiterhin in Endlosschlaufen in meinem Kopf rum als eine Art Ersatzhandlung. Das Ganze ist nicht nur ein "Problem an der Arbeit". Es dauert jetzt 3 Jahre und ich hätte nicht hier ein Post gemacht, wenn ich das Gefühl hätte ich könnte es selbst wegkriegen.


    Du hast zwar Sherab geantwortet, ich schalte mich aber mal dazwischen, weil ich dies genauso kenne.
    Ich bin Grafikerin und Lithografin. Die ersten fünfzehn Jahre waren extrem anstrengend und herausfordernd. Da war gar keine Zeit für andere Dinge, ich habe aber viele Interessen. In den letzten Jahren ist viel Routine geworden, und manchmal ist das langweilig. Ich freue mich daher immer über Jobs, die ich noch nie gemacht habe und nehme alles an, auch wenn ich davon keine Ahnung habe. Ich nutze die Gelegenheit, und bringe mir dann was Neues bei.


    Auf der einen Seite sind die Routine-Jobs ganz angenehm. Diese Dinge mache ich mit links, und das tut einfach gut nach all den Jahren Dauerstress. Aber manchmal ist da zuviel Routine und ich muss mir mein Maß an Anstrengung und Herausforderung aus anderen Arbeiten ziehen. Dennoch ist da eine Zerrissenheit, denn ich möchte mich voll auf meine anderen Aktivitäten konzentrieren, werde aber von meiner Arbeit immer wieder darin unterbrochen. Ich arbeite von zu Hause aus.


    Ich finde es höchst unbefriedigend nicht herausgefordert zu werden. Ebenso unbefriedigend ist es, den größten Teil des Tages Dinge machen zu müssen, die schlicht zu leicht fallen und die anspruchsvolleren Dinge an den Rand schieben zu müssen. Ich möchte das gerne machen, aber kann nicht. Darunter leidet die Konzentration. Du siehst, Du bist damit nicht alleine. Erwiesenermaßen ist eine Portion Stress wichtig für unser Gleichgewicht. Hinlänglich bekannt ist auch, was Unterforderung mit Kindern in der Schule anrichtet.
    Meine Schreibereien im Internet sind übrigens auch der geistigen Unterforderung geschuldet. :roll: Für intensivere Kopfarbeit wie Sprachen, gibt es einfach keine freien Zeiträume, die groß genug sind.


    Ich kann und will meine Arbeitssituation nicht ändern, denn sie hat Vorteile, die mir nichts anderes bietet. Sie ist ideal. Es sind also die Projekte, die anspruchsvoller sein müssen, also mit mir mitwachsen sollen. Der andere Punkt, an dem ich wiederum wachsen muss, ist, mich besser zu organisieren. Bei mir ist also durchaus noch ein großer Spielraum vorhanden. Wenn das bei Dir nicht ist, weil Dein Job das nicht erlaubt, die Firma Dir keine neue Herausforderung bieten kann, es keine anderen Aufgaben gibt, kannst Du einen Wechsel in Erwägung ziehen.


    Du schreibst oben, dass Du Deinen Selbstwert daraus beziehst. Ganz klar wird nicht, was das für Dich bedeutet.

    Mir geht es um einen anderen Blick auf die Dinge und die Darstellung des Gegenpols.
    Natürlich geht es immer um eine Mitte, um ein vernünftiges Maß. Das steht außer Frage, und deshalb möchte ich nicht näher darauf eingehen, auch weil das von Fall zu Fall untersucht werden muss und jeder auf andere Ergebnisse kommen wird.


