Beiträge von K-Dorje im Thema „Sartres Ekel.“

    Spacy schrieb:

    Zitat

    Ist dieses Sartre nicht nach Stammheim gefahren um die Hohepriester der Freiheit von seiner Göttlichkeit zu überzeugen?


    Genau der war das. Die Linken hatten Sartre entdeckt, weil sein Existentialismus philosophische Rückendeckung für revolutionären Ideen bot. Heute ist der Enthusiasmus deutlich abgeflaut, weil man im Grunde jede Ideologie bei ihm verankern könnte, solange sie sagt: 'mein Ausgangspunkt ist der individuelle Mensch'. Auch den Buddhismus könnte man hier unterbringen, deshalb ist die Ausgangsfrage dieses Threads durchaus interessant. Die Sorge um das Individuum wäre im Mitgefühl und im Bodhisattvaideal gegeben, die Entsprechung zum Fehlen von höherem lenkendem Sinn wäre das 'Entstehen in Abhängigkeit', und die Geste der Erdberührung durch den Buddha passt auf die Idee, dass man selbst Verantwortung übernehmen muss, dafür wie man geworden ist und wohin man steuert. Was der R. in dem Park treibt könnte man wohl auch als Meditation bezeichnen.

    Da buddhistische Parallelen zu erkennen ist natürlich verlockend.
    Nun war Sartre ein franz. Philosoph, der mittels Romanen versuchte, seine eigene Theorie (Existentialismus) unter die Massen zu bringen. Die beschriebene Szene ist deshalb auch dahingehend zu beleuchten, inwieweit er sie sie ggf. als geschicktes Mittel verwendet, damit sich am Ende sozusagen der Existentialismus als Quintessenz ergibt.


    Spätestens nach Nietzsches "Gott ist tot" war den meisten Philosophen klar, dass (christliche) Religion doch nicht in der Lage war, für wiss. denkende Menschen eine letztgültige Begründung von Existenz zu liefern. Deshalb konnte sie auch nicht mehr als tragender Fixpunkt dienen für eine Suche nach Sinn im Leben, So ein Sinn, würde man ihn finden, wäre hilfreich, um z.B. Ethiken abzuleiten und dem eigenen Leben Richtung zu geben.


    Der Rouquentin in o.g. Buch sucht Sinn in seinem Leben, sucht Notwendigkeiten, um seine eigene Existenz zu rechtfertigen. Er findet aber im täglichen Leben wenig, statt dessen viel Sinnlosigkeit und Zufall der Existenz. Das führt bei ihm zu Melancholie und einem gewissen Ekel vor seinem Leben.
    In der Szene im Park wird ihm plötzlich klar, dass er die Welt (Existenz) bisher nie direkt, sondern immer durch die Brille von vorgefertigten Kategorien und Begriffen gesehen hat, die zwar Sinn lieferten, der aber gar nicht aus der Welt kam, sondern aus der Bedeutung der Kategorien und Begriffe. Und die waren menschengemacht. Beim Anblick der Wurzel gelingt es nun R, zum ersten Mal ohne diese Brille die Existenz direkt zu sehen (wie das gehen soll, verschweigt Sartre leider und Hermeneutiker wie Gadamer würden einwenden, das sei schlichtweg unmöglich, insbesondere, wenn man das Ergebnis des Anblicks dann doch wieder in Begriffe fasst). Wie dem auch sei, dem R.gelingt das und ihm wird klar, dass in der Existenz selber gar kein feststehender Sinn enthalten ist. Am Ende des Romans findet R. dann auch noch den nach Sartre richtigen Ausweg: Wir Menschen müssen selber Sinn geben, auf feste Fundamente können wir uns aber nicht stützen, sondern müssen jeweils neu beim Individuum in seiner Zeit ansetzen.


    Hm, ist das nun buddhistisch? Oder ist die beschriebene Szene vielleicht eine weitere Instanz von Illuminationserlebnissen, die zu allen Zeiten geschickt verwendet wurden, um die eigene Theorie im Numinosen zu verankern? Also, ich denke, Sartre würde zustimmen, wenn man den Buddhismus selber praktisch lebt, als Eine von mehreren möglichen Antworten auf das Existenzproblem.