Hallo Sudhana,
ein ausdrückliches Dankeschön für Deine hervorragenden Beiträge, vor allem für das spürbare Bemühen, auf komplexe Fragen keine einfachen Antworten zu geben. Deine Objektivität (und 'objektiv' bedeutet ja nicht automatisch 'kalt') empfinde ich als sehr wohltuend, so, als ob jemand ein Fenster aufmacht und frische Luft hereinlässt.
Du schreibst:
Sudhana:
Ich habe aus dieser Diskussion vor allem etwas grundsätzliches über die Rezeption des Buddhadharma im Westen gelernt. Zum einen hinsichtlich der Frage, ob der Buddhadharma als eine Religion im Sinne eines Glaubenssystems anzusehen ist. In den Ursprungsländern ist diese Frage wohl kaum einer Diskussion wert; ich habe mich jedoch lange der Illusion hingegeben, im Westen könne eine Erneuerung stattfinden, eine Reduktion auf das Wesentliche - nämlich eine praktische Philosophie. Insbesondere habe ich da im Rahmen der Inkulturation auf eine Verschmelzung mit der westlichen Aufklärungstradition, mit der entwickelten geisteswissenschaftlichen Methodik (nicht zuletzt dem historisch-kritischen Umgang mit überlieferten Texten) gerechnet. Offensichtlich waren meine Erwartungen in dieser Hinsicht überzogen. Nun ist diese Einsicht sicherlich nicht durch diese spezielle Diskussion hier ausgelöst, sie hat mich lediglich auf einen bislang von mir übersehenen Aspekt aufmerksam gemacht - nämlich darauf, wie sehr der westliche, durch die monotheistischen Religionen geprägte Religionsbegriff die westliche Wahrnehmung unterschiedlicher buddhistischer hermeneutischer Traditionen formt. Es scheint unvermeidlich zu sein, dass diese unter Rastern wahrgenommen werden, die durch Begriffe wie 'Sekten' oder 'Abspaltungen' geprägt sind - hinter denen nichts anderes steht als der den monotheistischen Religionen gemeinsame Begriff der 'wahren Lehre', in deren Besitz eine definierte Gemeinschaft ist, während die außerhalb dieser Gemeinschaft Stehenden als Häretiker, Spalter, Abweichler usw. wahrgenommen werden. Die Rezeption des Buddhadharma unter solchen, durch eine lange Geschichte westlicher religiöser Intoleranz geprägten religiösen Paradigmen, scheint mir die eigentliche Wunde zu sein, auf die Ansätze wie der säkulare Buddhismus den Finger legen. Ob der säkulare Buddhismus die Lösung oder nur eine Verkomplizierung des Problems ist, ist allerdings eine andere Frage.()
Ich möchte hier eine Lanze für die 'religiösen' Buddhisten brechen: Ihre Anliegen und ihre Herangehensweise muss nicht automatisch zu Enge und Dünkel führen. Schön wird das durch ein Buch illustriert, das ich (auf Anregung des Bücherthreads hier) gerade lese (bzw. höre): 'Buddhism - One Teacher, Many Traditions' vom Dalai Lama und Thubten Chödrön. (Und wer jetzt einwendet, das Buch sei von zwei Vertretern des 'Mahayana' geschrieben, sei auf das Vorwort von Bhante Gunaratana hingewiesen.)
Ich denke, auch die 'westliche Aufklärungstradition' muss einer fundamentalen Kritik unterzogen werden. Die 'dunklen' Seiten der Aufklärung sind eben (imho) kein bloßes 'Abweichen' von der reinen, unbefleckten Lehre, sondern ihr (vielleicht) inhärent. So kann man Goyas bekanntes 'El sueño de la razon produce monstruos' durchaus zweifach verstehen: Schlaf als Abwesenheit der Vernunft oder das 'Erschaffen von Monstern' als Funktion der Vernunft in ihrem 'Schlafmodus'. Den 'säkularen' Buddhisten kann man vielleicht den Vorwurf machen, dass sie an dieser Aufgabe (bisher?) mehr oder weniger grandios gescheitert sind (wenn sie es überhaupt als Problem erkannt haben).
Und zuletzt: Die Enge und der Dünkel von Verfechtern 'reiner Lehren' (egal welcher Seite) scheint mir jetzt nicht etwas zu sein, was nur im Westen zu finden ist. Ich erinnere da nur an den Umgang mit Buddhadasa (dem von der Orthodoxie Häresie vorgeworfen wurde) oder der engen Verschmelzung von Teilen der ceylonesischen Sangha mit 'Staatsinteressen'.