    Ich finde nur, das Problem des Fragestellers als "krank" zu werten und z.B. auf Meditation bis zum Abwinken zu verweisen, als problematisch. Als ob da was wegmeditiert werden müsste! Wenn man über einen längeren Zeitraum auf Hochtouren gearbeitet hat, dann dauert es zum einen eine gewisse Zeit bis sich Körper und Geist wieder umgestellt haben, zum anderen kann diese Langeweile auch ein Zeichen von Unterforderung sein. Diese wiederum erzeugt Stress und damit Unruhe, Unzufriedenheit und Nervosität. (So wie Depressionen oftmals infolge der körperlichen Einschränkungen bei einer Krankheit entstehen und nicht Ursache für die Krankheit sind.) Das ist nicht krank oder "unerleuchtet" oder "der heutigen schnelllebigen Zeit geschuldet".


    Zitat

    Im übelsten Fall kann Spaltung dazu führen, dass Menschen schubladisiert, idealisiert oder entwertet werden. Die eigene Gruppe wird dann natürlich immer als gut, gerecht und immer im Recht betrachtet. Gegenüber den Feinden besteht eine Hypersensitivität für alles Negative, Kritische, das zum Beweis für die eigene Überzeugung wird.


    Das geschieht aber genau dann, wenn Leute wie der Fragesteller in die "hyperaktive Ecke" gestellt werden oder sich gar selbst dorthin stellen.
    Bei dem ganzen geht es auch nicht um ganze Gruppen in ihrem gesamten Menschsein, sondern um Verhaltensweisen, und davon vereint jeder Mensch eine ganze Palette in sich. Deshalb habe ich Beispiele gebracht und nicht von "DEN XXX" geschrieben.


    Ich gebe zu, ich bin keine Freundin der Propagierung von Langsamkeit. Ich stehe mehr auf angepasste Tempi. Um den Klimawandel einzudämmen, müssen wir ein Megatempo draufhaben. Auch um Hungerkatastrophen zu verhindern. Und schleunigst Neues entwickeln. Beim Essen können wir uns mehr Zeit gönnen. Wenn ich auf dem Amt was brauche, dann möchte ich auch nicht den ganzen Tag warten müssen, obwohl ich nur ein Formular benötige.

    Zitat

    Einmal wäre es unvernünftig, bloß die Veränderung gutzuheißen. Auch psychologisch wäre eine Haltung problematisch, die Arbeitskollegen in solche und solche spaltet und eine Gruppe ablehnt.


    Es geht nicht darum Veränderung gutzuheißen, sondern darum, das dies ein menschliches Urbedürfnis ist und wir so gestrickt sind. Das ist die Anpassung des Gehirns an eine Welt, in der Veränderung eine Grundbedingung ist. Übrigens eine Grunderkenntnis der buddhistischen Lehre. Es ist einfach so, und wir sind dazu geboren, damit umgehen zu können.
    Ja, ich spalte, und das aus gutem Grund. Denk mal darüber nach, wie das ist, wenn Du auf eine Behörde gehst (um mal den Klassiker anzuführen), und da sitzt jemand, der stur nach Regel arbeitet, obwohl es völlig idiotisch ist. Sein Argument: So machen wir es immer, und jetzt mache ich Mittag. Oder denke an einen Arzt, der Dir seit Jahren dieselbe Medizin gibt, obwohl sie nichts hilft und null Anstalten zeigt, was neues auszuprobieren, sich auf den neusten Stand zu bringen. Oder denke daran, wie schwierig es ist, wenn Kollegen neue Regeln ablehnen, die eigentlich das Arbeitsleben leichter machen. Oder wenn sie zum hundertsten Mal kommen und Dich fragen wie ein PDF gemacht wird, weil sie keine Lust haben, sich eine halbe Stunde hinzusetzen und sich damit zu befassen.


