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Einmal wäre es unvernünftig, bloß die Veränderung gutzuheißen. Auch psychologisch wäre eine Haltung problematisch, die Arbeitskollegen in solche und solche spaltet und eine Gruppe ablehnt.
Es geht nicht darum Veränderung gutzuheißen, sondern darum, das dies ein menschliches Urbedürfnis ist und wir so gestrickt sind. Das ist die Anpassung des Gehirns an eine Welt, in der Veränderung eine Grundbedingung ist. Übrigens eine Grunderkenntnis der buddhistischen Lehre. Es ist einfach so, und wir sind dazu geboren, damit umgehen zu können.
Ja, ich spalte, und das aus gutem Grund. Denk mal darüber nach, wie das ist, wenn Du auf eine Behörde gehst (um mal den Klassiker anzuführen), und da sitzt jemand, der stur nach Regel arbeitet, obwohl es völlig idiotisch ist. Sein Argument: So machen wir es immer, und jetzt mache ich Mittag. Oder denke an einen Arzt, der Dir seit Jahren dieselbe Medizin gibt, obwohl sie nichts hilft und null Anstalten zeigt, was neues auszuprobieren, sich auf den neusten Stand zu bringen. Oder denke daran, wie schwierig es ist, wenn Kollegen neue Regeln ablehnen, die eigentlich das Arbeitsleben leichter machen. Oder wenn sie zum hundertsten Mal kommen und Dich fragen wie ein PDF gemacht wird, weil sie keine Lust haben, sich eine halbe Stunde hinzusetzen und sich damit zu befassen.
Im chronischen Widerstand sich auf Neues einzulassen, sehe ich ein psychisches Problem. Es ist auch ein gesellschaftliches. Denn die Leute mit dem Das-haben-wir-schon-immer-so-gemacht sind die eigentlichen Bremser jeder Entwicklung. Die Umwelt einfach ausgebeutet, das haben wir nämlich immer schon so gemacht, seit Jahrtausenden (nur waren wir weniger und konnten ausweichen). Auf unser Vorurteile stützen wir uns auch schon seit Menschengedenken. Unsere Unarten heutzutage scheinen nur neu zu sein. In Wirklichkeit sind sie Teil von uns, schon immer. Deshalb könnte es gut sein, dass wir als Geschlecht keine Chance auf ein Überleben haben und durch unsere schiere Anzahl kurz vor der Ausrottung stehen, wie bei der Eutrophierung eines Gewässers … Sollte eine Gruppe das überleben, dann weil sie sich anpassen kann, sich ändern kann, flexibel ist, keine Angst vor Veränderung hat, sich ihre Lernfähigkeit bewahrt hat.
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Denn ich glaube, eine solche Ansicht von unserem Gehirn steht doch in gewissem Widerspruch zu folgender Meinung: Ein vollendeter Buddhist sitzt da und hört dem Regen zu. Manchmal steht er auf und wäscht sein Geschirr.
Ein Vollendeter, egal ob nun Buddhist oder sonst was, kenne ich als jemanden, der sich an die Gegebenheiten anpasst, der sich immer frisch dem zuwendet, was gerade ansteht. Er raisonniert nicht, er hält nicht fest, er ängstigt sich nicht. Er kennt sich aber gut, kennt seine Neigungen, seine Fähigkeiten. Er ändert das, was er ändern kann und findet sich mit dem zurecht, was er nicht ändern kann.
Das Problem, das ich beim Fragesteller sehe, besteht nicht darin, dass er Herausforderungen sucht, sondern dass er an einem Arbeitsplatz verharrt, der ihm nicht mehr die Möglichkeit bietet, diesem Drang nachzugeben. Das Maß, welches ihm guttut, kann nur er selbst wissen. Um das herauszufinden, muss er vielleicht seine Situation ändern und erforschen, welcher Rattenschwanz sonst noch dran hängt – das geht in Richtung von dem, was Sherab Yönten beschreibt.