Beiträge von Useless im Thema „Ist die Übertragung des Zen in das Politische der Faschismus?“

    void:

    Ich assoziiere das Wort Faschismus stark mit einer Haltung, die in dem Spruch "Du bist nichts - dein Volks ist alles" ausgedrückt werden kann.


    Schon hier hätte ich vorsichtige Einwände, weil ich denke, dass diese Haltung eher 'nationalsozialistisch' als 'faschistisch' ist. Während in Deutschland das 'Völkische' (und damit natürlich Dinge wie Rasse) als primär betont wurde, war es im italienischen, französischen, spanischen, britischen Faschismus eher der Staat - also eher 'Du bist nichts - der Staat ist alles'. Das ist einer der Gründe, warum im deutschen Nationalsozialismus das Motiv des Antisemitismus eine viel stärkere (und mörderischere) Ausprägung erfuhr, als in den diversen europäischen 'Faschismen' (was natürlich nicht bedeutet, dass es dort keinen Antisemitismus gab, nur, dass er nicht konstituierend für das faschistische Denken war!).


    void:

    Allerdings haben wir uns ja ein Fortschritts-Denken angwohnt, in dem so ein vormodernes Denken den "Anderen", "Primitiven" zugeordnet wird, während Europa durch die französische Revolution hindurchgegeangen ist und sich individualisiert und modernisiert hat -eine Zivilisiertheit auf der sich traditionell viel an kolonialem Herrschaftanspruch gründete.


    Gerade die Verschmelzung der Masse unter der Ideologie des 'Fortschritts' führte ja zur Barbarei des 'Grande Terreur' in der französischen Revolution. Man kann also sagen, dass die Barbarei als Taufpatin an der Wiege der Moderne stand.


    void:

    Wenn Barbaren sich barabarisch aufführen und kollektiv denken, dann kann sich der fortgeschrittene europäische Chaivinist zurücklehnen, weil er insgeheim nichts anderes erwartet hatte. Während - wenn sich herausstellt, dass aus der Zivilisation selber wieder User19823barei entsteht - das so die ganze Idee von zivilisatorischen Fortschritt untergräbt.


    Ja, Du hast recht, aber das ist eben nur deshalb möglich, weil er die Wurzeln seines vermeintlichen 'zivilisatorischen Fortschritts' verdrängt. Etwas Ähnliches (und das ist Teil meiner Kritik an der inflationären Verwendung des Begriffes 'Faschismus') passiert, wenn übersehen wird, dass eine der Wurzeln des Faschismus (im Gegensatz zum Nationalsozialismus) eine Art 'aufholende Modernisierung' steht - nicht zu Unrecht gilt das 'Manifest des Futurismus' als ein wichtiger Ausgangspunkt im Denken Mussolinis. Interessant ist nun, dass diese 'aufholende Modernisierung' nicht nur im (rückständigen) Italien, sondern auch im rückständigen Russland (Lenin: 'Kommunismus ist Sowjetmacht plus Elektrifizierung des ganzen Landes') unter einer angeblich ganz anderen Ideologie zur Barbarei führten: Beide sind halt Projekte des 'Fortschritts'.


    void:

    Von daher scheint mir der Begriff "Faschismus" als ganz stark mit einem Zivilisationsbruch verbunden zu sein.


    Nein, der Vorwurf des Faschismus als 'Zivilisationsbruch' blendet die barbarischen Wurzeln dieser Zivilisation einfach aus.


    void:

    Die Ironie der Geschichte, scheint also zu sein, dass er selber so eine Unterscheidung zwischen ziviliserten und User19823baren vorussetzt. Nur wenn man in den Meiji-Japanern ziviliiserte Gentlemen sieht, kann man ihnen vorwerfen in die Faschismus zurückgefallen zu sein. Während man wenn man geneigt ist, in ihnen "asiatische Barbaren" zu sehen, es überhaupt keine Basis für eine solche Denkweise gibt.