    Im chronischen Widerstand sich auf Neues einzulassen, sehe ich ein psychisches Problem. Es ist auch ein gesellschaftliches. Denn die Leute mit dem Das-haben-wir-schon-immer-so-gemacht sind die eigentlichen Bremser jeder Entwicklung. Die Umwelt einfach ausgebeutet, das haben wir nämlich immer schon so gemacht, seit Jahrtausenden (nur waren wir weniger und konnten ausweichen). Auf unser Vorurteile stützen wir uns auch schon seit Menschengedenken. Unsere Unarten heutzutage scheinen nur neu zu sein. In Wirklichkeit sind sie Teil von uns, schon immer. Deshalb könnte es gut sein, dass wir als Geschlecht keine Chance auf ein Überleben haben und durch unsere schiere Anzahl kurz vor der Ausrottung stehen, wie bei der Eutrophierung eines Gewässers … Sollte eine Gruppe das überleben, dann weil sie sich anpassen kann, sich ändern kann, flexibel ist, keine Angst vor Veränderung hat, sich ihre Lernfähigkeit bewahrt hat.


    Zitat

    Denn ich glaube, eine solche Ansicht von unserem Gehirn steht doch in gewissem Widerspruch zu folgender Meinung: Ein vollendeter Buddhist sitzt da und hört dem Regen zu. Manchmal steht er auf und wäscht sein Geschirr.


    Ein Vollendeter, egal ob nun Buddhist oder sonst was, kenne ich als jemanden, der sich an die Gegebenheiten anpasst, der sich immer frisch dem zuwendet, was gerade ansteht. Er raisonniert nicht, er hält nicht fest, er ängstigt sich nicht. Er kennt sich aber gut, kennt seine Neigungen, seine Fähigkeiten. Er ändert das, was er ändern kann und findet sich mit dem zurecht, was er nicht ändern kann.


    Das Problem, das ich beim Fragesteller sehe, besteht nicht darin, dass er Herausforderungen sucht, sondern dass er an einem Arbeitsplatz verharrt, der ihm nicht mehr die Möglichkeit bietet, diesem Drang nachzugeben. Das Maß, welches ihm guttut, kann nur er selbst wissen. Um das herauszufinden, muss er vielleicht seine Situation ändern und erforschen, welcher Rattenschwanz sonst noch dran hängt – das geht in Richtung von dem, was Sherab Yönten beschreibt.

    Mir sind in meinem Arbeitsleben zwei Gruppen von Menschen begegnet: Die einen sträuben sich vor Veränderungen, die anderen brauchen Herausforderungen. Ich muss zugeben, mit letzteren zu arbeiten macht mehr Spaß und ist einfacher, vor allem, wenn es mal rund geht. Und wenn es ruhiger ist, dann sind sie offen für neue Dinge. Sie blicken immer über den eigenen Tellerrand. Mit Unruhe hat das nicht viel zu tun. Im Gegenteil. Mir erscheinen diese Leute viel ruhiger und stressresistenter zu sein, sie geraten nicht alle Augenblicke in Panik, sie sind unkomplizierter und räsonieren nicht ständig und können improvisieren.


    Unterforderung ist Stress. Das Gehirn braucht Möglichkeiten was Neues zu lernen. Es sträubt sich gegen Verkümmern. Langeweile ist wichtig, weil sie uns dazu bringt, was Neues zu lernen, was Neues auszuprobieren, kreativ zu sein. Ein gewisses Maß an Routine und Stabilität finde ich gut als Ausgleich und um Raum zu schaffen, damit ich mir was Neues aneigne, aber wenn die Arbeit nur noch daraus besteht, dann ist mir das viel zu wenig. Es gehört dann ein gehöriges Maß an Selbstdisziplin dazu, mit demselben Elan sich an die ewig gleichen Dinge zu machen. Ich glaube nicht, dass das Gehirn dafür geschaffen ist. Der Mensch scheint ein Lerntier zu sein.


    Wenn Du Dich in Deinem Job allmählich anfängst zu langweilen und keine Aussicht besteht, dass es wieder interessant ist – man verbringt schließlich den Großteil seines Lebens damit – dann wird es Zeit zu neuen Ufern aufzubrechen. Das kann ein neuer Job sein, eine neue Aufgabe in Deiner Firma, eine Weiterbildung, ein neues Hobby …