    Das sich modernisierende Japan wurde zunehmend als Konkurrent auf dem Weltmarkt erkannt. Da war es dann halt einfach, diese Auseinandersetzung als einen Kampf zwischen 'Zivilisation' und 'Barbarei' hinzustellen (wieder unter Ausblendung der gemeinsamen Wurzeln in der Moderne).


    P.S.: Deine Anmerkung zum Islam ist wohl später dazugekommen? Deshalb bin ich da nicht drauf eingegangen.

    kongjiazhong:
    Axel:

    Ich wäre ja dafür, den Begriff Faschismus hundert Jahre wegzusperren, ehe man ihn wieder sinnvoll in der politischen Diskussion einsetzt. Mal abgesehen davon, dass (vor allem hier in Deutschland) kaum jemand differenziert zwischen Faschismus und Nationalsozialismus, 'Faschismus' ein Totschlagargument ist (und nicht die Beschreibung eines politischen Systems) und damit alles zwischen 'Find' ich Scheiße!' bis hirnloses Einschlagen auf Pegida gemeint sein kann, bedeutet er heutzutage im politischen Diskurs meisten: 'Stopp, hier diskutieren wir nicht weiter!'


    Sehe ich genauso. Es scheint hier so zu sein, dass Faschismus fraglos als etwas ganz, ganz … ganz Böses erscheint. Ezra Pound sah es anders. Es ist auch etwas, was es überall geben kann, wer will schon zwischen Italien der 20er - 40er Jahre und Japan während der Meiji-Restauration unterscheiden. Hauptsache, dass es astreine Demokraten waren, die zum bislang einzigen Mal gute, gute … gute Atombomben auf wehrlose und vollbesetzte Städte warfen. Was wäre daran so verwerflich, wenn die Übertragung des Zen in das Politische "Faschismus" wäre und nicht, was heutzutage viel wahrscheinlicher ist, Konsumismus, Atomismus (die Monade und ihre Kernwaffe), Demokratismus, Kapitalismus (ist sowohl faschismus- als auch demokratiekompatibel), Geldregiertdieganzeweltunddasistauchgutsoismus und so weiter.
    Kongjiazhong


    kongjiazhong
    Du missverstehst (hoffentlich nicht absichtlich...) mein Zitat als Faschismus-Apologie.


    Es geht mir nicht darum, den historischen Faschismus oder die Militarisierung der japanischen Gesellschaft gegen Kritik zu immunisieren, sondern um eine gewisse Denkfaulheit, die glaubt, es wäre ein Erkenntnisfortschritt damit verbunden, einfach irgendwo ein Etikett draufzukleben.


    Um bei meinem Zitat zu bleiben: Ich kritisiere weniger das 'Draufschlagen' auf Pegida, als vielmehr das hirnlose Draufschlagen mit schiefen historischen Analogien.


    Um bei Deinem Zitat zu bleiben: Den 'politischen Menschen' Ezra Pound kann man mit guten Gründen kritisieren, weil sein (theoretisches) Verständnis des Begriffes 'usura' (Wucher) zu einer heillosen, durchgeknallten politischen Praxis geführt hat. Jetzt aber die 'Cantos' als 'faschistische Literatur' zu lesen, ist Denkfaulheit getarnt als Empörung.


    Die Schuld daran, dass mein Posting in diesem Sinne 'anschlussfähig' war, liegt allerdings bei mir... :x

    Ich wäre ja dafür, den Begriff Faschismus hundert Jahre wegzusperren, ehe man ihn wieder sinnvoll in der politischen Diskussion einsetzt. Mal abgesehen davon, dass (vor allem hier in Deutschland) kaum jemand differenziert zwischen Faschismus und Nationalsozialismus, 'Faschismus' ein Totschlagargument ist (und nicht die Beschreibung eines politischen Systems) und damit alles zwischen 'Find' ich Scheiße!' bis hirnloses Einschlagen auf Pegida gemeint sein kann, bedeutet er heutzutage im politischen Diskurs meisten: 'Stopp, hier diskutieren wir nicht weiter!'